10.09.2019 Aufrufe

PolFHa Extra: Das Brandenburgischen Polizeigesetz (BbgPolG) 2019

Änderungen im Brandenburgischen Polizeigesetz (BbgPolG) von Prof. Dr. Guido Kirchhoff

Änderungen im Brandenburgischen Polizeigesetz (BbgPolG) von Prof. Dr. Guido Kirchhoff

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

von Prof. Dr. Guido Kirchhoff<br />

te dies zu dem falschen Schluss verleiten, dass die Polizei<br />

anderen Grundrechten nur zurückhaltend folgen<br />

muss. Eine solche Regelung ist daher nur unproblematisch,<br />

wenn man sich zugleich bewusst ist, dass bei<br />

jeder anderen polizeilichen Maßnahme ebenfalls alle<br />

Grundrechte zu beachten sind.<br />

Kommt der Zugehörigkeit zu einer bestimmten<br />

Personengruppe nachweisbar eine Bedeutung zu,<br />

liegt keine verfassungswidrige Diskriminierung vor,<br />

wenn weitere Kriterien hinzukommen, die die Identitätsfeststellung<br />

rechtfertigen. 14) Liegen beispielsweise<br />

Erkenntnisse vor, dass junge vietnamesische<br />

Männer in einem Park unversteuerte Zigaretten verkaufen,<br />

kann die Identität eines asiatisch aussehenden<br />

jungen Mannes an diesem Ort nach § 12 Abs. 1<br />

Nr. 2 Buchst. a <strong>BbgPolG</strong> festgestellt werden, wenn er<br />

eine zum Transport von Zigarettenstangen geeignete<br />

Tasche in der Hand hält und sich bei der Ankunft der<br />

Polizei entfernen will. Eine Frau dürfte dort dagegen<br />

allein wegen ihres asiatischen Aussehens nicht kontrolliert<br />

werden, soweit es keine Hinweise darauf gibt,<br />

dass sie in den Zigarettenhandel involviert ist.<br />

III. Meldeauflage<br />

Die Polizei hat mit § 15a Abs. 1 S. 1 <strong>BbgPolG</strong> eine<br />

neue Standardbefugnis erhalten: Danach darf sie gegenüber<br />

einer Person anordnen, sich an bestimmten<br />

Tagen zu bestimmten Zeiten bei einer bestimmten<br />

Dienststelle zu melden (Meldeauflage).<br />

Meldeauflagen werden schon lange beispielsweise<br />

gegenüber gewaltsuchenden Personen eingesetzt,<br />

um sie davon abzuhalten, an bestimmten Veranstaltungen<br />

(z.B. Demonstrationen oder Fußballspielen)<br />

teilzunehmen. Sie sind keine Vorladungen i.S.d. § 15<br />

Abs. 1 <strong>BbgPolG</strong>, weil sie keine Befragungen oder erkennungsdienstliche<br />

Maßnahmen ermöglichen sollen.<br />

Sie dienen vielmehr der Feststellung, dass sich<br />

die Person in einem Gebiet um die Polizeidienststelle<br />

aufhält 15) und damit nicht an einem anderen Ort sein<br />

kann, 16) an dem sie voraussichtlich Straftaten begehen<br />

würde. Die Meldeauflagen wurden bislang auf<br />

die polizeiliche Generalklausel (§ 10 Abs. 1 <strong>BbgPolG</strong>)<br />

gestützt.<br />

Es bestanden schon lange erhebliche Bedenken,<br />

die Generalklausel für Meldeauflagen heranzuziehen,<br />

weil damit der Anwendungsbereich des in § 16<br />

Abs. 2 <strong>BbgPolG</strong> geregelten Aufenthaltsverbots erweitert<br />

wird, obwohl Spezialvorschriften die Anwen-<br />

14) Vgl. OVG NRW v. 07.08.2018, 5 A 294/16, juris, Rn. 60 ff.; Schenke,<br />

Polizei- und Ordnungsrecht, 2018, Rn. 97.<br />

15) Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 2018, § 15 Rn. 1.<br />

16) Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 2012, 6. Kap. Rn. 115.<br />

