08 Aktiv Engelchenpfleger für ein Jahr Jugendliche helfen beim Erhalt von Denkmälern von Bernd Lorenz Weiblich, Abi, engagiert. Beim Freiwilligen Jahr in <strong>de</strong>r Denkmalpflege (FJD) arbeiten viele junge Damen in einem Betrieb o<strong>de</strong>r Architekturbüro. Junge Menschen fin<strong>de</strong>n so oftmals <strong>de</strong>n passen<strong>de</strong>n Handwerksberuf für sich.
Hjördis Naarmann hat ein Faible für Patina. Schon als kleines Mädchen haben ihre Eltern sie in Kirchen und Museen mitgenommen. Die Faszination, die historische Gemäuer und alte Meister ausüben, ist über die Jahre geblieben. „Meine Wohnung habe ich mit altmodischen Möbeln eingerichtet“, sagt die 21-Jährige. Nun überlegt die junge Essenerin, wie sie ihren Hang zur Vergangenheit und die Fachhochschulreife in eine berufliche Zukunft ummünzen kann. Seit 1. September hilft Claudia Al<strong>de</strong>nhoven ihr dabei. Bei <strong>de</strong>r Malermeisterin und Restauratorin im Handwerk absolviert Naarmann ein Freiwilliges Jahr in <strong>de</strong>r Denkmalpflege. Dabei sollen sich junge Menschen in Handwerksbetrieben, Architekturbüros, Museen o<strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n mit theoretischen und praktischen Fragen <strong>de</strong>r Denkmalpflege auseinan<strong>de</strong>r setzen. Was auf ihre Praktikantin in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n zwölf Monaten zukommen wird, hat Al<strong>de</strong>nhoven schon in groben Zügen ausgearbeitet. „Sie wird Schablonen sortieren und zum Einscannen vorbereiten, ein bisschen vergol<strong>de</strong>n, historische Farben mischen und Abgüsse von Stuck-Engelchen machen.“ Um <strong>de</strong>n theoretischen und organisatorischen Part <strong>de</strong>s FJD in Nordrhein-Westfalen kümmert sich Eva Wissing. Die Leiterin <strong>de</strong>r Jugendbauhütte Duisburg/Raesfeld stellt das Fortbildungsprogramm für die Jugendlichen zusammen. In sieben Seminarwochen wer<strong>de</strong>n ihnen etwa an <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>s Handwerks auf Schloss Raesfeld das Bauen mit Naturmaterialien, Stilkun<strong>de</strong> und Bauphysik näher gebracht. Zu<strong>de</strong>m wählt Wissing die Betriebe, Organisationen und Vereine aus, in <strong>de</strong>nen die Jugendlichen zwischen 18 und 26 Jahren ihr Freiwilliges Jahr in <strong>de</strong>r Denkmalpflege absolvieren. „Wir haben einen festen Stamm von Einsatzstellen, mit <strong>de</strong>nen wir schon längere Zeit zusammenarbeiten. „Dazu gehören etwa die Dombauhütte o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Archäologische Park in Xanten. Ihre 24 Freiwilligen kann sie auf knapp 20 Einsatzstellen verteilen. Ein Drittel davon sind Unternehmen aus <strong>de</strong>m Handwerk. An die teilnehmen<strong>de</strong>n Betriebe stellt Wissing einige Ansprüche. Sie müssen in <strong>de</strong>r Denkmalpflege tätig sein, eine entsprechen<strong>de</strong> Qualifizierung wie <strong>de</strong>n Restaurator im Handwerk nachweisen können und sicherstellen, dass ihre Praktikanten ausreichend zu tun haben. Ganz wichtig: „Die Ausbil<strong>de</strong>r müssen Freu<strong>de</strong> daran haben, ihr Wissen weiterzugeben.“ Denn: „Die Jugendlichen sind alle hoch motiviert und mit großem Eifer und Freu<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Sache“, hat Dr. Norbert Heinen beobachtet. Er ist bei <strong>de</strong>r Deutschen Stiftung Denkmalschutz als Projektleiter für alle Jugendbauhütten in Deutschland zuständig. Rund drei Viertel <strong>de</strong>r Jugendlichen bewerben sich mit ihrem Abiturzeugnis um eine FJD- Stelle. Die Mehrzahl <strong>de</strong>r freiwilligen Denkmalpfleger ist weiblich. Jährlich absolvieren 160 bis 200 junge Menschen das FJD. „Die Zahl ist in <strong>de</strong>n letzten Jahren kontinuierlich gewachsen, da wir