demo score: DA-010 Leopold Mozart, Oratorium pro quadragesima
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Salzburg entfaltete. Man kann diese Aktivitäten aus heutiger<br />
Sicht getrost als äußerst geschickt geplante ,Werbung in eigener<br />
Sache‘ bezeichnen, die letztlich seiner Etablierung in der<br />
Salzburger Hofkapelle dienten 32 .<br />
Die Quelle Wolfegg (Quelle A – D-WWW)<br />
Die Existenz dieser Quelle, eines aus Sopran und Tenor mit<br />
Begleitung eines Streichorchesters mit Continuocembalo bestehenden<br />
Stimmensatzes, wurde als Resultat der Erfassung<br />
der Musikalien in den Kunstsammlungen der Fürsten zu<br />
Waldburg-Wolfegg durch das Internationale Quellenlexikon der<br />
Musik RISM im Jahre 2002 bekannt 33 . Die Untersuchung der<br />
Wolfegger Abschrift ergab, dass im Stimmensatz im Gegensatz<br />
zur RISM-Angabe insgesamt vier verschiedene Papiersorten<br />
auftreten. Dabei handelt es sich um zwei Papiermarken, die<br />
von der in Wolfegg ansässigen Papiermacherfamilie Unold verwendet<br />
wurden, eine Papiermarke, die eventuell der Papiermühle<br />
Eberhardzell bei Waldsee zugeordnet werden kann, sowie<br />
um ein bislang nicht identifiziertes Fichten-Wasserzeichen<br />
34 . Bis auf die Stimme der Violone, deren Papier die Fichtenmarke<br />
zeigt, wurden sämtliche Vokal- und Instrumentalstimmen<br />
auf Unold-Papier niedergeschrieben; die Marke<br />
WALDSE/ZEL tritt nur im Umschlagbogen auf.<br />
Das Auftreten der Unold-Papiermarken in den Hauptstimmen<br />
des Wolfegger Stimmensatzes könnte auf den ersten Blick eine<br />
Entstehung der Abschrift in Wolfegg nahelegen. Jedoch erweist<br />
bereits ein Blick allein in das Verzeichnis der Werke <strong>Leopold</strong><br />
<strong>Mozart</strong>s, dass Wolfegger Papier in ganz Süddeutschland<br />
verbreitet war. So sind beispielsweise die Hauptbestandteile<br />
der aus der anzunehmenden Schreiberwerkstatt des Augsburger<br />
Stadtmusikers Franz Claudi Wagner in die Bestände der<br />
Hofmusik der Grafen zu Oettingen-Wallerstein gelangten<br />
Stimmensätze seiner Orchesterkompositionen auf Unold-Papier<br />
niedergeschrieben 35 . Bezieht man weiterhin die Wasserzeichenverzeichnisse<br />
der Kataloge Bayerischer Musiksammlungen 36<br />
in die Überlegung mit ein, gelangt man zu der Erkenntnis,<br />
dass Unold-Papier im 18. Jahrhundert zu den verbreitetsten<br />
Papiersorten wenn nicht im gesamten süddeutschen, so doch<br />
im südschwäbischen Raum zählte 37 . Somit erlaubt die Verbreitung<br />
dieses Papiers letztlich keine genauere geographische Einordnung<br />
als „Süddeutschland“.<br />
Sämtliche Stimmen der Wolfegger Quelle des <strong>Oratorium</strong> <strong>pro</strong><br />
<strong>quadragesima</strong> wurden in ihrer Grundsubstanz vom selben anonymen<br />
Schreiber angefertigt. Ein Vergleich der Handschrift<br />
mit den Stimmensätzen zweier Oratorien von František Xaver<br />
Brixi (1732–1771) 38 in der Wolfegger Sammlung ergab, dass<br />
32 Broy, Überlieferung, S. 30–34.<br />
33 RISM ID no. 454000300.<br />
34 Einzelheiten zu den Papiersorten siehe im Kritischen Bericht S. 70. Zur<br />
Verteilung der Papiersorten auf die einzelnen Stimmen vgl. ebd.<br />
35 Vgl. LMV, S. 195–199, 216–217; Broy, Überlieferung, S. 137–141.<br />
36 Ausführliche Wasserzeichenabbildungen finden sich vor allem in den<br />
ersten Bänden dieser Serie. Weitere als die im Literaturverzeichnis genannten<br />
Einzelbände sind über die OPACs der süddeutschen Bibliotheksverbünde<br />
leicht zu ermitteln.<br />
37 „Südschwaben“ meint in diesem Zusammenhang ungeachtet heutiger<br />
Verwaltungsgrenzen eine Region, die im Westen durch den Schwarzwald,<br />
