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Nemes, Cs.: Beiträge <strong>zur</strong> Wechselbeziehung… 63<br />
BEITRÄGE ZUR WECHSELBEZIEHUNG<br />
DER DEUTSCHEN UND UNGARISCHEN HEILKUNDE<br />
IM HISTORISCHEN KONTEXT 1<br />
CSABA NEMES<br />
nach Westen“ – schreibt Sándor Márai in seinem Theaterstück Die Bürger von Kassa<br />
„Geh<br />
„vergiß aber nie, daß du vom Osten kommst!“. Das Thema also Morgenland und<br />
–,<br />
Abendland. Das alte und neue Europa.<br />
I. Teil: Historischer Abriß und Quellenstudien<br />
Recherchen wer<strong>de</strong>n mit einer kurzgefaßten historisch-kulturgeschichtlichen Übersicht<br />
Diese<br />
dann die Wechselbeziehungen <strong>de</strong>utsch-ungarischer Medizin näher untersucht, um<br />
beginnen,<br />
Schluß auf die aktuellen kulturellen bilateralen Verbindungen zwischen Deutschland<br />
zum<br />
Ungarn hinzuweisen.<br />
und<br />
Historiographie dieses Wissenschaftstranfers zwischen zwei früher lockereren<br />
Die<br />
wie das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und die Donaumonarchie<br />
Staatenbun<strong>de</strong>n<br />
Habsburgischen Reiches waren, erscheint aus vielfacher Sicht problematisch. Zum<br />
<strong>de</strong>s<br />
kann sie <strong>de</strong>r Versuchung erliegen, die Regionen, die Nationen als eine Art Individuum<br />
einen<br />
Eigenleben darzustellen, <strong>de</strong>m daher I<strong>de</strong>ntität, Entfaltung, Heranreifen und selbständiges<br />
mit<br />
zugedacht wer<strong>de</strong>n könnte. Zum an<strong>de</strong>ren versucht eine solche medikohistorische<br />
Han<strong>de</strong>ln<br />
allzu leicht seinen pragmatischen Zweck, <strong>de</strong>m Hörer das Gefühl <strong>de</strong>r<br />
Betrachtung<br />
und <strong>de</strong>r Fortentwicklung, zu vermitteln. Diesen Gefahren gehe ich durch eine<br />
Kontinuität<br />
gehaltene Darstellung aus <strong>de</strong>m Weg. Hierzu bietet sich die Donau als<br />
fragmentarisch<br />
und Verbindungsweg sowie die Zeitschiene <strong>de</strong>r Chronologie an. Weniger<br />
Vermittler<br />
als vielmehr Transfluenz. Der Donau und <strong>de</strong>r alten Nibelungenstrasse<br />
Inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nz,<br />
entlang.<br />
jegliche Übertreibung kann man feststellen, daß, eingekeilt in die Grenzzone <strong>de</strong>r<br />
Ohne<br />
geprägten Orhodoxie, <strong>de</strong>s Islam und <strong>de</strong>r slawischen Völker einerseits und <strong>de</strong>r<br />
byzantisch<br />
Län<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rerseits, Ungarn über Jahrhun<strong>de</strong>rte das Bollwerk <strong>de</strong>s<br />
<strong>de</strong>utschsprachigen<br />
Abendlan<strong>de</strong>s geblieben ist. Erst gegen die Mongolen (1241), dann gegen die<br />
christlichen<br />
(1526-1686), und zuletzt gegen die Sowjetunion im Ungarnaufstand von 1956. Der<br />
Türken<br />
Vorgang, daß höher entwickelte, im Wohlstand leben<strong>de</strong> Staaten das Interesse<br />
historische<br />
Völker zu wecken pflegen, wie<strong>de</strong>rholte sich in <strong>de</strong>r Geschichte dieses Lan<strong>de</strong>s<br />
barbarischer<br />
Male.<br />
mehrere<br />
1 Nach <strong>de</strong>m Vortrag im Ungarischen Kulturinstitut, Stuttgart am 21. November 2005
64 Comm. <strong>de</strong> Hist. Artis Med. 194—195 (2006)<br />
ungarische Schutzwall gewährte jedoch <strong>de</strong>m Westen <strong>de</strong>n ruhigen Ausbau <strong>de</strong>r Kultur<br />
Der<br />
Kontinuität <strong>de</strong>r Staatsbildung. Bei<strong>de</strong> waren <strong>de</strong>m von Osmanen bedrängten, von<br />
und<br />
bevormun<strong>de</strong>ten und von <strong>de</strong>r Sowjetunion unterdrückten Ungarn verwehrt. Dies<br />
Österreich<br />
auch für die großen europäischen Seuchen, bei <strong>de</strong>nen das Ungarnland als erste<br />
gilt<br />
für die staatlichen und städtischen Behör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Westens diente.<br />
„Filterstation“<br />
man <strong>de</strong>n historischen Wer<strong>de</strong>gang bei<strong>de</strong>r Nationen, so ergeben sich im Laufe<br />
Vergleicht<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rte manche Parallele. Wie Marion Gräfin Dönhoff feststellt: „Die <strong>de</strong>utsche<br />
<strong>de</strong>r<br />
sei ohne Gleichgewicht und ohne Kontinuität, sie verlaufe in Kontrasten und<br />
Geschichte<br />
o<strong>de</strong>r wie <strong>de</strong>r französische Historiker Pierre Gaxotte meint: „Deutschland ist<br />
Extremen“,<br />
Land <strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>rbaren Aufstiege und apokalyptischen Katastrophen“. Mutatis<br />
das<br />
trifft dies auch für Ungarn zu.<br />
mutandis<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Mittelalters ist die Entwicklung in Osteuropa mit <strong>de</strong>r westeuropäischen<br />
Bis<br />
parallel fortgeschritten, dann gerät sie aber nach <strong>de</strong>m Tod <strong>de</strong>s Königs Matthias<br />
Entwicklung<br />
in <strong>de</strong>n Hintergrund. Wien war über Jahrhun<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r frühen Neuzeit das Mekka aller<br />
(1490)<br />
Stu<strong>de</strong>nten. Dies hatte allerdings auch <strong>de</strong>n Vorteil, daß die ungarischen<br />
ungarischen<br />
die wissenschaftlichen Ergebnisse <strong>de</strong>r ersten und zweiten (neuen)<br />
Ärztegenerationen<br />
Medizinischen Schule aneigneten und zugleich <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>enwelt <strong>de</strong>r Aufklärung<br />
Wiener<br />
gewor<strong>de</strong>n sind.<br />
zugänglich<br />
hat sich diese Situation erst nach Verlegung <strong>de</strong>r ersten ungarischen<br />
Grundlegend<br />
Fakultät im Jahre 1777 von Tyrnau nach Ofen geän<strong>de</strong>rt. Rückblickend<br />
medizinischen<br />
wir feststellen, daß das Niveau <strong>de</strong>r ungarischen Medizin auch am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 18. und<br />
können<br />
ganzen 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt mit <strong>de</strong>r gesamteuropäischen Entwicklung standhielt, wofür im<br />
im<br />
einige Beispiele angeführt wer<strong>de</strong>n sollen. Erst nach Nie<strong>de</strong>rschlagung <strong>de</strong>s<br />
weiteren<br />
Freiheitskampfes im Jahre 1849 erfolgte eine tiefe Depression <strong>de</strong>s<br />
ungarischen<br />
und lange Rezession aller Wissenschaftsgebiete, die bis zum Ausgleich mit<br />
Geisteslebens<br />
Hause Österreich, bis 1867 anhielt. Dies war die Zeit, in <strong>de</strong>r sich viele Emigranten in<br />
<strong>de</strong>m<br />
westeuropäischen Städten nie<strong>de</strong>rließen und neue Weltzentren <strong>de</strong>r theoretischen und<br />
an<strong>de</strong>ren<br />
Heilkun<strong>de</strong> wie Paris und London junge Mediziner neben <strong>de</strong>m alten Wien<br />
klinischen<br />
Eine allmähliche Abkehr von <strong>de</strong>r kontinentalen Medizin und Zuwendung nach<br />
aufsogen.<br />
Län<strong>de</strong>rn, vor allem nach <strong>de</strong>n Vereinigten Staaten setzte allerdings erst<br />
angelsächsischen<br />
<strong>de</strong>m Ersten Weltkrieg und erneut in <strong>de</strong>n 80er Jahren <strong>de</strong>s vorigen Jahrhun<strong>de</strong>rts ein.<br />
nach<br />
ist das Gefühl, im Herzen Europas zu leben und sich als Ureuropäer zu fühlen<br />
Dennoch<br />
<strong>de</strong>r letzten Generation von Aka<strong>de</strong>mikern nie abhan<strong>de</strong>n gekommen.<br />
auch<br />
2004 ist Ungarn Mitglied <strong>de</strong>r Europäischen Union, was darüber hinwegtäuscht, daß auch<br />
Seit<br />
20. Jahrhun<strong>de</strong>rt nicht Ungarn Europa, son<strong>de</strong>rn Westeuropa Ungarn mehrmals allein gelassen<br />
im<br />
Mit Recht konnte also József Antall, <strong>de</strong>r Medizinhistoriker und <strong>de</strong>r erste frei gewählte<br />
hat.<br />
<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s bei seinem Besuch in Stuttgart sagen: „Wir, die Ungarn, sind nicht<br />
Ministerpräsi<strong>de</strong>nt<br />
Europa heimgekehrt. Wir waren mit unserem Herzen nie weg von Europa. Uns hat man<br />
nach<br />
daran gehin<strong>de</strong>rt, im Europäischen Haus zu wohnen“.<br />
nur<br />
Schicksal <strong>de</strong>s klein gewor<strong>de</strong>nen Lan<strong>de</strong>s im Zentrum <strong>de</strong>s Karpatenbeckens sollte es<br />
