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Universität zu Köln - LIS - Bremen

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<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Köln</strong><br />

Institut für deutsche Sprache und Literatur II<br />

Dozentin: Prof. Dr. Christine Garbe<br />

Abb.1 Abb.2<br />

Bausteine <strong>zu</strong> einem gender-sensiblen und<br />

entwicklungsorientierten Lesecurriculum<br />

Fortbildung „Leseförderung für Mädchen UND Jungen – aber wie?“<br />

Landesinstitut für Schule, <strong>Bremen</strong>, 27.9.2012<br />

Abb.3 1<br />

Abb.4<br />

Abb.5 Abb.6


Gliederung des Vortrages<br />

� Teil I: Grundlagen eines gendersensiblen Lesecurriculums<br />

� 1.Ein didaktisches Modell der Lesekompetenz und eine<br />

Systematik schulischer Maßnahmen <strong>zu</strong>r Leseförderung<br />

(Rosebrock & Nix)<br />

2<br />

2. Die Entwicklungs-/Erwerbsperspektive: Ein Erwerbsmodell<br />

der Lesekompetenz (Graf; Garbe & Holle)<br />

� Teil II: Umrisse eines Curriculums <strong>zu</strong>r<br />

entwicklungsorientierten und gendersensiblen Leseförderung<br />

� Leitfrage: Welches sind die wichtigsten Ziele und Maßnahmen<br />

<strong>zu</strong>r Leseförderung in den verschiedenen Entwicklungsphasen?<br />

� 1. Plateau 1: Vorschulische Entwicklung (0 – 6 Jahre)<br />

� 2. Plateau 2: Grundschule bis Vorpubertät (7-12 Jahre)<br />

� 3. Plateau 3: Pubertät und Adoleszenz (13-18 Jahre)<br />

Genderspezifische Leseförderung<br />

27.9.12


1. Ein didaktisches Modell der Lesekompetenz<br />

Rosebrock & Nix 2008, S. 16<br />

3 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


1. Literaturhinweis<br />

� Das wichtigste Buch <strong>zu</strong> den<br />

Methoden einer systematischen<br />

Leseförderung in der Schule:<br />

�Rosebrock, Cornelia; Nix, Daniel<br />

(2008): Grundlagen der Lesedidaktik<br />

und der systematischen<br />

schulischen Leseförderung,<br />

Baltmannsweiler:<br />

Schneider Hohengehren<br />

�(5. Aufl. 2012)<br />

4 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


1. Eine Systematik der Dimensionen schulischer<br />

Leseförderung<br />

Dekodierübungen<br />

auf<br />

Wortebene<br />

Automatisierung<br />

der<br />

Worterkennung(hierarchieniedriger<br />

Bereich)<br />

Aufbau des<br />

Sichtwortschatzes<br />

Alphabetisierung<br />

Lautleseverfahren<br />

Verbesserung<br />

von<br />

Leseflüssigkeit<br />

Sichtwortschatz<br />

und<br />

Sequenzieren<br />

von Sätzen<br />

Deutschunterricht<br />

plus<br />

Fachunterricht<br />

Vielleseverfahren<br />

Steigerung<br />

der<br />

Leseleistungen<br />

und der<br />

Lesemotivation<br />

Selbststeuerung<br />

auf<br />

Prozessebene,<br />

Selbstbild als<br />

LeserIn<br />

Deutschunterricht<br />

plus<br />

Schulkultur<br />

Lesestrategien<br />

trainieren<br />

Verbesserung<br />

des<br />

Leseverstehens<br />

metakognitive<br />

Steuerung,<br />

Überprüfen<br />

von Leseprozessen<br />

Deutschunterricht<br />

plus<br />

Fachunterricht<br />

Sachtextlektüreunterstützen<br />

domänenspezifisches<br />

Sprach-,<br />

Text- und<br />

Weltwissen<br />

„Top-down“-<br />

Leistungen<br />

beim<br />

Textverstehen<br />

Fachunterricht<br />

plus<br />

Deutschunterricht<br />

5 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12<br />

Leseanimation<br />

Motivationssteigerung<br />

und<br />

Selbststeuerung<br />

indirekte<br />

(prozessferne)<br />

Förderung;<br />

Selbstbild als<br />

LeserIn<br />

Schulkultur<br />

plus<br />

Deutschunterricht<br />

Literarisches<br />

Lesen<br />

unterstützen<br />

Textsortenkenntnis,<br />

Vertiefung<br />

des Textverstehens,<br />

Intensivierung<br />

der subj.<br />

Beteiligung<br />

Top-down-<br />

Leistungen,<br />

literarischkulturelle<br />

Praxis<br />

Literaturunterricht


Rosebrock & Nix (2008): Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen Leseförderung<br />

