Gemeinde JOURNAL Winter 2010 - Ev.-Luth. Kirchengemeinde ...
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Prophet Jesaja,<br />
Michelangelo<br />
1509<br />
14 . G e m e i n d e j o u r n a l<br />
Wenn der Engel brennt<br />
B I B E L L E S E N<br />
Advent ist<br />
Sehnsuchtsland<br />
So schau nun vom Himmel,<br />
und sieh herab von deiner heiligen, herrlichen Wohnung!<br />
Wo ist nun dein Eifer und deine Macht?<br />
Deine große, herzliche Barmherzigkeit hält sich hart<br />
gegen mich.<br />
Warum lässt du uns, HERR, abirren von deinen Wegen<br />
und unser Herz verstocken, dass wir dich nicht fürchten?<br />
Wir sind geworden wie solche, über die du niemals<br />
herrschtest,<br />
wie Leute, über die dein Name nie genannt wurde.<br />
Ach, dass du den Himmel zerrissest und führest herab,<br />
dass die Berge vor dir zerflössen,<br />
wie Feuer Reisig entzündet<br />
und wie Feuer Wasser sieden macht.<br />
Jesaja 63,15-19; 64,1-3<br />
Mit der Figur des alttestamentlichen Propheten verbinden<br />
sich Bilder und Klischees. Eifernde Prediger in<br />
zerfetztem Gewand stehen uns vor Augen, die ihr Leben<br />
in den Dienst des göttlichen Wortes gestellt haben.<br />
Nichts ist ihnen heilig, außer Gott selbst. Das führt zu<br />
Lebensentwürfen, die uns mindestens überspannt vorkommen:<br />
Den eigenen Kindern werden Spottnamen<br />
gegeben, zur Nahrung genügen Heuschrecken, und wenn<br />
es sein muss, schlingt man auch schon mal eine Buchrolle<br />
herunter. Der Prophet ist ein Radikaler. Der Prophet ist<br />
einer, in dem es lichterloh brennt. Und Gott hat ihn angezündet.<br />
Der Verfasser der obigen Zeilen will dem nicht so<br />
ganz entsprechen. Dieser Mann, das sieht jeder, brennt<br />
nicht mehr. Er ist ausgebrannt. Die Leere, die ihn ergriffen<br />
hat, die Nacht seiner Seele, kehrt sich nach außen<br />
und verschlingt alles – Gott inklusive. Es ist schließlich<br />
ein müder Gott, ein Gott der erloschenen Leidenschaften,<br />
gegen den der müde Prophet seine Klage fast lustlos<br />
erhebt: „Was ist bloß aus dir geworden? Was ist bloß aus<br />
mir geworden?“ Man fragt sich, wer hier eigentlich wen<br />
auf dem Gewissen hat. Und schwach schlägt einem die<br />
Stimme eines anderen Propheten ans Ohr, den Nietzsche<br />
einst über den Marktplatz laufen ließ und der die Frage<br />
ähnlich gestellt hat: „Wie vermochten wir das Meer auszutrinken?<br />
Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen<br />
Horizont wegzuwischen? Was taten wir, als wir die Erde<br />
von der Sonne losketteten?“ – Brennt da nicht doch<br />
noch was?<br />
Dezember. Kurze Tage, lange Nächte. Viel Dunkelheit<br />
und wenig Licht. Die Tageszeitung berichtet über eine<br />
neue Internetseite (www.depressionsbarometer.de), der<br />
man entnehmen kann, dass es schlecht um uns steht. Man<br />
mag das skurril finden und als jahreszeitliche Sympto-