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Leseprobe: Bernstein – West Side Story

Seit seiner Uraufführung im Jahr 1957 gehört 'West Side Story' zu den meistgespielten Musicals weltweit. Die packende Geschichte lässt Shakespeares 'Romeo und Julia' im New York der 1950er-Jahre spielen – in einer haltlosen Welt, die durch Bandenkriege dominiert wird. Der Komponist Leonard Bernstein hat zusammen mit dem Choreografen Jerome Robbins ein unvergessliches Gesamtkunstwerk geschaffen, das in zeitloser Weise von Liebe und Gewalt, Rache und Hoffnung erzählt.

Seit seiner Uraufführung im Jahr 1957 gehört 'West Side Story' zu den meistgespielten Musicals weltweit. Die packende Geschichte lässt Shakespeares 'Romeo und Julia' im New York der 1950er-Jahre spielen – in einer haltlosen Welt, die durch Bandenkriege dominiert wird. Der Komponist Leonard Bernstein hat zusammen mit dem Choreografen Jerome Robbins ein unvergessliches Gesamtkunstwerk geschaffen, das in zeitloser Weise von Liebe und Gewalt, Rache und Hoffnung erzählt.

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WOLFGANG JANSEN<br />

GREGOR HERZFELD<br />

<strong>Bernstein</strong><br />

<strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>


Weitere Bände der Reihe OPERNFÜHRER KOMPAKT:<br />

Daniel Brandenburg • Verdi • Rigoletto<br />

Detlef Giese • Verdi • Aida<br />

Michael Horst • Puccini • Tosca<br />

Michael Horst • Puccini • Turandot<br />

Malte Krasting • Mozart • Così fan tutte<br />

Silke Leopold • Verdi • La Traviata<br />

Robert Maschka • Beethoven • Fidelio<br />

Robert Maschka • Mozart • Die Zauberflöte<br />

Robert Maschka • Wagner • Tristan und Isolde<br />

Volker Mertens • Wagner • Der Ring des Nibelungen<br />

Clemens Prokop • Mozart • Don Giovanni<br />

Olaf Matthias Roth • Donizetti • Lucia di Lammermoor<br />

Olaf Matthias Roth • Puccini • La Bohème<br />

Marianne Zelger-Vogt und Heinz Kern • Strauss • Der Rosenkavalier<br />

Wolfgang Jansen unterrichtet an der Universität der Künste Berlin Theaterund<br />

Musicalgeschichte. Er veröffentlichte zahlreiche Publikationen zum<br />

populären Musiktheater (Revue, Operette, Musical), zuletzt Cats & Co.,<br />

Geschichte des Musicals im deutschsprachigen Theater.<br />

Gregor Herzfeld ist Privatdozent für Musikwissenschaft an der Freien Universität<br />

Berlin, Dramaturg des Freiburger Barockorchesters und wirkt an<br />

mehreren aktuellen Publikationen zu Leonard <strong>Bernstein</strong> mit.


OPERNFÜHRER KOMPAKT<br />

WOLFGANG JANSEN<br />

GREGOR HERZFELD<br />

<strong>Bernstein</strong><br />

<strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>


Auch als eBook erhältlich:<br />

epub: ISBN 978-3-7618-7037-2 • epdf: ISBN 978-3-7618-7036-5<br />

Die eBooks enthalten zusätzlich ein Glossar.<br />

Aufgrund der unterschiedlichen technischen Gestaltungsmöglichkeiten von eBook<br />

und gedrucktem Buch ergeben sich für Abbildungen, Notenbeispiele, Tabellen und<br />

ähnliche Elemente geringfügige Differenzen bei der Seitenzuordnung.<br />

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation<br />

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten<br />

sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.<br />

© 2015 Bärenreiter-Verlag Karl Vötterle GmbH & Co. KG, Kassel<br />

Gemeinschaftsausgabe der Verlage Bärenreiter, Kassel, und<br />

Seemann Henschel GmbH & Co. KG, Leipzig<br />

Umschlaggestaltung: Carmen Klaucke unter Verwendung eines Fotos von Nilz Böhme:<br />

<strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong> / Idee und Choreografie von Jerome Robbins / Buch von Arthur<br />

Laurents / Musik von Leonard <strong>Bernstein</strong> / Gesangstexte von Stephen Sondheim /<br />