dung der polizeilichen Generalklausel ausschließen.<br />

Während Aufenthaltsverbote darauf beschränkt<br />

sind, ein bestimmtes Gebiet nicht zu betreten, gehen<br />

Meldeauflagen erheblich darüber hinaus, indem sie<br />

faktisch alle Orte sperren, die der Betroffene zwischen<br />

den Meldezeitpunkten nicht erreichen kann.<br />

Unabhängig davon können Meldeauflagen aufgrund<br />

des mit ihnen verbundenen schweren Grundrechtseingriffs<br />

allenfalls vorübergehend auf die polizeiliche<br />

Generalklausel gestützt werden 17) : Sind sie in der Praxis<br />

bereits zu Standardmaßnahmen geworden, sind<br />

sie gesetzlich auch als solche zu regeln. Es war daher<br />

nahezu zwingend, dass sie nun endlich eine eigene<br />

Rechtsgrundlage erhalten, bevor dies von den Gerichten<br />

eingefordert wird.<br />

Voraussetzung für eine Meldeauflage ist, dass Tatsachen<br />

die Annahme rechtfertigen, dass die Person<br />

eine Straftat gegen Leib oder Leben, nach den §§ 125,<br />

125a StGB oder nach § 27 Abs. 1 VersG begehen wird<br />

und die Meldeauflage zu deren vorbeugenden Bekämpfung<br />

erforderlich ist. Anders als in anderen Bundesländern<br />

18) und abweichend vom bisherigen – auf<br />

die Generalklausel gestützten – Vorgehen sind damit<br />

die Straftaten, zu deren Abwehr eine Meldeauflage<br />

möglich sein soll, in der Vorschrift ausdrücklich genannt.<br />

Es sind die gleichen, die nach § 20 Abs. 1 Nr. 3<br />

S. 2 <strong>BbgPolG</strong> auch eine längere Freiheitsentziehung<br />

rechtfertigen können. Anders als die Generalklausel<br />

setzt § 15a Abs. 1 aber keine konkrete Gefahr voraus,<br />

so dass Meldeauflagen nun auch im Vorfeld einer<br />

Gefahr angeordnet werden können. Schutzwürdige<br />

Belange der betroffenen Person oder Dritter (z.B. Arbeitgeber<br />

oder an einem anderen Ort lebende Kinder<br />

des Betroffenen) sind dabei zu berücksichtigen<br />

(§ 15a Abs. 1 S. 2).<br />

Da Meldeauflagen im Vergleich zu den räumlich<br />

beschränkten Aufenthaltsverboten einen deutlich<br />

größeren Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen<br />

darstellen, lässt der Gesetzgeber ihre Anordnung<br />

nur unter engeren Voraussetzungen zu: § 15a Abs. 1<br />

<strong>BbgPolG</strong> ist durch die Beschränkung auf die Verhütung<br />

der dort genannten schweren Straftaten enger<br />

gefasst als § 16 Abs. 2. Zudem darf die Meldeauflage<br />

nicht – wie das Aufenthaltsverbot – drei Monate,<br />

sondern nach § 15a Abs. 2 zunächst höchstens einen<br />

Monat gelten. Jede Verlängerung steht dann unter<br />

einem Richtervorbehalt. Als die Meldeauflage noch<br />

17) Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 2018, § 15 Rn. 20;<br />

Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 2012, 6. Kap. Rn. 117; a.A.<br />

Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, 2017, S. 360. S. (noch) BVerwG v.<br />

25.07.2007, 6 C 39/06, juris, Rn. 36.<br />

18) S. z.B. § 12a POG RP, Art. 16 Abs. 2 S. 2 bay. PAG.<br />

3

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!