Programmheft 2020 - Spandau macht Alte Musik
Ein Festival für Berlin vom 15.05.2020 – 24.05.2020. Mit dem Festival »Spandau macht Alte Musik« öffnet das Kulturhaus Spandau eine neue Plattform für Berlin, die einerseits den hervorragenden Berliner Ensembles für Alte Musik eine Bühne bietet und andererseits in Kooperation mit internationalen Künstlern den Bogen weit ins europäische Ausland spannt. Künstlerische Leitung: Heidi Gröger & Johannes Weiss Schirmherrschaft: Klaus Lederer, Senator für Kultur und Europa. Veranstaltet durch das Kulturhaus Spandau
Ein Festival für Berlin vom 15.05.2020 – 24.05.2020.
Mit dem Festival »Spandau macht Alte Musik« öffnet das Kulturhaus Spandau eine neue Plattform für Berlin, die einerseits den hervorragenden Berliner Ensembles für Alte Musik eine Bühne bietet und andererseits in Kooperation mit internationalen Künstlern den Bogen weit ins europäische Ausland spannt.
Künstlerische Leitung: Heidi Gröger & Johannes Weiss
Schirmherrschaft: Klaus Lederer, Senator für Kultur und Europa.
Veranstaltet durch das Kulturhaus Spandau
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IMPROVISATORISCHE VERFEINERUNG
Das Erstellen von »Cover-Versionen« populärer Musikstücke ist keineswegs eine Erfindung
des 20. Jahrhunderts. Auch in früheren Epochen ist immer wieder das Bestreben vieler
Musiker*innen zu beobachten, bekannte und beliebte »Ohrwürmer« zu bearbeiten und neu
arrangiert der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Im 16. Jahrhundert bildete sich besonders in Italien und England, aber auch in weiteren
europäischen Ländern eine musikalische Praxis heraus, die eine kunstvolle Bearbeitung
bereits vorhandener Kompositionen darstellte. Als Grundlage dienten dabei ganz
unterschiedliche Motive: mehrstimmige Vokalwerke, Themen aus der Instrumentalmusik
oder regelrechte »Gassenhauer«. In der Bearbeitung wurde dann das Original in virtuoser
Weise auf eine Stimme reduziert, die von einem Melodieinstrument oder einer Singstimme
ausgeführt und zuweilen noch mit einer Basso-continuo-Stimme begleitet wurde. Diese
Variationsform nannte man Diminution. Sie war relativ strengen Regeln unterworfen,
indem die Bearbeitung mit den rhythmischen und harmonischen Verhältnissen des
Vorbilds übereinstimmen musste. Als besonderes Merkmal der Diminutionen gelten ihre
aufwändigen und virtuosen Verzierungen, die ihre Darbietung oftmals zu anspruchsvollen
»Kabinettstückchen« machen. Rege praktiziert wurde diese Musizierform bis weit hinein in
das 17. Jahrhundert.
Der Ursprung der Diminutionspraxis liegt zweifellos in der improvisatorischen und damit
schriftlich nicht fixierten Umgestaltung einer vorgegebenen Melodie. Ab der Mitte des
16. Jahrhunderts wurden ausgewählte Beispiele aus didaktischen Gründen in Lehrwerken
dokumentiert, um die Diminutionskunst an die jeweils nächste Generation weiterzugeben
und die wiederholte Aufführung besonders gelungener Variationen zu ermöglichen.
Die große Kunst bestand darin, neue Musikwerke mit hohem technischen Anspruch
zu schaffen und gleichzeitig die berühmten Vorbilder in ihrem Grundcharakter nicht zu
verfälschen.
Ganz in dieser Tradition ist auch das heutige Nachtkonzert des Ensembles Le Concert
Brisé aufgebaut. Die Basis des Programms bildet eine Reihe von bekannten Gesängen
und Instrumentalwerken des 16. Jahrhunderts, so etwa der ergreifende Schwanengesang
»Il bianco e dolce cigno« von Jacques Arcadelt, die vermutlich von Josquin des Préz
verfasste Chanson »Mille regretz« (die als Lieblingslied Kaiser Karls V. galt) und der
»Basse dance« von Pierre Attaignant. Diese Kompositionen werden aber nicht original in
der Fassung der überlieferten Drucke bzw. Handschriften wiedergegeben, sondern unter
Beachtung der damaligen Improvisationsregeln kunstvoll instrumental ausgeziert.
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SA 16. 05.: »LE CHANT DES OISEAUX« – DIE KUNST DER IMPROVISATION