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ABC Jubiläumsbuch SHORT 2019

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verfertigen, bedeutend verbessert worden.“ 3 Ein „jeder Ungeübte“<br />

könne darauf recht schnell „laufen“, da die Maschinen<br />

„gut ausbalanciert“ und vergleichsweise leicht, dabei doch<br />

stabil seien. Der Hersteller baue auch dreirädrige Laufmaschinen,<br />

bei denen die Balance erst recht kein Problem sei. Über<br />

den „Mechanikus Wollenschläger“ ist ansonsten leider nichts<br />

bekannt. Allzu erfolgreich kann seine Produktion von Laufmaschinen<br />

aber nicht gewesen sein, da fast keine Hinweise auf<br />

ihn in Hamburg und Altona zu dieser Zeit existieren. Was hingegen<br />

in der Presse erschien, war das Angebot einer gebrauchten<br />

Laufmaschine – eine „sehr schöne Draisine, oder<br />

Schnell-Fahr-Maschine“, die „sehr billig zu verkaufen“ sei. 4<br />

Dem vermutlichen Besitzer, Hoffmann aus dem Specksgang,<br />

sagte die Maschine wohl nicht mehr zu, vielleicht war es ihm<br />

auch unangenehm sich damit in der Hamburger Öffentlichkeit<br />

zu bewegen, da hier nur wenige Proto-Radfahrer unterwegs<br />

waren und diese folglich eine Kuriosität darstellten. Mittels<br />

der Presse blieben die Hamburger über neuere Entwicklungen<br />

informiert. So berichtete eine englische Zeitung, in Kopenhagen<br />

seien Laufmaschinen sehr verbreitet, was eine Kopenhagener<br />

Zeitung wiederum verneinte. 5 Im März 1819 war zu lesen,<br />

dass eine englische Zeitung „eine sehr elegante Abbildung einer<br />

verbesserten Draisine“ enthalte und in diesem Zusammenhang<br />

gab die Hamburger Zeitung „Börsen-Halle“ auch einige<br />

englische Begriffe für die Laufmaschine wieder: „the<br />

Pedestrian Carriage“, „Walking-Accelerator“ und „German Horse“.<br />

6 Die Laufmaschine konnte zwar das Gehen beschleunigen,<br />

als Rennmaschine konnte man sie jedoch wahrlich nicht bezeichnen.<br />

Dennoch fand am 20. April 1829 beim Schloss in<br />

Nymphenburg nahe München ein Wettfahren auf Laufmaschinen<br />

über eine Strecke von viereinhalb Kilometern statt. Die<br />

Geschwindigkeit des Siegers wurde mit 8,5 km/h von Wolf<br />

Gronen und Walter Lemke als „sehr beachtlich“ eingestuft. 7<br />

Das menschliche Bedürfnis nach Wettstreit und Unterhaltung<br />

sorgte für diesen ersten Moment des „Radsports“, dem lange<br />

Zeit nichts folgen sollte. Karl Drais, der 1849 seinen Adelstitel<br />

Freiherr von Sauerbronn ablegte und demzufolge mit seinem<br />

bürgerlichen Namen benannt werden sollte, musste miterleben,<br />

wie seine Laufmaschine in Vergessenheit geriet und wie<br />

seine Person und seine Erfindung lächerlich gemacht wurden.<br />

Die Vision mittels Technik verbesserter menschlicher Mobilität<br />

konnte sich vorerst nicht durchsetzen – doch die Idee war in<br />

der Welt und wurde Jahrzehnte später wiederaufgegriffen.<br />

Turnen, Sport, Vereine<br />

Sport ist heute allgegenwärtig und zentraler Bestandteil der<br />

Unterhaltungsindustrie mit ihren gewaltigen finanziellen Umsätzen<br />

wie beispielsweise im Profifußball. Der „Sport“ gelangte<br />

als Begriff und Verhalten von England auf den europäischen<br />

Kontinent und fand im anglophilen Bürgertum Hamburgs und<br />

Altonas viele Anhängerinnen und Anhänger. Die „english<br />

sports“ wie Rudern, Tennis und Fußball trafen in bürgerlichen<br />

Kreisen einen Nerv, weil sie identitätsstiftende Vorstellungen<br />

wie Leistung, Fairness und Männlichkeit transportierten und<br />

untermauerten. 8 So entstand bereits 1836 der Hamburger Ruder-Club,<br />

der sich 100 Jahre später mit dem 1853 gegründeten<br />

Germania-Ruder-Club zusammentat, und damit der älteste<br />

Verein außerhalb Großbritanniens in dieser Disziplin ist. 9 In<br />

Hamburg, die „allerenglischste Stadt des Kontinents“ 10 , beschäftigte<br />

Sport im Laufe des 19. Jahrhunderts insbesondere<br />

den männlichen Teil des Bürgertums und lieferte unendlichen<br />

Diskussionsstoff. „Treffen sich zwei ‚Kollegen‘“, so ein Kollektivportrait<br />

der bürgerlichen Hamburger um die Jahrhundertwende,<br />

„so werden sie mit unfehlbarer Sicherheit sofort ein Gespräch<br />

übers Geschäft oder über Sport beginnen. Und beide<br />

Themata sind dem ‚Jungen Mann‘ unerschöpflich.“ 11 Der Sport<br />

begeisterte um die Jahrhundertwende Massen und der rasante<br />

Radsport lag in der Gunst des Publikums seinerzeit vorn, ehe<br />

ihm der Fußball in den 1920er Jahren den Rang ablief.<br />

Trotz einer unübersehbaren Vorliebe in Hamburg für<br />

englische Manieren und Moden existierte mit dem Turnen<br />

noch eine andere, weit ältere Sporttradition. Seit dem frühen<br />

19. Jahrhundert verschmolzen im Turnen individuelle „Leibesertüchtigung“<br />

und Dienst am Vaterland, das seinerzeit noch<br />

in viele Staaten aufgeteilt war. Friedrich Ludwig Jahn (1778-<br />

1852), zum „Turnvater Jahn“ stilisiert, propagierte das Turnen<br />

im Sinne der Nation und fand viele Nachahmer – auch in<br />

Hamburg. 12 Hier gründete sich bereits 1816 die Hamburger Turnerschaft<br />

(HT16), der erste deutsche Turnverein überhaupt<br />

und der älteste bis heute bestehende Sportverein. 13 Turner<br />

schlossen sich auch in Hamburgs Schwesterstadt zusammen<br />

und gründeten den Altonaer Turnverein von 1845. 14 Die Turnvereine<br />

versammelten Gleichgesinnte und bildeten eine feste<br />

Gemeinschaft, die im Alltag durch gemeinsames Training und<br />

mittels Uniformierung weiter gefestigt wurde. Das Vereinswesen<br />

war in den deutschen Landen und auch in Hamburg weit<br />

verbreitet und akzeptiert und bot auch den Anhängern verschiedener<br />

Sportarten seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine erprobte<br />

Form der Vergesellschaftung. 15 9

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