Das<br />
weiterhin bleiben, ein Limes, ein Grenzwall zwischen <strong>de</strong>m abendländischen und<br />
jedoch<br />
Christentum zu bil<strong>de</strong>n, zu <strong>de</strong>ssen Grenze nun die Europäische Union mit<br />
orthodoxen<br />
<strong>de</strong>r 10 neuen Län<strong>de</strong>r vor einem Jahr vorgestoßen ist.<br />
Aufnahme<br />
historische Abriß sollte vorausgeschickt wer<strong>de</strong>n, um die Wechselbeziehungen <strong>de</strong>r<br />
Dieser<br />
Län<strong>de</strong>r im Mitteleuropa verständlich zu machen. Denn Kultur ist ein Epiphänomen <strong>de</strong>r
Nemes, Cs.: Beiträge <strong>zur</strong> Wechselbeziehung… 65<br />
und die Medizingeschichte ist nur ein Abriß <strong>de</strong>r universellen Kultur- und<br />
Historie<br />
Heilkunst als Lebenskultur - wie Heinrich Schipperges festellte.<br />
Technikgeschichte.<br />
II. Teil: Wan<strong>de</strong>l <strong>de</strong>s Wissenschaftstransfers in <strong>de</strong>r Medizin im historischen Kontext.<br />
Mittelalter<br />
Mittelalter wur<strong>de</strong>n 5 Universitäten gegrün<strong>de</strong>t: nach französischem Muster 1183 in Veszprém,<br />
Im<br />
in Pécs (Fünfkirchen), 1395 in Óbuda (Alt-Ofen), 1465 in Esztergom (Gran) und zuletzt<br />
1367<br />
in Preßburg die Aca<strong>de</strong>mia Istropolitana. Traditionell bestan<strong>de</strong>n Verbindungen im<br />
1467<br />
erst zu Italien, dann zu Österreich und einigen <strong>de</strong>utschen Universitäten, allen voran,<br />
Mittelalter<br />
Bologna, Wien, Göttingen und Hei<strong>de</strong>lberg o<strong>de</strong>r Prag. Das Kollegium (studium<br />
Padova,<br />
von Veszprém und die Universität von Fünfkirchen – ein studium generale - waren<br />
particulare)<br />
als alle an<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>utschsprachigen Län<strong>de</strong>rn; sie sind etwa zu gleicher Zeit gegrün<strong>de</strong>t<br />
älter<br />
wie Bologna (1088) und Oxford (1167) bzw. Coimbra (1290), lange vor <strong>de</strong>r Eröffnung<br />
wor<strong>de</strong>n<br />
Prager (1348) und <strong>de</strong>r Wiener Universität (1365). Nur die Universitäten in Gran (Esztergom)<br />
<strong>de</strong>r<br />
Alt-Ofen sind etwa gleich alt wie die von Erfurt, Hei<strong>de</strong>lberg und Köln.<br />
und<br />
Namen <strong>de</strong>r weltlichen Ärzte, - <strong>de</strong>nn es gab auch Leibärzte mit einem Bischofstuhl belohnt<br />
Die<br />
vielfach in Italien – kennen wir nur aus <strong>de</strong>r Margareten-Legen<strong>de</strong>. Die Hl. Margarete, Tochter<br />
wie<br />
Königs Béla IV pflegte aufopfernd die Leprakranken und starb wie ihre Tante in ihren<br />
<strong>de</strong>s<br />
Jahren. Von <strong>de</strong>n namentlich bekannten Ärzten ist überliefert Simon Colstein<br />
zwanziger<br />
Professor <strong>de</strong>r vom König Sigismund gegrün<strong>de</strong>ten Alt-Ofener Universität o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
(Clostein),<br />
in Augsburg, Georg Heinisch (1549-1580). Im 14. Jahrhun<strong>de</strong>rt ist <strong>de</strong>r<br />
Universitätslehrer<br />
Albertus Medicus, dann 1482 Mihály Manestorfer von Répcekéthely Rektor <strong>de</strong>r<br />
ungarische<br />
Universität und zugleich Dekan <strong>de</strong>r medizinischen Fakultät. Der Ungar Michael<br />
Wiener<br />
(Mihály Peremartoni, ?-1528), Prokurator <strong>de</strong>r ungarischen Nation an <strong>de</strong>r Universität<br />
Praemartin<br />
sogar hintereinan<strong>de</strong>r dreimal das Amt <strong>de</strong>s Dekans und <strong>de</strong>s Rektors in Wien. Im Jahre<br />
beklei<strong>de</strong>te<br />
war <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r ungarischen Stu<strong>de</strong>nten an <strong>de</strong>r Wiener Universität 74%! Dutzen<strong>de</strong><br />
1384<br />
besuchten unter <strong>de</strong>n ungarischen Königen aus <strong>de</strong>m Anjou-Haus und <strong>zur</strong> Zeit <strong>de</strong>s<br />
Stu<strong>de</strong>nten<br />
Matthias ausländische Universitäten. Nach Verbreitung <strong>de</strong>r Reformation gingen die<br />
Königs<br />
getrennte Wege: die katholische Jugend nach Italien, die Reformierten nach Holland<br />
Stu<strong>de</strong>nten<br />
in die Schweiz, die Lutheranischen nach Deutschland, und ein kleiner Teil <strong>de</strong>r Protestanten<br />
und<br />
England. Mehrere ungarische Ärzte hatte Melanchthon selbst an die Universität von<br />
nach<br />
berufen. An mehreren europäischen Fürsten- und Königshöfen wirkten im Ausland<br />
Wittenberg<br />
ungarische Mediziner als Leibärzte o<strong>de</strong>r erlangten eine Bestellung als Stadtphysici. Zu<br />
studierte<br />
Zeit wie Praemartin in Wien, war Johann von Balsaráti Leibarzt <strong>de</strong>s Papstes Paul V.<br />
gleicher<br />
Johannes von Jessen (Jessenius) war über 9 Jahre an <strong>de</strong>r Wittenberger Universität tätig (s.<br />
Auch<br />
u.)<br />
Krankenpflege und Hospitäler<br />
1000 und 1400 fin<strong>de</strong>n wir in Ungarn 75 Spitäler, meist in <strong>de</strong>n Klöstern als infirmarien,<br />
Zwischen<br />
ca. 100 Leprosorien. Auf <strong>de</strong>r Haseninsel (heute Margareten-Insel) zwischen Buda und Pest,<br />
sowie<br />
Kloster <strong>de</strong>r Dominikaner gab es schon zu Lebzeiten <strong>de</strong>r Hl. Margarete (1242-1271) ganz<br />
im<br />
Formen <strong>de</strong>r Krankenpflege. Die Kranken wur<strong>de</strong>n täglich gewaschen, um <strong>de</strong>r<br />
mo<strong>de</strong>rne<br />
Druckulzera vorzubeugen Gelähmte mehrmals täglich gelagert, sie hatten Leibstühle und
66 Comm. <strong>de</strong> Hist. Artis Med. 194—195 (2006)<br />
Die Bewußtlosen haben die Nonnen über einen tief in <strong>de</strong>n Schlund<br />
Bettschüsseln.<br />
Gänsefe<strong>de</strong>rkiel ernährt. Auch kannten sie Untersuchungsemetho<strong>de</strong>n wie die<br />
eingeschobenen<br />
Pulsfühlen und die Bestimmung <strong>de</strong>s Gesichtsfel<strong>de</strong>s. Die Kranken wur<strong>de</strong>n mit<br />
Uroskopie,<br />
und Gehhilfmitteln, die Amputierten mit Beinprothesen versorgt. Klystier, A<strong>de</strong>rlaß<br />
Bruchbin<strong>de</strong>n<br />
diverse Formen <strong>de</strong>r Hydrotherapie kamen regelmäßig <strong>zur</strong> Anwendung. Das Sistieren <strong>de</strong>r<br />
und<br />
als damals sicheres To<strong>de</strong>szeichen stellten sie mit einem vor <strong>de</strong>n Mund gestellten<br />
Spontanatmung<br />
fest. Spiegel<br />
gilt nicht die Hl. Margarete, son<strong>de</strong>rn die volkstümliche Heilige Deutschlands, die Hl.<br />
Dennoch<br />
von Thüringen - (in Ungarn wird sie als die Hl. Elisabeth vom Árpá<strong>de</strong>nhaus genannt) -<br />
Elisabeth<br />
die Tochter <strong>de</strong>s ungarischen Königs Andreas II als eine <strong>de</strong>r Begrün<strong>de</strong>rin <strong>de</strong>s<br />
(1207-1231),<br />
Krankenhauswesens. Neben <strong>de</strong>m Pantokrator-Spital in Byzanz, - das allerdings<br />
mo<strong>de</strong>rnen<br />
von einer ungarischen Königstochter <strong>de</strong>s Hl. Ladislaus, von <strong>de</strong>r Kaiserin Eirené<br />
ebenfalls<br />
gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> (12. Jh) – war sie die bekannteste Heilige in Deutschland, die für das<br />
(Piroska)<br />
<strong>de</strong>r Kranken ihr Leben opferte. Die baldige Kanonisierung wur<strong>de</strong> freilich vor allem durch<br />
Wohl<br />
zahlreichen Wun<strong>de</strong>rheilungen, u. a. durch die Blin<strong>de</strong>nheilung „in <strong>de</strong>xtro angelo chori<br />
die<br />
am Grabe Elisabeths bewirkt. Unweit von ihrer heutigen Grabstätte sorgte Elisabeth<br />
hospitalis“<br />
Jahre 1228 für die Errichtung eines einfachen Hospitals in Marburg, wo auch das erste <strong>de</strong>m<br />
im<br />
Franziskus geweihte Kirchlein nördlich <strong>de</strong>r Alpen gebaut wur<strong>de</strong>. Dieses Franziskaner-Spital,<br />
Hl.<br />
mehr in einem Kloster untergebracht, war an sich ein Siechenhof für Leprakranke. Gerne<br />
nicht<br />
Elisabeth – und dies war damals eine unerhörte For<strong>de</strong>rung und Zeichen <strong>de</strong>r Nächstenliebe –,<br />
hätte<br />
kleine Spital innerhalb <strong>de</strong>r schützen<strong>de</strong>n Stadtmauern eingerichtet, um die Aussätzigen, nicht<br />