Produktion: BB Promotion GmbH<br />

Lektorat: Daniel Lettgen, Köln<br />

Innengestaltung: Dorothea Willerding<br />

Satz: EDV + Grafik, Christina Eiling, Kaufungen<br />

Korrektur: Kara Rick, Eberbach<br />

Notensatz: Tatjana Waßmann, Winnigstedt<br />

Druck und Bindung: CPI <strong>–</strong> Ebner & Spiegel, Ulm<br />

ISBN 978-3-7618-2219-7 (Bärenreiter) • ISBN 978-3-89487-906-8 (Henschel)<br />

www.baerenreiter.com • www.henschel-verlag.de


Inhalt<br />

»Romeo und Julia« unter den Brücken von New York 7<br />

Das Creative Team 9<br />

Leonard <strong>Bernstein</strong>, der Komponist 9 • Arthur Laurents, der Buchautor<br />

21 • Jerome Robbins, der Regisseur und Choreograf 22 •<br />

Stephen Sondheim, der Autor der Gesangstexte 24<br />

Die Entstehung 27<br />

Eine Zusammenarbeit kommt in Gang 27 • Abbruch der Arbeit<br />

und Wiederaufnahme mit einer neuen Grundidee 33 • Erneute<br />

Unterbrechung und Endspurt 35<br />

Die dramaturgische und musikalische Gestaltung 44<br />

Handlung und Dramaturgie 45 • Die Musik 75<br />

Vom Wagnis zum Klassiker 97<br />

Die Uraufführung 98 • Original Cast Recording 101 • Die britische<br />

Erstaufführung 104 • Die deutsche Erstaufführung 107 • Der Film<br />

109 • Der Roman (zum Musical) 113 • Die deutschsprachige Erstaufführung<br />

in Wien 116 • Die Übersetzung 118 • Die Erstaufführung<br />

in der DDR 121 • Allzeit-Favorit des deutschen Publikums 123<br />

Jenseits der Bühne 124<br />

Gesamteinspielungen 124 • Bearbeitungen als Suite und Ballett 126 •<br />

Jazz 128 • Rock, Pop und Hip-Hop 130 • Film, TV und Internet 132<br />

Anhang 134<br />

Zitierte und empfohlene Literatur 134 • Abbildungsnachweis 136


Vom Wagnis zum Klassiker<br />

Die Gattung Musical gehört zu jenen Formen des Theaters, die kaum von<br />

den Entwicklungen des »Regietheaters« betroffen sind. Die Stücke werden<br />

insofern überwiegend werkgetreu in der jeweiligen Landessprache zur<br />

Aufführung gebracht. Aus diesem Grund unterscheiden sich die Inszenierungen<br />

der <strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong> auch nicht durch unterschiedliche Lesarten von<br />

Regisseuren oder ihre dekonstruktivistischen Bearbeitungen der Aufführungsvorlage.<br />

Zwar lassen sich Qualitätsunterschiede bei den jeweiligen<br />

Inszenierungen feststellen, doch resultieren sie zumeist aus dem jeweils<br />

zur Verfügung stehenden Personal, vom Regisseur über den Choreografen<br />

bis zu den Darstellern. Hinzu kommt, dass seit der Uraufführung die<br />

Rechteinhaber keine Veränderungen am Text und an der Musik zulassen.<br />

Interpretatorische Absichten können sich daher nur im nonverbalen Bereich<br />

ausdrücken.<br />

In diesem Sinne verwandelte beispielsweise die Inszenierung im<br />

Berliner Theater des <strong>West</strong>ens 1981 das Geschehen allein durch die Gestaltung<br />

der Kostüme in einen Konflikt zwischen deutschen und türkischen<br />

Jugendlichen. Und in Dessau missfiel 2011 der versöhnliche Ausklang des<br />

Musicals, sodass der Regisseur ein stummes Nachspiel erfand, in dem er<br />

Anita den fallen gelassenen Revolver ergreifen und ihn Maria erneut in<br />

die Hand drücken ließ, die sich daraufhin in ihrem Zimmer, auf dem Bett,<br />

in dem sie noch kurz zuvor ihre »Hochzeitsnacht« mit Tony verlebt hatte,<br />

erschießt.<br />

Eine klassische Rezeptionsgeschichte, bei der sich anhand ausgewählter<br />

Inszenierungen und ihrer Interpretation zeittypische Verschiebungen<br />

im Verständnis des Werks abzeichnen, lässt sich für die <strong>West</strong> <strong>Side</strong><br />