Lesestrategien<br />

Für: SchülerInnen mit Verstehensproblemen<br />

Formen:<br />

a) Wiederholungs-, Ordnungs- und<br />

Elaborationsstrategien<br />

b) Metakognitive Strategien<br />

literarisches<br />

Lesen unterstützen<br />

Für: alle SchülerInnen<br />

Formen:<br />

a) Handlungs- und produktionsorientierter<br />

Literaturunterricht<br />

b) traditionell-offene Unterrichtsgespräche<br />

(vgl. Ohlsen 2008), z.B. das Literarische<br />

Unterrichtsgespräch nach Härle (2004)<br />

6<br />

Prozessebene<br />

• Wort- u. Satzidentifikation<br />

• lokale Kohärenz<br />

• globale Kohärenz<br />

• Superstrukturen<br />

erkennen<br />

• Darstellungsstrategien<br />

identifizieren<br />

Subjektebene<br />

Selbstkonzept als<br />

(Nicht-)LeserIn<br />

• Wissen<br />

• Beteiligung<br />

• Motivation<br />

• Reflexion<br />

Soziale Ebene<br />

Anschlusskommunikation<br />

• Familie<br />

• Schule<br />

• Peers<br />

• Kulturelles Leben<br />

Lautleseverfahren<br />

Für: SchülerInnen mit Problemen auf der hierarchieniedrigeren<br />

Prozessebene und mit mangelhafter Leseflüssigkeit<br />

Formen:<br />

a) wiederholtes Lautlesen b) begleitendes Lautlesen<br />

Sachtextlektüre unterstützen<br />

Für: alle SchülerInnen, Verstehen von Sachtexten,<br />

Lernen an Texten<br />

Formen:<br />

a) Aufbau von Vorwissen<br />

b) Aufbau von Textsortenwissen<br />

Vielleseverfahren<br />

Für: schwache und buchferne LeserInnen<br />

Formen: z.B.. Leseolympiade, Stille Lesezeiten etc.<br />

Leseanimation<br />

Für: angemessen Lesekompetente, aber nicht<br />

motivierte SchülerInnen<br />

Formen: Ansatz an 3 Ebenen<br />

a) Deutschunterricht (Leseecke, Vorlesen, etc.)<br />

b) Schulöffentlichkeit (Lesecafes, Projekttage etc.)<br />

c) öffentliche Institutionen (Bibliotheken, Lesungen)<br />

Rosebrock, Cornelia; Nix, Daniel (2008): Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen Leseförderung. 2., korrigierte Auflage Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.


2. Ein Modell gelingender Lesesozialisation<br />

aus der Lesebiografieforschung<br />

7 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


2. Ein Erwerbsmodell der Lesekompetenz<br />

(Garbe & Holle 2006)<br />

Vorschulalter /<br />

frühe Kindheit<br />

Familie /<br />

Kindergarten<br />

Kindheit<br />

Grundschule Weiterführende<br />

Schulen<br />

Adoleszenz Erwachsenenalter<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 Jahre<br />

Plateau der Emergenz / Interpersonalität<br />

emergierende<br />

Literalität /<br />

interpersonale<br />

Literarität<br />

„Wir“<br />

Plateau der Heuristik / Autonomisierung<br />

heuristische<br />

Literalität /<br />

autonome<br />

Literarität<br />

„Ich“<br />

Plateau der Konsolidierung /<br />

Ausdifferenzierung<br />

funktionale Literalität /<br />

diskursive Literarität<br />

„die anderen“<br />

8 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12<br />

Beruf / Studium


2. Phasen der Lese-Entwicklung<br />

und Plateau-Überlappungen<br />

Unterstütztes<br />

Lesen<br />

Selbstständiges<br />

Erlesen<br />

Flüssiges /<br />

strategieorient.<br />

Lesen<br />

Adaptives /<br />

urteilsfähiges<br />

Lesen<br />

KG 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13<br />

9 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


Plateau 1: „WIR lesen <strong>zu</strong>sammen und ich spiele mit“<br />

(erwachende Literalität / interpersonale Literarität)<br />

� Übergang Mündlichkeit - Schriftlichkeit‚ „prä- und paraliterarische<br />

Kommunikation“, unterstütztes Lesen:<br />

Entwicklungsaufgaben<br />

� (Familie, Kindergarten, Schule bis 2. Schuljahr)<br />

� Erwachende Literalität: Situations unabhängiges mündliches Erzählen, Entdecken<br />

des alphabetischen Prinzips<br />

� Interpersonale Literarität: (Schrift-) Sprache als Medium <strong>zu</strong>m Spielen,<br />