das<br />
damals allgemein üblich war, aus <strong>de</strong>r Gemeinschaft ausgestoßen zu lassen. Dies scheiterte<br />
wie<br />
am Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>s Magistrats. Schon 1229 hatte Elisabeth für das von ihrem frommen<br />
jedoch<br />
<strong>de</strong>m Landgrafen Ludwig gegrün<strong>de</strong>te Gothaer Hospital die päpstlichen Privilegien<br />
Gatten,<br />
Je<strong>de</strong>nfalls war Elisabeth die Erste, die in <strong>de</strong>r Pflege Bedürftiger ihre so hohe Abkunft<br />
erhalten.<br />
als Bettler lebte und dadurch die sozialen Schranken ihres Stan<strong>de</strong>s bewußt übertrat,<br />
verleugnete,<br />
als ein damals einzigartiger Vorgang zu betrachten war.<br />
das<br />
ältesten Bürgerhospitäler <strong>de</strong>s Hl. Geist-Or<strong>de</strong>ns erbaute man einige Jahre später: im Jahre<br />
Die<br />
in Frankfurt, 1233 in Nördlingen, 1236 in Mainz und 1240 in Ulm. Diese waren die ersten<br />
1230<br />
städtischen Hospitäler <strong>de</strong>s Hohen Mittelalters auf <strong>de</strong>utschem Bo<strong>de</strong>n.<br />
großen<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Mittelalters kam <strong>de</strong>r Schweinfurter Humanist Conrad Celtis (1459-1509),<br />
Am<br />
Buda, wo er 1497 die erste literarische und wissenschaftliche Aka<strong>de</strong>mie, die Sodalitas<br />
nach<br />
Hungarorum grün<strong>de</strong>te. Celtis war übrigens als erster Deutscher 1487 von Kaiser<br />
Litteraria<br />
III. in Nürnberg zum Dichter gekrönt wor<strong>de</strong>n und galt zu seiner Zeit, um 1500 als<br />
Friedrich<br />
begabteste Poet <strong>de</strong>s Humanismus. Er war ein Zeitgenosse von Dürer, <strong>de</strong>ssen Vorfahren<br />
<strong>de</strong>r<br />
Südost-Ungarn, aus Gyula nach Franken auswan<strong>de</strong>rten.<br />
aus<br />
Frühe Neuzeit: Humanismus, Renaissance und Barockmedizin<br />
<strong>de</strong>r Schlacht von Mohács (1526) gab es bis 1770 keine medizinische Fakultät mehr in<br />
Nach<br />
so daß die medizinische Ausbildung nur noch im Ausland geholt wer<strong>de</strong>n konnte,<br />
Ungarn,<br />
die Stu<strong>de</strong>nten, wie es damals hieß, auf Peregrination gegangen sind. Elf Jahre nach<br />
weshalb<br />
Mohácser Schlacht, im Jahre 1537 besuchte Paracelsus wohl das dritte Mal Ungarn und<br />
<strong>de</strong>r<br />
seine Nachbarlän<strong>de</strong>r - er soll schon in <strong>de</strong>n Jahren 1521-24 zweimal in Nordungarn gewesen
Nemes, Cs.: Beiträge <strong>zur</strong> Wechselbeziehung… 67<br />
- und weilte in Pozsony als Gast <strong>de</strong>s Bürgermeisters. In diesen Län<strong>de</strong>rn bereicherte er<br />
sein,<br />
Kenntnisse in <strong>de</strong>r Volksmedizin. Mit seinen Worten: „Erforschung gehabt gewissen<br />
seine<br />
erfahrener wahrhaften Künsten <strong>de</strong>r Artzney, nicht allein bei <strong>de</strong>n Doktoren, son<strong>de</strong>rn<br />
und<br />
bei <strong>de</strong>n Scherern, Ba<strong>de</strong>rn, gelehrten Aerzten, Weibern, Schwarzkünstlern, so sich <strong>de</strong>s<br />
auch<br />
bei <strong>de</strong>n Alchimisten in Klöstern“. An dieses poriomanische Genie erinnert eine<br />
Pflegen,<br />
in Siebenbürgen, in Sächsisch Reen (Szászrégen), einer von Sachsen gegrün<strong>de</strong>ten<br />
Sage<br />
in <strong>de</strong>r seine Gestalt mit <strong>de</strong>m Teufelspakt Fausts verschmolzen überliefert wur<strong>de</strong>. In<br />
Stadt,<br />
in <strong>de</strong>r Stadt Eperjes lebten noch im 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt einige Nachfahren von<br />
Nordungarn,<br />
Paracelsus, <strong>de</strong>r große Wi<strong>de</strong>rsacher Galens und Avicenna zeigte sich vom Wissen <strong>de</strong>r<br />
ihm.<br />
Ärzte sehr beeindruckt: „Was ich zu arzeten loben hab aus <strong>de</strong>n hun<strong>de</strong>rten, von<br />
ungarischen<br />
seïnd zwey wol geraten“. Wir wissen nicht, welche Ärzte Paracelsus loben wollte:<br />
Pannonia<br />
Anhänger, <strong>de</strong>m Iatrochemiker Mihály Sinapius (Michael Senff, 1602-?), welcher in<br />
seinem<br />
die antihippokratische Bewegung initiierte, stan<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>re wie András Dudith<br />
Ungarn<br />
und Pál Gyulai (?-1592) aus Bologna <strong>de</strong>r paracelsischen Lehre und Praxis<br />
(1533-1589)<br />
gegenüber. Auf die bleiben<strong>de</strong> Wirkung von Paracelsus darf immerhin <strong>de</strong>r<br />
ablehnend<br />
gelten, daß György Verestói, Professor am Klausenburger reformierten Kollegium<br />
Hinweis<br />
István Hatvani am Debrecziner Kollegium noch am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts an das<br />
und<br />
dreifache Prinzip von Schwefel, Quecksilber und Salz in ihren Vorlesungen<br />
paracelsische<br />
Georg Henisch (1549-1618) aus Bartfeld übte nie ärztliche Tätigkeit aus, gab<br />
festhielten.<br />
als Direktor <strong>de</strong>s Gymnasiums in Augsburg 1573 das Enchiridion Medicum<br />
jedoch<br />
tam simplicium quam compositum und im Jahre 1600 <strong>de</strong>n Katalog <strong>de</strong>r<br />
Medicamentorum<br />
Bibliotheken aus.<br />
Ausgsburger<br />
Volksgut aus Ungarn war jedoch schon früher europaweit in<br />
Volksmedizinisches<br />
So galt für das gemeine Volk das Heilkraut <strong>de</strong>s Hl. Ladislaus, die Gentiana<br />
Gebrauch.<br />
allgemein als Schutzmittel gegen die Pest, und das Wasser <strong>de</strong>r ungarischen<br />
cruciata<br />
(l'eau <strong>de</strong> la reine) als Heilmittel gegen die Gicht, gegen das Podagra. Eine Chronik<br />
Königin<br />
Melk berichtet von Wun<strong>de</strong>rheilungen durch das Auflegen <strong>de</strong>s Kreuzes ungarischer<br />
von<br />
Könige.<br />
16. Jahrhun<strong>de</strong>rt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Universitätsbetrieb in Ungarn nocht immer sistierte,<br />
Im<br />
sich das Geistesleben fast ausschließlich auf die internationale Korrespon<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>r<br />
beschränkte<br />
Einem Arzt aus Kaschau in <strong>de</strong>r heutigen Slowakei, <strong>de</strong>m in Basel tätigen<br />
Humanisten.<br />
Joannes Antonius Cassoviensis (1499?-1544) widmete Erasmus seine erste<br />
Humanisten<br />
vom 1526. Auch ein Frühdruck <strong>de</strong>s Georg Wernher (+1576) über die<br />
Galen-Ausgabe<br />
Heilbä<strong>de</strong>r, die Hypomnemation, ein Klassiker <strong>de</strong>r Balneologie erschien in Basel.<br />
ungarischen<br />
Jordanus (1539-1585) von Klausenburg, Feldchirurg in Komárom war <strong>de</strong>r Erste,<br />
Tomas<br />
auf die Möglichkeit <strong>de</strong>r Verbreitung <strong>de</strong>r Lustseuche, <strong>de</strong>r Syphilis auf extragenitalem<br />
<strong>de</strong>r<br />
hingewiesen hat. Sein Werk über <strong>de</strong>n Morbus brunogallicus erschien erst 1577 in<br />
Wege<br />
a. Main, dann noch fünfmal, zuletzt im Jahre 1793 in Jena. Seiner Thesen<br />
Frankfurt<br />
zunächst Crato von Krafftheim, <strong>de</strong>r die Syphilisepi<strong>de</strong>mie in Brünn lediglich<br />
wie<strong>de</strong>rsprach<br />
eine eitrige Hautentzündung hielt, doch die Nachwelt hatte Jordanus' Auffassung<br />
für<br />
Manardus (1462-1536), ein Arzt-Humanist im Hof <strong>de</strong>r ungarischen Könige<br />
angenommen.<br />
II und Ludwig II (reg. 1513-18) griff schon vor Paracelsus die Galenische Lehre<br />
Wladyslaw<br />
Seine medizinischen Epistolae hatte Erasmus einem Basler Verlag empfohlen. Auf <strong>de</strong>r<br />
an.<br />
nach verschollenen antiken Manuskripten fand Grad Neuenar im Jahre 1528 in einer<br />
Suche<br />
ungarischen Klosterbibliothek die Mulomedicina (Artis medicinae), eine bisher unbekannte
68 Comm. <strong>de</strong> Hist. Artis Med. 194—195 (2006)<br />
über Veterinärmedizin <strong>de</strong>s römischen Publius Vegetius Renatus (450-510?). Dieses<br />
Schrift<br />
erschien 1574 in Basel in <strong>de</strong>r Ausgabe von János Zsámboky o<strong>de</strong>r unter seinem<br />
Werk<br />
Joannes Sambucus.<br />
Humanisten-Namen<br />
Sambucus (l531-1584), einer <strong>de</strong>r be<strong>de</strong>utendsten Vertreter <strong>de</strong>r medicina<br />
Joannes<br />
studierte erst in Leipzig; war danach als Schüler Melanchthons 9 Jahre in<br />
philologica,<br />