<strong>Story</strong> also nicht schreiben. Vielmehr haben wir es mit dem Phänomen zu<br />

tun, dass sich die Wahrnehmung des Musicals von den inhaltlich sehr<br />

spezifischen amerikanischen Zusammenhängen der 1950er-Jahre lösen<br />

konnte und das Stück <strong>–</strong> ohne sich zu verändern <strong>–</strong> innerhalb von gut an-<br />

97


derthalb Jahrzehnten eine geradezu zeitlose Bedeutung erhielt. Die dargestellten<br />

Konflikte erwiesen sich auf Dauer als gleichsam archetypisch,<br />

sodass sie von den Zuschauern der unterschiedlichsten Länder und Kulturräume<br />

entschlüsselt werden konnten und keiner besonderen Aktualisierung<br />

mehr bedurften. Je nach Zeit und Ort konnte das Werk mit Sinn<br />

und Bezügen aufgeladen werden.<br />

Was im Rückblick auf die Entwicklung seit der Uraufführung im<br />

Herbst 1957 möglicherweise wie eine Selbstverständlichkeit klingt, war es<br />

nicht. Auch für die <strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>, inzwischen als Meilenstein der Musicalgeschichte<br />

allgemein akzeptiert, war nicht vorhersehbar, dass aus dem<br />

künstlerischen Wagnis einmal ein »Klassiker« werden würde.<br />

Die Uraufführung<br />

Die Reaktionen auf die Uraufführung fielen alles andere als überschwänglich<br />

aus, trotz der Prominenz der Autoren und des Regieteams. Premiere<br />

war, wie gesagt, am 26. September 1957 im Winter Garden Theatre in New<br />

York. Zuvor hatte es zwei Tryout-Stationen in Washington (ab 19. August)<br />

und drei Wochen später in Philadelphia gegeben. Die Tryouts, die im amerikanischen<br />

Musicalgeschäft üblich sind, dienen dazu, das gesamte Stück<br />

noch einmal anhand der Reaktionen des Publikums zu überprüfen, die<br />

Wirkung bestimmter Szenen und Songs zu beobachten, Umstellungen<br />

vorzunehmen, Dialoge oder Songs eventuell neu zu schreiben oder bestimmte<br />

Teile gar herauszunehmen. Die Dauer der Tryouts und der Umfang<br />

der Veränderungen können sehr unterschiedlich ausfallen. Immer<br />

gilt jedoch die New Yorker Premiere als das eigentliche Uraufführungsdatum.<br />

Der <strong>West</strong>-<strong>Side</strong>-<strong>Story</strong>-Premiere voraus gingen ab dem 11. September<br />

Previews, Voraufführungen, die zur Sicherstellung der reibungslosen<br />

technischen Abläufe in dem angemieteten Theater dienten.<br />

Die Produzenten und Autoren wussten, dass sie ein Stück an den<br />

Broadway brachten, wie es bis dahin kaum vorstellbar schien: ein wortloser<br />

Kampf als Ouvertüre, zur Pause zwei Leichen auf der Bühne, kaum<br />

fröhliche Szenen und zum Schluss einen musiklosen Monolog einer jungen<br />

Frau, die erklärt, jetzt ebenfalls töten zu können. »Wir hatten keine<br />

Ahnung«, äußerte sich <strong>Bernstein</strong>, »ob die Show auch nur halbwegs okay<br />

sein würde.« Etwas Vergleichbares hatte es zumindest bislang im Musicaltheater<br />

nicht gegeben. Ob der Broadway, für den es auch noch in den<br />

1950er-Jahren als ausgemacht galt, dass Musicalaufführungen fröhlich zu<br />

sein hätten, ein tragisches Musical zu einem ernsten, zeitgenössischen<br />

98


Thema akzeptieren würde, war kaum verlässlich einzuschätzen. Die <strong>West</strong><br />

<strong>Side</strong> <strong>Story</strong> war ein Wagnis, ein künstlerisches ebenso wie ein finanzielles.<br />

