PT-Magazin 01 2020
Offizielles Magazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung.
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Gesellschaft<br />
<strong>PT</strong>-MAGAZIN 1/<strong>2020</strong><br />
© Caro Sodar auf Pixabay<br />
6<br />
Nur für einen kurzen Moment<br />
galt Francis Fukuyamas<br />
Buchtitel aus dem Jahre 1992 „Das<br />
Ende der Geschichte“ als Tatsache:<br />
Die liberale Demokratie des Westens<br />
in der Form der Parteiendemokratie<br />
- eine Erfolgsgeschichte des<br />
20. Jahrhunderts, steht weltweit<br />
am Ende des historischen Prozesses<br />
auf der Suche nach der besten<br />
Staatsform. Aber seitdem kommt<br />
sie unter Rechtfertigungsdruck von<br />
innen wie von außen. Inzwischen<br />
wandelt sich das Adjektiv „liberal“<br />
in „illiberal“ oder gar „autoritär“,<br />
um unsere bisherige Form der<br />
Demokratie von Entwicklungen<br />
in anderen Ländern, die sich auch<br />
demokratisch nennen, zu unterscheiden.<br />
Der Druck von außen ist<br />
bekannt. Dafür stehen die autoritären<br />
Systeme von Russland,<br />
China oder auch der Türkei, ganz<br />
zu schweigen von dem Trumpismus.<br />
Das soll hier aber nicht unser<br />
Thema sein. Vielmehr widmen wir<br />
uns der Binnensicht.<br />
Erstaunlich und daher auch<br />
bedeutsam ist, dass sich sowohl<br />
Joachim Gauck als auch Frank-<br />
Walter Steinmeier in vielen ihrer<br />
Reden mit der Demokratie befassen.<br />
Bei den Bundespräsidenten ist es ein<br />
hochrangiges Anliegen, sich für die Verteidigung<br />
unserer demokratischen Ordnung<br />
einzusetzen. Sie müssen Gründe<br />
hierfür haben, wenn sie Gefahren für<br />
unsere demokratische Verfassung sehen.<br />
So zitiert Joachim Gauck, wohl nicht ohne<br />
Grund, in seiner Rede vom 18.Januar 2<strong>01</strong>7<br />
zum Ende seiner Amtszeit Carlo Schmid.<br />
Die Demokratie sollte, so Schmid, „auch<br />
den Mut zur Intoleranz denen gegenüber<br />
aufbringen, die die Demokratie gebrauchen<br />
wollen, um sie umzubringen“. Dies<br />
sicher auch eine Anspielung auf die nunmehr<br />
historische Tatsache, dass Weimar<br />
nicht an seiner Verfassung, wie wir es in<br />
unserem Schulunterricht noch gelernt<br />
haben, sondern an der Wahlurne gescheitert<br />
ist. Immerhin hatten rund 60 v.H. der<br />
Wahlberechtigten demokratiefeindliche<br />
Parteien gewählt.<br />
Bundespräsident Steinmeier hat in<br />
Fortsetzung seines Vorgängers gar ein<br />
„Forum Bellevue-Zur Zukunft der Demokratie“<br />
eingerichtet. Anlässlich der Eröffnung<br />
dieses Ortes am 19.September<br />
2<strong>01</strong>7, an dem seitdem mit „Vernunft und<br />
Wahrhaftigkeit“ über Gefährdungen<br />
und Verbesserungen unserer Demokratie<br />
gestritten wird, merkte Bundespräsident<br />
Steinmeier an: “wir, die Bürgerinnen<br />
und Bürger, müssen uns selbstbewusst<br />
um die Demokratie kümmern- und auch<br />
wieder lernen, für sie zu streiten“.<br />
Als Bürger sehe ich in folgenden Phänomenen<br />
Anlass, um darüber nachzudenken,<br />
warum wir unsere demokratische<br />
Verfassung verbessern sollten:<br />
1.Ende der 60er Jahre des 20.Jahrhunderts<br />
wollten Plisch und Plum (Strauß und<br />
Schiller) eine große Steuerreform durchsetzen-<br />
bis heute auf der politischen<br />
Agenda, aber nie realisiert. Im Gegenteil:<br />
sogar der Fiskus ist nicht mehr in der Lage,<br />
die geschaffene steuerpolitische Komplexität<br />
zu überschauen. Warum gelingt es<br />
unserem politischen System nicht, ein<br />
einfaches, für den Steuer zahlenden Bürger<br />
transparentes Steuerrecht zu schaffen.<br />
Eine vergleichbare Frage stellt sich<br />
für die Sozialpolitik wie für andere Bereiche.<br />
Wolfgang Schäuble, Präsident des