Phantasieren, Symbolisieren von Emotionen<br />

� Die Kinder können selbst noch nicht lesen, machen aber in Vorlese- und<br />

Erzählsituationen relevante Erfahrungen mit schriftlichen Texten und erlernen<br />

das Lesen im schulischen Erstunterricht. Lese-Erfahrungen <strong>zu</strong> sammeln ist auf<br />

diesem Plateau nur mit ‚kompetenten Anderen‘ und als Spiel möglich: „WIR<br />

lesen <strong>zu</strong>sammen und ich spiele mit.“<br />

10 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


Plateau 2: „ICH kann allein alles lesen, was mich interessiert“<br />

(heuristische Literalität / autonome Literarität)<br />

�Übergang Dekodieren - Leseflüssigkeit‚ lustvolle und<br />

extensive Kinderlektüre, selbstbestimmtes Lesen:<br />

Entwicklungsaufgaben<br />

�(Familie, peer group, Schule 1. bis ca. 6. Schuljahr)<br />

�Heuristische (= entdeckende) Literalität: Erlernen schriftsprachlicher<br />

Konventionen, selbstständiges Lesen von Texten; Automatisierung der<br />

elementaren Lesevorgänge (Lesegeschwindigkeit und –genauigkeit),<br />

Übergänge Lesenlernen - Lernen mit Hilfe des Lesens (learning to read<br />

– reading to learn)<br />

�Autonome Literarität: Erlebnisqualität des ‚eintauchenden‘ lustvollen<br />

Lesens <strong>zu</strong>r Phantasiebefriedigung, Ausbildung eigener Lesevorlieben und<br />

Genrepräferenzen, Fähigkeit <strong>zu</strong>r „Vorstellungsbildung“ mit Texten:<br />

Projektion, Empathie. Auf diesem Plateau werden <strong>zu</strong>gleich wichtige<br />

lebensgeschichtliche Motivationen <strong>zu</strong>m lustvollen privaten Lesen<br />

ausgebildet, die den Kern eines stabilen Lese-Selbstkonzeptes darstellen.<br />

11 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


Plateau 3: „Ich erlese mich und meine Welt im Spiegel der<br />

ANDEREN“<br />

(funktionale Literalität / diskursive Literarität)<br />

� Übergang flüssiges – adaptives / strategisches Lesen;<br />

Lesen <strong>zu</strong>r Identitätsbildung und Weltaneignung;<br />

Reflexion und Anschlusskommunikation:<br />

Entwicklungsaufgaben im 7.-13. Schuljahr<br />

� Funktionale Literalität: Aneignung und Konsolidierung von<br />

kognitiven und metakognitiven Lesestrategien im Rahmen<br />

privater Interessen sowie fachunterrichtlicher (und<br />

beruflicher) Anforderungen – Lesen in allen Unterrichtsfächern<br />

� Diskursive Literarität: Texte als Medium <strong>zu</strong>r Identitätsbildung<br />

