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Gummersbacher Stadtmagazin März 2019

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MAGAZIN<br />

mit Tipps und<br />

Informationen rund um Ihr gutes Recht<br />

Rechtsvon<br />

Rechtsanwälten Jost, Strombach & Beer, Gummersbach<br />

Verteidigung gegen Geschwindigkeitsmessungen<br />

mitgeteilt von RA Matthias Faulenbach<br />

Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Sozialrecht,<br />

Fachanwalt für Medizinrecht<br />

In der anwaltlichen Praxis nimmt die<br />

Verteidigung eines Mandanten gegen<br />

den Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit<br />

einen breiten Raum<br />

ein. Aufgrund immer neuer technischer<br />

Möglichkeiten sowie politischer<br />

Vorgaben steigt die Kontrolldichte<br />

im öffentlichen Straßenverkehr<br />

immer mehr. Es geht dabei<br />

etwa um die Feststellung von Abstandsverstößen<br />

oder um die Ahndung<br />

von Rotlichtverstößen. Im<br />

Mittelpunkt steht aber die<br />

Geschwindigkeitsmes sung. Die Geschwindigkeitsüberschreitung<br />

als<br />

solche ist wohl die am häufigsten<br />

geahndete Ordnungswidrigkeit. Die<br />

den Verstößen zugrundeliegenden<br />

Messungen erfolgen dabei auf unterschiedliche<br />

Weise. Neben Geschwindigkeitsmessungen<br />

mit Radar<br />

und Laser erfolgen auch Messungen<br />

mit Lichtschranken oder<br />

durch in die Fahrbahn eingebaute<br />

Sensoren. Un terschieden wird dabei<br />

zwischen bildgebenden und<br />

nicht bildgebenden Verfahren.<br />

Bei den Lasermessungen erfolgt die<br />

Geschwindigkeitsfeststellung entweder<br />

mittels eines Handlasermessgeräts<br />

oder über ein Stativ-<br />

Messgerät. Das zu messende Fahrzeug<br />

wird vom Messbeamten anvisiert,<br />

die Geschwindigkeit des<br />

Fahrzeugs wird festgestellt und auf<br />

dem Display des Messgeräts angezeigt.<br />

Ein Beweisfoto wird in der<br />

Regel, so etwa bei den übli chen<br />

Messgeräten des Herstellers Riegl,<br />

nicht gefertigt. Vielmehr liest der<br />

Messbeamte das Messergebnis<br />

vom Gerätedisplay ab und trägt es<br />

handschriftlich in das Mess-Protokoll<br />

ein. Das betroffene Fahrzeug<br />

wird später durch einen zweiten<br />

Beamten angehalten.<br />

Da eine bildliche Dokumentation<br />

der Geschwindigkeitsüberschreitung<br />

durch Fertigung eines Beweisfotos<br />

nicht erfolgt, war die<br />

Zulässigkeit derartiger Lasermessungen<br />

in der Vergangen heit teilweise<br />

umstritten. Es wurde ein<br />

„4-Augen-Prinzip“ verlangt, also<br />

eine Beteiligung von mindestens<br />

zwei Beamten am eigentlichen<br />

Messverfahren, um Fehlerquellen,<br />

insbesondere Übertragungsfehler,<br />

auszuschließen. Eine Vielzahl von<br />

Obergerichten, zuletzt das OLG<br />

Stuttgart (Beschluss vom<br />

26.01.2015 - 4 Ss 810/14) haben<br />

inzwischen aber übereinstim mend<br />

entschieden, dass ein ,,4-Augen-<br />

Prinzip“, nachdem eine Geschwindigkeitsmessung<br />

mit dem Lasermessgerät<br />

Riegl FG 21-P nur zur<br />

Grundlage einer Verurteilung gemacht<br />

werden kann, wenn der<br />

vom Messgerät angezeigte<br />

Messwert und die Übertragung<br />

dieses Wertes in das Messprotokoll<br />

von einem zweiten Polizeibeamten<br />

kontrolliert worden sind,<br />

nicht existiert. Demnach sind Lasermessungen,<br />

an denen nur ein<br />

einziger Messbeamter beteiligt ist,<br />

zuläs sig und verwertbar.<br />

Aus einem jüngst veröffentlichten<br />

Urteil des AG Dortmund ergibt sich<br />

nunmehr jedoch ein neuer Verteidigungsansatz<br />

gegen derartige<br />