sukzessive neue Jugendbauhütten eröffnet haben“, erklärt Heinen. Acht sind es bis dato, sechs davon allein in <strong>de</strong>n neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn. Ob es noch mehr wer<strong>de</strong>n, hänge entschei<strong>de</strong>nd von <strong>de</strong>r zur Verfügungstellung öffentlicher Mittel ab. Für eine Jugendbauhüte veranschlagt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz jährlich zwischen 250.000 bis 300.000 Euro. Die Hälfte <strong>de</strong>r Kosten muss sie tragen. Für Handwerksbetriebe kann es sich lohnen, eine Einsatzstelle für ein Freiwilliges Jahr in <strong>de</strong>r Denkmalpflege zur Verfügung zu stellen. Der Grund: Die meist gut qualifizierten und motivierten Jugendlichen befin<strong>de</strong>n sich in <strong>de</strong>r Berufswahlorientierung. „Wir sehen die Jugendbauhütten als eine sehr gute Möglichkeit für das Handwerk, an qualifizierte und motivierte Bewerber zu kommen, die auch schon praktische Fertigkeiten und theoretische Kenntnisse mitbringen“, ist Heinen überzeugt. Was alte Techniken für Claudia Al<strong>de</strong>nhoven be<strong>de</strong>uten, vermittelt sie nicht nur über <strong>de</strong>n Kopf und die Hän<strong>de</strong>. „Bei Hjördis möchte ich das Herz und <strong>de</strong>n Bauch ansprechen“, so die Malermeisterin und Restauratorin im Handwerk. Sie will ihrer Praktikantin die Begeisterung für das handwerkliche Arbeiten mit und an historischen Materialien nahe bringen. „Sonst stehen irgendwann nicht nur alte Gebäu<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn auch die historischen Techniken unter Denkmalschutz.“ Fakten zum Freiwilligen Jahr in <strong>de</strong>r Denkmalpflege Die Jugendbauhütte ist ein Projekt <strong>de</strong>r Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Trägerschaft <strong>de</strong>r Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste (ijgd). Das heißt: Die praktische Arbeit wird von <strong>de</strong>n ijgd durchgeführt. Weitere Informationen dazu gibt es im Internet unter www.ijgd.<strong>de</strong>. Das FJD beginnt im September. Die Jugendlichen müssen keine beson<strong>de</strong>ren Schulabschlüsse mitbringen. Das FJD ist nicht mit einer Ausbildung gleichzusetzen. Streng genommen ist auch <strong>de</strong>r Begriff „Praktikum“ falsch, „obwohl in vielen Einsatzstellen von Praktikanten gesprochen wird“, erklärt Eva Wissing. Der Unterschied: Ein Freiwilligendienst ist gesetzlich geregelt. Dadurch können die jungen Menschen ein Taschen- und Verpflegungsgeld, eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung, Bildungsangebote und Urlaub beanspruchen. Das Taschengeld und die sozialversicherungsrechtliche Absicherung übernimmt die Jugendbauhütte. Unternehmen, die einen Platz für ein Freiwilliges Jahr in <strong>de</strong>r Denkmalpflege zur Verfügung stellen wollen, können sich entwe<strong>de</strong>r an die Deutsche Stiftung Denkmalschutz o<strong>de</strong>r die einzelnen Jugendbauhütten wen<strong>de</strong>n. Die Betriebe müssen monatlich einen Einsatzstellenbeitrag von 175 bis 200 Euro pro Teilnehmer zahlen. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist zu erreichen unter Tel.: 0228 / 9 57 38-0 o<strong>de</strong>r per E-Mail unter info@<strong>de</strong>nkmalschutz.<strong>de</strong>. Kontakt aufnehmen zu Eva Wissing kann man unter Tel.: 0203 / 39 34 29 04 o<strong>de</strong>r per E-Mail unter fjd.nrw@ijgd.<strong>de</strong>. Die Jugendbauhütte in Görlitz (Sachsen) ist zu erreichen unter Tel.: 0 35 81 / 76 40 90 o<strong>de</strong>r per E-Mail unter fjd.gr@ijgd.<strong>de</strong>. Wer das Projekt finanziell unterstützen möchte, kann seine Spen<strong>de</strong> auf das Konto Jugendbauhütten bei <strong>de</strong>r Commerzbank Bonn, Kontonummer 30 55 55 505, Bankleitzahl 380 400 07, überweisen. 09 Foto: Edgar Schöpal