08.04.2020 Aufrufe

Panselinos, Theophanes oder Remus - Fresken (11-2014)

Heiliger Berg Athos - Alte und neue Fresken

Heiliger Berg Athos - Alte und neue Fresken

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

04 / November 2014 Elliniki Gnomi

Artikel und Fotos: Walter Bachsteffel

REPORTAGE

Heiliger Berg Athos

Panselinos, Theophanes oder Remus

Alte oder neue Fresken

Frustriert bummle ich durch das

abendliche Karyes. Bohnensuppe

und ein Schluck Retsina richten

mich etwas auf. Als ich sanſtes Geläut vom

Protaton vernehme, trete ich ein. Dunkelheit,

nur spärlich von einigen Kerzen

durchbrochen, empfängt mich. Schwarze

Schatten, nur schemenhaſt als Mönche erkennbar,

huschen geräuschlos umher.

Leise Gebete werden mehr gemurmelt als

gesprochen. Zusehends entfalten sich die

Stimmen zu einem mächtigen Gesang, der

das Schiff der uralten Kirche erfüllt. Links

sitzt der Regisseur des Ganzen. Ein ehrwürdiger

Vater, dessen prüfende Blicke

selbst im Halbdunkeln zu spüren sind,

führt die Aufsicht. Immer wieder huschen

Mönche heran und nach einigen leisen

Worten wieder davon. Die Spannung ist

nun fast greifbar. Dann ist es soweit. Zwei

Mönche entzünden die großen Bienenwachskerzen

am riesigen Radleuchter der

Apostelkrone und an drei weiteren Kronleuchtern.

Bisher kaum sichtbare Ikonen

und im tiefen Schatten liegende Fresken

des Panselinos erwachen zum Leben. Der

Goldgrund dieser alten Bilder in Ikonostase

und an den Wänden verleiht den dunkleren

Figuren der Heiligen eine magische Aura.

Ein Mönch versetzt die Leuchter in eine

kreisförmig schwingende Bewegung. Im

Luſtzug der Drehung flackern die Kerzenflammen.

Nun scheinen die Heiligen zu den

Gläubigen zu sprechen. Eine stumme

Zwiesprache ist dies, der immer noch

machtvolle Gesang ist ihnen nicht zuzuschreiben.

Aufgerissene oder mit Händen

bedeckte Augen der umsitzenden Väter

bezeugen Andacht und meditative Versenkung

überdeutlich. Nie empfand ich den

mystischen Zusammenhang von Abbild

und Urbild so nachdrücklich und eindringlich

wie während dieser Liturgie in der ältesten

und ersten Kirche des Heiligen

Berges.

Alles Licht im Raum der ersten und ältesten

Athoskirche entspringt Kerzen, alle

Glocken werden von Hand geläutet. Die

Kapelle der Unendlichkeit ganz im Süden,

eine neue Bank für Geldgeschäſte, schwingende

Kerzenleuchter und stumme Zwiesprache

mit Heiligen – wird das uralte

Zentrum orthodoxer Gläubigkeit den Spagat

zwischen Bewahrung des Überlieferten

und Hinwendung zur Moderne aushalten?

Sicher, Karyes ist nicht Kapsala. Hier aber

zeigt sich der Spagat überdeutlich. Die Fresken

des Panselinos aus alter Zeit, anrührend

und feierlich. Alte, zum Teil unwiederbringliche

Materialien, alte Techniken, aber gleiche

Regeln für die Fresken des Protaton und

den Fresken in Kapsala. Machen wir die

Probe aufs Exempel im rumänischen Kellion

Agios Georgios. Ein schöner Weg abwärts

aus Karyes zur Brücke in Kapsala-Mitte. Hier

zweigt die Zufahrt zum Kellion ab. Der Zufall

wollte es, dass die Kirche des Anwesens

komplett neu ausgemalt wurde, als ich auf

dem Athos war.

