Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
anderen Mitglied des Clubs: Harro Feddersen. Nur wenige Tage<br />
nach dem Rennen platzierte Feddersen eine Annonce in den<br />
Altonaer Nachrichten, in der er „Preisgekrönte Velocipeden“<br />
aus der Fabrik von Wilhelm Schlüter bewarb und auf den Vertrieb<br />
ebendieser in seinem Geschäft in der Palmaille 20 hinwies.<br />
28 Dort seien sie zu „Originalpreisen“ erhältlich, was wohl<br />
bedeutete, dass sie zu Fabrikpreisen verkauft wurden. Im Club<br />
versammelten sich damit Hersteller, Weiterverkäufer und<br />
nicht zuletzt Sportler, die in einem symbiotischen Verhältnis<br />
standen und die alle der Wunsch einte, Velozipeden allgemein<br />
bekannter zu machen.<br />
Zu einem wichtigen Forum für die Verbreitung von Velozipeden<br />
entwickelten sich Ausstellungen. Im 19. Jahrhundert und<br />
der rasanten Industrialisierung stellten die Weltausstellungen<br />
eine Art Leistungsschau der Hersteller dar und waren nicht<br />
frei von nationaler Motivation. Auf der Weltausstellung 1867<br />
in Paris waren auch Velozipede zu bestaunen, wovon deutsche<br />
Besucher und Zeitungen berichteten. 29 Auch auf Ausstellungen<br />
in Altona konnten Velozipeden im Jahr 1869 gesehen<br />
werden. „Ende des Sommers“ fand hier eine Blumen- und Maschinenausstellung<br />
statt, auf der „einige Velocipeden“ vertreten<br />
und zu begutachten waren. 30 Weitere Angaben über die<br />
Velozipeden-Aussteller liegen nicht vor, aber vermutlich waren<br />
die Schlüters und Harro Feddersen daran beteiligt.<br />
Der Eimsbütteler Club hatte in Pinneberg Schiffbruch erlitten,<br />
als man versuchte, ein eigenes „Wettreiten“ zu veranstalten.<br />
Die Idee und die Versuchung eines Veloziped-Rennens lag jedoch<br />
im Frühjahr und Sommer 1869 geradezu in der Luft. Im<br />
Juli des Jahres wandten sich die Veranstalter der großen preußischen<br />
Industrie- und Landwirtschaftsausstellung im folgenden<br />
Herbst in Altona an den Vorstand des Vereins. In der<br />
Club-Versammlung am 30. Juli 1869 wurde das Schreiben der<br />
„schleswig-holsteinischen Landes-Industrie-Ausstellung“ verlesen,<br />
die zu einem „in Aussicht genommenen Velocipedenrennen<br />
animiert“. 31 „Nach eingehender Discussion wurde beschlossen,<br />
daß der Club bedingungsweise an diesem Rennen<br />
sich betheiligen werde.“ Der Club wagte es damit abermals,<br />
ein Wettfahren als Veranstalter auszurichten und wollte mit<br />
einer möglichst großen Zahl an Mitgliedern an den Start gehen.<br />
Die Velozipedisten sahen sich im Übrigen in illustrer Gesellschaft,<br />
denn um die Schau „recht interessant zu machen<br />
und einen zahlreichen Besuch zu gewinnen, wurde ein Pferde-,<br />
Elephanten- und zuletzt ein Velocipeden-Rennen veranstaltet“.<br />
32 Die Frage ist durchaus berechtigt, was mehr Aufsehen<br />
erregte: das Elefanten- oder das Veloziped-Rennen.<br />
Vermutlich war es Letzteres, denn ein solches hatten Altona<br />
und Hamburg noch nicht gesehen.<br />
Die norddeutschen und Hamburger Velozipeden-Produzenten<br />
sahen jedenfalls die Ausstellung und das Rennen als willkommene<br />
Gelegenheit, um ihre neuartigen Gefährte zu präsentieren.<br />
33 „Die Velocipeden“, notierten die Altonaer Nachrichten,<br />
„diese Nebenbuhler des Rosses, welche in großer Anzahl in<br />
der Ausstellung erschienen, sind auch von französischen<br />
Fabrikanten geliefert, ob besser als die deutschen, möge dahingestellt<br />
bleiben.“ 34 Verschiedene Hamburger und norddeutsche<br />
Velozipeden-Hersteller stellten ihre Produkte auf<br />
der Altonaer Ausstellung vor. C. E. Samuelson aus Hamburg<br />
war mit seiner „Vélocipède eigenen Systems“ vertreten; Tewes<br />
& Co. („Kaufleute und Fabrikanten aus Hamburg“) stellten ein<br />
„dreiräderigeres Vélocipède“ aus, das „in ein zweiräderigeres<br />
zu verwandeln“ sei, zudem ein „Eis-Vélocipède und andere“.<br />
Das Eis-Veloziped verfügte über eiserne Zacken an den Reifen,<br />
um auf vereistem Untergrund sicheren Halt zu garantieren<br />
und sollte das Velozipeden-Reiten im nahenden Winter ermöglichen.<br />
Harro Feddersen war ebenfalls mit Velozipeden<br />
vertreten, sicherlich aus der Produktion von Schlüter. H. C.<br />
Hempel, Schmiedemeister aus Altona bewarb sein „vierrädereriges<br />
Vélocipède für 3 Personen“, über das leider keine näheren<br />
Informationen vorliegen. Schließlich hatte sich auch<br />
Heinrich Büssing, „Vélocipèdenfabrikant“ aus Braunschweig,<br />
mit zwei- und dreirädrigen Velozipeden nach Altona begeben.<br />
35 Die Velozipeden-Hersteller sahen die Altonaer Ausstellung<br />
als willkommene Gelegenheit, um für ihre Fahrzeuge zu<br />
werben und direkt vor Ort ein großstädtisches Publikum zu<br />
erreichen. Die gegenseitige Konkurrenz belebte zudem den<br />
zarten Velozipeden-Boom und führte zu technischen Verbesserungen<br />
innerhalb recht kurzer Zeit.<br />
Das Rennen während der Ausstellung sollte „die praktische<br />
Verwendbarkeit“ der Velozipede in der Öffentlichkeit demonstrieren<br />
und war damit ganz im Sinne der Hersteller. 36 Die beiden<br />
Veranstalter des Rennens, der Eimsbütteler und der St.<br />
Georger Velocipeden-Club, verfolgten das gleiche Ziel, zusätzlich<br />
zum erhofften Renommee für die beiden Hamburger Pioniervereine.<br />
Die Veranstalter bewarben im Vorfeld auch außerhalb<br />
Hamburgs das Rennen, „zu dem die Velocipedisten<br />
der verschiedenen Städte Deutschlands Einladungen erhalten<br />
haben“. Das hohe Prestige, der neuartige Charakter und nicht<br />
zuletzt die ausgelobten Geldpreise lockten schließlich Teilnehmer<br />
aus nah und fern, mit Meldungen aus Hamburg und<br />
Altona, Harburg, Lüneburg, Hadersleben, Berlin, Dresden,<br />
26