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Ausgabe_02_2020

Magazin für Kunden der Stadtwerke Erfurt mit den Themen: Fernwärmebrücken werden Kunstobjekte, Großbaustelle Angerkreuz, Weimar als Außenstandort der BUGA Erfurt 2021, Gartenlust und Pflanzenpracht im egapark, Naturidylle Deponie, Erfurter Hochzeitsring als Replik

Magazin für Kunden der Stadtwerke Erfurt mit den Themen: Fernwärmebrücken werden Kunstobjekte, Großbaustelle Angerkreuz, Weimar als Außenstandort der BUGA Erfurt 2021, Gartenlust und Pflanzenpracht im egapark, Naturidylle Deponie, Erfurter Hochzeitsring als Replik

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Paradiesische Zustände<br />

Das Ende der Erfurter Deponie<br />

TEXT: IVO DIERBACH FOTOS: STEVE BAUERSCHMIDT<br />

Mit dem Leiter der Erfurter Deponie, Ronald König,<br />

auf der Deponie unterwegs zu sein, hat eher etwas<br />

von einer Naturwanderung als einem Gang<br />

über Abfallberge. Überall grünt und blüht es. Hasen hoppeln<br />

über Wiesen, man hört Fasane versteckt im dichten Buschwerk<br />

mit einem krächzenden Laut rufen. Hauseigene Schafe<br />

lassen sich das saftige Gras schmecken. „Deponiebienen“<br />

summen vorbei, auf der Suche nach Nektar. Einfach idyllisch,<br />

man vergisst schnell, dass man sich eigentlich auf einer Deponie<br />

befindet.<br />

Erinnert wird man daran nur durch eine verhältnismäßig<br />

kleine graue Fläche, wo eine Art „Dampfwalze“ mit stählernen<br />

Noppenrädern herumfährt. „Das ist der aktuelle Ablagerungsabschnitt<br />

der Deponie“, erklärt König. So „richtiger“<br />

Abfall ist das eigentlich auch nicht. Also nicht das, was in die<br />

Hausmülltonne kommt. Diesen Abfall einfach so zu vergraben,<br />

ist sowieso seit 2005 verboten. Hier kommt nur noch<br />

die Schlacke aus der Restabfallbehandlungsanlage hin. Der<br />

„Kompaktor“ – so heißt das Fahrzeug richtig – verdichtet die<br />

aufgeschüttete Schlacke. Aber die Tage für den Kompaktor<br />

und überhaupt der Deponierung in Erfurt sind gezählt. „Ab<br />

31. Dezember 2<strong>02</strong>1 wird hier keine Schlacke mehr verbuddelt“,<br />

so Deponieleiter König. Schlacke muss nicht zwingend<br />

auf die Deponie, sondern kann auch gut im Straßenbau oder<br />

als Beimischung für Beton verwendet werden. Warum dann<br />

noch deponieren? Von einer Schließung der Deponie kann<br />

man trotzdem nicht sprechen, betont König.<br />

Es gibt auch nach 2<strong>02</strong>1 eine Menge zu tun, dafür brauche<br />

man alle Mitarbeiter und das bis in die 2050er-Jahre. Was gemacht<br />

werden muss, zeigt ein großer grüner Berg auf dem<br />

Deponiegelände. Ein sogenannter „Altkörper“, wie die Deponiefachleute<br />

es so schön nennen. Diese 40 Meter hohe Erhebung<br />

enthält Erfurter Müll aus den Jahren 1976 bis 1993. Vor<br />

27 Jahren stillgelegt und trotzdem wird noch etwas am Berg<br />

gemacht? Ja, es zeigt, eine Deponiestilllegung oder besser<br />

Deponierekultivierung ist ein langer Prozess. So ein Deponieberg<br />

muss ungefähr 20 Jahre „ruhen“. Er setzt sich, wird<br />

etwas kleiner mit der Zeit. Erst dann kann mit einer Bepflanzung<br />

begonnen werden. Da wird aber nicht einfach auf den<br />

Müll gepflanzt. Eine über 2 Meter hohe sogenannte Wasserhaushaltsschicht<br />

wurde via GPS-Messung aufgetragen. Sie<br />

soll verhindern, dass zu viel Regenwasser in den Deponieberg<br />

einsickert. Darüber kommt dann Mutterboden für die<br />

Pflanzen. Die Pflanzen, die sich hier am wohlsten fühlten,<br />

wurden nach Versuchen von Fachleuten für die Rekultivierung<br />

des Abfallberges ausgewählt.<br />

Im Jahr 2010 begannen die Anpflanzungen, unter anderem<br />

von Hundsrosen, bekannter als Hagebutten, Liguster<br />

und Faulbäumen. Dazwischen wurde Platz gelassen für Wiesenflächen.<br />

Selbst hier verteilten die Gärtner nicht einfach<br />

irgendwelche Grassamen. Es waren Gras-Kräuter-Mischungen,<br />

die Feldhasen mögen. In vier Jahren wurden so 90.000<br />

Sträucher und Kleinstbäume auf dem alten Deponieberg gepflanzt.<br />

Diese Buschlandschaft mit Totholz- und Steinhaufen<br />

hat sich in der Tierwelt rumgesprochen. Echsen, Feldhasen,<br />

Rebhühner, Fasane, Rehe, Rote Milane fühlen sich hier wohl.<br />

Aber auch Menschen erfreuen sich an der Naturidylle. Seit<br />

mittlerweile zehn Jahren wandern bis zu 200 Naturfreunde<br />

von jung bis alt einmal im Jahr über die Deponie. Naturidylle<br />

und Deponie passen nicht? Doch! Das wird in 30 Jahren<br />

Pensionär Ronald König seinen Enkeln bei einer Wanderung<br />

über die Deponie zeigen können und dabei ein leckeres Deponiehonigbrötchen<br />

verzehren.<br />

Ronald König<br />

leitet die Deponie<br />

in Erfurt.<br />

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