später in Ingolstadt, Strassburg und Paris tätig. Dieses Universalgenie,<br />
Wittenberg,<br />
Erscheinung <strong>de</strong>s l'uomo universale <strong>de</strong>r Renaissance lehrte erst in Bologna,<br />
charakterische<br />
in Bonn als Professor <strong>de</strong>r klassischen Philologie; später wur<strong>de</strong> Titulararzt , medicus<br />
dann<br />
titularis am Hofe Maximilians und Rudolfs, Hofchronist, Bibliothekar, honorabilis<br />
aulae<br />
sogar comes palatinus. Seine letzten Jahre verbrachte Sambucus in Wien, wo er<br />
doctus,<br />
riesige Privatbibliothek (mit weniger als 600 Kodizes und 3000 Manuskripten),<br />
seine<br />
und Medaillensammlung ordnete. Sambucus gilt als <strong>de</strong>r Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Skulptur-<br />
Numismatik. (Die wissenschaftliche Münzkun<strong>de</strong> ist allerdings ein typisches<br />
medizinischen<br />
<strong>de</strong>r Renaissance.) Kurz vor seinem Tod ist er gezwungen, seine europaweit geschätzte<br />
Kind<br />
zu versteigern. 2600 Bücher aus seinem Nachlaß wer<strong>de</strong>n heute in <strong>de</strong>r Wiener<br />
Sammlung<br />
aufbewahrt. Wenig Glück waren auch seinen Übersetzungen und Werken<br />
Hofbibliothek<br />
Sambucus übersetzte nämlich auch die Botanik <strong>de</strong>s Dioscori<strong>de</strong>s, versah sie mit<br />
beschie<strong>de</strong>n.<br />
Lei<strong>de</strong>r ist auch dieses Werk erst nach seinem Tod erschienen (1695). Da<br />
Kommentaren.<br />
ein Protestant war, setzte die Madri<strong>de</strong>r Inquisition nämlich 1667 alle seinen<br />
Zsámboky<br />
auf In<strong>de</strong>x. Zwei weitere Arbeiten Sambucus', die Emblemata (1564) und die<br />
Schriftwerke<br />
(1574) mit moralisieren<strong>de</strong>n lateinischen Epigrammen und Portraits klassischer<br />
Icones<br />
kamen jedoch noch zu seinen Lebzeiten heraus.<br />
Autoren<br />
an<strong>de</strong>re wichtigste Vertreter <strong>de</strong>r ungarischen Renaissance-Ärzte war <strong>de</strong>r Anatom und<br />
Der<br />
János Jeszenszky, o<strong>de</strong>r Jessenius (1566-1621), <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Chirurg<br />
irrtümlich als Jan Jessenský geführt wird. Seine größte Ent<strong>de</strong>ckung, das<br />
Medizingeschichte<br />
<strong>de</strong>s Riechnervs machte er noch in Wittenberg, wo er zuletzt <strong>de</strong>r Universität als<br />
Auffin<strong>de</strong>n<br />
magnificus vorstand. Zuvor studierte Jessenius in Padova als Schüler <strong>de</strong>s Fabricius<br />
Rector<br />
Aquapen<strong>de</strong>nte. Ab 1595 mit <strong>de</strong>r öffentlichen Leichenöffnungen begonnen und berühmt<br />
ab<br />
wird er nach Prag gerufen, in <strong>de</strong>n kaiserlichen Hof von Rudolf II. und Matthias<br />
gewor<strong>de</strong>n,<br />
Auf <strong>de</strong>r Prager Universität wur<strong>de</strong>n seit 150 Jahren keine Sektionen mehr durchgeführt;<br />
II.<br />
1600 setzt hier Jessenius seine anatomischen Demonstrationen fort. Als Kanzler <strong>de</strong>r<br />
ab<br />
und Freund <strong>de</strong>s Tycho <strong>de</strong> Brahe protestiert er jedoch zu seinem Unglück gegen<br />
Universität<br />
Verfolgung <strong>de</strong>r Protestanten. Erst wochenlang in Wien ins Hofgefängnis geworfen, wird<br />
die<br />
nach <strong>de</strong>r Schlacht am Weißen Berge bei Prag (1620) mit Billigung <strong>de</strong>s Kaisers<br />
Jessenius<br />
in einem Konzeptionsprozeß zum To<strong>de</strong> verurteilt. Jessenius wird hingerichtet,<br />
Ferdinand<br />
Haupt auf die Bastion <strong>de</strong>r Prager Burg <strong>zur</strong> Abschreckung ausgesetzt und erst 20 Jahre<br />
sein<br />
nach Einzug <strong>de</strong>s Gustav Adolf in Prag feierlich begraben. Viel zu spät ent<strong>de</strong>ckte<br />
später,<br />
daß die Spätrenaissance in ihm einen <strong>de</strong>r wichtigsten Anatomen verloren hat. Neben<br />
man,<br />
Knochenlehre (Tractatus <strong>de</strong> Ossibus, 1601) verfaßte Jessenius die erste<br />
seiner<br />
<strong>de</strong>skriptive Dermatologie (De cute et cutaneis affectibus, Wittenberg,<br />
makroskopische<br />
verglich die Anatomie <strong>de</strong>s Vesal mit <strong>de</strong>r von Galen. Seine chrirugische<br />
1601),<br />
die Institutiones Chirurgicae blieb über 100 Jahre in Gebrauch und 1674<br />
Fallsammlung,<br />
sie auch in <strong>de</strong>utscher Übersetzung (Anweisung <strong>zur</strong> Wund-Artznei, Nürnberg). Es ist<br />
erschien<br />
daß ein an<strong>de</strong>rer großer Arzt-Philologe, Albrecht von Haller dieses Werk<br />
bekannt,<br />
außeror<strong>de</strong>ntlich hoch einschätzte. Jesszenszky's Lebenslauf und Werke hatte ein ungarischer
Nemes, Cs.: Beiträge <strong>zur</strong> Wechselbeziehung… 69<br />
Georg Friedrich Hän<strong>de</strong>ls, László Ruttkay (1896-1971) in jahrzehntelanger<br />
Nachfahre<br />
Forschung in einer Monographie zusammengestellt.<br />
archivalischer<br />
1367 fin<strong>de</strong>n wir in Ungarn keine vollständige Universität mit allen vier Fakultäten<br />
Nach<br />
vor; nur die Universität von Pécs bleibt noch bis <strong>zur</strong> Tragödie bei Mohács, 1526,<br />
mehr<br />
Darum waren die Stu<strong>de</strong>nten immer noch gezwungen, ausländische Universitäten<br />
bestehen.<br />
besuchen, da bis 1770 in Ungarn nur vorbereiten<strong>de</strong> (prope<strong>de</strong>utische) medizinische<br />
zu<br />
wie die Aca<strong>de</strong>mia Molleriana in Neusohl (Besztercebánya, 1727) o<strong>de</strong>r die<br />
Privatschulen<br />
medicinalis in Erlau (Eger, 1769-74) existierten, Darum setzte sich die<br />
schola<br />
ungarischer Stu<strong>de</strong>nten auch im 17. und 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt fort. Eine eingehen<strong>de</strong><br />
Peregrination<br />
<strong>de</strong>r hervorragen<strong>de</strong>n ungarischen Ärzte als Forscher und Lehrer in <strong>de</strong>utschen<br />
Untersuchung<br />
ist hier nicht möglich. Einige sollen jedoch kurz erwähnt wer<strong>de</strong>n.<br />
Län<strong>de</strong>rn,<br />
vielseitiges Wissen zeichnete sich Christoph Preiß aus, <strong>de</strong>r einer auf Empfehlung<br />
Durch<br />
erfolgten Berufung nach Frankfurt a. d. O<strong>de</strong>r Poetik, Rhetorik und<br />
Melanchthons<br />
lehrte. In <strong>de</strong>r Renaissance war die schöpferische Arbeit auf verschie<strong>de</strong>nen<br />
Theologie<br />
noch möglich. Unter <strong>de</strong>n Professoren fin<strong>de</strong>n wir im 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
Wissenschaftsfel<strong>de</strong>rn<br />
Wilhelm Moller in Altdorf, Cilano Maternus aus Pozsony in Altona und David<br />
David<br />
in Leipzig, wo Johann Hedwig (1730-1799), „<strong>de</strong>r Linné <strong>de</strong>r Moose“, aus<br />
Wipacher<br />
als Stadtphysikus tätig war. David Wipacher stellte die Leipziger Flora<br />
Kronstadt<br />
(Flora Lipsiensis) und verfaßte ein Lehrbuch über die Krankheitslehre. Dank<br />
zusammen<br />
wissenschafltichen Reputation wählten fünf Aka<strong>de</strong>mien, darunter die von London,<br />
seiner<br />
zu ihrem Mitglied.<br />
Hedwig<br />
Born (1742-1791) Ratsherr und Bergbaumeister von Selmec (Schemnitz, Banská<br />
Ignác<br />
erkärter Gegner <strong>de</strong>r Alchemie, grün<strong>de</strong>te nicht nur die Aka<strong>de</strong>mie für<br />
Stiavnica),<br />
in Prag (Societas Regia Scientiarum Bohemica) und erfand die Verfahren<br />
Wissenschaften<br />
Foliierung (<strong>de</strong>s Versilberns) und <strong>de</strong>r Amalgamierung, er beschreibt auch die<br />
<strong>de</strong>r<br />
diese verzehren<strong>de</strong> en<strong>de</strong>mische Berufskrankheit <strong>de</strong>r Bergläute, wie auch<br />
Ankylostomiasis,<br />
György Hoffinger (1736-1793) die häufige Blei- und Quecksilbervergiftung <strong>de</strong>r<br />
János<br />
(Sendschreiben über <strong>de</strong>n Einfluss <strong>de</strong>r Anquickung <strong>de</strong>r gold- und<br />
Hüttenarbeiter<br />
Erze, auf Gesundheit <strong>de</strong>r Arbeiter, Schemnitz, 1790 (21)). Born gab ab 1783<br />
silberhältigen<br />
die Zeitschrift Physikalische Arbeiten <strong>de</strong>r einsträchtigen Freun<strong>de</strong> in Wien aus,<br />
jahrelang<br />
war Mitglied <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mien von London, Göttingen, Toulouse, Stockholm, Uppsala,<br />
