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Triangel Ausgabe 107 - 02/2019

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Warum also gerade Lobpreis und Gebet?<br />

Lobpreis und Gebet haben eine zentrale<br />

Bedeutung, so ergaben qualitative<br />

Interviews, weil sie Gott erfahrbar<br />

und erlebbar machen. Junge Menschen<br />

dieser Generation suchen Gottes<br />

Nähe und auch seine Weisung im<br />

bzw. für den Alltag. Sie suchen „Authentizität“<br />

und einen „Resonanzraum“,<br />

etwas wo sie „…das Gefühl<br />

haben, wir können da draußen sozusagen<br />

Klänge erzeugen, also Dinge<br />

in Schwingung bringen.“ (vgl. Rosa)<br />

Auch die hohe Bedeutung des persönlichen<br />

Gebets ist naheliegend.<br />

Gott wird gebeten, ins eigene Leben<br />

einzugreifen und es zu leiten. Jugendliche<br />

sehen dabei durchaus die<br />

Verantwortung für ihre Lebensführung<br />

bei sich, aber in der Überzeugung,<br />

dass Gott eingreift, sobald er<br />

einen anderen Plan hat.<br />

Die Gefahr dieser Praxis liegt dabei<br />

in der Therapeutisierung des Glauben,<br />

die Gott - so zeigt die Untersuchung<br />

- zu einer „Kombination aus<br />

göttlichem Butler und kosmischem<br />

Therapeuten“ macht.<br />

Tatsächlich hat Jesus uns mit seinem<br />

Tod am Kreuz gedient, unsere Sünden<br />

vergeben und sich selbst als Arzt der<br />

Kranken und Verlorenen bezeichnet,<br />

Gott als Vater im Himmel gepriesen<br />

dessen Kinder wir sind, Menschen<br />

geheilt und immer den Einzelnen im<br />

Blick gehabt.<br />

Allerdings wird der König, der seinem<br />

Volk und auch uns gedient hat,<br />

durch sein Handeln nicht zu meinem<br />

persönlichen Diener. Die Frage<br />

"Bin ich noch auf Gott ausgerichtet<br />

oder erwarte ich Gottes Ausrichtung<br />

auf mich?" kann ich nicht für jemand<br />

anderen beantworten, möchte<br />

sie aber trotzdem stellen. Vielleicht<br />

hilft ein Blick darauf, welches Gottesbild/welche<br />

Gottesbilder wir im<br />

Alten Testament finden und diese<br />

zu vergleichen mit dem/denen, die<br />

Jesus predigt. Gott als Vater, Jesus<br />

als Freund. Wir haben ein Gottesbild<br />

geprägt, das in der Gefahr steht,<br />

verwaschen zu sein. Ein Gottesbild<br />

von vielen, das mit emotionalen Lobpreisliedern<br />

gefüttert wird. Es besteht<br />

die Gefahr, den Gott der Bibel aus<br />

den Augen zu verlieren.<br />

An dieser Stelle kann und darf kritisch<br />

reflektiert werden, ob mehr Lobpreis<br />

große Nähe zu Gott bedeutet und<br />

was ich aus dem Blick verliere, wenn<br />

sich vieles um „mich, meinen Glauben,<br />

meine Nähe zu Gott und darum,<br />

dass ICH Gott erlebe“ dreht, wenn<br />

nur emotionales Lob im Mittelpunkt<br />

steht und Klage kaum Platz findet.<br />

Nichtsdestotrotz ist die Begegnung<br />

mit Gott (nicht nur bei den befragten<br />

Jugendlichen) eine Quelle der Kraft<br />

und des Glaubens. Auch Jesus hat<br />

sich regelmäßig für Gespräche mit<br />

seinem Vater zurückgezogen. Weiterhin<br />

kommt die „Bitte für andere<br />

Menschen“ bei 82% der hochreligiösen<br />

Jugendlichen (und damit auf<br />

Platz drei der Gebetsthemen) sehr<br />

häufig vor (vgl. S.100).<br />

Obwohl auch weit mehr als die Hälfte<br />

der befragten Jugendlichen mindestens<br />

wöchentlich, z.T. sogar täglich,<br />

in der Bibel liest (vgl. S.106),<br />

sollte hier erklärt werden, was hochreligiöse<br />

Jugendliche unter „Bibellesen“<br />

verstehen. Denn auch beim<br />

Bibellesen ist der gleiche Trend wie<br />

in anderen Bereichen festzustellen:<br />

Es werden einzelne Verse herausgepickt,<br />

die eine persönliche Bedeutung<br />

haben, die tragen und trösten.<br />

Dass Bibelverse trösten haben wir<br />

selbst erlebt, doch auch hier zeigt<br />

sich der Trend zur Individualisierung<br />

und vielleicht sogar zur Egozentriertheit.<br />

Der große Zusammenhang und<br />

der Überblick über den Kontext der<br />

Geschichte des AT und des NT, die<br />

Geschichte als Ganze, gehen dabei<br />

verloren. Wenn Texte nur im Hinblick<br />

auf die persönliche Aussage für<br />

mich oder gar wortwörtlich verstanden<br />

werden, kann es passieren, dass<br />

die historisch-kritische Reflektion zu<br />

kurz kommt oder dass Stellen allzu<br />

eindeutig verstanden werden. Natürlich<br />

kann und sollte ich mich fragen,<br />

was ein Text mir zu sagen hat,<br />

was er im hier und heute bedeutet,<br />

doch birgt eine 1:1 Übertragung die<br />

Gefahr an der eigentlichen Aussage<br />

des Textes vorbei etwas vollkommen<br />

anderes zu verstehen als eigentlich<br />

gemeint war. Die Studienleiter selbst<br />

liefern an dieser Stelle verschiedene<br />

Interpretationsmöglichkeiten zu den<br />

Gründen.<br />

Vielleicht wundert sich der eine oder<br />

andere, dass Predigten einen so hohen<br />

Stellenwert bei Jugendlichen einnehmen,<br />

aber gleichzeitig wenige im<br />

Gottesdienst am Sonntagmorgen oder<br />

in der Bibelstunde am Sonntagabend<br />

gesichtet werden. Auch hier ist durch<br />

qualitative Interviews deutlich geworden,<br />

dass es sich bei Gottesdiensten<br />

und Predigten nicht um eine formelle,<br />

sondern um eine geistliche Heimat<br />

dreht (vgl. Kapitel Kirche Gottesdienst<br />

und Ehrenamt). Diese wird dort<br />

gefunden wo auch Freunde den Gottesdienst<br />

besuchen und die ihnen Gott<br />

gefühlt und lebensnah näher bringen,<br />

die Jesus Christus im Mittelpunkt haben<br />

und zum Nachdenken anregen<br />

(vgl. S.183). Ein weiterer zentraler<br />

Faktor ist die Musik.<br />

Vor diesem Hintergrund verwundert<br />

es nicht, dass einzelne Gottesdienste<br />

besonders boomen, da viele Freunde<br />

sie besuchen und das Angebot an<br />

Musik und Predigt den Wünschen<br />

der Jugendlichen entspricht, während<br />

viele Jugendgottesdienste – und<br />

seien sie bis ins Detail wohlüberlegt<br />

und mit viel Engagement vorbereitet,<br />

kaum Besucher haben. Zwar<br />

kann hier nicht von einer Eventisierung<br />

des Glaubens gesprochen â<br />

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