05.04.2020 Aufrufe

Enkaustik. Eine verloren gegangene Kunstform? (09-2014)

Heiliger Berg Athos - Neue Bilder alter Heiliger

Heiliger Berg Athos - Neue Bilder alter Heiliger

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Elliniki Gnomi September 2014 / 07

ARTIKEL

Heiliger Berg Athos

Neue Bilder alter Heiliger

Enkaustik. Eine verloren gegangene Kunstform?

Von Walter Bachsteffel

Die Methode der Enkaustik wurde von griechischen

Künstlern vom fünſten vorchristlichen Jahrhundert an

benutzt. Ein Großteil unseres Wissens bezüglich des

Gebrauches der Farben in der Antike verdanken wir dem römischen

Geschichtsschreiber Plinius, der seine Arbeiten im 1.

Jahrhundert nach Christus verfasste. Wie es aussieht, besaß

Plinius nur wenig Wissen aus erster Hand, was die Methode angeht,

der man in den Ateliers der Künstler nachging. Deshalb

ist der Versuch seiner Beschreibung der Methoden und Materialien

nur bruchstückhaſt und voller Lücken. Seine Darstellung

des Themas jedoch gibt uns im Allgemeinen eine Vorstellung

wie diese benutzt wurden. Übereinstimmend mit Plinius also

hatte die Enkaustik verschiedene Anwendungsbereiche. Gebraucht

wurde sie bei der Malerei von Porträts und von Szenen

aus der Mythologie auf Stuck, für die Farbgebung von Marmor

sowie Terrakotta, und der Bearbeitung von Elfenbein.

Kerzenwachs ist ein wunderbares Konservierungsmittel und

genau aus diesem Grund heraus entwickelte sich die Kunst der

Enkaustik. Die Griechen trugen Schichten von Wachs auf, um

ihre Schiffe abzudichten. Die Pigmentierung des Wachses trug

dazu bei, die Kriegsschiffe zu verzieren. Selbst Homer erwähnt

die bemalten Schiffe der griechischen Krieger, die in Troja Krieg

führten. Demnach ist der Gebrauch eines noch unvollkommenen

enkaustischen Materials eine sehr alte Methode bis zum 5.

Jahrhundert vor Christus. Sehr wahrscheinlich ist es, dass die

grob hergestellte Farbe, mit welcher man zu dieser Zeit unter

dem Gebrauch von Bürsten Schiffe anmalte, einer Verfeinerungsmethode

unterzogen wurde, wenn man sie für die Malkunst

auf speziellen Untergründen benutzen wollte. Plinius

spricht sogar von zwei Künstlern, welche ihre Karriere als Anstreicher

von Schiffen begannen.

Die Anwendung der Enkaustik auf Stuck kam, um sich mit

der Tempera bei Werken zu messen, welche die ältesten tragbaren

Gemälde sind, die wir kennen, und auf Staffeleien hergestellt

wurden. Die Tempera war die schnellere und billigere

Methode. Die Enkaustik dagegen war zeitaufwendig und

schwierig zu handhaben, wobei jedoch die Farbe reliefartige

Formen annehmen konnte und das Wachs sie üppiger erschienen

ließ. Diese Eigenschaſten trugen dazu bei, dass das Bild am

Ende eine lebendigere Wirkung aufwies. Dazu kam, dass die

Enkaustik eine viel größere Haltbarkeit im Vergleich mit der

Tempera aufwies, welche leicht von Feuchtigkeit angegriffen

werden konnte. Plinius bezieht sich auf Enkaustikgemälde, die

ein Alter von einigen Jahrhunderten hatten und sich im Besitz

von römischen Aristokraten seiner Zeit befanden.

Die Eigenschaſt der Enkaustik zu präsentieren und zu färben

führte zu ihrer weiten Anwendung auf Stein, sowohl bei architektonischen

Bauten als auch bei Werken der Bildhauerei. Der

weiße Marmor, welchen wir heute bei antiken griechischen

Denkmälern sehen, war einmal farbig, wahrscheinlich leicht gefärbt

wie die Meißelwerke des Sarkophages des Alexanders,

welcher sich im archäologischen Museum von Konstantinopel

befindet. Plinius führt an, als man den Bildhauer Praxyteli

fragte, welche Werke er bevorzugte, dieser antwortete: „Jene,

die Nikias gearbeitet hat.“ Die dekorative Terrakotta in geschlossenen

Räumen wurde ebenfalls mit der Enkaustik gefärbt

und war eine Methode, welche als eine Vorreiterin für die

Ausschmückung mit Mosaiken zu betrachten ist.

