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LEBE_115

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Thema<br />

Aaa<br />

wünschen. Schlaflose Nächte, hektische<br />

und nervende Stunden vor und nach<br />

der Arbeit - sie kennen sie noch nicht.<br />

Ob das neue Auto genügend Platz für<br />

Kinderwagen und -sitze bietet, ob der<br />

neue Couchtisch aus Glas oder Holz<br />

sein sollte, ob die Vase auf dem Board<br />

im Wohnzimmer sicher steht, ob ein<br />

entspannender Schaufensterbummel<br />

(einfach mal so!), ein erholsamer<br />

Wochenendtrip zu zweit „drin“ sind - all<br />

diese Fragen stellen sich ihnen nicht.<br />

Ihre Zeit gehört ihnen, ihr Geld, ihre<br />

Gedanken, ihre Zeit für Interessen und<br />

Hobbies, ihre Liebe und Sexualität - das<br />

alles gehört nur ihnen.<br />

Eigentlich also müssten Klaus und<br />

Helga sie beneiden. Doch wie so häufig<br />

im Leben und Dasein der Menschen<br />

zeigt sich auch hier so etwas wie<br />

ein Mysterium, ein anthropologisches<br />

Geheimnis: das Geheimnis des<br />

„Opfers“, das Geheimnis der Liebe, das<br />

Geheimnis von „Familie“.<br />

Welcher nicht bilanzierbare Reichtum<br />

steckt doch in jedem einzelnen Kind,<br />

das Nerven kostet und Sorgen bereitet!<br />

Die kleinen Freuden<br />

Eltern erleben diesen Reichtum täglich.<br />

Kinderlosen Freunden, denen sie<br />

hiervon erzählen, muss das ein wenig<br />

verklärt erscheinen: die Freude über<br />

eines ihrer Kinder, das endlich eine<br />

Angst überwunden hat. Das strahlend<br />

nach Hause kommt und begeistert von<br />

Erlebtem stammelt. Das unbeholfen<br />

der Mutter in der Küche helfen will.<br />

Das sich verschämt für irgendetwas<br />

mit einer linkischen zärtlichen Geste<br />

bedankt. Das von einem falschen Weg<br />

abkommt. Das dilettantisch am Sonntag<br />

den Frühstückstisch gedeckt hat und<br />

mit großen Augen auf die Reaktion<br />

der Eltern lauert. Das im Sandkasten<br />

einen Kuchen gebacken hat und ihn<br />

stolz bis in die Küche trägt, um ihn der<br />

Mutter zu schenken, die gerade Flur<br />

und Wohnzimmer geputzt hatte. Das<br />

nun endlich „wie die Großen“ ohne<br />

Stützräder Fahrrad fahren kann. Das<br />

stolz auf den ersten neuen Zahn ist.<br />

All dies mit großen, erwartungsvollen<br />

Augen…<br />

Es sind die kleinen Dinge, die kleinen<br />

Freuden, die mickrigen Erfolge, die<br />

die größeren Opfer, Verzichte oder<br />

Lebensumstellungen nicht nur aufwiegen<br />

- die sie überwiegen. Der lang<br />

geplante Theaterabend, der ausfallen<br />

muss, weil Jan krank geworden ist. Der<br />

dritte Versuch, einmal ein Wochenende<br />

ohne Kinder wegzufahren, der wieder<br />

ein Versuch bleibt, weil der Babysitter<br />

ausfällt oder das Geld nicht reicht (neue<br />

Wintermäntel mussten her). Und, und,<br />

und…<br />

All dies mag für Klaus und Helga<br />

ärgerlich sein. Und doch: es gehört<br />

zum Geheimnis der naturgegebenen<br />

„Institution“ Familie, in<br />

der die Eltern täglich erfahren, dass<br />

Verzicht Reichtum bedeutet. Dass die<br />

„Investition in Humankapital“ (grässliche<br />

Redewendung) keine Aktien zuließe,<br />

die an der Börse handelbar wären.<br />

Dass all ihre Entbehrungen, Sorgen und<br />

Verzichte ihnen gar nicht als solche erscheinen<br />

- und dass sie gar nicht der<br />

Versuchung erliegen, sich mit jenen<br />

Freunden zu vergleichen, die bewusst<br />

kinderlos leben und jeden Brunch,<br />

Mallorca-Trip oder Konzertbesuch ohne<br />

organisatorische Probleme als alltägliches<br />

„Event“ mitnehmen können.<br />

Tauschen wollen sie nicht. Niemals.<br />

Und wenn sie die Chance haben, einen<br />

Abend „wegzukommen“, so freuen sie<br />

sich schon während der Heimfahrt häufig<br />

ungeduldig auf die Kinder: neben<br />

ihre Betten zu treten, in denen jedes<br />

in seiner eigenen Art schlummert, sie<br />

zuzudecken oder noch eines wach anzutreffen,<br />

um wieder einmal die altbekannten<br />

Fragen durchzukauen…<br />

Familie:<br />

Es sind oft winzige Dinge,<br />

kleine Freuden, mickrige<br />

Erfolge, die die größeren Opfer<br />

und Verzichte<br />

vergessen lassen!!<br />

Es bleibt ein Mysterium. Es bleibt spannend.<br />

Vor allem aber ist es, trotz allem,<br />

wunderschön. Die Natur, die Schöpfung,<br />

sie halten täglich Überraschungen parat.<br />

Sich hierauf einzulassen, es lohnt sich -<br />

trotz oder gerade wegen des alltäglichen<br />

Wahnsinns …<br />

<strong>LEBE</strong> <strong>115</strong>/2013<br />

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