und<br />
Siena und St. Petersburg. Ein Mineral (das Bornit) trägt seinen Namen. Und<br />
Padova,<br />
hatte seine Gestalt als Sarastro in <strong>de</strong>r Zauberflöte verewigt. Born war wie Mozart<br />
Mozart<br />
<strong>de</strong>r Wiener Freimauerloge.<br />
Mitglied<br />
Sambucus waren auch später einige ungarische Ärzte als Philologen beson<strong>de</strong>rs<br />
Neben<br />
Maternus in Altona in <strong>de</strong>r griechisch-römischen Archäologie, und <strong>de</strong>r aus<br />
erfolgreich;<br />
(Siebenbürgen) stammen<strong>de</strong> Samuel Gyarmathi (1751-1830), Komitätsarzt von<br />
Hunyad<br />
in <strong>de</strong>r vergleichen<strong>de</strong>n Sprachforschung. Mit seiner in Göttingen 1799<br />
Hunyad,<br />
Affinitas linguae Hungaricae cum linguis Fennicae, also mit <strong>de</strong>m<br />
herausgegebenen<br />
<strong>de</strong>r ungarisch-finnischen Sprachverwandtschaft gilt Gyarmathi bis heute als <strong>de</strong>r<br />
Nachweis<br />
<strong>de</strong>r vergleichen<strong>de</strong>n Sprachforschung“ wie Gabelentz, Sandfeld und Jensen<br />
„Vater<br />
Seine Büste wur<strong>de</strong> 1860 in <strong>de</strong>r Skulpturengalerie <strong>de</strong>r Berliner Deutschen<br />
feststellen.<br />
für Wissenschaften aufgestellt.<br />
Aka<strong>de</strong>mie<br />
waren als bibliophile Sammler und Mäzene erfolgreich. Mihály Kassai, <strong>de</strong>r wie<br />
An<strong>de</strong>re<br />
nur ganz wenige in Ungarn mit Erasmus von Rottterdam korrespondierte, vermachte seine
70 Comm. <strong>de</strong> Hist. Artis Med. 194—195 (2006)<br />
Bibliothek <strong>de</strong>r Universität Halle an <strong>de</strong>r Saale und stiftete dort ein noch heute<br />
große<br />
Stipendium an <strong>de</strong>r Wittenberger Universität. János Ádám Gensel aus<br />
existieren<strong>de</strong>s<br />
wur<strong>de</strong> 1703 zum zweiten Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r Leopoldina gewählt. Testamentarisch<br />
Ö<strong>de</strong>nburg<br />
er 6000 rheinische Florin als Stiftung <strong>de</strong>r Bibliothek <strong>de</strong>r Kaiserlichen<br />
hinterließ<br />
Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utscher Ärzte und Naturforscher.<br />
Leopoldinisch-Carolinischen<br />
erwähnen wir noch aus <strong>de</strong>m 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt Farkas Höfer aus Győr (Raab),<br />
Schließlich<br />
1657 in seiner Arbeit Hercules medicus <strong>de</strong>n Kretinismus erstmals beschrieb. Johann<br />
<strong>de</strong>r<br />
Hain stammte aus Preußen, war jedoch erst in Polen als königlicher Leibarzt, dann<br />
Paterson<br />
Nordungarn, in Eperjes (Eperies, Presov) als Stadtarzt tätig. Von hier sandte er 1671, - 4<br />
in<br />
vor Leeuwenhoek, - seine mikroskopischen Untersuchungen an die Ephemeri<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r<br />
Jahre<br />
Kaiserlichen Aka<strong>de</strong>mie, <strong>de</strong>r Leopoldina. Daher darf nicht Leeuwenhoek (<strong>de</strong>r<br />
Halleschen<br />
Studien zwischen 1695 und 1722 veröffentlichte, son<strong>de</strong>rn Paterson Hain neben<br />
seine<br />
Kircher (1658) als Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Mikroskopie betrachtet wer<strong>de</strong>n. Übrigens war<br />
Athanasius<br />
<strong>de</strong>r Fossiliensammler Paterson Hain <strong>de</strong>r Erste, <strong>de</strong>r die Versteinerungen<br />
auch<br />
untersucht hatte. János Wallaszkai (1709-1767) von Acsa (Komitat Pest)<br />
wissenschaftlich<br />
jahrelang Schüler <strong>de</strong>s Friedrich Hoffmanns in Halle und dann über 15 Jahre<br />
war<br />
Arzt in Wien.<br />
praktizieren<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n etwa 200 im Ausland studierten o<strong>de</strong>r dort unterrichten<strong>de</strong>n ungarischen Ärzten<br />
Von<br />
18. Jahrhun<strong>de</strong>rt können András János Segner (1704-1777) und István Weszprémi (1723-<br />
im<br />
als die auch im gesamteuropäischen Vergleich be<strong>de</strong>utendsten Mediziner genannt<br />
1799)<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Preßburger Arzt und in jungen Jahren Debrecziner Stadtarzt Segner wird in <strong>de</strong>r<br />
Der<br />
als Erfin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Wasserturbine, <strong>de</strong>s Segnerschen Ra<strong>de</strong>s erwähnt,<br />
Wissenschaftsgeschichte<br />
jedoch in Jena Philosophie (1732). Auf Einladung von Haller kam Segner nach<br />
lehrte<br />
(1736), wo er <strong>de</strong>n Lehrstühlen für Anatomie, Chirurgie und Botanik vorstand,<br />
Göttingen<br />
daneben nicht nur seine physikalischen Versuche und chemischen Experimente<br />
und<br />
son<strong>de</strong>rn auch regelmäßig anatomische Demonstrationen hielt. Segner war <strong>de</strong>r<br />
forsetzte,<br />
welcher <strong>de</strong>n Energieverbrauch <strong>de</strong>r Muskelkontraktionen berechnet und die Aufgaben<br />
erste,<br />
im Dickdarm befindlichen Klappen ent<strong>de</strong>ckt hatte. Albrecht von Haller stützte sich in<br />
<strong>de</strong>r<br />
Schlußfolgerungen über die Irritabilität und Muskelfunktion auf Segners Ergebnisse.<br />
seinen<br />
<strong>de</strong>m Tod <strong>de</strong>s Mathematikers und Philosophen Christian Wolff (1709-1754) wur<strong>de</strong><br />
Nach<br />
von Leonhard Euler nach Halle berufen. Hier übte er zwar keine ärztliche Praxis<br />
Segner<br />
klinische Lehrtätigkeit mehr aus, erreichte aber als Dekan <strong>de</strong>r Universität, daß neben<br />
o<strong>de</strong>r<br />
Botanik auch die Physik und Chemie in <strong>de</strong>n Lehrplan von Medizinstu<strong>de</strong>nten<br />
<strong>de</strong>r<br />
wur<strong>de</strong>n. Damals war das eine revolutionäre For<strong>de</strong>rung, heute ist es eine<br />
aufgenommen<br />
Selbstverständigkeit.<br />
Debrecziner Arzt, Stadtphysikus István Weszprémi besuchte die Universitäten<br />
Der<br />
Straßburg und London, und befaßte sich mit <strong>de</strong>n Möglichkeiten <strong>de</strong>r Immunisierung<br />
Zürich,<br />
Schutzimpfungen. Seine epochemachen<strong>de</strong> Arbeit, die Tentamen <strong>de</strong> inoculanda peste, d.<br />
und<br />
Versuch das Pestgift einzuimpfen - erschien 1755 und fand in <strong>de</strong>r Londoner Monthly<br />
h.<br />
eine günstige Kritik. Mit dieser weltweit ersten Veröffentlichung über die<br />
Review<br />
wie Max Neuburger viel später erwähnt, „war zuerst <strong>de</strong>r ungarische<br />
Schutzimpfung,<br />
Weszprémi, <strong>de</strong>r in seiner Tentamen <strong>de</strong>n Vorschlag machte, in Pestzeiten das<br />
Stephan<br />
künstlich einzuimpfen“. Es sollen noch 40 Jahre vergehen, bis Edward Jenner<br />
Pestgift<br />
(1749-1823) ab 1796 die aktive Schutzimpfung mit Hilfe <strong>de</strong>r Kuhpocken-Lymphflüssigkeit
Nemes, Cs.: Beiträge <strong>zur</strong> Wechselbeziehung… 71<br />
die Pocken – die Vakzination - einführt und nochmals 100 Jahre, bis zwischen 1889<br />
gegen<br />
1893 die passive Immunisierung von Emil Behring, S. Kitasato und E. Wernicke in <strong>de</strong>r<br />
und<br />
Praxis sich durchsetzen konnte.<br />
klinischen<br />
waren Weszprémi das ältere Verfahren <strong>de</strong>r Variolisation, also mit Einbringen<br />
Freilich<br />
getrocknetem Eiter <strong>de</strong>r Pockenpusteln sich gegen die Pocken (<strong>de</strong>r Blätternbläschen) zu<br />
von<br />
bereits bekannt, hatte doch Lady Wortley-Montagu in Konstantinopel diese in<br />
schützen,<br />
seit Jahrhun<strong>de</strong>rten verwendte Metho<strong>de</strong> kennengelernt und nach erheblichem<br />
China<br />
ab 1749 in England populär gemacht. Allerdings wandte diese Variolisation ein<br />
Wi<strong>de</strong>rstand<br />
Arzt, Ádám Raymann (1690-1770) in Eperjes bereits zwischen 1717 und 1721<br />
ungarischer<br />
also 3 Jahrzehnte vor Wortley-Montagu! Darüber berichteten damals die Annales<br />
an,<br />
Zu gleicher Zeit, 1721, empfahl <strong>de</strong>r Ungar Abraham Vater in seinem<br />
Bratislavienses.<br />
über die Pocken (Blattern) ebenfalls die Inokulation gegen die Pestseuche. In einer<br />
Traktat<br />
in <strong>de</strong>r Gerard van Swieten und Anton <strong>de</strong> Haen in Wien die Variolisation noch<br />
Zeit,<br />
ablehnten.<br />