Alte Regeln

ΕΡΜΗΝΕΙΑ ΤΗΣ ΖΩΓΡΑΦΙΚΗΣ

Malerhandbuch vom Berge Athos

vom Mönch Dionysios

Hrsg. Slawisches Institut München,

München 1983

Seite 36

54. Anleitung zur Malerei auf Mauern,

d. h. wie man auf die Mauer malt, und

wie man die Malerpinsel bereitet.

Lerne, wie man die Mauerpinsel macht.

Derjenigen, deren man sich zum Skizzieren

bedient, sind aus dem Haare der Eselsmähne

oder von denen des Ochsenknöchels,

oder aus Ziegenhaaren, oder von dem

Kinnbacken des Maultiers herzustellen.

Mache dieselben so: Nachdem du die Haare

gebunden hast, stecke sie in eine Adlerfeder.

Sie dienen, um das Fleisch und die hellen

Teile zu machen oder auch anderes. Was die

großen Grundierpinsel betrifft, so mache sie

aus Schweineborsten. Wichse einen Seidenfaden

und binde sie damit an einen hölzernen

Stiel. So macht man die Mauer¬pinsel.

Seite 38

60. Wie man Mauerweiß macht.

Nimm Kalk von einer alten Kalkhütte

und probiere ihn also: Nimm ihn auf deine

Zunge, und wenn er weder bitter noch zusammenziehend,

sondern wie Erde

schmeckt, dann ist er gut. Wähle von demselben

aus und verreibe ihn, so gibt es

schönes Mauerweiß. Kannst du keinen solchen

Kalk finden, so nimm alten Mörtel,

der von alten Malereien stammt, kratze die

Farbe gut ab, und reibe ihn trocken auf

einem Marmor. Wirf ihn in ein Gefäß, fülle

es mit Wasser, lass ihn sich setzen und filtriere

ihn ein- oder zweimal, bis mit dem

Wasser auch das Werg und das Stroh weggeht.

Verreibe ihn gut und er wird gutes

Weiß geben. Wenn du von jenem Mörtel

keinen findest, so mach es so: Nimm von

demselben Kalk, womit du arbei¬test, und

lege ihn zum Trocknen in die Sonne. Dann

brenne ihn ziemlich stark im Ofen oder im

Feuer; verreibe ihn und arbeite damit. Versuche

ihn ebenfalls auf der Zunge; wenn er

bitter oder scharf ist, wie der andere,

womit du den Anwurf machst, so lass ihn

sein, denn er bildet eine Kruste, und lässt

sich nicht behandeln, wenn er nicht bitter

ist, sondern wie Erde, so kannst du ungehindert

arbeiten.

Seite 41

70. Wie man auf Mauern das Gold für

Nimben und Sonstiges legt.

Wenn du die Malerei vollendet hast, so

lass dieselbe gut trocken werden. Bereite

dann soviel Goldgrund, als du für deinen

Zweck hinreichend hältst; überziehe

damit die Nimben der Heiligen und

mache auch die Sterne. Gib auch acht,

dass du die Sterne malst, ehe du den

Azur auflegst, denn wenn du sie später

als den Azur malst, geraten sie wohl für

den Augenblick, aber später fallen sie ab.

Wenn du also die Sterne gearbeitet hast,

so lass sie ein wenig trocknen, und versuche

dann in dieser Weise: Lege deinen

Finger an, ob er klebt oder ob er, wenn du

ihn zu¬rückziehst, vom Grunde nichts

mitnimmt, weil es schon ein Häutchen

gezogen hat. Nimm dann das Gold mit

dem ganzen Papierblatt und lege es mit

Vorsicht an seinen Ort, so dass es sich

nicht verrückt.

Drücke dann mit deinem Finger geschickt

und leicht das Gold an, dass es

klebe, ziehe das Papier zurück und reinige

mit dem Hasenfuß. Hat sich irgendeine

Lücke in der Vergoldung gebildet, so

nimm Gold mit dem Hasenfuß, lege es auf

und klebe es an, und es wird gut. So vergolde

Sterne und Goldornamente. Wenn

der Pinsel, womit du den Goldgrund für

die Ornamente auf die Mauer auſträgst,

nicht recht vorangeht, so füge etwas

Naphta hinzu, und es wird gehen. So

endet die Malerei auf Mauern. Wisse auch,

dass der Knoblauchgrund auf Mauern

sehr schön wird, wie bei Ikonen, da wo es

nicht feucht, sondern offen ist und die Luſt

weht. Ist der Ort feucht, ist er geschlossen,

und weht keine Luſt, so hüte dich,

Knoblauchgrund zu legen, denn später

wird er schimmelig und verdirbt, sondern

lege das Gold mit „mordant" an, wie du es

oben gelehrt wurdest.

