13.01.2020 Aufrufe

Leseprobe: Bernstein – West Side Story

Seit seiner Uraufführung im Jahr 1957 gehört 'West Side Story' zu den meistgespielten Musicals weltweit. Die packende Geschichte lässt Shakespeares 'Romeo und Julia' im New York der 1950er-Jahre spielen – in einer haltlosen Welt, die durch Bandenkriege dominiert wird. Der Komponist Leonard Bernstein hat zusammen mit dem Choreografen Jerome Robbins ein unvergessliches Gesamtkunstwerk geschaffen, das in zeitloser Weise von Liebe und Gewalt, Rache und Hoffnung erzählt.

Seit seiner Uraufführung im Jahr 1957 gehört 'West Side Story' zu den meistgespielten Musicals weltweit. Die packende Geschichte lässt Shakespeares 'Romeo und Julia' im New York der 1950er-Jahre spielen – in einer haltlosen Welt, die durch Bandenkriege dominiert wird. Der Komponist Leonard Bernstein hat zusammen mit dem Choreografen Jerome Robbins ein unvergessliches Gesamtkunstwerk geschaffen, das in zeitloser Weise von Liebe und Gewalt, Rache und Hoffnung erzählt.

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Die beabsichtigte Vorbereitung des Publikums und der Kritik auf<br />

ein ernstes Musical erzeugte zunächst jedoch einen eher unerwünschten<br />

Effekt. Sondheim erinnerte sich: »Die erste halbe Stunde lang war das<br />

Publikum fast wie tot. Die Zuschauer hatten gehört, dies sei ein ›Kunstwerk‹<br />

<strong>–</strong> und saßen also da wie Kinder in der Kirche.« Erst bei der gesungenen<br />

Diskussion über die Vor- und Nachteile von »America« löste sich<br />

die Anspannung. »In diesem Moment begriffen sie: Es war ein Musical,<br />

und sie würden Spaß dabei haben.« Ersten tosenden Applaus gab es nach<br />

dem Quintett »Tonight«, der noch anschwoll, als bei offener Szene die Verwandlung<br />

für den »Rumble« erfolgte. »Da hatte ich das Gefühl, wir landeten<br />

einen Hit«, so <strong>Bernstein</strong>.<br />

Nichtdestotrotz fielen die Einschätzungen der Kritik gemischt<br />

aus. Frank Aston etwa kommentierte sarkastisch den Song »Gee, Officer<br />

Krupke«: »Es ist schon lustig, Kriminelle vortragen und vorführen zu lassen,<br />

für wie idiotisch sie Jugendrichter, Psychiater und Sozialarbeiter halten.«<br />

Brooks Atkinson nannte in der Times den Stoff »schockierend. […]<br />

Bandenkrieg ist der Stoff der <strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>, und kaum eine Abscheulichkeit<br />

wird ausgelassen.« Und Walter Kerr schrieb in der Herald Tribune:<br />

»Ganz generell wird in der Show nicht gut gesungen. Das Spiel ist gehetzt.<br />

Und abgesehen von dem aberwitzigen Tempo der Tanznummern findet<br />

sich fast nichts, was emotional berührt. […] Dies ist so eine Show, die die<br />

ganze Nacht hindurch tanzen könnte <strong>–</strong> und das tat sie auch fast. Aber<br />

beim Tanzen bleibt es auch. Gelegenheiten zum Lachen <strong>–</strong> oder auch zum<br />

Weinen <strong>–</strong> sucht man vergeblich.« Aber die genannten Kritiker und ihre<br />

Kollegen fanden auch viel Positives in der Produktion: Für Richard Watts<br />

etwa lag <strong>Bernstein</strong>s Musik in der Mitte »zwischen dem sardonischen Biss<br />

seines Candide und seinen erheblich populäreren Songs aus Wonderful<br />

Town.« John Chapman nannte das Ganze zwar bösartig »eine Jukebox-<br />

Manhattan-Oper«, doch die Musik <strong>Bernstein</strong>s sei »vorzüglich. Sie enthält<br />

den Drive, den Schwung, die Ruhelosigkeit und die Liebenswürdigkeit<br />

unserer Stadt.« Und John McClain fasste seine Kritik zusammen mit den<br />

Worten: »<strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong> ist etwas vollkommen Neues im Theater <strong>–</strong> und<br />

einfach großartig.« Unverkennbar zieht sich durch die Kritik ein Zweifel,<br />

ob der tragische Stoff tatsächlich in der Form des Musicals erzählbar sei.<br />

Entsprechend der geäußerten Ambivalenz blieben die Verkaufszahlen<br />

hinter den Hoffnungen zurück. Auch als im April 1958 die wichtigen<br />

Tony Awards verliehen wurden, erhielten nur Jerome Robbins und<br />

Oliver Smith Auszeichnungen. Der Tony für das beste Musical der Saison<br />

ging an The Music Man von Meredith Willson, im Vergleich zur <strong>West</strong> <strong>Side</strong><br />

<strong>Story</strong> ein eher konventionelles Werk.

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