Nur die Überzeugung der Autoren und Produzenten, das Richtige zu tun,<br />

unabhängig von allen Konventionen, ließ sie alle Bedenken überwinden.<br />

Vorbeugend sandte man die guten Tryout-Kritiken von Washington<br />

nach New York, wohl wissend, dass sich die dortigen Rezensenten kaum<br />

davon beeindrucken ließen. Zudem schrieb Arthur Laurents für die New<br />

Yorker Herald Tribune im August 1957, also ebenfalls noch im Vorfeld der<br />

Premiere, einen Beitrag mit dem Titel »The Growth of an Idea«, in dem<br />

er den Entstehungsprozess und die inhaltlichen<br />

Überlegungen der Autoren schilderte.<br />

<strong>Bernstein</strong> gab der New York World<br />

Telegram & Sun, ebenfalls im August, ein<br />

Interview, in dem er seiner Hoffnung nach<br />

Bei den Proben zur Originalproduktion:<br />

<strong>Bernstein</strong> mit dem Damen-Ensemble,<br />

rechts Carol Lawrence, Sondheim am<br />

Klavier.<br />

positiver Aufnahme ihres Werks Ausdruck gab. »Leonard <strong>Bernstein</strong> hat<br />

die große Hoffnung, dass eine neue Form des amerikanischen Musicals<br />

geboren wird. ›Sollte es gelingen, wird dies ein Meilenstein sein‹, sagt er,<br />

›ein Schritt in Richtung Zukunft der amerikanischen Musik.‹« Und pünktlich<br />

zur Premiere lieferte er in der Playbill-Zeitschrift seine sogenannten<br />

»Auszüge aus dem <strong>West</strong>-<strong>Side</strong>-<strong>Story</strong>-Logbuch«. Viel mehr inhaltliche Erklärungen<br />

konnte man im Vorfeld kaum abgeben.<br />

99


100<br />

Die beabsichtigte Vorbereitung des Publikums und der Kritik auf<br />

ein ernstes Musical erzeugte zunächst jedoch einen eher unerwünschten<br />

Effekt. Sondheim erinnerte sich: »Die erste halbe Stunde lang war das<br />

Publikum fast wie tot. Die Zuschauer hatten gehört, dies sei ein ›Kunstwerk‹<br />

<strong>–</strong> und saßen also da wie Kinder in der Kirche.« Erst bei der gesungenen<br />

Diskussion über die Vor- und Nachteile von »America« löste sich<br />

die Anspannung. »In diesem Moment begriffen sie: Es war ein Musical,<br />

und sie würden Spaß dabei haben.« Ersten tosenden Applaus gab es nach<br />

dem Quintett »Tonight«, der noch anschwoll, als bei offener Szene die Verwandlung<br />

für den »Rumble« erfolgte. »Da hatte ich das Gefühl, wir landeten<br />

einen Hit«, so <strong>Bernstein</strong>.<br />

Nichtdestotrotz fielen die Einschätzungen der Kritik gemischt<br />

aus. Frank Aston etwa kommentierte sarkastisch den Song »Gee, Officer<br />

Krupke«: »Es ist schon lustig, Kriminelle vortragen und vorführen zu lassen,<br />

für wie idiotisch sie Jugendrichter, Psychiater und Sozialarbeiter halten.«<br />

Brooks Atkinson nannte in der Times den Stoff »schockierend. […]<br />

Bandenkrieg ist der Stoff der <strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>, und kaum eine Abscheulichkeit<br />

wird ausgelassen.« Und Walter Kerr schrieb in der Herald Tribune:<br />

»Ganz generell wird in der Show nicht gut gesungen. Das Spiel ist gehetzt.<br />

Und abgesehen von dem aberwitzigen Tempo der Tanznummern findet<br />

sich fast nichts, was emotional berührt. […] Dies ist so eine Show, die die<br />

ganze Nacht hindurch tanzen könnte <strong>–</strong> und das tat sie auch fast. Aber<br />

beim Tanzen bleibt es auch. Gelegenheiten zum Lachen <strong>–</strong> oder auch zum<br />

Weinen <strong>–</strong> sucht man vergeblich.« Aber die genannten Kritiker und ihre<br />

