Gsungen&Gspielt 04/2018
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INT´RESSANTERWEIS<br />
DAS ALTE REITHER<br />
NIKOLAUSSPIEL<br />
Wenn in Reith im Alpbachtal die MusikantInnen der örtlichen<br />
Musikkapelle das Notenpult gegen die Theaterbühne<br />
tauschen, um die Auflehnung der Armen gegen die Reichen<br />
und Mächtigen und den Kampf zwischen Gut und Böse darzustellen,<br />
dann ist Nikolausspielzeit.<br />
Text: Günther Laimböck<br />
Max Feichtner in seiner Rolle als Bettler mit dem Originalmanuskript des „Alten Reither Nikolausspiels“<br />
(Foto: Griessenböck)<br />
Nein, beim Reither Nikolausspiel<br />
handelt es sich nicht um eines<br />
der vielen Krampuslaufevents, die gerade<br />
in den letzten Jahren so inflationär<br />
in unserem Land das kulturelle<br />
Brauchtum „bereichern“. Das Reither<br />
Nikolausspiel ist gelebte Tradition, es<br />
ist wahrlich ein kulturelles Erbe. Eine<br />
Kommission befand dies als schützenswert,<br />
und erklärte es 2014 zum Unesco<br />
Weltkulturerbe. Für mich ein Grund,<br />
mir die Sache genauer anzusehen.<br />
„Es ist etwas Besonderes, dass es nur<br />
alle sieben Jahre aufgeführt wird und<br />
nur von Mitgliedern der Musikkapelle<br />
aufgeführt werden darf“, berichtet mir<br />
Franz Rendl, Chronist der Musikkapelle<br />
Reith im Alpbachtal. Mit leuchtenden<br />
Augen und einem Lächeln im Gesicht<br />
erzählt er mir über das „Alte Reither<br />
Nikolausspiel“ und macht mich wirklich<br />
neugierig. Bereits im Juni sei der<br />
Nikolausausschuss, ein Unterausschuss<br />
der Musikkapelle, zusammengetreten,<br />
um das diesjährig anstehende Nikolausspiel<br />
zu planen. Am 23. September fand<br />
die feierliche Rollenübergabe durch<br />
Spielleiter Christian Oberhollenzer statt<br />
und seit Anfang Oktober werde fleißig<br />
geprobt. Ich besuche daher am 23. Oktober<br />
eine Probe, um mehr von diesem<br />
Stück zu erfahren.<br />
Tradierte Melodien im neuen Kleid<br />
Als ich den Festsaal beim Stockerwirt<br />
in Reith betrete, überholt mich<br />
ein Bettler mit einer Drehleier, ein<br />
Förster sitzt mit seinem Fernglas auf<br />
einem Stuhl unter der Bühne, ein finsterer<br />
Knochenmann ist im dunklen<br />
Zuschauerraum erkennbar. „Mäh!“,<br />
ein Hirte bahnt sich mit seiner weißen<br />
Ziege den Weg durch den Raum. Eine<br />
Harfe wird gestimmt. Vor der Harfe<br />
sehe ich Michael Klieber stehen, den<br />
Kapellmeister der Musikkapelle Reith<br />
und musikalischen Leiter des Stückes.<br />
Ich komme mit ihm ins Gespräch. „Bis<br />
1997 wurden die Lieder im Stück ‚lediglich‘<br />
mit Harfe oder Gitarre begleitet“,<br />
erklärt er mir. „Von den Liedern<br />
war vorher nur der Text aufgeschrieben.<br />
Die Melodien wurden immer nur<br />
mündlich weitergegeben“, weiß der<br />
Musiker zu erzählen. Zum Teil handle<br />
es sich um Melodien, die im Alpen-<br />
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G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 43. JAHRGANG | HEFT <strong>04</strong> | DEZEMBER <strong>2018</strong>