Die wohl bekanntesten Werke der Enkaustik sind die Totenporträts

aus Fajum, die in Ägypten während des 1. und 2. Jahrhunderts

nach Christus von griechischen Malern hergestellt

wurden. Nach der Eroberung Ägyptens durch Alexander siedelte

sich dort eine große Anzahl von Griechen an, welche mit

der Zeit die Sitten der Urbevölkerung übernahmen. Zu diesen

Sitten gehörte die Mumifizierung der Toten. Ein Porträt des Verstorbenen,

was ihn entweder in der Blüte seiner Jugend oder

nach seinem Tod zeigte, wurde als Opfergabe auf die Mumie

gelegt. Viele dieser Arbeiten überlebten bis in unsere Zeit und

ihre Farben wirken so lebendig wie die eines Werkes, das erst

vor kurzer Zeit hergestellt wurde.

Erhaltene Mumienporträts sind zum überwiegenden Teil auf

Holztafeln gemalt worden. Daneben gab es Mumienporträts,

die direkt auf die Mumienleinwand oder die Leichentücher aufgebracht

wurden. Die Holzplatten wurden aus hochwertigen, in

dünne, rechteckige Stücke geschnittenen, importierten Hartholzarten

gefertigt und anschließend poliert. Manchmal wurden

die Tafeln zusätzlich mit einem Gipsgemisch grundiert. Bei einigen

Bildern sind Vorzeichnungen erkennbar. Die Bilder wurden

in einem „Bildfenster“ in die Mumienumhüllung eingefasst.

Zwei Maltechniken sind zu unterscheiden: Zum einen die Enkaustik,

zum anderen die Eitemperatechnik. Die Bilder in Enkaustik-Technik

bestechen durch ihre leuchtenden und satten

Farben auch heute noch, Bilder in Tempera wegen der zarten

Abstufung ihrer kreidigen Farbtöne hingegen gedämpſter.

Manchmal wurde auch Blattgold für den Schmuck und die Bekränzungen

der Dargestellten verwendet. Akzentuierung und

Differenzierung von Licht und Schatten hingen mit der Lokalisierung

der Lichtquelle zusammen. Vor

allem bei frühen, qualitativ hochwertigen

Porträtbeispielen wurde dazu die Farbgebung

des Hintergrundes eingesetzt.

Der Bilderstreit (Ikonoklasmus) bedeutete

das Aus für die meisten Bilder. Für

lange Jahre war es sehr riskant, Bilder von

Heiligen zu besitzen oder herzustellen. Viel

zu wenige Exemplare konnten versteckt

oder an anderen Orten wie dem Athos gesichert

werden. Weltweit berühmt sind

auch die erhaltenen alten Ikonen im Katharinen-Kloster

auf dem Sinai, wie zum Beispiel

ein Christus Pantokrator aus dem 6.

Jahrhundert nach Christus.

Während der langen Zeitspanne der ökonomischen

Unbeständigkeit, die auf dem

Verfall des römischen Reiches folgte, geriet

auch die Enkaustik in Vergessenheit. Einige

Werke, besonders diejenigen der Ikonographie,

stellte man bis in 12. Jahrhundert hinein

her, doch im Allgemeinen wandelte sie

sich zu einer Kunstform, die als ausgestorben

galt. Das gesamte Verfahren war anstrengend und erforderte

große Aufmerksamkeit, während die Kosten der

Herstellung relativ hoch waren. Sie wurde von der Tempera ersetzt,

welche billiger, schneller und einfacher zu handhaben war.

Während des 18. Jahrhunderts gab es ein Aufleben der Idee der

enkaustischen Malerei, zuerst durch Kunstliebhaber als etwas

Neues zur Wiederentdeckung der Methoden der alten Maler.

Das Thema weitete sich während des 19. Jahrhunderts weiter

aus, um das Problem der Feuchtigkeit zu lösen, dem sich die

Maler von Fresken in den nördlicheren Regionen gegenüberstanden.

Der Erfolg dieser Versuche blieb mäßig und die Enkaustik

verblieb eine relativ unbekannte Form der Kunst.

