unsere brücke 11 2019
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Um die Tiefe des in Joh 15,13-16 Gesagten besser einschätzen zu<br />
können, ist ein Blick auf die antiken Auffassung von Freundschaft<br />
hilfreich, galt sie doch damals als die edelste Weise personaler Verbundenheit.<br />
Thomas von Aquin wählte diesen Blickwinkel, um das<br />
Besondere der treuen, wechselseitigen Liebe zwischen Gott und<br />
Mensch, der caritas, zu umschreiben (Sth II II q23). Nach der klassischen<br />
Definition besteht Freundschaft im beiderseitigen „Wohl-Wollen“<br />
(benevolentia), so dass jeder das Gut des Freundes entschieden<br />
bejaht und nach Kräften unterstützt. Freundschaft setzt voraus, dass<br />
die Personen etwas gemeinsam haben (communicatio) und lebendigen<br />
Austausch pflegen (conversatio). Gerade diese Kriterien lassen<br />
eine Freundschaft zwischen den Göttern (oder der Gottheit) und<br />
Menschen unmöglich erscheinen (Aristoteles): Es gibt hier keine<br />
echte Gemeinschaft, geschweige denn ein wechselseitiges „Wohl-<br />
Wollen mit herzlicher Zuneigung“ und Umgang.<br />
Wenn wir als Christen wagen, von Freundschaft mit Gott zu<br />
sprechen, worin liegt die „Gemeinschaft“? Selbstverständlich kann<br />
es „zwischen“ Gott und seinem Geschöpf kein Drittes geben, das sie<br />
gemeinsam hätten. Sie gründet vielmehr in dem, was Gott mit uns<br />
teilen will, damit wir es besitzen. Thomas nennt dies: „die Seligkeit“<br />
(beatitudo). Man könnte auch sagen: das ewige Leben, als Leben in<br />
Fülle und Heiligkeit, wie es Gott zueigen ist. Diese Gemeinschaft mit<br />
Gott beginnt, senfkorn-gleich, bereits auf Erden: Glaube, Hoffnung<br />
und Liebe sind der Beginn dieses Lebens, der Anfang der Freundschaft.<br />
Das bedeutet zunächst einen Primat der Gnade. Die Beziehung geht<br />
auf Seine Initiative zurück: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich<br />
habe euch erwählt“. Seine Liebe ist die Gabe, die bewirkt, dass wir<br />
dieser Liebe antworten können. Während wir einen Menschen für<br />
gewöhnlich lieben, weil er gut ist, liebt Gott liebt uns, damit wir gut<br />
seien. Seine Liebe ist nicht einfache Bejahung, sondern schaffendes,<br />
heiligendes Wirken; und Freund-Sein bedeutet, sich auf dieses Handeln<br />
einzulassen. Das zeigt sich gerade bei besonderen Berufungen:<br />
die „electio“ durch Christus überragt das eigene Wünschen und Wollen,<br />
selbst <strong>unsere</strong> besten Neigungen. Darum hat eine solche Berufung,<br />
die in der Freiheit des Rufenden gründet und sich an die Freiheit des<br />
Berufenen wendet, nicht selten eine gewisse Furcht oder Abwehr als<br />
Begleiterscheinung.<br />
Dass Er unser Heil und Wohl von ganzem Herzen will, ist Inhalt <strong>unsere</strong>s<br />
Glaubens und <strong>unsere</strong>r Hoffnung. Aber können wir Ihm „wohlwollen“?<br />
In einem gewissen Sinn tatsächlich: Denn darüber glücklich<br />
zu sein, dass Er so ist wie Er ist, bedeutet, sein Gut-sein zu bejahen.<br />
Die Freude schafft sich Ausdruck im Lob, mit dem man zugleich auch<br />
andere für den Freund gewinnen und begeistern möchte.