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Max von Schillings: Festspiel 1912 - Ouvertüre für großes Orchester zur Eröffnungsfeier des Stuttgarter Opernhauses 1912 / Partitur
Max von Schillings: Festspiel 1912 - Ouvertüre für großes Orchester zur Eröffnungsfeier des Stuttgarter Opernhauses 1912 / Partitur
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Für eine Aufführung durch das Staatsorchester Stuttgart im<br />
Rahmen eines Sinfoniekonzertes am 14. und 15. Oktober<br />
2012 in der Stuttgarter Liederhalle hat Roland Heuer diese<br />
Eröffnungsfestspielmusik neu ediert. Der Komponist Xaver<br />
Paul Thoma, selbst Mitglied des Stuttgarter Staatsorchesters,<br />
hat die Instrumentierung des Werkes dankenswerterweise<br />
den Aufführungsbedingungen des Konzerts angepasst.<br />
100 Jahre (und einen Monat) nach der Eröffnung soll<br />
dieses Konzert einen Eindruck von der musikalischen<br />
Eröffnung des sogenannten Stuttgarter „Littmannbaus“<br />
geben: Flankiert von der Bürger als Edelmann-Suite von<br />
Richard Strauss vereint das Konzert den Auftakt zu den<br />
Feierlichkeiten und ihren krönenden Abschluss, den sie in<br />
der Uraufführung der Ariadne auf Naxos, „zu spielen nach<br />
dem Bürger als Edelmann“ von Richard Strauss am<br />
25. Oktober 1912 im Kleinen Haus fanden.<br />
Patrick Hahn, Stuttgart, 10. September 2012<br />
Rolf Seelmann-Eggebert:<br />
Theaterstadt Stuttgart 1912-1962.<br />
Aus fünfzig Jahren deutscher Theatergeschichte in:<br />
Festschrift der Württembergischen Staatstheater Stuttgart<br />
anlässlich der Eröffnung des Kleinen Hauses am<br />
5. Oktober 1962, herausgegeben von der Generalintendanz<br />
der Württembergischen Staatstheater 1962, S. 5-89, darin<br />
S. 14-15.<br />
„Das reichlich bunt gemischte Programm des<br />
Eröffnungsabends sollte die akustische Brauchbarkeit des<br />
Hauses und ebenso die Schnelligkeit in der Bewältigung<br />
schwieriger szenischer Umbauten beweisen.<br />
Nach einer einleitenden Musik von Max von Schillings<br />
begann Goethes ‚Vorspiel auf dem Theater’, von Walter<br />
Bloem bearbeitet und inszeniert. Zu den drei Goethe-<br />
Gestalten von Direktor, Dichter und Lustiger Person gesellt<br />
sich der Baumeister (von Tenhaeff gespielt), sein Modell der<br />
beiden neuen Häuser unter dem Arm. Als die anderen sein<br />
Werk loben, öffnet sich der zweite Vorhang: in herbstlich<br />
sonnigem Morgennebel getaucht, steht das Große Haus da.<br />
Der Dichter erschauert in freudigen Gefühlen, der Nebel<br />
sinkt, die Sonne vergoldet den herrlichen Bau, und alle<br />
gemeinsam loben und bewundern den Architekten, der<br />
dieses schuf.<br />
Der Direktor des Goetheschen Vorspiels wendet sich<br />
nunmehr der Königsloge zu, um dem Allerhöchsten Paare,<br />
voran dem Königlichen Hausherrn, seine untertänigste<br />
Huldigung und Ehrfurcht darzubringen.<br />
Der Riesenprospekt auf der Bühne beginnt zu wandern, und<br />
die Augen des Publikums wandern am Verwaltungsgebäude<br />
entlang, kommen zur großen Mittelallee in den Anlagen<br />
und sehen sich der Eberhardsgruppe gegenüber. Die Musik<br />
von Schillings, die bisher Gedanken und Themen von<br />
Wagner abwandelte, wird nun aktuell. Von irgendwo aus<br />
dem Hintergrunde, erst leise, dann immer näher kommend,<br />
erklingt das ‚Preisend mit viel schönen Reden’.<br />
Von allen Seiten stürzen jetzt, lachend und singend und<br />
tanzend, die Bauernmädle und Bauernbüble in allen Trachten<br />
des schwäbischen Schwarzwalds und der Alb auf den freien<br />
Platz vor dem Denkmal. Soldaten aller Waffen, Studenten<br />
im Wichs, Haller Bergknappen und freundliche Städterinnen<br />
drängen sich in frohem Durcheinander bunt gemischt herbei<br />
– und machtvoll erdröhnt die Königshymne durch das<br />
neu erbaute Haus, empor zum Allerhöchsten Paare: ‚Heil<br />
unserem König, Heil!’<br />
Das Festspiel jedoch geht pausenlos weiter. Erst zaghaft,<br />
dann immer kecker und graziöser setzt ein altmodisches<br />
Tanzliedchen ein. Der Vorhang tut sich erneut auf - und<br />
wir sind mitten im alten, inzwischen verbrannten Lusthaus,<br />
so wie es vor zwei Jahrhunderten war. Man sieht auf der<br />
Bühne noch einen Teil des Innenraums vom ehemaligen<br />
Theater; vorn spielt das vollbesetzte Orchester, von<br />
Hofkapellmeister Maestro Niccolo Jommelli in seiner<br />
Rokokotracht höchstpersönlich dirigiert, ihm zur Seite die<br />
Proszeniumslogen von parlierenden Kavalieren mit ihren<br />
Damen besetzt, und im Hintergrund auf der Bühne das<br />
Gewimmel von Pagen, Schäfern und Schäferinnen, die mit<br />
viel Grazie in eine Szene aus Jommellis Oper ‚Vologeso’<br />
überleiten: Stuttgart 1766.<br />
Und nun erscheint in der Seitenloge auch Herzog Karl Eugen<br />
mit seiner Franzl, und der Maestro Jommelli, mit dem<br />
Violon unter dem Arm, scheint ganz vergessen zu haben,<br />
dass er einst in Unfrieden vom Herzog schied, dass dieser<br />
ihm sogar die Abschriften seiner eigenen Kompositionen hat<br />
fortnehmen lassen und dass zu guter Letzt noch Jommellis<br />
Mobiliar zugunsten der herzoglichen Privatschatulle verkauft<br />
wurde. Zur Zeit dieser sonnigen Schäferspiele aber, so<br />
berichtet die zeitgenössische Presse von 1912 weiter, sei in<br />
Schwaben ein anderer herangewachsen, der die Kunst in<br />
anderen Himmeln suchte und fand, Friedrich Schiller, dem<br />
nunmehr das Wort zuteil wird: sein Lied von der Glocke<br />
wird szenisch von zwei Schauspielern gespielt.<br />
Und nach der Pause gibt es gar noch die Festwiesenszene aus<br />
dem dritten Akt der ‚Meistersinger’ (Dirigent: Schillings,<br />
Regie: Gerhäuser, Hans Sach: Hermann Weil, Stolzing: Karl<br />
Erb); sowie anschließend, von Hans Meery inszeniert, den<br />
Reichstagsakt aus Schillers ‚Demetrius’.“