(Nach Ralph Meyer, „The Artist´s Handbook, materials and

techniques”, wie wir es in einem Katalog zum Thema Enkaustik

in einer griechischen Übersetzung vorfanden. Übersetzung aus

dem Griechischen von Vater Georgios)

Praktische Anwendung

Die Technik der Enkaustik erscheint schon in den Klassischen

Jahren als geeignete Methode für realistische Darstellungen.

Wir wissen nicht, mit welchem genauen Sinn man im Altertum

das Wort Enkaustik benutzte, doch seine etymologische Herkunſt

(von εν-καίω) weist ohne Widerspruch auf den Gebrauch

von Hitze hin. In einem Brief lässt Seneca (4 v. Chr. - 65 n. Chr.)

keinen Zweifel daran, dass die Farben mit großer Schnelligkeit

gewählt und verarbeitet wurden, was ganz natürlich ist, insofern

es sich bei dem Bindemittel um geschmolzenes Wachs

handelte. Heute verstehen wir unter dem Terminus „Enkaustik“

jede Art von Malerei, in welcher Wachs angewendet wird, unabhängig

davon ob dieses heiß oder kalt ist. Folglich umfasst

der Ausdruck auch die Malerei mit kathargischem (Stadt Kathargo)

Wachs, welches kalt verarbeitet wird.

Es gibt keine Übereinkunſt über die genaue Zusammensetzung

des Bindemittels. Einige behaupten es wäre heißes Bienenwachs,

mit Harz vermischt oder auch nicht, welches man

verflüssigte und mit den Farbstoffen verrührte; andere wiederum

halten dafür, dass das Wachs kalt war und dass es,

nachdem es einer Prozedur der Umwandlung zu Emulsion unterzogen

wurde, welche es zuließ mit Farbstoffen, Ei und Öl vermischt

zu werden, man es noch warm oder nachdem es

abgekühlt war, gebrauchte. Bis an den Tag an dem mehr Fajum

Porträts einer Laboranalyse unterzogen werden ist es unmöglich,

dass jemand mit Sicherheit sagen kann wann das Wachs

heiß und wann kalt gebraucht wurde.

Heißes Kerzenwachs

In diesem Fall wird das Bienenwachs, dem Farbstoffe zugefügt

wurden, verflüssigt benutzt, ob mit oder ohne Beimischung

von anderen Stoffen. Trotz der verschiedenen Meinungen, die

von Zeit zu Zeit geäußert wurden, scheint es sehr wahrscheinlich,

dass bei zumindest einigen Porträts (Fajum) das Bindemittel

reines Wachs war. Das Argument, dass das Kerzenwachs

unmittelbar erstarrt, sobald es die Oberfläche des Holzes berührt

und nicht verarbeitet werden kann, wird von denen eingebracht,

welche den Gebrauch dieser Technik anzweifeln. Doch

hatte man schon früher darauf hingewiesen,

dass die hohen Temperaturen

Ägyptens diesen Vorgang verlangsamten

und das Wachs für eine bestimmte

Zeitspanne weich bewahrten. Die

Stoffe, die dem heißen Bienenwachs

wahrscheinlich hinzugefügt wurden,

waren Harz oder Gummi beispielsweise

Mastix von Chios oder arabischer

Gummi, welche dazu beitragen, dass

die Farbe trocknet und sie härter und

widerstandsfähiger macht. Obgleich bis

heute keine von diesen Materialen bei

chemischen Analysen nachgewiesen

werden konnten, sprechen sowohl Plinius

als auch Dioskourídis, Arzt und

Pharmazeut des 1. Jh. n. Chr. von Klebstoff,

Ei, Gummi, Wachs Harz und Öle

als Bindemittel.

Was die Werkzeuge angeht, die man

dabei benutzte, bezieht sich Plinius auf

diejenigen, die „mit der Enkaustik malten,

wobei sie das Brenneisen (cauterium),

das cestrum oder den Pinsel benutzten“. Es gab also drei

verschiedene Instrumente.

Nach dieser notwendigen Einführung machen wir uns auf

den Weg zu einem modernen Künstler der Enkaustik. Ja, es

gibt ihn auf dem Athos, seine Werke schafften es bis nach Konstantinopel

(Istanbul) in die Räume des Patriarchen Bartholomäus,

des Oberhauptes der griechischen Orthodoxie.