seinem Lebensabend, schon schwer erkrankt, stellte Weszprémi zwischen 1774 und<br />
An<br />
in Debreczin unter Aufbieten seiner Kräfte und durch erstaunlich ausge<strong>de</strong>hnte<br />
1787<br />
ein in <strong>de</strong>r europäischen Medizingeschichte damals einmaliges lateinisches<br />
Korrespon<strong>de</strong>nz<br />
in 4 Bän<strong>de</strong>n zusammen: Succincta medicorum Hungariae et Transsylvaniae<br />
Ärztelexikon<br />
d. h. Kurze Biographie <strong>de</strong>r Ärzte von Ungarn und Siebenbürgen, <strong>de</strong>ren<br />
Biographia,<br />
und philologische Genauigkeit Julius Pagels Biographisches Lexikon<br />
Ausführlichkeit<br />
Ärzte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts (1901) bei weitem nicht erreicht hatte. Der erste<br />
hervorragen<strong>de</strong>r<br />
dieses von Albrecht von Haller gelobte Werk Weszprémis erschien noch in Leipzig<br />
Band<br />
die weiteren 3 Bän<strong>de</strong> in Wien (1781-87).<br />
(1774),<br />
bei <strong>de</strong>r Immunisierung bleibend, ist es genauso interessant und ein gewagtes<br />
Noch<br />
gewesen, als 1842 <strong>de</strong>r Komitatsphysikus Mihály Katona in Borsod massenhaft<br />
Experiment<br />
vorgenommen hatte. Sein <strong>de</strong>utschsprachiger Bericht darüber erschien in<br />
Masernimpfungen<br />
Auch dieser Schutzimpfung kommt eine internationale Be<strong>de</strong>utung zu, da erst durch<br />
Wien.<br />
Impfserien von Katona bewiesen wur<strong>de</strong>, daß die Masern durch Blutimpfung übertragbar<br />
die<br />
In dieser Zeit war die Ätiologie und Pathogenese <strong>de</strong>r Masern noch völlig unbekannt.<br />
ist.<br />
sollte hier nicht unerwähnt bleiben, daß ähnliche Impfversuche gegen Masern<br />
Allerdings<br />
auch schon früher von Francis Home und Carlo Speranza durchgeführt wur<strong>de</strong>n (1757).<br />
Aufklärung und das Jahrhun<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>s Positivismus<br />
durfte 1770/71 in Tyrnau die erste ungarische medizinische Fakultät <strong>de</strong>r Neuzeit<br />
Endlich<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Gründungsdokument auf Betreiben von Gerhard van Swieten und<br />
eröffnet<br />
Ürményi 1769 Kaiserin Maria Theresia unterzeichnete. Doch hörte damit die<br />
József<br />
ungarischer Medizinstu<strong>de</strong>nten nicht schlagartig auf, zumal <strong>de</strong>r<br />
Peregrination<br />
<strong>de</strong>r kleinen Stadt die Versorgung <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten mit genügend Patienten<br />
Universitätsbetrieb<br />
Sektionsgut nicht sichern konnte. Die Situation ist erst besser gewor<strong>de</strong>n, nach<strong>de</strong>m die<br />
und<br />
Fakultät nach Buda (1777) und dann nach Pest (1784) verlegt wur<strong>de</strong>. Daß<br />
medizinische<br />
erste neuzeitliche ungarische Universität zunächst nur 5 Lehrstühle hatte, war damals<br />
diese<br />
außergewöhnliches: Wien hatte nur vier und Rostock zu gleicher Zeit nur einen Arzt<br />
nichts<br />
<strong>de</strong>r Universität angestellt.<br />
an
72 Comm. <strong>de</strong> Hist. Artis Med. 194—195 (2006)<br />
gab Maria Theresia ihre Ratio Educationis heraus, die das Unterrichtswesen auf<br />
1777<br />
Stufen und in allen Bereichen vorbildlich regelte. An <strong>de</strong>r Ausarbeitung <strong>de</strong>s von Maria<br />
allen<br />
und Gerard van Swieten entworfenen Gesetzeswerks Normativum in Rei Sanitatis<br />
Theresia<br />
wirkten Ádám Chenot (1721-1772) und Ferenc József Skollanits (1720-1785) mit.<br />
(1770)<br />
von Zakariás Teofil Huszty (1754-1803) verfaßte Discours über medizinische Polizei<br />
Der<br />
1785/86 in Leipzig (in zwei Bän<strong>de</strong>n und über 1000 Seiten). Huszty nahm darin<br />
erschien<br />
Gedanken und For<strong>de</strong>rungen über soziale Fragen <strong>de</strong>r Volksgesundheit und<br />
viele<br />
Aufklärung <strong>de</strong>r von Johann Peter Frank (1745-1821) später, zwischen 1779<br />
medizinische<br />
1821 herausgegebenen sechsbändigen Handbücher Medicinische Policey vorweg. Eine<br />
und<br />
von ungarischen Ärzten im 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt verfaßter und im Ausland gedruckter<br />
Auswahl<br />
wird unten zusammengefaßt. Monographien 2<br />
für die damaligen <strong>de</strong>mographischen Verhältnisse und Herkunft <strong>de</strong>r<br />
Bezeichnend<br />
waren 3 von <strong>de</strong>n 5 Lehrstühlen von <strong>de</strong>utschstämmigen Ärzten<br />
Universitätsprofessoren,<br />
Prandt, Winterl und Plenk. Josef Jakob Plenk (1739-1807) verfaßte Handbücher<br />
besetzt:<br />
die Haut- und Augenkrankheiten (Doctrina <strong>de</strong> morbis cutaneis, Wien 1776, Doctrina<br />
über<br />
morbis oculorum, Wien, 1777), von <strong>de</strong>nen seine Augenheilkun<strong>de</strong> zu seiner Zeit nicht nur<br />
<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>n besten in ganz Europa gehörte, son<strong>de</strong>rn auch in japanischer Übersetzung erschien.<br />
zu<br />
seiner Nomenklatur und Klassifizierung von elementaren Läsionen von<br />
Mit<br />
mit einem neuen Formsystem <strong>de</strong>r Dermatosen darf Plenk als einer <strong>de</strong>r<br />
Hautkrankheiten,<br />
<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Dermatologie betrachtet wer<strong>de</strong>n.<br />
Begrün<strong>de</strong>r<br />
wirkten mehrere ungarische Ärzte auf <strong>de</strong>r Wiener Universität als<br />
Hingegen<br />
so Mihály Ignác Lenhossék (1773-1840), <strong>de</strong>ssen Lehrbücher an an<strong>de</strong>ren<br />
Lehrstuhlinhaber,<br />
Universitäten im Gebrauch waren (1819-1825). Sein Enkel, Mihály Lenhossék<br />
<strong>de</strong>utschen<br />
war nach seiner Habilitation erst in Basel, dann in Tübingen (1891) und in<br />
(1863-1937)<br />
(1895) als Privatdozent tätig, ehe er <strong>zur</strong> Budapester Universität berufen wur<strong>de</strong><br />
Würzburg<br />
Im Verein mit An<strong>de</strong>rs Adolf Retzius (1796-1860), Ramón y Cajal (1852-<br />
(1899-1934).<br />
und Wilhelm His d. Ä. (1831-1904) gilt Lenhossék durch seine Forschungen an <strong>de</strong>n<br />
1934)<br />
und <strong>de</strong>n Gliazellen (1890-91) als Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Neuronenlehre<br />
Rückenmarksnerven<br />
Sein Vorgänger auf <strong>de</strong>m anatomischen Lehrstuhl für Anatomie in Budapest, Géza<br />
(1893).<br />
(1844-1899) bewies Goethes Vermutung, wonach das Rathkesche Divertikel<br />
Mihálkovics<br />
und nicht endo<strong>de</strong>rmalen Ursprungs ist.<br />
ekto-<br />
19. Jahrhun<strong>de</strong>rts wirkten zahlreiche Mediziner aus Ungarn in <strong>de</strong>r Kaiserstadt: Adolf<br />
Im<br />
(1816-1880) führte in Wien die Äthernarkose in die Zahnheilkun<strong>de</strong> ein (1847);<br />
Zsigmondy<br />
Carabelli (1787-1842) gilt sogar als Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Zahnmedizin an <strong>de</strong>r Wiener<br />
György<br />
Daniel Fischer: Commentationes physicae <strong>de</strong> calore atmospherico (Bautzen, 1722), Karl Friedrich Loew:<br />
2<br />
epi<strong>de</strong>mica Hungariae (1726), bzw. Historia febris catarrhalis... (Wien, 1730), Johann Georg Kramer:<br />
Historia<br />
epistolica <strong>de</strong> scorbuto militari Caesareo maxime periculoso et quotannis sporadico (Nürnberg,<br />
Dissertatio<br />
Johann Gottlieb Windisch: Flora Pannonica seu Posonniensis (Leipzig, 1739), Stephanus Weszprémi:<br />
1737),<br />
<strong>de</strong> inoculanda peste (London, 1755), Adam Chenot: Tractatus <strong>de</strong> peste in Daciae Transsylvaniae<br />
Tentamen<br />
(Wien, 1766), Josef Jakob Plenk: Anfangsgrün<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Geburtsthilfe (1768), Neue und leichte Art <strong>de</strong>n mit<br />
locis<br />
Lustseuche <strong>de</strong>s angesteckten Kranken das Quecksilber zugeben (Wien, 1769), Doctrina <strong>de</strong> morbis<br />
<strong>de</strong>r<br />
(Wien, 1777), Friedrich Jakob Fuker: De salubritate et morbis Hungariae schediasma (Leipzig,<br />
oculorum<br />
Samuel Benkő: Ephemeri<strong>de</strong>s Meteorologico-Medicae annorum... (Wien, 1780-1793), Martinus Lange:<br />
1777),<br />
doctrinae <strong>de</strong> peste (Wien, 1784) , Zacharias Teophilus Huszty: Discours über die medizinische<br />
Rudimenta<br />
Polizei (Leipzig, 1786).
