Bayreuth Aktuell Dezember 2019
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PiontEck<br />
4<br />
„Ach Leute, macht euch<br />
doch nichts vor. Wer von<br />
Euch glaubt an den Weihnachtsmann?“<br />
Es dauert<br />
zwar noch ein paar Wochen,<br />
bevor Simon und<br />
Jan in <strong>Bayreuth</strong> auftreten<br />
werden – eine der besten<br />
kleinsten Boygroups der<br />
Gegenwart, die die heikle<br />
Frage, den Weihnachtsmann<br />
betreffend, an den<br />
Anfang ihres Programms<br />
„Halleluja!“ gestellt hat.<br />
Man darf jedoch schon<br />
auf sie hinweisen und sich darauf<br />
freuen, dass die beiden Meister der sprachlich geschliffenen, zugleich<br />
bösen wie melancholischen Lieder im Januar hier gastieren werden. Erst <strong>2019</strong><br />
haben sie mit dem „Salzburger Stier“ den Oscar des Kabaretts gewonnen,<br />
wohl auch für ihren Klassiker „Karnickelkotzen“. Rupprecht S. Ramsenthaler<br />
alias Joachim Schultz, die beste One-Man-Kleinkunstgruppe <strong>Bayreuth</strong>s alias<br />
Der Melankomiker aus Oberfranken, dichtete dagegen erst kürzlich: „Sitzt du im<br />
Zug: Was denkst du dann? / Denkst du an den Weihnachtsmann? / Denkst du<br />
an Sex, an wilde Spiele? / Bist du schon halb an deinem Ziele?“<br />
Dr. Frank Piontek<br />
Nein, ich will zu Weihnachten nicht mit dem Zug wegfahren, auch nicht mit<br />
dem Auto, denn sich motorisiert vorwärts- bzw. wegbewegen bedeutet ja<br />
inzwischen das Klima schädigen, und was es heißt, einen wenn auch dünnen<br />
Witz über die Heilige Greta zu machen: das hat Dieter Nuhr gerade erst von politisch<br />
überaus korrekt sein wollender Seite schmerzvoll erfahren. Andererseits:<br />
Was bedeutet es, wenn ein Winterdorf seine unsichtbaren Pforten schon bei<br />
spätsommerlichen Temperaturen eröffnet, was wie eine Satire auf den Herbst<br />
anmutet? Wird da etwa weniger Zeeoozwei<br />
in die Atmosphäre gepustet,<br />
weil's draußen noch so warm ist? Unwahrscheinlich,<br />
denn die Bratwürste<br />
und der Glühwein benötigen ja eine<br />
fixierte Brenntemperatur. Bei welchen<br />
Graden Maxi Schafroth auf Touren<br />
kommt, weiß ich nicht, aber ich vermute,<br />
dass sein Auftritt, der am 7. <strong>Dezember</strong><br />
im Zentrum über die Bühne<br />
gehen wird, nicht weniger witzig sein<br />
wird als sein brillanter Einstand als<br />
Nachfolger der Mama Bavaria auf dem<br />
diesjährigen Nockherberg. Sein Programm<br />
heißt „Faszination Bayern“, was<br />
Ganz große „Kleinkunst“ auf dem Gabentisch<br />
den letzten <strong>Bayreuth</strong>er aus seinem Loch heraustreiben sollte, weil er nun eben,<br />
da beißt die Maus kein' Faden ab, in der gleichnamigen Verwaltungseinheit<br />
lebt. Schafroth selbst hat ja mit seinem Allgäuer Migrationshintergrund bewiesen,<br />
dass sich sprachliche und kulturelle Minderheiten auch im ehemaligen<br />
Königreich und jetzigem Vorhof zum Paradies sinnvoll integrieren können.<br />
Ein paar Tage später wird übrigens eine kleine Kabarett-Truppe, die einst in<br />
Bamberg gegründet wurde, wieder einmal am Roten Main gastieren. TBC,<br />
das Totale Bamberger Cabaret, gehörte vor 30 Jahren zu den oberfränkischen<br />
Avantgarde-Gruppen, die noch den letzten Zuschauer aus der letzten Reihe<br />
der Stadthalle unbarmherzig holten und sehr persönlich anredeten. Die<br />
Schweißperlen der Besucher konnte man förmlich rollen hören. Das war etwa in<br />
der Zeit, als Sigi Zimmerschied mit seinem unvergesslichen Programm namens<br />
„Ausschwitzn“ in der ebenso unvergesslichen „Rosenau“ auftrat. Gewiss: das<br />
stark niederbayerisch-passauerisch eingefärbte Programm war nichts für die<br />
Studenten aus NRW oder Schleswig-Holstein, die sich sprachlich ausgegrenzt<br />
fühlen mussten, aber es ist schön zu wissen, dass Zimmerschied inzwischen<br />
eine Box mit seinen gesamten Programmen vorgelegt hat, also sozusagen für<br />
die Ewigkeit.<br />
Werden Beziehungen für die Ewigkeit gemacht? Wer sich am 1. <strong>Dezember</strong><br />
aufmacht, um die letzte Vorstellung von Simon Stephens' „Heisenberg“ in der<br />
Studiobühne zu besuchen, dürfte spätestens im Anschluss an die Aufführung<br />
die Frage stellen: Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie? Nein, „Heisenberg“<br />
ist kein Kabarett, aber Kabarett hat es leider, aber auch glücklicherweise oft mit<br />
diesen beiden Gattungen zu tun. In der Studiobühne kämpfen sich der alte<br />
Mann und die jüngere Frau durch eine höchst bemerkenswerte Beziehung: zum<br />
Vergnügen der Theaterfreunde, die kurzweilige und intelligent inszenierte Beziehungsdramen<br />
genauso spannend finden wie das Leben selbst. Eine Eintrittskarte<br />
entspricht übrigens im finanziellen Gegenwert lediglich einem Besuch im<br />
Winterdorf (mit Speis und Trank). Wie beim Glühweinverzehr dürften auch hier<br />
die wärmsten Gefühle im Bauch entstehen. Auf der Rückseite des Programmhefts<br />
entdecke ich – was für ein Zu-Fall! - gerade eine bemerkenswerte Gebrauchsanweisung:<br />
für das Stück, mehr noch für das Leben. Zitat aus dem Stück:<br />
„Wir leben nur einmal. Einmal, das schmeißt man nicht einfach so weg. Das<br />
vergeudet man nicht einfach so. Wie viele Weihnachten hast du noch in dir? ...“<br />
Es ist erstaunlich: Weihnachten, wo man auch hinschaut. Man und frau muss es<br />
„nur“ finden und zu genießen wissen. In diesem Sinne: Fröhliche Weihnachten<br />
– seien Sie einfach lieb zueinander (was nicht unbedingt etwas mit Sex zu tun<br />
hat). Auch wenn Sie nicht mehr an den Weihnachtsmann glauben.<br />
Der Kolumnist Dr. Frank Piontek