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2019_517

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D.a. <strong>517</strong> ... aktuell * Rückblick April <strong>2019</strong><br />

Gemeinschaft inklusive<br />

Vortrag und Gespräch mit Domenig Gaegauf<br />

(HWW) Am Sonntagmorgen, dem 24. März, fanden sich 27 Personen im Seminarraum vom Zentrum für Kommunikation<br />

und Therapie im Atelier T 8 ein. Unter ihnen der Schweizer Domenig Gaegauf. Er war<br />

gebeten,über sein Leben und seine Sicht der Welt zu berichten. Das tat er dann auch sehr eindrucksvoll,<br />

unterstützt durch seine Eltern. Die Unterstützung war notwendig, da Domenig die Sprache fehlt.<br />

Domenig kommt 1982 zur Welt. Im Kleinkindalter<br />

ist seine stark verzögerte Sprachentwicklung auffallend.<br />

Er wird in einem anthroposophischen heilpädagogischen<br />

Kinderheim eingeschult. Allmählich zieht<br />

er sich immer mehr zurück und verliert sein sonniges<br />

Wesen. Man spricht von „autistischen Zügen“. Als<br />

Folge seiner seelischen Not entwickelt er in der<br />

Pubertät die ersten Aggressionsschübe. Eltern und<br />

Betreuer kommen nicht mehr an ihn heran.<br />

Heute ist die Situation eine ganz andere. Domenig<br />

diktiert seiner Mutter per Buchstabenstafel seine<br />

Gedanken. Gleichzeitig redet, despektierlich würde<br />

man sagen, brabbelte er, ständig dazwischen. Das<br />

teilt er gleich zur Begrüßung dem Auditorium mit.<br />

Und gibt die Empfehlung, dass man nur auf seine<br />

Mutter hören solle. Sein Vater liest sodann die von<br />

Domenig verfassten Aufzeichnungen seines Lebens<br />

vor.<br />

Nach knapp einer Viertelstunde sind die grundsätzlichen<br />

Dinge gesagt und die Zuhörer wissen, mit wem<br />

sie es zu tun haben. Die Befragung bzw. der Gedankenaustausch<br />

konnte beginnen und der wurde außerordentlich<br />

interessant und fruchtbar.<br />

Das Auditorium erlebt einen sehr emotionalen,<br />

intelligenten Menschen, der in einer anderen Welt zu<br />

Hause ist und dem lediglich die Sprache fehlt.<br />

Domenig spricht von sich auch nicht als behinderten<br />

Menschen. Er spricht von sich und überträgt das auf<br />

ähnliche Fälle, von Menschen mit „entstellter<br />

Oberfläche“. Allein in dieser Sichtweise beschreibt<br />

er eines der Grundprobleme. Unsere Gesellschaft<br />

urteilt nur allzu oft nach ersten, äußeren Eindrücken.<br />

Die Seuche der verallgemeinernden Vorurteile<br />

schafft Ungleichheiten und diskriminiert.<br />

Domenig setzt da seine Eindrücke aus seiner Welt<br />

Domenig Gaegauf (rechts) mit seinen Eltern<br />

dagegen. Er macht glaubhaft, an anderen Menschen<br />

Dinge zu erkennen, die „normale“ Menschen nicht<br />

erkennen. Er glaubt, Auren erkennen zu können. Mit<br />

dieser Fähigkeit könne er anderen Menschen helfen.<br />

Um sein Leben aber selbstbestimmt leben zu können,<br />

benötigt er Unterstützer. Dazu sind nicht alle<br />

Mitmenschen befähigt. In seinem Fall sind es in<br />

besonderem Maße seine Eltern.<br />

Domenigs Ansichten vom Leben ganz allgemein<br />

fanden im Auditorium breite Zustimmung. Der<br />

Mensch müsse ganzheitlich betrachtet werden. Und<br />

zwar durch sich selbst als auch durch die Gesellschaft.<br />

Körper, Geist und Seele müssten gleichermaßen<br />

gefördert und genährt werden. Allzu oft führen<br />

einseitige Bevorzugungen oder Vernachlässigungen<br />

– etwa durch die vorurteilsbehaftete Sicht – bei<br />

einem Menschen mit entstellter Oberfläche zu Frust,<br />

Verweigerung und in die Depression.<br />

Domenig lebt seit 4 Jahren in einer eigenen<br />

Wohnung. Und da träfen sich seine Ideen mit denen<br />

hier in Dedinghausen. „Denn hier wird mit dem<br />

LWL-Projekt ein derartiges Umfeld geschaffen.“ Der<br />

Schweizer ist voller Elan und Optimismus. Er will in<br />

einem Buch seine Sicht der Welt vermitteln und eine<br />

Praxis eröffnen, um anderen zu helfen.<br />

Nach gut einer Stunde bedankte sich Domenig beim<br />

Auditorium und Ludger Schulte-Remmert - als<br />

Organisator - bei Domenig und seinen Eltern. Bei<br />

einem kleinen Imbiss vertieften die gut zwei Duzend<br />

Anwesenden ihre Eindrücke und Erkenntnisse. Klar<br />

wurde, wenn man aufmerksam zuhörte, dass jeder<br />

der Anwesenden etwas mit nach Hause nahm. Man<br />

war schlauer als noch am Morgen des 24. März.<br />

D.a. <strong>517</strong>/19

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