Buch 1.indb - Hekatron
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Nachgefragt<br />
8<br />
Traumatisierung nach Bränden und Einbrüchen<br />
„Die Gefühle<br />
werden<br />
obdachlos“ Dr.<br />
Materielle Schäden sind oft nicht die einzige Folge, die Brände und Einbrüche<br />
für den Betroffenen haben. Dr. Christian Braune, Theologe und<br />
Psychotherapeut im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg-Boberg,<br />
beleuchtet in ProSicherheit die Auswirkungen dieser Ereignisse<br />
auf die menschliche Psyche.<br />
ProSicherheit: Welche psychischen Folgen treten<br />
nach Bränden und Einbrüchen auf?<br />
Dr. Christian Braune: Es handelt sich hier um<br />
zwei deutlich zu unterscheidende Situationen,<br />
die auch verschiedene seelische Folgen haben.<br />
Mit einer Brandverletzung etwa geht eine Irritation<br />
und Verletzung der Körperintegrität einher.<br />
Die Haut als uns schützende und bergende Hülle<br />
wird verletzt – das ist etwas sehr Spezifisches.<br />
ProSicherheit: Was unterscheidet eine Brandverletzung<br />
der Haut von anderen Verletzungen?<br />
Dr. Christian Braune: Feuer verändert das,<br />
was es erfasst, nicht nur partiell, sondern grundsätzlich.<br />
Die Folgen des Brandunfalls werden<br />
Wortweiser<br />
Phoenix e. V.<br />
nicht nur vom Betroffenen selbst, sondern auch<br />
von seiner Umwelt wahrgenommen. Nach einer<br />
schweren Brandverletzung sind Selbstvertrauen<br />
und Selbstwertgefühl stark angegriffen. In der<br />
letzten Phase der Behandlung von Schwerbrandverletzten<br />
organisiere ich deshalb oft einen Kontakt<br />
zu Phoenix, einer Selbsthilfegruppe, die<br />
sich mit ihrer hilfreichen und wohltuenden Arbeit<br />
um die Betroffenen kümmert.<br />
ProSicherheit: Wie ist es, wenn ein Brand keine<br />
Verletzungen, sondern lediglich materielle Schäden<br />
hervorgerufen hat – lassen sich die psychischen<br />
Folgen dann mit denen eines Einbruchs vergleichen?<br />
Die Selbsthilfegruppe Phoenix Deutschland – Hilfe für Brandverletzte e. V. ist<br />
ein Zusammenschluss von Brandverletzten, die ihre eigenen Erfahrungen mit<br />
einer solch dramatischen Verletzung an Betroffene weitergeben. Auf diese Weise<br />
ermöglichen sie ihnen eine Stärkung des Selbstbewusstseins und eine Neuent<br />
deckung des eigenen Ich. Wenn ein Brandopfer nicht gerettet werden konnte,<br />
steht Phoenix den Familien bei der Bewältigung ihres Schmerzes zur Seite. Auch<br />
vor dem Hintergrund, dass in Deutschland zwischen 6.000 und 10.000 Menschen<br />
jährlich bei Bränden schwerste Verletzungen erleiden, hat diese Arbeit mit den<br />
Betroffenen große Bedeutung.<br />
Christian Braune, Theologe und<br />
Psychotherapeut: „Der Ausbruch eines<br />
Feuers in der Wohnung hat eine seelisch<br />
verletzende Wirkung.”<br />
Dr. Christian Braune: Ja – es erfolgt hier sozusagen<br />
nicht ein Einbruch von Menschenhand,<br />
sondern durch das Element Feuer. Dieses Urelement<br />
zieht mit seinem Doppelcharakter von Faszination<br />
und Erschrecken die Menschen einerseits<br />
zutiefst an, versetzt sie auf der anderen<br />
Seite aber auch in einen panischen Angstzustand.<br />
Feuer ist schnell wie ein Tier, das einen<br />
anspringt – es ist nicht zu fassen und verändert<br />
alles das, was es erreichen kann, grundsätzlich.<br />
Der Einbruch eines Feuers, sein Ausbruch in der<br />
Wohnung hat eine seelisch verletzende, also<br />
traumatisierende Wirkung.<br />
ProSicherheit: Wie äußert sich diese Traumatisierung<br />
im typischen Fall?<br />
Dr. Christian Braune: Von den ersten Ursprüngen<br />
her ist der Mensch auf einen Schutzraum angewiesen,<br />
den er sich selber baut. Das Haus bedeutet<br />
für uns viel mehr als nur einen Schutz vor<br />
Kälte, Nässe und wilden Tieren. In unserem seelischen<br />
Erleben stellt es auch die Behausung für<br />
unsere Gefühle und Sicherheitsbedürfnisse dar.<br />
Wenn dieser Ort durch ein Feuer oder einen Einbrecher<br />
angegriffen und verändert wird, fühlen<br />
wir uns in diesen Aspekten unseres Lebens zutiefst<br />
irritiert, manchmal auch ein Stück weit<br />
obdachlos und schutzlos gemacht. Nachdem<br />
der Unglücksfall eingetreten ist, gibt es psychisch<br />
gesehen häufig einen Dreischritt: Wenn es nicht<br />
zu körperlichen Schäden kam, bindet die Sorge<br />
um die Dinge zunächst die ganze seelische Energie.<br />
Verhandlungen und Gespräche mit Versicherungen,<br />
Handwerkern und dem Vermieter tragen<br />
die Menschen über den ersten Schreck hinweg.<br />
Wenn schließlich alles organisiert ist, tritt das<br />
Äußere zurück. Seine Stelle nimmt die seelische<br />
Resonanz ein und schlägt hohe Wellen. Am<br />
Schluss aber muss beides zusammenkommen:<br />
Eine realistische Bewertung des Schadens soll<br />
dann auch eine realistische Einstellung des Betroffenen<br />
ermöglichen. •