und Weltorientierung; Wertschät<strong>zu</strong>ng der Teilnahme<br />

an der literarischen Kultur und Geselligkeit.<br />

12 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


Teil II: Umrisse eines Curriculums <strong>zu</strong>r<br />

gendersensiblen Leseförderung<br />

�Die gute Nachricht vorweg:<br />

�Eine aktuelle britische Studie von<br />

Carrington, Tymms und Merrell (2005a<br />

und b) kommt <strong>zu</strong> dem Schluss, „dass das<br />

Geschlecht der Lehrkräfte sich nicht<br />

signifikant auf die Leistung von Jungen<br />

bzw. Mädchen auswirkt.“<br />

�Die AutorInnen resümieren:<br />

„Vergesst Gender! Ob eine<br />

Lehrkraft männ-lich oder weiblich<br />

ist, spielt keine Rolle!“ (Carrington et<br />

al. 2005b)<br />

13 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


Gender-übergreifende Ziele und genderspezifische<br />

Maßnahmen<br />

�Die zentralen Ziele einer nachhaltigen Leseförderung sind<br />

prinzipiell gender-übergreifend: Verbesserung der Lesekompetenz<br />

durch Leseflüssigkeit und strategisches Lesetraining,<br />

Entwicklung von Engagement (Motivation) für das<br />

Lesen und Aufbau eines stabilen Lese-Selbstkonzeptes. Die<br />

Mittel und Wege dahin sind jedoch teilweise genderspezifisch:<br />

hinsichtlich der Lesestoffe wie auch der<br />

„authentischen Leseanlässe“, die die Schule bereitstellen<br />

muss.<br />

14<br />

Genderspezifische Leseförderung<br />

27.9.12


Teil II: Umrisse eines Curriculums <strong>zu</strong>r<br />

systematischen Leseförderung<br />

� Ziel aller Fördermaßnahmen ist, dass jeder Junge /<br />

jedes Mädchen ein engagierter Leser / eine<br />

engagierte Leserin wird und ein stabiles<br />

Selbstkonzept als LeserIn entwickeln kann.<br />

15<br />

Genderspezifische Leseförderung<br />

27.9.12


1. Maßnahmen einer gendersensiblen<br />

Leseförderung auf Plateau 1<br />

� Kindern beider Geschlechter Zugänge <strong>zu</strong> (sprach-)<br />

symbolischen Welten eröffnen<br />

� „Situations-abstraktes“ Sprechen praktizieren:<br />

Geschichten erzählen<br />

� (Prä-)literarische Kommunikation: Kniereiterverse,<br />

Kindergedichte und –lieder, Sprachspiele und Rätsel<br />

� „gemeinsames“ Bilderbuch-Lesen<br />

� Geschichten vorlesen und darüber sprechen<br />

� Beteiligung von Vätern und männlichen Erziehern<br />

���� Geschichten und Lesestoffe auswählen, die auch<br />

Jungen mögen<br />

16 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


2. Maßnahmen einer gendersensiblen<br />

Leseförderung auf Plateau 2<br />

� In der Erwerbsperspektive (Entwicklungsperspektive)<br />

ist unter den gegenwärtigen soziokulturellen<br />

und medialen Bedingungen der<br />

Zeitraum der mittleren Kindheit und<br />

Vorpuber-tät (Klasse 3 – 6, Alter: 8 – 12/13<br />

Jahre) entscheidend:<br />

� Nach dem Erwerb der Schriftsprache (Klasse<br />

1-2) und vor der traditionellen (Buch-)“Lesekrise“<br />

der Pubertät kommt es darauf an, das<br />

Lesen (in unterschiedlichen Medien und<br />

Modalitäten) als eine stabile kulturelle Praxis<br />

<strong>zu</strong> verankern!<br />

17<br />

Genderspezifische Leseförderung<br />

27.9.12


2. Viele Jungen (und Mädchen) entwickeln in der<br />

Kindheit keine stabile Lesepraxis mehr<br />

� Die Schule muss darum – im Verbund mit den<br />

Familien und unter Nut<strong>zu</strong>ng des (wachsenden)<br />

Peer-Einflusses – daran arbeiten, dass in diesem<br />

kritischen „Entwicklungsfenster“ reichhaltige und<br />

für beide Geschlechter attraktive literale<br />

Erfahrun-gen gemacht werden können!<br />

� Die wachsende Medienkonkurrenz durch<br />

auditive, audiovisuelle und digitale Medien führt<br />

da<strong>zu</strong>, dass die in dieser Entwicklungsphase<br />

grundlegenden Automatisierungsprozesse beim<br />

