ABC Jubiläumsbuch 2019
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Aufschwung –Der <strong>ABC</strong> und das Zeitalter der Hochräder<br />
(1880-1889)<br />
Das Veloziped war technisch alles andere als ausgereift, was<br />
den ersten Fahrradpionieren nur zu bewusst war. Vereine wie<br />
der Eimsbütteler Velocipeden-Reit-Club verankerten deshalb<br />
in ihren Satzungen, dass sie mithelfen wollten die Gefährte<br />
zu verbessern. Bereits in den frühen 1870er Jahren erlebte das<br />
Fahrrad eine erhebliche Weiterentwicklung, die jedoch erst<br />
Jahre später Deutschland erreichte. In Großbritannien, dem<br />
Mutterland der Industrialisierung, durchlief das bicycle einige<br />
Innovationen. Drahtspeichen verringerten das Gewicht der<br />
Räder, der Durchmesser der Vorderräder wurde vergrößert,<br />
um höhere Geschwindigkeiten zu erreichen und der Vollgumminireifen,<br />
der „Kautschukreif“ 1 , verbesserte den Komfort<br />
spürbar. James Stanley brachte 1871 das Hochrad „Ariel“ auf<br />
den Markt, das in Coventry gefertigt wurde, dem Zentrum der<br />
englischen Fahrradproduktion.<br />
Gegen Ende des Jahrzehnts erreichten die „Bicycles“, wie sie<br />
anfangs auch in Deutschland genannt wurden, auch den europäischen<br />
Kontinent. Altona und Hamburg bildeten ein geeignetes<br />
„Einfallstor“ für die neuen Fahrräder und besaßen<br />
mit Harro Feddersen einen umtriebigen „Multplikatoren“, der<br />
über beste Verbindungen nach Großbritannien verfügte und<br />
den Vertrieb verschiedener englischer Fahrradhersteller wie<br />
Quadrant Tricycle aus Birmingham übernahm. Die technischen<br />
Verbesserungen des „hohen Rades“ brachten neuen<br />
Schwung in den Club mit seinen wenigen verbliebenen Mitgliedern.<br />
1880 fanden sich „neue Liebhaber ein“ und die Fahrradjünger<br />
um Harro Feddersen konnten „das Clubleben aufs<br />
neue in festere Bahnen“ lenken. 2 Um den neuen Schwung zu<br />
unterstreichen, benannte sich der Club in „Velociped-Club von<br />
1869/80“ um und überarbeitete die Statuten. Der Velociped-<br />
Club stand damit einmal mehr an der Spitze der Entwicklung,<br />
denn 1880/81 setzte in der noch beschaulichen Welt des Fahrrads<br />
„ein lebhaftes Pulsiren“ ein und in den größeren deutschen<br />
Städten gründeten sich neue Bicycle-Clubs, deren Zahl<br />
Ende 1881 bei genau 26 lag. 3 Die alten und neuen Clubs registrierten<br />
genau, was sich andernorts tat und wollten angesichts<br />
der allgemeinen Aufbruchsstimmung auf sich aufmerksam<br />
machen. Die ersten Fachzeitschriften wie „Das Velociped“,<br />
vom in Berlin lebenden Engländer T. H. S. Walker herausgegeben,<br />
informierten über die Entwicklung und berichteten auch<br />
über den Altonaer Club, der sich „neu formirt“ habe. 4<br />
Der Boom der Bicycles 1880 blieb kein einmaliges Ereignis,<br />
denn auch im Sommer 1881 florierte der Velocipeden-Club,<br />
da er „sich in letzter Zeit erheblich vergrößerte“, was auch daran<br />
lag, dass „eine nicht unbeträchtliche Anzahl Hamburger“<br />
in den Club eintrat. 5 Zwar trug der Verein noch das „Velociped“<br />
in Namen, die Mitglieder fuhren jetzt aber teilweise auf Hochrädern<br />
aus englischer Produktion. Der Club wählte das „Skating<br />
Rink“ in der Palmaille zum neuen Clubheim, übersetzt<br />
„Rollschubahn“, was durchaus symbolisch anmutet, hatte das<br />
Rollschuhlaufen doch das Veloziped-Reiten nach 1869 schnell<br />
in der Gunst des Publikums verdrängt. Die Mitglieder übten<br />
und trainierten im neuen Clublokal, sie wollten bald aber<br />
auch in der Öffentlichkeit auftreten, um den neu aufgestellten<br />
Club bekannter zu machen. Zu diesem Anlass veranstaltete<br />
der Club erstmals eine Feier, einen „Fest-Abend“ am 4. Juli 1881<br />
im Skating Rink. 6 Aufgeführt wurden „Quadrillen“, einstudierte<br />
Figuren auf dem Veloziped, benannt nach einem französischen<br />
Formationstanz und seinerzeit übernommen vom Dressurreiten.<br />
Rollschuhfahren wurde ebenfalls vorgeführt. Der<br />
Club wollte seinen Gästen auch Unterhaltsames bieten und<br />
führte folgendes Spektakel auf, wie der Vereinschronik zu entnehmen<br />
ist: „Zwei der Mitglieder waren aber schon im Besitz<br />
von Hochrädern und führten in Rüstungen, die vom Variété-<br />
Theater entliehen waren, hoch zu Ross einen mittelalterlichen<br />
Zweikampf auf, und zwar sehr natürlich; denn der eine hakte<br />
dem andern mit seiner Lanze unter das Visier, und dieser fiel,<br />
er mochte wollen oder nicht, hinterrücks von seinem Stahlross<br />
herab, dass der Asphalt nur so krachte, und die Sache<br />
ein ganz ernsthaftes Aussehen bekam.“ 7 Ebenfalls neu für den<br />
Club war der Umstand, dass die Feier zu Gunsten der „Speiseanstalt“,<br />
einer wohltätigen Einrichtung ausgerichtet wurde.<br />
Harro Feddersen überbrachte den Erlös am folgenden Tage<br />
der wohltätigen Einrichtung persönlich, was er im Vorfeld aber<br />
Vorherige Doppelseite: Ausflug des <strong>ABC</strong> um 1885.<br />
Richard Schulz (2. von links) fuhr auf<br />
seinem hohen Einrad („Monocycle“).<br />
Paul Rauch um 1885 (Fotograf: Carl Ehlers).<br />
Spätestens seit 1886 gehörte der Hamburger Paul Rauch<br />
dem Hamburger Bicycle-Club von 1882 an.<br />
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