Nemes, Cs.: Beiträge <strong>zur</strong> Wechselbeziehung… 73<br />
Sein Werk, das Systematische Handbuch <strong>de</strong>r Zahnheilkun<strong>de</strong> (Wien, 1831)<br />
Universität.<br />
lange Zeit hindurch ein Standardwerk. Auch Robert Ultzmann (1842-1889), <strong>de</strong>r<br />
blieb<br />
Anton von Rosas aus Pécs, Leiter <strong>de</strong>r Wiener Augenklinik, und Mór Kaposi aus<br />
Chirurg,<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Lehrstuhl für Pathologie nach <strong>de</strong>m Tod seines Schwiegervaters,<br />
Kaposvár,<br />
von Hebra übernahm, weiterhin Károly Lajos Sigmund (1810-1883), Professor<br />
Ferdinand<br />
Syphilidologie, <strong>de</strong>r Geschlechstkrankheiten solllen hier erwähnt wer<strong>de</strong>n. Nicht zu<br />
<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n größten Anatom <strong>de</strong>r Neuen Wiener medizinischen Schule, Josef Hyrtl (1811-<br />
vergessen<br />
aus Eisenstadt, <strong>de</strong>r sich noch in seinem Testament als Ungar bezeichnet. Seine<br />
1894)<br />
Vorlesungen können nur mit <strong>de</strong>r Wirkung <strong>de</strong>r Kosmos-Vorträge Alexan<strong>de</strong>r<br />
hinreißen<strong>de</strong>n<br />
Humboldts verglichen wer<strong>de</strong>n. Ein an<strong>de</strong>rer Ungar<strong>de</strong>utscher, <strong>de</strong>r in Győr gebürtige Emil<br />
von<br />
(1849-1910), Anatom <strong>de</strong>r Grazer und Wiener Universität, durfte über Hyrtl zu<br />
Zuckerkandl<br />
sagen: er sprach wie Cicero und schrieb wie Heine. Noch berühmter war <strong>de</strong>r<br />
Recht<br />
Priesterseminarist von Pannonhalma, Gusztáv Scheuthauer (1832-1894), <strong>de</strong>r als<br />
ehemalige<br />
und „die rechte Hand” Rokitanskys schon als Wiener Medizinstu<strong>de</strong>nt bei seinen<br />
Assistent<br />
vom Professorenkollegium bewun<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>, und später als Dozent mit seinen<br />
Examina<br />
Vorlesungen alle ausländischen Zuhörer verzauberte. Scheuthauer sprach schon<br />
brillanten<br />
jungen Jahren sieben Sprachen fließend und hinterließ als klinischer Lehrer zahlreiche<br />
in<br />
Schüler: Viktor Babes, Ferenc Hutÿra, Otto Pertik, Hugo Preisz und Kálmán<br />
namhafte<br />
international bekannte Vertreter <strong>de</strong>r Bakteriologie, Immunologie und Pathologie. Zu<br />
Buday,<br />
„Zöglingen” gehörten jedoch auch <strong>de</strong>r Dermatologe Lajos Török, <strong>de</strong>r Gynäkologe<br />
seinen<br />
Elischer, <strong>de</strong>ssen auf <strong>de</strong>r ganzen Welt einmaliges privates Goethe-Archiv heute in <strong>de</strong>r<br />
Gyula<br />
Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Wissenschaften aufbewahrt wird, ferner <strong>de</strong>r Chirurg Gyula<br />
Ungarischen<br />
<strong>de</strong>r Physiologe Ferenc Tangl und die Führergestalt <strong>de</strong>r funktionellen Diagnostik<br />
Dollinger,<br />
Nephrologie, <strong>de</strong>r Internist Sándor Korányi. Durch Scheuthauers Vermittlung kam auch<br />
und<br />
junge Medizinstu<strong>de</strong>nt, Károly Schaffer (1864-1939) nach Wien und arbeitete dort bei<br />
<strong>de</strong>r<br />
Meynert (1833-1893), einem <strong>de</strong>r größten Neuroanatomen dieses Jahrhun<strong>de</strong>rts.<br />
Theodor<br />
untersuchte u. a. auch das Gehirn <strong>de</strong>s Semmelweis.). Im Meynerts Institut erlernte<br />
(Meynert<br />
jene neuroanatomischen Forschungsverfahren, mit welchen er (und Mihály<br />
Schaffer<br />
d. J.) später in Budapest das Ungarische Hirnforschungsinstitut ins Leben rief<br />
Lenhossék<br />
eine, bis heute existieren<strong>de</strong>, international renommierte Schule ungarischer Hirnforscher<br />
und<br />
Sántha, János Szentágothai, Béla Flerkó, József Hámori, Szilveszter E. Vizi und<br />
(Kálmán<br />
Freund) begrün<strong>de</strong>t hatte. Károly Lechner (1850-1922), Bru<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s bekannteren<br />
Tamás<br />
Lechner, hat sich ebenfalls mit <strong>de</strong>r Neurohistologie befaßt, blieb jedoch nur ein Jahr<br />
Ödön<br />
Wien, um dann seine Forschungen in Berlin (bei Karl Friedrich Westphal und Julius<br />
in<br />
fortzusetzen, bis er schließlich Mitarbeiter von Zundt in Zürich und Jean-Marie<br />
Lazarus)<br />
in Paris wur<strong>de</strong>.<br />
Charcot<br />
Rolle nahm die Pester Universität in <strong>de</strong>r Augenheilkun<strong>de</strong> ein, wo schon 1816<br />
Führen<strong>de</strong><br />
erste Lehrstuhl für Opthalmologie in Europa (Leiter: János Teofil Fabini, 1791-1847), 2<br />
<strong>de</strong>r<br />
vor <strong>de</strong>r Eröffnung <strong>de</strong>r Wiener Augenklinik (Georg Joseph Beer, 1818) gegrün<strong>de</strong>t<br />
Jahre<br />
Fabini's Doctrina <strong>de</strong> Morbus Oculorum, das letzte lateinische Werk <strong>de</strong>r ungarischen<br />
wur<strong>de</strong>.<br />
wur<strong>de</strong> 1831 in <strong>de</strong>utsche, ungarische und italienische Sprache übersetzt und<br />
Augenheilkun<strong>de</strong><br />
über Jahrzehnte ein beliebtes Lehrbuch nicht nur in <strong>de</strong>r Monarchie, so in Padova,<br />
blieb<br />
auch in Utrecht. Neben Fabini, <strong>de</strong>m ehemaligen Schüler von Beer studierten auch<br />
son<strong>de</strong>rn<br />
Ophthalmologen Ungarns in Wien: Ignácz Hirschler (1823-1891) im Institut von<br />
an<strong>de</strong>re<br />
Rosas, Vilmos Schulek (1843-1905) und Adolf Szily (1848-1920) in <strong>de</strong>r Augenklinik von
74 Comm. <strong>de</strong> Hist. Artis Med. 194—195 (2006)<br />
Auch Vilmos Goldzieher (1849-1916) begann sein Studium in <strong>de</strong>r Kaiserstadt, dann in<br />
Arlt.<br />
bei Becker, und schloß seine Ausbildung in Berlin, Prag und Leipzig 1875 ab.<br />
Hei<strong>de</strong>lberg<br />
ersten prominenten Vertretern <strong>de</strong>r Pester Medizinischen Schule gehörten <strong>de</strong>r<br />
Den<br />
Tivadar Margó (1816-1896), Géza Mihálkovics (1844-1899), <strong>de</strong>r Urologe Géza<br />
Physiologe<br />
(1846-1889) und <strong>de</strong>r weltberühmte plastische Chirurg János Balassa (1814-1868) an,<br />
Antal<br />
Lebensleistung nach seinem To<strong>de</strong> von Theodor Billroth in Wien in einer<br />
<strong>de</strong>ssen<br />
Vorlesung gewürdigt wur<strong>de</strong>. Ferenc Flór (1809-1871) Wegbereiter <strong>de</strong>r<br />
außeror<strong>de</strong>ntlichen<br />
in Ungarn (11. Februar 1847), Lajos Markusovszky (1815-1893), Assistent<br />
Äthernarkose<br />
Professor Franz Schuh an <strong>de</strong>r Wiener Chirurgischen Klinik, Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s ältesten<br />
<strong>de</strong>s<br />
Ärzteblatts Orvosi Hetilap (1857), <strong>de</strong>r Chirurg Sándor Lumniczer (1821-1892),<br />
ungarischen<br />
Pester Augenarzt Ignác Hirschler (1823-1891), neben Prof. Arlt in Wien <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r<br />
Augenarzt <strong>de</strong>r Monarchie, <strong>de</strong>r Chemiker Károly Than (1834-1908) und<br />
berühmteste<br />
David Gruby (1810-1898), später in Paris Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r medizinischen Mykologie<br />
letztlich<br />
Mikrophotographie, Hausarzt und Freund von Dumas, Chopin, Heine und Victor Hugo,<br />
und<br />
alle begannen ihr medizinisches Studium in Wien. Und die Ungarns berühmteste<br />
sie<br />
<strong>de</strong>r vier Korányi's, Sebald, Frigyes, Sándor und András Korányi stammte aus<br />
Ärztedynastie<br />