Kollegen fanden auch viel Positives in der Produktion: Für Richard Watts<br />

etwa lag <strong>Bernstein</strong>s Musik in der Mitte »zwischen dem sardonischen Biss<br />

seines Candide und seinen erheblich populäreren Songs aus Wonderful<br />

Town.« John Chapman nannte das Ganze zwar bösartig »eine Jukebox-<br />

Manhattan-Oper«, doch die Musik <strong>Bernstein</strong>s sei »vorzüglich. Sie enthält<br />

den Drive, den Schwung, die Ruhelosigkeit und die Liebenswürdigkeit<br />

unserer Stadt.« Und John McClain fasste seine Kritik zusammen mit den<br />

Worten: »<strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong> ist etwas vollkommen Neues im Theater <strong>–</strong> und<br />

einfach großartig.« Unverkennbar zieht sich durch die Kritik ein Zweifel,<br />

ob der tragische Stoff tatsächlich in der Form des Musicals erzählbar sei.<br />

Entsprechend der geäußerten Ambivalenz blieben die Verkaufszahlen<br />

hinter den Hoffnungen zurück. Auch als im April 1958 die wichtigen<br />

Tony Awards verliehen wurden, erhielten nur Jerome Robbins und<br />

Oliver Smith Auszeichnungen. Der Tony für das beste Musical der Saison<br />

ging an The Music Man von Meredith Willson, im Vergleich zur <strong>West</strong> <strong>Side</strong><br />

<strong>Story</strong> ein eher konventionelles Werk.


Vor diesem Hintergrund begannen die Produzenten, über den richtigen<br />

Zeitpunkt für das Ende der Laufzeit am Broadway nachzudenken.<br />

Harold Prince legte die ersten Planungen für eine anschließende National<br />

Tour auf. Zu Beginn des Jahres 1959 reduzierte er darüber hinaus die<br />

Ticketpreise. Stärker als erwartet zog daraufhin der Verkauf wieder an,<br />

doch da er nun bereits die Tournee-Stationen gebucht hatte, war es zu<br />

spät, und die <strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong> verließ am 27. Juni 1959, nach 734 Vorstellungen,<br />

den Broadway. Prince, der zugeben musste, mit dem Abbruch der<br />

Aufführungsserie einen strategischen Fehler begangen zu haben, kehrte<br />

mit der Produktion zwar am 27. April 1960 noch einmal zurück, und <strong>Bernstein</strong><br />

dirigierte zur erneuten Premiere auch werbeträchtig die Ouvertüre,<br />

doch mehr als 249 weitere Vorstellungen erreichte man nicht mehr. Am<br />

10. Dezember 1960 war das Stück in New York endgültig abgespielt.<br />

Original Cast Recording<br />

In der Zwischenzeit war die Verwertungskette des Musicals in Gang gekommen.<br />

Es begann mit der Schallplatte. Bereits zwei Wochen nach der<br />

Uraufführung lag die LP mit der Original-Cast-Aufnahme in den Plattenläden<br />

zum Verkauf aus.<br />

Welche Effekte und Einnahmen damit erzielt werden konnten,<br />

stellte das Musical My Fair Lady von Alan Jay Lerner und Frederick Loewe<br />

schlagend unter Beweis. Das Stück kam gut ein Jahr vor der <strong>West</strong> <strong>Side</strong><br />

<strong>Story</strong> zur Uraufführung und avancierte mit mehr als 2 700 Vorstellungen<br />

zum erfolgreichsten Musical des Jahrzehnts. Finanziert wurde die Produktion<br />

unter anderem von der Plattenfirma Columbia, einer Tochter von<br />

CBS, die auch <strong>Bernstein</strong> unter Vertrag hatte. Bereits nach anderthalb Jahren<br />

hatten sich von der Original-Cast-LP mehr als eine Million Exemplare<br />

verkauft. Die Schallplatten sorgten nicht nur für eine verstärkte Nachfrage<br />

nach Theatertickets und führten zur Popularisierung der Songs, sondern<br />

entwickelten darüber hinaus ganz erhebliche Einnahmeeffekte. So war es<br />

kein Wunder, dass Columbia sich ebenfalls mit den Autoren der <strong>West</strong> <strong>Side</strong><br />

<strong>Story</strong> ins Benehmen setzte.<br />

Die Gespräche begannen bereits lange vor der Premiere. Schon im<br />

Februar 1957, weit vor Fertigstellung von Buch und Partitur, kam es zu<br />

einer ersten Begegnung, die freilich wenig ermutigend für die Autoren<br />

endete, wie <strong>Bernstein</strong> zugab: »Ich weiß noch wie Steve [Sondheim] und<br />

ich <strong>–</strong> wir armen Hunde! <strong>–</strong> bei Columbia Records, meiner Plattenfirma,<br />

die Partitur am Klavier vorspielten. Sie sagten: Nein, da ist nichts drin,<br />

101


Anhang<br />

Zitierte und empfohlene Literatur<br />

Aufführungsmaterialien<br />

<strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>. A Musical. Based on a Conception of Jerome Robbins, Book by Arthur<br />