im Osten durch den Lech, im Süden durch den Bodensee und<br />
im Norden durch die Schwäbische Alb und das Ries begrenzt wird.<br />
38 Titel vgl. S. 70, Anm. 10.<br />
es sich bei der in allen drei Abschriften identischen Hand um<br />
einen mit den Initialen P.S. zeichnenden Schreiber handelt; eine<br />
entsprechende Paraphe mit einer die Abschrift des <strong>Oratorium</strong>s<br />
Nun hat mein liebster Herr ins Jahr 1778 datierenden<br />
Jahreszahl findet sich am Schluss der Stimmenhefte dieses<br />
Werks 39 . Da die Provenienzen der Wolfegger Musikalien heute<br />
nicht mehr zu rekonstruieren sind 40 , kann nicht davon ausgegangen<br />
werden, dass es sich um den seinerzeit in der Stiftskirche<br />
zu Wolfegg amtierenden Regens chori handelt. Vielleicht<br />
wurde der Stimmensatz in einem der zahlreichen benachbarten<br />
Klöster angefertigt? In nicht allzu großer Entfernung von<br />
Wolfegg befindet sich beispielsweise die ehemalige Benediktiner-Reichsabtei<br />
Ottobeuren, die in enger Verbindung mit der<br />
Salzburger Universität stand und heute den größten bayerischen<br />
Einzelbestand zum Werk František Xaver Brixis verwahrt<br />
41 . Ein Abgleich der Schreibernamen im Katalog dieser<br />
Sammlung erbrachte keine Namen, deren Initialen mit dem<br />
P.S. der Wolfegger Sammlung übereinstimmen 42 . Die Nachricht<br />
von der Existenz eines P. Petrus Sedelmayr im Kloster<br />
Ottobeuren, der 1746 als Theologiestudent in Salzburg Profess<br />
feierte, erscheint als zu geringfügiger Hinweis, um darauf<br />
eine Theorie zur Auflösung der Initialen aufzubauen 43 . Fraglich<br />
bleibt in jedem Fall aber die Form der Vorlage unserer Abschrift.<br />
Auch zur intendierten Verwendung des Materials bleiben Fragen<br />
offen. Das Nichtvorhandensein von Hornstimmen und<br />
die Bezeichnung einer der beiden Bassstimmen als „Cembalo“<br />
lassen an eine Verwendung zum Musizieren außerhalb einer<br />
Kirche denken. Die Instrumentenangabe des Tasteninstruments<br />
lautet bei für den Gebrauch in Kirchen geschriebenen<br />
Stimmensätzen in der Regel „Organo“. War der Stimmensatz<br />
vielleicht zur Verwendung in einer Privatandacht, beispielsweise<br />
in einem größeren Saal eines Schlosses, gedacht?<br />
Die Quelle Bern (Quelle B – CH-BEl)<br />
Eine erste Nachricht von der Existenz dieser Quelle, einer im<br />
19. Jahrhundert angefertigten Partitur, gab Josef Liebeskind<br />
(1866–1916) im Rahmen der Rezension des 1908 von Max<br />
Seiffert herausgegebenen Auswahlbandes <strong>Leopold</strong> <strong>Mozart</strong>scher<br />
Werke 44 in der Zeitschrift der Internationalen Musikgesellschaft<br />
45 . Das <strong>Oratorium</strong> <strong>pro</strong> <strong>quadragesima</strong> war von Seiffert in<br />
dem seinem Band vorgeschalteten Werkkatalog mangels bekannter<br />
Quellen nicht erwähnt worden. In seiner Rezension<br />
kann Liebeskind folgendes ergänzen 46 :<br />
Von den Oratorien <strong>Leopold</strong> <strong>Mozart</strong>’s, deren Partituren<br />
Seiffert als verschollen bezeichnet, war ich so glücklich, eine<br />
von Kapellmeister Schletterer in Augsburg hergestellte<br />
Partiturabschrift nach dessen Tode 1894 käuflich zu erwerben.<br />
Das ,<strong>Oratorium</strong> <strong>pro</strong> <strong>quadragesima</strong>‘ bezeichnete Werk<br />
besteht aus folgenden Nummern:<br />
39 RISM gibt als Abschriftdatum 1790–1799.<br />
40 Frdl. Auskunft von Herrn Dr. Bernd M. Mayer am 16. Dezember<br />
2003.<br />
41 Münster, S. 68–71.<br />
42 Haberkamp, Ottobeuren, S. 262–265.<br />
43 Kolb, S. 300.<br />
44 Seiffert.<br />
45 Liebeskind.<br />
46 Liebeskind, S. 362.