Remus

Neue Umsetzung -

Fresken alter Schule

Würdig und eindrucksvoll, aber auch ein

wenig streng blickend, thront der Weltenrichter

(Pantokrator) in der Kuppel, am

höchsten Punkt der Kirche. Aus der Ebene

darunter verkünden die Propheten ihre

Wahrsagungen. Soviel ist jetzt schon zu

sehen. Der erste und der zweite Bewurf

bedecken bereits die übrigen Flächen der

Kirche des Kellions in Kapsala. Plattform

um Plattform der hölzernen Hilfskonstruktion

wird je nach Fortschritt der Arbeiten

abgebaut werden. Immer mehr,

immer eindringlicher und streng nach den

Regeln makedonischer Schule werden die

Figuren der Heiligen dem bewundernden

Betrachter näher treten. Ein unglaubliches

Vorhaben, das der Gerontas des Kellions

in die Wege geleitet hat. Wohlgefällig

verfolgt er die Fortschritte.

Remus, der akademische Maler aus

Transsilvanien arbeitet allein an einem

Werk für Ewigkeiten. Freundlich erklärt

er die unterschiedlichen Schichten. Nach

gründlicher Befeuchtung der Steinmauern

hat er die erste Schicht aus Kalk mit

Sand aufgetragen. Darüber legt er eine

zweite aus Kalk mit Werg (Flachs) vermengt,

der als letzte Schicht vor dem

Farbauſtrag reiner Kalk folgt.

ΕΡΜΗΝΕΙΑ ΤΗΣ ΖΩΓΡΑΦΙΚΗΣ, Malerhandbuch

vom Berge Athos vom

Mönch Dionysios, Slawisches Institut

München, Ausgabe 1980, 57, S. 37

Wie man den Wergkalk macht.

Nimm den besten gelöschten Kalk, tue

ihn in einen kleinen Behälter. Nimm

ge¬schlagenes Werg, das nicht viele

Holzteile vom Flachs hat. Drehe es und

falte es, wie um ein dickes Seil daraus zu

machen, und hacke es auf einem Block

mit einer Axt so klein, als du nur kannst;

schwing es gut durcheinander, damit die

Holzteile herabfallen.

Bringe dann das Werg in ein Sieb und

rüttele es leicht in den Behälter, wo du es

mit einer Schippe oder einem Haken

durcheinander rührst. Mache es fünf- bis

sechsmal so wie das erstemal, bis der

Kalk so trocken ist, dass er auf der Mauer

nicht mehr reißt. Lass ihn wie den ändern

stehen und du hast so Wergkalk, nämlich

die opsis.

Abschnitt für Abschnitt muss über

Nacht trocknen, bis der Hintergrund bereit

ist für die eigentliche Malerei. Dann

sollte es allerdings zügig gehen. Der

Farbauſtrag soll abgeschlossen sein,

bevor der Kalkgrund getrocknet ist. Der

Umgang von Remus mit dem Zeitlimit

zeugt von viel Erfahrung.

Skizze der Umrisse, Ausbesserung

eventueller Fehler und endgültige Farbe

gehen nahtlos ineinander über. Unter den

kundigen Händen des Heiligenmalers

nehmen Muster und Figuren ihre dauerhaſte

Gestalt an. Störungen sind in diesem

Stadium aus sehr nachvollziehbaren

Gründen höchst unerwünscht. Leise entferne

ich mich deshalb, allerdings in der

sicheren Erwartung, in drei Monaten das

fertige Kunstwerk bewundern zu können.

Dem Gerontas und dem Maler gelten

meine besten Wünsche.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!