Kloster Stavronikita

Wie eine mittelalterliche Burg erhebt sich das Kloster Stavronikita

an der Ostseite des Athos über dem Meer. Während langer

Zeiten mussten alle Klöster sich der Angriffe von Piraten und anderen

Gegnern erwehren. Die Bauformen künden noch heute von

diesen schweren Zeiten. Das Katholikon von Stavronikita dürſte

zusammen mit der Protaton-Kirche in Karyes die wohl schönste

Kirche des Athos sein. Theophanes der Kreter schuf die berühmten

Wandmalereien, welche die Wände der Kirche über und über

bedecken. Sie feiert am 6. Dezember (Hl. Nikolaus).

Das eindrucksvolle Kloster ist unser erster Ausgangspunkt

auf dem Weg zu den Künstlern der Kapsala in ihre selbst gewählte

Einsamkeit. Vorbei an Weinbergen und Obstbäumen

führt er aufwärts, ist aber bequem zu gehen. Ohne genaue

Wegweisung würde das Kellion nicht zu finden sein. Absolute

Ruhe ist garantiert. Freundlich empfängt uns der aus dem Epirus

stammende Mönch. Gegen Fotos seiner Arbeit habe er

nichts einzuwenden, beteuert er. Nur sein Bild und seinen

Namen möchte er für sich behalten. Lächelnd akzeptiert er den

scherzhaſt gemeinten Vorschlag, ihn Vater Anonymos zu nennen,

bittet zu Kaffee, Schokolade und einem starken Tsipouro

(ein klarer Tresterschnaps). Hustend und nach Luſt schnappend

vernimmt der Gast, dass dieses Getränk im Winter gute gesundheitliche

Dienste erweise. Es folgt das große Staunen.

Vater Anonymos

Weinzauberer, Fassmacher,

Bienenzüchter, Maler

Die Traubenernte hat begonnen. Alles, was im Kloster Stavronikita

an helfender Hand verfügbar ist, packt mit an. Der Verantwortliche

für das Gelingen des Weines, scheint überall

gleichzeitig zu sein. Eben noch im Weinberg, taucht er nun im

Weinkeller auf, um den albanischen Helfern auf die Finger zu

sehen. Auf dem Dach des riesigen Fasses rattert ununterbrochen

die Mühle und spuckt die Bestandteile der zerquetschten

Trauben hinab in dunkle Tiefen. Das geschäſtige Treiben erreicht

einen neuen Höhepunkt, als der hochbeladene Traktor mit dem

Rest der Trauben eintrifft. In lähmender Hitze müssen unzählige

Container entladen, gewogen und der Inhalt in die Presse gekippt

werden. Für dieses Jahr war die Ernte nicht so gut, die

Trauben allerdings versprechen einen guten Wein. 5,7 Tonnen

Trauben ergeben 3,5 Tonnen Tafel- und 0,4 Tonnen Messwein.

Nach der harten Arbeit schaut Vater Anonymos auf einen

Kaffee im Kellion vorbei. Obwohl vollkommen erschöpſt, erzählt

er von der Arbeit an dem besten Rotwein, den ich je trank. Naturbelassen

und immer wieder überwacht sind die Weinberge

des Klosters. Im Gegensatz zu einigen anderen Klöstern baut

Stawronikita seinen Wein selbst ohne Zukäufe an. Kurz vor der

Ernte steht die Reinigung des riesigen Fasses mit einem Fassungsvermögen

von 12 Tonnen an. Durch das kleine Mannloch

schlüpſt Vater Anonymos ins Innere und reinigt die Innenseite

mit Stielbürste und Pottasche. Die Hitze dort lässt sich nur mit

viel kaltem Wasser und kalten Duschen ertragen. Nach der ersten

Lagerung wird der Wein in kleinere Fässer umgefüllt. Fässer,

welche der Weinzauberer selbst fertigte. Leider kann ich

nicht bis zum Tsipouro brennen bleiben.

Im darauf folgenden Jahr ist es dann soweit. Das biblisch anmutende

Gesicht von Vater Anonymos leuchtet auf, als er uns

sieht. Hier ist er in seinem Element. Auf steinernem Sockel

thront die riesige Brennblase für den Tresterbrand. Neuen Notwendigkeiten

folgend besteht sie aus Edelstahl. Althergebracht

dagegen sind die Methoden des Brennens. Langsam muss es

gehen. Sechs Stunden für 250 Kilo Pressreste. Riesige Balkenstücke

sorgen für gleichmäßige Temperatur und beleuchten mit

ihrem Flackern geheimnisvoll das Reich

des Weinzauberers. Ein verführerischer

Duſt wabert in der Luſt; er macht Appetit

auf eine Kostprobe aus dem Blechbecher.