Laurents, Music by Leonard <strong>Bernstein</strong>, Lyrics by Stephen Sondheim, hrsg. von James<br />

Bean (Fremdsprachentexte, Reclams Universal-Bibliothek 9212), Stuttgart 1986<br />

<strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>. Textbuch. Übersetzung von Marcel Prawy. Manuskript aus dem<br />

Theater archiv des Stadttheaters St. Gallen<br />

<strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>. Vocal Score, London u. a. 1957, 2000<br />

Bücher<br />

<strong>Bernstein</strong>, Burton: Die <strong>Bernstein</strong>s, aus dem Amerikanischen von Dorothee Koehler,<br />

München 1989<br />

<strong>Bernstein</strong>, Leonard: Freude an der Musik, aus dem Amerikanischen von Kora Tenbruck,<br />

Stuttgart 1961<br />

<strong>Bernstein</strong>, Leonard: Konzert für junge Leute. Die Welt der Musik in neun Kapiteln, aus<br />

dem Amerikanischen von Else Winter, München 1985<br />

<strong>Bernstein</strong>, Leonard: Erkenntnisse, aus dem Amerikanischen von Peter Weiser, München<br />

1986<br />

Berson, Misha: Something’s Coming, Something Good. <strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong> and the American<br />

Imagination, Milwaukee 2011<br />

Burton, Humphrey: Leonard <strong>Bernstein</strong>. Die Biographie, aus dem Englischen von Harald<br />

Stadler, München 1994<br />

Garebian, Keith: The Making of <strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>, Oakville 1995<br />

Geraths, Armin (Hrsg.): Creating the »New Musical«. Harold Prince in Berlin, Frankfurt<br />

a. M. 2006<br />

Gordon, Joanne: Art Isn’t Easy. The Theater of Stephen Sondheim, Boston 1992<br />

Gottfried, Martin: Sondheim, New York 1993<br />

Gradenwitz, Peter: Leonard <strong>Bernstein</strong>. Unendliche Vielfalt eines Musikers, Zürich 1984<br />

Guernsey, Otis L. (Hrsg.): Broadway Song & <strong>Story</strong>. Playwrights, Lyricists, Composers<br />

Discuss Their Hits, New York 1985<br />

Hanisch, Michael: Vom Singen im Regen. Filmmusical gestern und heute, Berlin 1980<br />

134


Hirsch, Foster: Harold Prince and the American Musical Theatre, Cambridge 1989<br />

Horowitz, Mark Eden: Sondheim on Music, New York 2003<br />

Ilson, Carol: Harold Prince. A Director’s Journey, New York 2000<br />

Jaensch, Andreas: Leonard <strong>Bernstein</strong>s Musiktheater. Auf dem Weg zu einer amerikanischen<br />

Oper, Kassel u. a. 2003<br />

Jansen, Wolfgang: Cats & Co. Geschichte des Musicals im deutschsprachigen Theater,<br />

Berlin 2008<br />

Jowitt, Deborah: Jerome Robbins. His Life, His Theater, His Dance, New York u. a. 2005<br />

Kaiser, Joachim (Hrsg.): Leonard <strong>Bernstein</strong>s Ruhm. Gedanken und Informationen über<br />

das Lebenswerk eines großen Künstlers, München 1988<br />

Kurme, Sebastian: Halbstarke. Jugendprotest in den 1950er Jahren in Deutschland und<br />

den USA, Frankfurt a. M. 2006<br />

Laurents, Arthur: Original <strong>Story</strong> by Arthur Laurents. A Memoir of Broadway and Hollywood,<br />

New York 2000<br />

Lawrence, Greg: Dance with Demons. The Life of Jerome Robbins, New York 2001<br />

Mikotowicz, Tom: Oliver Smith. A Bio-Bibliography, <strong>West</strong>port 1993<br />

Morley, Sheridan: Spread A Little Happiness. The First Hundred Years of the British<br />

Musical, New York 1987<br />

Peyer, Joan: Leonard <strong>Bernstein</strong>. Eine Biographie, aus dem Amerikanischen von Hans-<br />