Lesen heut<strong>zu</strong>tage nicht mehr naturwüchsig<br />

ausgebildet werden!<br />

18<br />

Genderspezifische Leseförderung<br />

27.9.12


2. Maßnahmen einer gendersensiblen<br />

Leseförderung auf Plateau 2<br />

� In den Klassenstufen 3 bis 6 muss „Leseflüssigkeit“<br />

erworben werden, das heißt die elementaren<br />

Lesevorgänge müssen so weit automatisiert werden, dass<br />

müheloses Lesen auch umfangreicher Texte möglich wird.<br />

� � Training durch Lautleseverfahren<br />

� In den Klassenstufen 3 bis 6 sollte das autonome und<br />

lustvolle Lesen <strong>zu</strong>r Phantasiebefriedigung entdeckt werden<br />

können.<br />

� Training durch Vielleseverfahren<br />

� Da<strong>zu</strong> Lesestoffe auswählen, die auch Jungen<br />

mögen<br />

19 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


2. Leseflüssigkeit trainieren durch<br />

Lautleseverfahren<br />

� Nach Rosebrock & Nix 2008 (S. 39) umfasst<br />

Leseflüssigkeit vier Dimensionen:<br />

1. die exakte Dekodierfähigkeit von Wörtern;<br />

2. die Automatisierung der Dekodierprozesse;<br />

3. eine angemessen schnelle Lesegeschwindigkeit;<br />

4. die Fähigkeit <strong>zu</strong>r sinngemäßen Betonung des gelesenen<br />

Satzes, also <strong>zu</strong> einem ausdrucksstarken Vorlesen.<br />

� „Reading fluency“ gilt in der angelsächsischen<br />

Leseforschung als „bridge between decoding and<br />

comprehension“ – Dieses Element fehlte bislang in<br />

der deutschen Lesedidaktik!<br />

20 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


2. Leseflüssigkeit trainieren durch Lautlese-<br />

Verfahren<br />

� Zwei Grundformen von Lautleseverfahren:<br />

� Wiederholtes Lautlesen („Repeated Reading“)<br />

� Beispiel: A. Bertschi-Kaufmann u.a.: Lesen – Das Training<br />

(2006). Trainingsteil „Lesegeläufigkeit“<br />

� - Kreative Variante: Das Lesetheater (D. Nix 2006)<br />

� 2. Begleitendes Lautlesen („Paired Reading“)<br />

� Beschreibung: Rosebrock & Nix 2008, S. 42<br />

� Beispiel: Lautlese-Tandems, ebd., S. 43 f.<br />

� ACHTUNG: „Lautleseverfahren“ haben NICHTS mit dem<br />

lesedidaktisch äußerst problematischen Reihum-Vorlesen<br />

in der Klasse <strong>zu</strong> tun!<br />

21 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


Ein Trainingsprogramm <strong>zu</strong>m Wiederholten<br />

Lautlesen<br />

�Andrea Bertschi-Kaufmann u.a.:<br />

�Lesen – Das Training I.<br />

Lesefertigkeiten –<br />

Lesegeläufigkeit – Lesestrategien.<br />

Schülermappe mit 4 Arbeitsheften,<br />

5. und 6. Schuljahr<br />

�(Teil II: 7. und 8. Schuljahr)<br />

�Friedrich Verlag 2006,<br />

�14,95 Euro<br />

22 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


Ein Trainingsprogramm <strong>zu</strong>m begleitenden<br />

Lautlesen<br />

�Cornelia Rosebrock, Andreas<br />

Gold, Daniel Nix, Carola<br />

Rieckmann:<br />

�Leseflüssigkeit fördern.<br />

Lautleseverfahren für die Primarund<br />

Sekundarstufe. (Mit CD-<br />

ROM)<br />

�Klett-Kallmeyer / Praxis Deutsch<br />

Februar 2011<br />

�29,95 Euro<br />

23<br />

Genderspezifische Leseförderung<br />

27.9.12


2. Stabile Lesegewohnheiten und Lese-<br />

Selbstkonzept unterstützen<br />

� In dieser Phase der Leseentwicklung werden lesekulturelle<br />

Haltungen und Fähigkeiten erworben, die<br />

für ein stabiles Selbstkonzept als (Buch-)LeserIn<br />

grundlegend sind:<br />

� Lesemedien entsprechend den eigenen Interessen<br />

und Fähigkeiten aussuchen können<br />

� Ausdauer und Engagement auch für längere Lektüre<br />

aufbringen können<br />

� Den Leseprozess im Hinblick auf das Verstehen und<br />

die emotionale Beteiligung evaluieren und<br />

Handlungsoptionen verfügbar haben<br />

� Sich über Leseerfahrungen austauschen können<br />

24 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