Lasermessverfahren. Das AG<br />

Dortmund hatte sich mit folgendem<br />

Sachverhalt auseinanderzusetzen:<br />

Dem Betroffenen wurde mit Bußgeldbescheid<br />

der Stadt Dortmund<br />

zur Last gelegt, dass er als Führer<br />

eines Pkw am 06.06.2018 um<br />

20.36 Uhr in Dortmund auf der<br />

mehrspurigen Ruhr allee bei lebhaftem<br />

Verkehr in Fahrtrichtung<br />

Norden die dort zulässige<br />

Höchstgeschwindig keit außerhalb<br />

geschlossener Ortschaft von 60<br />

km/h um 21 km/h überschritten<br />

hat. Er solle nach Toleranzabzug<br />

mit einer Geschwindigkeit von 81<br />

km/h gefahren sein.<br />

Der Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung<br />

fußte auf einer<br />

Geschwindigkeitserfassung mit<br />

dem Lasermessgerät Riegl LR 90-<br />

235/P, die aus einer Entfernung<br />

von 312 m vorgenom men wurde.<br />

Der Betroffene bestritt die ihm zur<br />

Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung.<br />

Er wendete ein,<br />

die Lasermessung sei nicht ordnungsgemäß<br />

erfolgt, da bei der im<br />

vorliegen den Fall eingehaltenen<br />

Messentfernung von 312 m eine<br />

Zuordnungssicherheit zu seinem<br />

Fahrzeug nicht gegeben sei.<br />

Hintergrund ist das Folgende: Die<br />

Funktionsweise des vorliegend<br />

Mitglied der<br />

Rechtsanwalt Manfred Jost (bis 01.01.2008)<br />

Rechtsanwalt Ulrich Strombach (bis 01.01.2016)<br />

verwendeten Lasermess geräts<br />

Riegl LR 90-235/P und die Ermittlung<br />

der Geschwindigkeit basieren<br />

auf einer soge nannten Weg-Zeit-<br />

Berechnung. Hierzu sendet das<br />

Gerät 84 Laserimpulse in der Sekunde<br />

aus, die von dem anvisierten<br />

Fahrzeug reflektiert und zum<br />

Gerät zurückgeworfen werden. Die<br />

Entfernungswerte werden zum<br />

Messgerät übertragen, dieses<br />

misst im Übrigen die Zeit. Durch<br />

die Weg-Zeit-Berechnung kann<br />

sodann die gefahrene Geschwindigkeit<br />

des Fahrzeugs ermittelt<br />

werden.<br />

Um eine Messung dem betroffenen<br />

Fahrzeug zweifelsfrei zuordnen<br />

zu können, ist es daher entscheidend,<br />

dass die zur Berechnung<br />

herangezogenen und vom<br />

Messgerät ausgesende ten Laserstrahlen<br />

ausschließlich vom betroffenen<br />

Fahrzeug stammen bzw.<br />

reflektiert wer den. Es muss ausgeschlossen<br />

werden können, dass<br />

es zu einer Reflektion durch parallel<br />

oder hintereinanderfahrende<br />

Fahrzeuge gekommen ist.<br />

Maßgebliche Bedeutung besitzt<br />

dabei die Aufweitung des Laserstrahls.<br />

Dieser öffnet und weitet<br />

sich mit zunehmender Entfernung<br />

kegelartig wie eine „Schultüte“.<br />

Die Aufweitung des Laserstrahls<br />

wird in der Maßeinheit mrad angegeben.<br />

Eine Strahlenaufweitung<br />

des Gerätes von 5 mrad bedeutet,<br />

dass sich der Laserstrahl in 100 m<br />

Entfernung auf 50 cm aufweitet.<br />

Aufgrund dieser Strahlenaufweitung<br />

ist in der Bedienungsanleitung<br />

des Messgeräts eine Messentfernung<br />

von 300 m als kritische<br />

Grenze angegeben. Es heißt<br />

hierzu: ,,Die zu mes senden Fahrzeuge<br />

sind möglichst mittig anzuvisieren.<br />

Dadurch ist bei der Messung<br />

mehr spuriger Fahrzeuge bis<br />

zu einer Entfernung von 300 m<br />

aufgrund der engen Bündelung<br />

des Laserstrahls die Zuordnungssicherheit<br />

gewährleistet“.<br />

Um die Zuordnungssicherheit eines<br />

Messwertes bei einer Messentfernung<br />

ab 300 m gewährleisten<br />

zu können, muss nach<br />

der weitergehenden Beschreibung<br />

in der Bedienungsan leitung der frei<br />

zu haltende Zielerfassungsbereich<br />

