BACK TO BASICS Old Fashioned 64 Illustrationen: Editienne
Die 6 »Basic Cocktails« nach David Embury 1/6 ◊ Dry Martini 2/6 ◊ Manhattan 3/6 ◊ Old Fashioned 4/6 ◊ Daiquiri 5/6 ◊ Side Car 6/6 ◊ Jack Rose Konzept, nicht Rezept Der Old Fashioned ist der Cocktail aller Cocktails und auch landläufig <strong>die</strong> erste Mischung, <strong>die</strong> man dem Wort »Cocktail« zugeordnet hat. Das war nicht immer so. Er war jahrzehntelang eine Grauslichkeit ersten Ranges. Seit rund 20 Jahren wiederum ist er der Nukleus der Bar-Renaissance. Und er wandelt sich weiter. Unser Autor rekapituliert in <strong>die</strong>sem Teil seiner Serie, warum ausgerechnet der heilige David Embury beim Old Fashioned wohl ein wenig falsch lag. Text Gabriel Daun Wäre er eine Person, handelte es sich um eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Eine, <strong>die</strong> schon lange genug dagewesen ist, um zu wissen, dass man einen Moment ewig währen lassen kann. Dass <strong>die</strong>s bereits geschehen ist. Und dass <strong>die</strong> Zeit für den Menschen geschaffen wurde, nicht umgekehrt. Alt, aber immer noch krafterfüllt, mit wachen Augen, <strong>die</strong> glühen, wenn er sich bewegt. Mit einem Gesicht, dessen Falten von einem Leben nicht arm an Erfahrungen, Erfolgen und Beschädigungen Zeugnis geben; wettergegerbt von Sonne, Eis und Stürmen. Einer, der sich mehrfach gehäutet hat und dabei doch er selbst geblieben ist. Der Gelassenheit aus der Gewissheit schöpft, dass es ohne ihn immer noch nicht geht. Und dass das aller Voraussicht nach noch lange so bleiben wird. Einer also, der zum kleinsten Kreis der Unendlichen gehört, ohne <strong>die</strong> man sich <strong>die</strong> Bar nicht denken kann. Es gibt einen Grund, warum er seinen Namen trägt. Der Konjunktiv im ersten Satz verriet bereits: Es geht nicht um eine Person, sondern um einen Drink. Und zwar um einen, der viele Metamorphosen durchlief und der bereits existierte, lange bevor er seinen heutigen Namen bekam. Unaufhörlich war er stetem Wandel unterworfen, ist es heute noch und wird es vermutlich bis zum Ende sein. Der Old Fashioned. Ein Palimpsest In der strukturalistisch geprägten Literaturtheorie ist der Begriff der Intertextualität einer der zentralen Termini <strong>die</strong>ser Disziplin. Sie fußt auf der Idee, dass kein Text ohne Bezug zur Gesamtheit aller existierenden Texte möglich ist. Der französische Literaturwissenschaftler Gérard Genette ist in <strong>die</strong>sem Zusammenhang dabei einer der Masten, an denen man als Student der Neueren Literaturwissenschaft irgendwann einmal vorbei muss. In seinem Hauptwerk Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe unterscheidet er darauf bezugnehmend zwischen einem Hypotext (einem Text, der bereits zuvor existierte) und dem Hypertext (einem aktuell vorliegenden Text). Die 65