Joachim Maass, Hamburg 1988<br />

Schmidt, Jochen: Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts in einem Band, Berlin 2002<br />

Secrest, Meryle: Stephen Sondheim. A Life, New York 1998<br />

Shulman, Irving: <strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>. Ein Roman nach dem Broadway-Musical, aus dem<br />

Amerikanischen von Hari Schwenn-Minnehall, Reinbek 1962<br />

Simeone, Nigel: Leonard <strong>Bernstein</strong>. <strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>, Farnham 2009<br />

Suskin, Steven: Opening Night on Broadway. A Critical Quotebook of the Golden Era of<br />

the Musical Theatre. Oklahoma! (1943) to Fiddler on the Roof (1964), New York 1990<br />

Vaill, Amanda: Somewhere. The Life of Jerome Robbins, New York 2008<br />

Wagner-Trenkwitz, Christoph: »Es grünt so grün …« Musicals an der Wiener Volksoper,<br />

Wien 2007<br />

Wright, Adrian: <strong>West</strong> End Broadway. The Golden Age of the American Musical in London,<br />

Woodbridge 2012<br />

Zadan, Craig: Sondheim & Co., New York 1974<br />

Artikel<br />

<strong>Bernstein</strong>, Leonard: Excerpts from a »<strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>«-Log, in: Playbill 1957<br />

Jackson, Gertrude: <strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>: Thema, Grundhaltung und Aussage, in: Maske und<br />

Kothurn. Vierteljahrsschrift für Theaterwissenschaft 16/1 (1970), S. 97<strong>–</strong>101<br />

Jansen, Wolfgang: »I’ve Grown Accustomed …« Das Musical kommt nach Deutschland,<br />

1945<strong>–</strong>1960, in: Nils Grosch und Elmar Juchem (Hrsg.): Die Rezeption des Broadwaymusicals<br />

in Deutschland (Veröffentlichungen der Kurt-Weill-Gesellschaft Dessau,<br />

Bd. 8), Münster u. a. 2012<br />

Kaiser, Joachim: Ruhm und Raffinement der <strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>. Münchner Gastspielpremiere<br />

des Broadway-Musicals im Deutschen Theater, in: Süddeutsche Zeitung,<br />

19. Juni 1961<br />

135


Kaiser, Joachim: »Glänzend gemacht« <strong>–</strong> aber Kitsch. Jerome Robbins’ »<strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>«<br />

in der Bundesrepublik gezeigt, in: Theater heute, August 1961<br />

Koegler, Horst: Ballets USA. Jerome Robbins’ Truppe gastierte in Berlin und München,<br />

in: Theater heute, Oktober 1961<br />

Laurents, Arthur: The Growth of an Idea, in: New York Herald Tribune, 4. August 1957<br />

Leick, Romain: I Like to Be in America. Nahaufnahme: Wie die Broadway-Legende<br />

Arthur Laurents vor 50 Jahren mit »<strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>« das Musical revolutionierte,<br />

in: Der Spiegel, 26. November 2007<br />

Melchinger, Siegfried: <strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>. Auftakt der Deutschland-Tournee des Broadway-<br />

Musicals, in: Stuttgarter Zeitung, 19. Juni 1961<br />

Schneider, Elke: Ohne Patina. DDR-Erstaufführung der »<strong>West</strong> <strong>Side</strong> <strong>Story</strong>« am Opernhaus<br />

Leipzig, in: Theater der Zeit, Juni 1984<br />

Abbildungsnachweis<br />

akg-images / Glasshouse Images: 67 unten, 111<br />

akg-images / Album: 65, 66 oben, 67 oben<br />

akg-images / Album / Mirisch 7 Arts / United Artists: 66 unten<br />

BB Promotion GmbH (Foto: Nilz Böhme): 68, 69 oben<br />

Dimo Dimov: 71 unten, 72<br />

Fred Fehl: 41, 55, 61, 91, 121<br />

Benno Hagleitner / visionstudios.ch: 71 oben<br />

Ludwig Koerfer: 69 unten, 70<br />

Fred Palumbo: 13<br />

Al Ravenna: 31<br />

The New York Public Library for the Performing Arts (Foto: Friedman-Abeles):<br />

25, 99, 103<br />

Wir danken den Rechteinhabern und Theatern für die gute Zusammenarbeit.<br />

136

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