auf ca. 350 cm erweitert werden.<br />

Es ist von dem Messbeamten also<br />

sicherzustellen, dass sich in diesem<br />

erweiterten Zielerfassungsbereich<br />

keine anderen Fahrzeuge<br />

befinden.<br />

Das konkret verwendete Gerät besaß<br />

eine Strahlenaufweitung mit 3<br />

mrad, darüber hinaus weitete sich<br />

der Zielerfassungsbereich des Geräts<br />

mit 7 mrad aus. Dies bedeutete<br />

vorlie gend bei einer Messentfernung<br />

von 312 m eine Strahlenaufweitung<br />

von 156 cm sowie eine<br />

Aufweitung des Zielerfassungsbereichs<br />

auf 218 cm, wie ein Sachverständiger<br />

feststellte. Bei einer<br />

Messentfernung von 312 m weitete<br />

sich der Zielerfassungsbereich<br />

des Lasermess geräts mithin in<br />

solch einem Umfang aus, dass von<br />

den entsandten Laserimpulsen die<br />

Kon turen des von dem Betroffenen<br />

gefahrenen Pkw (BMW 525d)<br />

verlassen wurden, so dass nicht<br />

ausgeschlossen werden konnte,<br />

dass Lasermessstrahlen auf hinter<br />

oder neben dem Betroffenen fahrende<br />

Fahrzeuge getroffen waren,<br />

die insofern die Messwertbildung<br />

störend beeinflusst haben konnten.<br />

Eine Messwertbildung ausschließlich<br />

bezogen auf das Fahrzeug des<br />

Betroffenen sei nur möglich, wenn<br />

durch eine zusätzliche Plausibilitätskontrolle<br />

des Messbeamten<br />

gesichert fest gestellt werden könne,<br />

dass sich zum Zeitpunkt der<br />

Messung keine seitlich oder hinter<br />

dem Fahrzeug des Betroffenen<br />

schneller fahrende Fahrzeuge aufgehalten<br />

hätten. Diese Kontrolle<br />

sei nicht erfolgt. Daher wurde der<br />

Betroffene freigesprochen (AG<br />

Dortmund, Urteil vom 20.09.2018,<br />

735 OWi 252 Js 1250.18-160.18).<br />

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung<br />

wird daher bei Geschwindigkeitsmessungen<br />

mit<br />

dem Lasermessgerät Riegl LR 90-<br />

235/P zu empfehlen sein, das jeweilige<br />

Messergebnis kri tisch dahingehend<br />

zu hinterfragen, ob die<br />

Zuordnungssicherheit überhaupt<br />

gewährleistet war. Hierzu sind anhand<br />

der Bedienungsanleitung die<br />

konkrete Aufweitung des Laserstrahls<br />

nach der sich aus dem<br />

Messprotokoll ergebenden Messentfernung<br />

zu prüfen und mit den<br />

Konturen des konkret betroffenen<br />

Fahrzeugs zu vergleichen.<br />

Jost, Strombach & Beer<br />

Rechtsanwälte<br />

Kanzleien<br />

Gummersbach<br />

Nümbrecht<br />

Moltkestr. 21 Langenbacher Str. 22<br />

D-51643 Gummersbach D-51588 Nümbrecht<br />

Tel. +49-2261-2909-0<br />

Fax +49-2261-2909-10<br />

e-mail: info@jostrobe.de<br />

www.jostrobe.de<br />

®<br />

Rechtsanwältin Karin Beer:<br />

Fachanwalt für Familienrecht<br />

Fachanwalt für Erbrecht<br />

Tätigkeitsschwerpunkte: Arzthaftungsrecht, Erbrecht, Zivilrecht<br />

Interessenschwerpunkte: Strafrecht, Versicherungsrecht<br />

Rechtsanwalt Matthias Faulenbach:<br />

Fachanwalt für Familienrecht<br />

Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />

Fachanwalt für Verkehrsrecht<br />

Tätigkeitsschwerpunkte: Familienrecht, Mietrecht, Straßenverkehrsrecht<br />

Interessenschwerpunkte: Strafrecht, Nachbarrecht<br />

Rechtsanwalt Torsten Strombach:<br />

Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />

Fachanwalt für Sozialrecht<br />

Fachanwalt für Medizinrecht<br />

Tätigkeitsschwerpunkte: Baurecht, Arbeitsrecht, Handelsrecht<br />

Interessenschwerpunkte: Internetrecht, Verwaltungsrecht<br />

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<strong>Gummersbacher</strong> Stadt-Magazin 02-19

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