2. Stabile Lesegewohnheiten und Lese-<br />

Selbstkonzept unterstützen<br />

Im Frankfurter Projekt „Förderung eigenständigen<br />

Lesens“ (Rosebrock, Rieckmann & Jörgens) wurden vier<br />

Felder lesekultureller Fähigkeiten modelliert, die man<br />

insbeson-dere mit Nicht- und Weniglesern einüben muss:<br />

�Strategien <strong>zu</strong>r Buchauswahl<br />

�Strategien <strong>zu</strong>r Moderation des Leseprozesses<br />

�Wissen um Leseinteressen und Lesevorlieben<br />

�Personale Verarbeitung von Texten<br />

� Literaturhinweis: Ray Reutzel et al. (2008): Scaffolded Silent<br />

Reading: A Complement to Guided Repeated Oral Reading That<br />

Works! In: The Reading Teacher 62/3, 194-207<br />

25 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


2. Stabile Lesegewohnheiten und Lese-<br />

Selbstkonzept unterstützen<br />

� Der Aufbau stabiler Lesegewohnheiten und eines<br />

positiven Lese-Selbstkonzeptes wird unterstützt<br />

durch Viellese-Verfahren und Verfahren der Lese-<br />

Animation.<br />

� Viellese-Verfahren zielen auf die Steigerung der<br />

Lesequantität, z.B.: Jedes Kind soll pro Woche 1<br />

Buch lesen / 100 Seiten lesen.<br />

� Beispiele:<br />

� Die Lese-Olympiade nach R. Bamberger (2000, s.<br />

Rosebrock & Nix, S. 47 f.<br />

� Sustained Silent Reading: freie stille Lesezeiten /<br />

Lesestunden während des Unterrichts (ebd.)<br />

26 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


Publikationen <strong>zu</strong> Viellese-Programmen<br />

Richard Bamberger: „Erfolgreiche Leseerziehung in Theorie und<br />

Praxis“, Wien 2000, proklamierte die „Lese- und<br />

Lernolympiade“ nach dem Motto: „Lesen lernt man durch<br />

Lesen.“ Reinhardt Lange führte sie 2002 an der Geschwister-<br />

Scholl-GS Göttingen ein.<br />

Reinhardt Lange: Die Lese- und Lernolympiade.<br />

Aktive Leseerziehung mit dem Lesepass nach<br />

Richard Bamberger. Leitfaden für eine erfolgreiche<br />

Umset<strong>zu</strong>ng. Baltmannsweiler: Schneider 2007.<br />

27 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


Modifikation: Das „große Kilometer-Lesen“ an<br />

Frankfurter Hauptschulen<br />

�Beschreibung: Rosebrock &<br />

Nix 2008, S. 57<br />

�Neue Publikation da<strong>zu</strong>:<br />

�Carola Rieckmann:<br />

Leseförderung in sechsten<br />

Hauptschulklassen. Zur<br />

Wirksamkeit eines<br />

Vielleseverfahrens.<br />

Baltmannsweiler: Schneider<br />

Verlag Hohengehren 2010.<br />

28<br />

Genderspezifische Leseförderung<br />

27.9.12


2. Stabile Lesegewohnheiten und Lese-<br />

Selbstkonzept unterstützen<br />

Verfahren der Lese-Animation zielen darauf, Lesefreude<br />

und Lesemotivation <strong>zu</strong> erzeugen durch eine<br />

„Verführung <strong>zu</strong>m Lesen“.<br />

Beispiele:<br />

�Bücherkisten im Klassenraum, Klassenbibliotheken<br />

�Autorenlesungen, Lesewochen, Lesenächte<br />

�Lesekultur als Schulprofil, Zusammenarbeit mit<br />

außerschulischen Einrichtungen<br />

�Vorlesewettbewerbe, Leseprojekte, „Mein selbstgemachtes<br />

Buch“ u.v.a.<br />

29 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


2. Gender-sensible Leseförderung ist in<br />

dieser Phase besonders wichtig!<br />

Viellese-Verfahren und Verfahren der Lese-<br />

Animation müssen ein breites Angebot an<br />

Lesestoffen bereitstellen (für offenen Unterricht /<br />

unterrichtsübergreifende Leseförderung), die den<br />

geschlechtsspezifischen Lesepräferenzen von<br />

Mädchen und Jungen Rechnung tragen.<br />

�ACHTUNG:<br />

In dem hier angesprochenen Alter (8-14 Jahre)<br />

agieren Mädchen und Jungen besonders geschlechterstereotyp<br />

(i.S. des „doing Gender“). Dies sollte in<br />

der Entwicklungsperspektive (pragmatisch) akzeptiert<br />

werden!<br />

