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Harry Kreienbühl<br />
Vorstandsmitglied kapers<br />
Die Forderung nach<br />
einer klaren und für<br />
beide Vertragspartner<br />
verbindlichen Definition<br />
eines Krisengebietes<br />
ist ein Thema,<br />
welches die kapers mit<br />
der Swiss in nächster<br />
Zeit angehen wird.<br />
GAV Artikel 24 Einsätze in Krisengebiete<br />
1 Einsätze in Zeiten erhöhter Gefährdung des Luftverkehrs, im Besonderen<br />
in Gebieten politischer und kriegerischer Wirren bedürfen des Einvernehmens<br />
mit dem Delegierten der kapers für Sicherheitsfragen.<br />
2 Flüge mit offensichtlich erhöhtem Risiko werden nur aus humanitären<br />
Gründen durchgeführt. Für solche Flüge ist zusätzlich zum Einvernehmen<br />
mit dem Delegierten der kapers für Sicherheitsfragen das persönliche<br />
Einverständnis der CCM einzuholen. Ausgenommen von dieser Regelung<br />
sind Flüge, welche die SWISS im Auftrag einer schweizerischen Behörde<br />
aufgrund einer zwingenden gesetzlichen Vorschrift durchführt.<br />
Fukushima aus der Ferne<br />
Fast 10‘000 Kilometer von mir entfernt bebt am 11. März 2011 die Erde.<br />
Ich entnehme dies einer Meldung im Teletext. Später dann die ersten<br />
CNN-Bilder.<br />
Von der kapers-Einsatzkommission erfahre ich,<br />
dass unsere Crewmembers vor Ort wohlauf sind<br />
und der heutige Flug nach Narita normal operiert<br />
wird (siehe dazu den Bericht von Lukas Schlumpf<br />
in dieser Ausgabe der kabine).<br />
Noch deutet nichts darauf hin, welch schwierige<br />
Fragen und Entscheide in den kommenden Tagen<br />
und Wochen auf uns zukommen werden. Noch ist<br />
es ruhig in meiner Aufgabe als Delegierter für Sicherheitsfragen<br />
der kapers...<br />
Das ändert sich tags darauf schlagartig. Jetzt sind<br />
genügend Informationen vorhanden, um das Ausmass<br />
der Katastrophe langsam erahnen zu können.<br />
Und nun wird auch die Gefahr einer unmittelbaren<br />
nuklearen Bedrohung klar.<br />
Das EDA gibt erste Reisewarnungen heraus. Japan<br />
wird zum Krisengebiet.<br />
Die nächste kapers-Vorstandswoche beginnt erst<br />
in 10 Tagen. Bis dann sind die Vorstands- und<br />
Kommissionsmitglieder irgendwo im Flugeinsatz,<br />
in den Frei-Tagen, in den Ferien. In einer<br />
solchen Situation ist Flexibilität gefragt. Spontan<br />
organisiert sich in den nächsten Stunden ein kapers-Krisenstab,<br />
bestehend aus Dassa Smith, Joel<br />
Strebel, Navin Kiser, Georg Zimmermann und<br />
mir. Telefonisch und via e-mail organisieren wir<br />
uns und verteilen die Aufgaben. Navin unterstützt<br />
uns aus dem Büro der Einsatzkommission. Joel<br />
aktiviert seine Kontakte zu unseren Kollegen von<br />
der Lufthansa-Gewerkschaft. Georg durchstreift<br />
das Internet auf der Suche nach Fakten über die<br />
Bedrohungslage in Japan und findet unter anderem<br />
eine Webseite, auf welcher die laufend gemessenen<br />
Strahlungswerte in Tokio publiziert<br />
werden (diese Webseite wird übrigens im weiteren<br />
Verlauf auch von der Swiss genutzt). Dassa<br />
koordiniert die Kommunikation, und ich stehe in<br />
laufendem Kontakt mit den Delegierten für Security<br />
der Aeropers sowie mit dem Emergency-<br />
Committee der Swiss.<br />
kabine 2/2011<br />
Die erste Entscheidung von grosser Tragweite<br />
betrifft den Flug nach Narita vom 12. März 2011.<br />
Bei Flügen in ein Krisengebiet kommt Artikel 24<br />
in unserem GAV zur Anwendung (siehe Kästchen).<br />
Nach unserer Meinung müsste also die Swiss das<br />
Einverständnis der kapers für diesen Flug einholen.<br />
Können wir dieses anhand der vorliegenden<br />
Informationen mit gutem Gewissen geben?<br />
Grundsätzlich möchten wir keine Besatzung in<br />
ein Krisengebiet fliegen lassen und einem Risiko<br />
aussetzen. Ein Layover in Narita kommt für die<br />
kapers nicht mehr in Frage. Die Crew des heutigen<br />
Fluges muss daher sofort deadheading nach<br />
Zürich zurückkehren. Und beide Besatzungen,<br />
die sich noch in Narita befinden, müssen mit dem<br />
Rückflug Japan verlassen.<br />
Und selbstverständlich muss ein Flugeinsatz nach<br />
Japan absolut freiwillig sein.<br />
Doch was ist mit unseren japanischen Kolleginnen?<br />
Sie fliegen in ihr gefährdetes Heimatland<br />
und bleiben dort in einer ungewissen Situation<br />
zurück. Wir erkennen, dass niemand einen solchen<br />
Entscheid treffen kann ausser die Betroffenen<br />
selbst.<br />
Wenig später werde ich von der Swiss informiert,<br />
dass der heutige Flug noch durchgeführt wird, um<br />
anschliessend beide in Narita befindlichen Besatzungen<br />
sowie die working crew des heutigen Fluges<br />
ZRH-NRT in die Schweiz zurückzufliegen.<br />
Für alle Besatzungsmitglieder sei der Einsatz<br />
freiwillig, und allen noch in Zürich befindlichen<br />
japanischen Kolleginnen sei ein sofortiger Rückflug<br />
nach Japan angeboten worden, von dem sie<br />
auch Gebrauch machen werden.<br />
Je nach Entwicklung der Situation in den nächsten<br />
Stunden evaluiere die Swiss ausserdem, am<br />
Delegierter für Sicherheitsfragen der kapers<br />
Der Vorstandsbereich 2 beinhaltet die Themen Operation und Security.<br />
Harry Kreienbühl als Vorstandsmitglied des Bereichs 2 ist damit<br />
nebst seinen Aufgaben im Bereich Planung/Einsatzkommission<br />
gleichzeitig auch Delegierter für Sicherheitsfragen der kapers. Dies<br />
beinhaltet eine regelmässige Kommunikation mit Swiss/OSY sowie<br />
den Sicherheitsdelegierten von anderen Personalgruppen (aeropers,<br />
IPG, Edelweiss, REGA). In Krisensituationen erfolgt die Zusammenarbeit<br />
ad hoc und in enger Zusammenarbeit mit dem gesamten kapers-Vorstand.