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ABC Jubiläumsbuch SHORT 2019

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anderen Mitglied des Clubs: Harro Feddersen. Nur wenige Tage<br />

nach dem Rennen platzierte Feddersen eine Annonce in den<br />

Altonaer Nachrichten, in der er „Preisgekrönte Velocipeden“<br />

aus der Fabrik von Wilhelm Schlüter bewarb und auf den Vertrieb<br />

ebendieser in seinem Geschäft in der Palmaille 20 hinwies.<br />

28 Dort seien sie zu „Originalpreisen“ erhältlich, was wohl<br />

bedeutete, dass sie zu Fabrikpreisen verkauft wurden. Im Club<br />

versammelten sich damit Hersteller, Weiterverkäufer und<br />

nicht zuletzt Sportler, die in einem symbiotischen Verhältnis<br />

standen und die alle der Wunsch einte, Velozipeden allgemein<br />

bekannter zu machen.<br />

Zu einem wichtigen Forum für die Verbreitung von Velozipeden<br />

entwickelten sich Ausstellungen. Im 19. Jahrhundert und<br />

der rasanten Industrialisierung stellten die Weltausstellungen<br />

eine Art Leistungsschau der Hersteller dar und waren nicht<br />

frei von nationaler Motivation. Auf der Weltausstellung 1867<br />

in Paris waren auch Velozipede zu bestaunen, wovon deutsche<br />

Besucher und Zeitungen berichteten. 29 Auch auf Ausstellungen<br />

in Altona konnten Velozipeden im Jahr 1869 gesehen<br />

werden. „Ende des Sommers“ fand hier eine Blumen- und Maschinenausstellung<br />

statt, auf der „einige Velocipeden“ vertreten<br />

und zu begutachten waren. 30 Weitere Angaben über die<br />

Velozipeden-Aussteller liegen nicht vor, aber vermutlich waren<br />

die Schlüters und Harro Feddersen daran beteiligt.<br />

Der Eimsbütteler Club hatte in Pinneberg Schiffbruch erlitten,<br />

als man versuchte, ein eigenes „Wettreiten“ zu veranstalten.<br />

Die Idee und die Versuchung eines Veloziped-Rennens lag jedoch<br />

im Frühjahr und Sommer 1869 geradezu in der Luft. Im<br />

Juli des Jahres wandten sich die Veranstalter der großen preußischen<br />

Industrie- und Landwirtschaftsausstellung im folgenden<br />

Herbst in Altona an den Vorstand des Vereins. In der<br />

Club-Versammlung am 30. Juli 1869 wurde das Schreiben der<br />

„schleswig-holsteinischen Landes-Industrie-Ausstellung“ verlesen,<br />

die zu einem „in Aussicht genommenen Velocipedenrennen<br />

animiert“. 31 „Nach eingehender Discussion wurde beschlossen,<br />

daß der Club bedingungsweise an diesem Rennen<br />

sich betheiligen werde.“ Der Club wagte es damit abermals,<br />

ein Wettfahren als Veranstalter auszurichten und wollte mit<br />

einer möglichst großen Zahl an Mitgliedern an den Start gehen.<br />

Die Velozipedisten sahen sich im Übrigen in illustrer Gesellschaft,<br />

denn um die Schau „recht interessant zu machen<br />

und einen zahlreichen Besuch zu gewinnen, wurde ein Pferde-,<br />

Elephanten- und zuletzt ein Velocipeden-Rennen veranstaltet“.<br />

32 Die Frage ist durchaus berechtigt, was mehr Aufsehen<br />

erregte: das Elefanten- oder das Veloziped-Rennen.<br />

Vermutlich war es Letzteres, denn ein solches hatten Altona<br />

und Hamburg noch nicht gesehen.<br />

Die norddeutschen und Hamburger Velozipeden-Produzenten<br />

sahen jedenfalls die Ausstellung und das Rennen als willkommene<br />

Gelegenheit, um ihre neuartigen Gefährte zu präsentieren.<br />

33 „Die Velocipeden“, notierten die Altonaer Nachrichten,<br />

„diese Nebenbuhler des Rosses, welche in großer Anzahl in<br />

der Ausstellung erschienen, sind auch von französischen<br />

Fabrikanten geliefert, ob besser als die deutschen, möge dahingestellt<br />

bleiben.“ 34 Verschiedene Hamburger und norddeutsche<br />

Velozipeden-Hersteller stellten ihre Produkte auf<br />

der Altonaer Ausstellung vor. C. E. Samuelson aus Hamburg<br />

war mit seiner „Vélocipède eigenen Systems“ vertreten; Tewes<br />

& Co. („Kaufleute und Fabrikanten aus Hamburg“) stellten ein<br />

„dreiräderigeres Vélocipède“ aus, das „in ein zweiräderigeres<br />

zu verwandeln“ sei, zudem ein „Eis-Vélocipède und andere“.<br />

Das Eis-Veloziped verfügte über eiserne Zacken an den Reifen,<br />

um auf vereistem Untergrund sicheren Halt zu garantieren<br />

und sollte das Velozipeden-Reiten im nahenden Winter ermöglichen.<br />

Harro Feddersen war ebenfalls mit Velozipeden<br />

vertreten, sicherlich aus der Produktion von Schlüter. H. C.<br />

Hempel, Schmiedemeister aus Altona bewarb sein „vierrädereriges<br />

Vélocipède für 3 Personen“, über das leider keine näheren<br />

Informationen vorliegen. Schließlich hatte sich auch<br />

Heinrich Büssing, „Vélocipèdenfabrikant“ aus Braunschweig,<br />

mit zwei- und dreirädrigen Velozipeden nach Altona begeben.<br />

35 Die Velozipeden-Hersteller sahen die Altonaer Ausstellung<br />

als willkommene Gelegenheit, um für ihre Fahrzeuge zu<br />

werben und direkt vor Ort ein großstädtisches Publikum zu<br />

erreichen. Die gegenseitige Konkurrenz belebte zudem den<br />

zarten Velozipeden-Boom und führte zu technischen Verbesserungen<br />

innerhalb recht kurzer Zeit.<br />

Das Rennen während der Ausstellung sollte „die praktische<br />

Verwendbarkeit“ der Velozipede in der Öffentlichkeit demonstrieren<br />

und war damit ganz im Sinne der Hersteller. 36 Die beiden<br />

Veranstalter des Rennens, der Eimsbütteler und der St.<br />

Georger Velocipeden-Club, verfolgten das gleiche Ziel, zusätzlich<br />

zum erhofften Renommee für die beiden Hamburger Pioniervereine.<br />

Die Veranstalter bewarben im Vorfeld auch außerhalb<br />

Hamburgs das Rennen, „zu dem die Velocipedisten<br />

der verschiedenen Städte Deutschlands Einladungen erhalten<br />

haben“. Das hohe Prestige, der neuartige Charakter und nicht<br />

zuletzt die ausgelobten Geldpreise lockten schließlich Teilnehmer<br />

aus nah und fern, mit Meldungen aus Hamburg und<br />

Altona, Harburg, Lüneburg, Hadersleben, Berlin, Dresden,<br />

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