30 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


3. Maßnahmen einer gendersensiblen<br />

Leseförderung auf Plateau 3<br />

� Lese- und Lernstrategien trainieren: funktionales<br />

Lesen in allen Unterrichtsfächern<br />

� Sachtextlektüre unterstützen: fachspezifisches<br />

Vokabular, Textstrukturwissen und Weltwissen<br />

ausbilden<br />

� Literarisches Lesen unterstützen: Textsorten-<br />

Kenntnis / Gattungswissen, Vertiefung des Textverstehens,<br />

kommunikative und kreative Aneignung<br />

von Literatur<br />

� Quelle: Rosebrock & Nix, Grundlagen der<br />

Lesedidaktik (2008), Kap. 5, 6 und 8<br />

31 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12


Fazit: Genderübergreifende und<br />

genderspezifische Leseförderung<br />

Lesekompetenzen müssen in allen drei (oder fünf) Dimensionen<br />

systematisch gefördert werden:<br />

32<br />

1. Kognitionen<br />

� 2./3. Emotionen / Motivation<br />

� 4./5. Reflexion / Anschlusskommunikation.<br />

Kognitive Lesekompetenzen müssen systematisch und fächerübergreifend<br />

trainiert werden.<br />

� Plateau 1: Dekodierfähigkeiten erwerben / Alphabetisierung<br />

� Plateau 2: Training von Leseflüssigkeit, z.B. durch Lautleseverfahren<br />

� Plateau 3: Kognitive und metakognitive Lesestrategien erwerben.<br />

Das Training kognitiver Lesekompetenzen kann genderübergreifend<br />

erfolgen; bei Textauswahl und Methodik der<br />

Förderung können Gender-Differenzen vernachlässigt werden.<br />

Genderspezifische Leseförderung<br />

27.9.12


Fazit: Genderübergreifende und<br />

genderspezifische Leseförderung<br />

� Für den Aufbau von Lesemotivation und die Unterstüt<strong>zu</strong>ng<br />

positiver Emotionen beim Lesen ist es wichtig, eine Passung<br />

von Leser/in und Text <strong>zu</strong> gestalten. Dies ist möglich<br />

innerhalb von Verfahren der Leseanimation sowie von<br />

Vielleseverfahren, die insbesondere auf Plateau 2<br />

erfolgversprechend sind.<br />

Da<strong>zu</strong> müssen Lesestoffe in der Schule radikal verändert /<br />

erweitert werden:<br />

�Für Vielleseverfahren muss ein breites und gender-gerechtes<br />

Angebot an Büchern u.a. Printmedien bereit gestellt werden<br />

�„Authentische Textwelten“ beider Geschlechter sollten<br />

erkundet und im Unterricht aufgenommen werden.<br />

�Multiliteracies / aktuelle Medienformate sollten in der Schule<br />

verankert werden.<br />

33<br />

Genderspezifische Leseförderung<br />

27.9.12


Fazit: Genderübergreifende und<br />

genderspezifische Leseförderung<br />

Die Reflexion und Kommunikation über Lesestoffe findet auf allen<br />

drei Plateaus statt.<br />

� Plateau 1: Vorlese-Dialoge und „gemeinsames“ Bilderbuch-Lesen<br />

mit einem kompetenten Anderen des eigenen oder anderen<br />

Geschlechts (Genderspezifik ist nachgeordnet)<br />

� Plateau 2: Kommunikation über Lektüre und Medien in der peer<br />

group: In der späten Kindheit und Pubertät sind peer-Beziehungen<br />

stark gender-orientiert („Die peer group als Gender-Polizei“);<br />

darum sollten hier Gelegenheiten <strong>zu</strong> gender-spezifischer<br />

Anschlusskommunikation gegeben werden.<br />

� Plateau 3: In der Adoleszenz findet eine Annäherung beider<br />

Geschlechter statt; darum kann nun – bspw. im „Literarischen<br />

Gespräch“ im Deutschunterricht - wieder gender-übergreifend<br />

gearbeitet werden.<br />

34<br />

Genderspezifische Leseförderung<br />

27.9.12


� Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!<br />

� Prof. Dr. Christine Garbe<br />

� Institut für deutsche Sprache und Literatur II<br />

� <strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Köln</strong><br />

� Email:<br />

� christine.garbe@uni-koeln.de<br />

35 Genderspezifische Leseförderung 27.9.12

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