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Industrieanzeiger 22.2019

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technik & wissen<br />

reits komplett verfügbar und kommt auch bei den aktuell<br />

hierzulande aufgebauten Projekten zum Einsatz. Für<br />

beide wird keine SIM-Karte benötigt. Wie sehr sich hier<br />

die Meinungen hinsichtlich der jeweiligen Vorteile unterscheiden,<br />

macht Volkswagen deutlich: Die Marke<br />

VW setzt auf die ältere Technik und will diese schon<br />

bald in aktuelle Modelle einpflegen, Audi dagegen setzt<br />

auf den neueren Standard. Nicht einmal innerhalb des<br />

Konzerns ist man sich also einig, auf welche Technologie<br />

gesetzt werden sollte.<br />

Achim Berg zu bedenken. Schon 2016 gründeten daher<br />

BMW, Daimler und Audi zusammen mit Intel, Ericsson,<br />

Huawei und Qualcomm die 5G Automotive Associa -<br />

tion (5GAA), um C-V2X auch in Europa voranzutreiben.<br />

Inzwischen stehen über 100 Unternehmen hinter<br />

der Initiative, auch Volkswagen hat sich angeschlossen,<br />

daneben Bosch, Continental, Airbus, GM, die PSA-<br />

Group und einige asiatische Autobauer. Von dort<br />

kommt der neue Standard, China stellte damit den Rest<br />

der Welt einfach vor vollendete Tatsachen und beschloss,<br />

großflächig die auf Mobilfunk basierende Technologie<br />

auszurollen. Im Jahr 2020 sollen bereits 90 %<br />

der Autobahnen und Städte damit ausgestattet sein.<br />

Wollen die hiesigen Autobauer dort also weiter Geschäfte<br />

machen, müssen sie entsprechende Systeme an<br />

Bord haben.<br />

Im Display sieht der<br />

Fahrer, ob er es mit der<br />

erlaubten Geschwindigkeit<br />

noch über die<br />

nächste grüne Ampel<br />

schafft. Bild: Audi<br />

Generell gilt WLANp als etabliert, auch in Amerika<br />

wurde ein darauf basierender Standard entwickelt, dieser<br />

hat sich aber nie wirklich durchgesetzt. Inzwischen<br />

zeichnet sich ab, dass die US-Autobauer wohl eher<br />

C-V2X implementieren. Auch in Europa sind nicht alle<br />

Autobauer mit dem in Brüssel favorisierten WLANp<br />

glücklich: Bis vor kurzem galt als relativ sicher gesetzt,<br />

dass eben dieses als Standard länderübergreifend in<br />

Europa festgelegt werden sollte. Die EU-Pläne könnten<br />

zwar später um Mobilfunksysteme erweitert werden,<br />

gleichzeitig sollten neue Technologien aber mit den<br />

alten – also WLANp – kompatibel sein. Das aktuell auf<br />

LTE und später auf 5 G basierende C-V2X kann sich<br />

aber nicht mit dem von der EU favorisierten Protokoll<br />

unterhalten, Experten des Mobilfunkverbandes GSMA<br />

vergleichen das damit, später einmal eine DVD in einen<br />

Videorekorder stecken zu wollen. Sie sehen es daher als<br />

schwierig, künftig einfach und unkompliziert weitere<br />

neue Standards einbinden zu können, sobald einer auf<br />

diese Weise festgeschrieben steht. Daher drängte man<br />

darauf, diesen Schritt nicht zu gehen, auch wenn bereits<br />

viel Geld in Projekte auf WLANp-Basis geflossen sei.<br />

Statt in rein straßenverkehrsspezifische Hardware zu<br />

investieren, könne man auch direkt das 5 G-Netz ausbauen,<br />

was vielseitiger genutzt werden könnte.<br />

„Europa darf beim autonomen Fahren nicht falsch<br />

abbiegen. Wenn andere Länder auf den Mobilfunk von<br />

morgen setzen, können wir keinen europäischen Sonderweg<br />

einschlagen“, gab auch Bitkom-Präsident<br />

Technologieoffenheit oder Standardisierung?<br />

Auch BMW und die Telekom sprachen sich gegen die<br />

WLAN-Technik aus, sie forderten Verkehrsminister<br />

Scheuer auf, sich in Brüssel entsprechend zu engagieren.<br />

Mit Erfolg: Etwas überraschend räumte der Europä -<br />

ische Rat Anfang Juli 2019 den Rechtsakt wieder vom<br />

Tisch, die neue EU-Kommission steht damit wieder<br />

ohne Regelung da, es ist alles wieder offen.<br />

„Mit ihrer Entscheidung macht die EU den Weg frei<br />

für eine technologieneutrale Lösung“, sagt Berg. Ein<br />

offener Ansatz, der neben WLAN- auch Mobilfunktechniken<br />

berücksichtige, böte laut Bitkom große Vorteile<br />

für eine ungehinderte technologische Entwicklung.<br />

„Jetzt ist die Kommission gefragt, dem Votum zu folgen<br />

und zügig einen neuen Entwurf vorzulegen. Dieser muss<br />

dem Anspruch von Technologieneutralität und Zukunftsoffenheit<br />

Rechnung tragen. Die Konkurrenz aus<br />

den USA und China wartet nicht auf Europa.“<br />

Die Fixierung auf das etwas angestaubte WLANp<br />

begründeten die EU-Verantwortlichen damit, dass dieser<br />

bereits vollständig praxiserprobt und zertifiziert sei,<br />

man wolle nicht noch weitere Jahre auf einen neuen<br />

Standard aus Asien warten müssen. Die bereits verfügbare<br />

Technik hat allerdings ihre Tücken: Sie ist etwa auf<br />

300 m begrenzt und braucht daher ein eigenes, dichtes<br />

Netz aus Stationen am Straßenrand. Dafür ist die Übertragung<br />

sehr schnell, für sicherheitsrelevante Funktionen<br />

können bereits geringe Latenzen im Millisekundenbereich<br />

entscheidend sein. Im Gegenzug braucht C-V2X<br />

kein großes Netz, es nutzt die bestehende Mobilfunk-<br />

Infrastruktur. Dafür muss es aber den Umweg über<br />

deren Knotenpunkte gehen, wodurch die Latenz steigt.<br />

Laut Experten will man hier – dank Edge Computing –<br />

inzwischen aber gleichauf sein, die befürchtete Wartezeit<br />

bis zur Marktreife sei ebenfalls nicht mehr relevant:<br />

„Vernetzte Mobilitätsstandards sind keine Zukunfts -<br />

vision“, sagt Maxime Flament, Chief Technology Officer<br />

der 5GAA während eines Testlaufs in Berlin Ende<br />

Mai 2019. Dort zeigte man anhand von fünf Beispielen<br />

48 <strong>Industrieanzeiger</strong> 22.19

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