Ich kenne bisher nur das Ergebnis

nach dem zweiten Brand, nach Zufügung

von Mastix und Anis.

Heute, nach dem ersten Brand,

schmeckt es einfach köstlich. Bedächtig

erläutert Vater Anonymos die Bearbeitungsschritte.

Blitzenden Auges, kaum

zu sehen unter seiner obligatorischen

Strickmütze, wehrt er das Lob ab. Arbeit

und Erfahrung – sein einziger Kommentar.

Nach einem unterhaltsamen Stündchen

wird deutlich, welch ein Quell des

Wissens mit Vater Anonymos dahinginge.

Keinem jungen Mönch und auch

– leider muss festgestellt werden, keiner

geistlichen Führung ist daran gelegen,

der Nachwelt die Schätze alter, perfekter

Weinbaukunst und Tsipourobrennens,

der Fertigung von Holzfässern oder

Kenntnisse der Bienenzucht zu bewahren. Es tut förmlich körperlich

weh, von Enkaustikikonen im Phanar des orthodoxen

Patriarchen zu hören, deren Urheber Vater Anonymos ist, an

selbst gebrannte Steine für Mosaikikonen und die Technik des

Brechens dieser Steine zu denken. Technik und Kunst, verwirklicht

in vielen Varianten durch einen mönchischen Autodidakten.

Jahrhunderte der Tradition werden mit Vater Anonymos ausgelöscht,

Edelstahltanks auch im Kloster Stawronikita einziehen.

Erheben wir ein Glas dunkelroten, aromatischen Weines,

dass er uns noch lange erhalten bleiben möge. Freuen wir uns

in dem Gedanken, den biblischen Weinzauberer mit Strickmütze

noch oſt umarmen zu können.

Aber wir kamen ja nicht wegen des Weins, der Pflanzen, der

Bienen oder der Fässer her, sondern in der Hoffnung auf künstlerische

und religiöse Kleinode. Deshalb brechen wir auf, um

einige der von Vater Anonymos geschaffenen Enkaustik-Ikonen

zu bewundern. Selbst aus den Räumen des Abtes von Stavronikita

werden Bilder mit den Maßen von etwa 17 x 32 cm vorsichtig

herbeigebracht und im Klosterhof dekorativ an ein

Fenstergitter gelehnt. Natürlich kann unter solchen Umständen

nicht professionell fotografiert werden, aber Farben und Konturenschärfe

verschlagen dem Betrachter den Atem. Schon die

Kleinheit der Ikonen, der feine Strich, die Farbabstufungen, die

leuchtenden und satten Farben lassen es nahezu unmöglich erscheinen,

unter welchen bescheidenen Umständen Vater Anonymos

seine Kunstwerke geschaffen hat. Wir erinnern uns an

ein mit Büchern und Haushaltsgegenständen voll gestopſtes

baufälliges Häuschen. Nein, so beantwortet der Einsiedler die

erste Frage. Nein, er habe keinen Strom im Kellion, seine Beleuchtung

komme aus der Gasflasche. Und nochmals nein, deshalb

könne er auch keine Lupenleuchte oder elektrisches

Maleisen betreiben. Einziges Hilfsmittel für seine Augen sei eine

Lupenbrille, wie sie gerne auch Zahnärzte benutzen. Wieder bedauern

wir, dass Vater Anonymos strikt Personenfotos ablehnt.

Bilder, so sagte er einmal, musst du im Herzen, nicht auf einem

Film bewahren. Ausnahmen akzeptiert er nur als Vorlagen für

seine Heiligenbilder. Zum Glück können wir seine geniale Kunst

im Gedächtnis und auf Fotos bewahren. Ein letzter bewundernder

Blick, ein letzter gemeinsamer Schluck und wir brechen auf.

Wir werden wiederkommen, wenn auch in anderem Zusammenhang.

Nicht wegen des köstlichen Rotweines, sondern

wegen einer weiteren unglaublichen Kunstfertigkeit des einfachen

Eremiten. Aber das ist eine andere Geschichte.

Fotos übergeben von Walter Bachsteffel

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!