Wiener Bankierfamilie Kornfeld. Auf <strong>de</strong>r Pester Universität ent<strong>de</strong>ckte <strong>de</strong>r Tscheche<br />
einer<br />
Nepomuk Czermak (1828-1873) die indirekte Kehlkopfspiegelung (1858),<br />
Johann<br />
mit <strong>de</strong>m Wiener Laryngologen L. Türck (1857-1860), was zu einem jahrelangen<br />
gleichzeitig<br />
führte.<br />
Prioritätenstreit<br />
dieses Kapitel abzuschließen, sollte noch kurz die Verbreitung <strong>de</strong>r Äthernarkose im<br />
Um<br />
1847 im Habsburgischen Reich gewürdigt wer<strong>de</strong>n. An <strong>de</strong>r Wiener Chirurgischen<br />
Jahre<br />
hat Prof. Schuh die Äthernarkose erst an seinem Assistenten János Balassa<br />
Klinik<br />
Dennoch wur<strong>de</strong> die erste Äthernarkose im Habsburgischen Reich nicht in Wien<br />
ausprobiert.<br />
Januar 1847), auch nicht in Pest (Balassa am 11. Februar. und Ferenc Flór am 12.<br />
(28.<br />
1847), son<strong>de</strong>rn in Temeschwar, am 5. Februar 1847) durchgeführt. Matthias Musil<br />
Februar<br />
<strong>de</strong>r mit Joseph Siehs diese Narkose fernab von allen universitären Zentren<br />
(1806-1889),<br />
hatte, war <strong>de</strong>r Großvater Robert Musils (1880-1942), <strong>de</strong>s großen österreichischen<br />
gewagt<br />
Dies geschah nur einige Tage nach <strong>de</strong>n ersten Versuchen in Paris (12.<br />
Schriftsstellers.<br />
und 2 Wochen nach <strong>de</strong>n ersten erfolgreichen Operationen unter Ätherdunst in<br />
Januar)<br />
und Leipzig (bei<strong>de</strong> am 24. Februar 1847). So ist es nicht verwun<strong>de</strong>rlich, daß<br />
Erlangen<br />
Rózsay (Rosenfeld, 1815-1885) bereits 4 Wochen nach <strong>de</strong>n ersten Äthernarkosen in<br />
József<br />
eine kleine Monographie vorlegte, die noch im gleichen Monat, im März 1847 in<br />
Pest<br />
auch in Leipzig erschien Die Schwefeläther-Dämpfe und ihre Wirksamkeit<br />
Übersetzung<br />
in Bezug auf operative Chirurgie. (Pest-Leipzig, G. Heckenast, 1847). Nach<br />
vorzüglich<br />
Forschungen war dieses Büchlein die dritte Äthermonographie <strong>de</strong>r Welt. Aloys<br />
meinen<br />
<strong>de</strong>r noch von Paris <strong>de</strong>r Augsburger Allgemeinen Zeitung im Frühjahr 1847 über die<br />
Martin,<br />
berichtete und später im <strong>de</strong>mselben Jahr in München über die<br />
Ätheranästhesierung<br />
und Pharmakodynamik <strong>de</strong>s Aetherismus sich habilitierte, waren die Versuche<br />
Physiologie<br />
Ärzte, von Balassa, Flór, Brunner, Rakitta, Halász, Riffel, Arányi, Rhé<strong>de</strong>y,<br />
ungarischer<br />
und <strong>de</strong>s Custos <strong>de</strong>s Ungarischen Nationalmuseums, Salamon Petényi ebenfalls<br />
Rosenfeld<br />
und in seiner Habilitationschrift erwähnt.<br />
bekannt<br />
Neuorientierung nach <strong>de</strong>utschen Universitäten sollte erst ab En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19.<br />
Eine<br />
erfolgen, nach<strong>de</strong>m die Neue medizinische Schule in Wien nach Königrätz und<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
<strong>de</strong>m Französisch-Preußischen Krieg ihre ehemals führen<strong>de</strong> Rolle an Berlin (weniger an
Nemes, Cs.: Beiträge <strong>zur</strong> Wechselbeziehung… 75<br />
Tübingen, München und Erlangen) abtreten mußte. Nach <strong>de</strong>m Ersten Weltkrieg<br />
Strassburg,<br />
noch die transatlantischen Kontakte, vor allem nach <strong>de</strong>n USA (Boston, Chicago) <strong>de</strong>r<br />
kamen<br />
dazu.<br />
Rockefeller-Stipendiaten<br />
ging József Fodor (1843-1901), Vater <strong>de</strong>s ungarischen Sanitätswesens auf seiner<br />
So<br />
Studienreise nicht mehr nach Wien, wo er sein Studium absolvierte, son<strong>de</strong>rn<br />
europäischen<br />
München, Würzburg, nach Holland, Belgium und England. Als er in München die<br />
nach<br />
<strong>de</strong>s Max von Pettenkofer anhörte, blieb auch Fodor eine zeitlang Anhänger <strong>de</strong>r<br />
Vorlesungen<br />
Bo<strong>de</strong>ntheorie über die Verbreitung <strong>de</strong>s Bauchtyphus. Später schloß er<br />
Pettenkoferschen<br />
an die Koch'sche Bakterienlehre an. Fodors wichtigster Beitrag <strong>zur</strong> Medizin war jedoch<br />
sich<br />
Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r Bakterizidie, die bakterientöten<strong>de</strong> Wirkung <strong>de</strong>s Vollblutes, die er 1887<br />
die<br />
Deutschen Medizinischen Wochenblatt bekanntgab.<br />
im<br />
Fodor sollten wir die Verdienste von Ludwig Teleky (1872-1957) würdigen, <strong>de</strong>r<br />
Neben<br />
schon als Medizinstu<strong>de</strong>nt in Wien intensiv mit Hygienefragen befaßte, später als<br />
sich<br />
das Österreichische Zentralkomitee für Tuberkulosebekämpfung grün<strong>de</strong>te<br />
Sozialhygieniker<br />
die Berufskrankheiten von Industriearbeitern eingehend untersuchte. Auf Einladung <strong>de</strong>r<br />
und<br />
Regierung übernahm Teleky 1919 die Leitung <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie für Sozialhygiene<br />
preußischen<br />
Düsseldorf. Aus dieser Düsseldorfer Aka<strong>de</strong>mie sind später seine Schüler als zahlreiche<br />
in<br />
in leiten<strong>de</strong>r Position hervorgegangen. Vor seiner Emigrierung (erst nach Wien,<br />
Hygieniker<br />
1939 in die USA) schuf er mit Gottstein und Schlossmann ein sechsbändiges Werk <strong>de</strong>r<br />
dann<br />
Für seine international bekannte Silikoseforschung erhielt Teleky <strong>de</strong>n<br />
Sozialhygiene.<br />
Devoto-Preis.<br />
wollen wir noch die Verbreitung von Homöopathie, Mesmerismus und<br />
Kurz<br />
in Ungarn erörtern. Als Samuel Hahnemann sein Organon <strong>de</strong>r rationellen<br />
Hydrotherapie<br />
1810 veröffentlichte, existierte <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rne Arzneischatz noch nicht. Statt <strong>de</strong>ssen<br />
Heilkunst<br />
man noch lauter unwirksame, gefährliche, toxische, vielfach auch<br />
verabreichte<br />
Substanzen, Ingredienzen <strong>de</strong>r sog. Dreckapotheke. Dies erklärt <strong>de</strong>n<br />
ekelerregen<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Homöopathie mit Medikamenten in starker Verdünnung und mit behaupteter<br />
Siegeszug<br />
Auch in Ungarn wur<strong>de</strong> die Hahnemannsche Homöopathie rasch verbreitet,<br />
Potenzierung.<br />
voran durch seine drei Anhänger József Bakody (+1845), Pál Almási Balogh (+1867),<br />
allen<br />
Hausmann (+1876), <strong>de</strong>r Schriftsteller László Bártfay und Döme Argenti (1809-1893)<br />
Franz<br />
Waitzen (Vác), Leiter <strong>de</strong>s ersten Lehrstuhls für Homöopathie in Pest und Verfasser eines<br />
in<br />
Werkes über die homöopathischen Heilmetho<strong>de</strong>n, das nach 1862<br />
populärwissenschaftlichen<br />
Pest gleich achtmal erschienen ist und auch ins Deutsche übersetzt wur<strong>de</strong>. Das erste<br />
in<br />
für Homöopathie eröffnete die Stadt Gyöngyös schon im Jahre 1838 und in<br />
Krankenhaus<br />
in <strong>de</strong>r Pester Franzstadt. Gegen <strong>de</strong>n massiven Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>s Ärztekollegiums wur<strong>de</strong><br />
Pest<br />
1871 die Gründung von zwei Lehrstühlen für die Homöopathie an <strong>de</strong>r Pester<br />
sogar<br />
Fakultät vom ungarischen Parlament beschlossen. Diese kamen zustan<strong>de</strong>, da<br />
Medizinischen<br />
Homöopathie vor allem im Kreis <strong>de</strong>r ungarischen Aristokraten ihre Anhänger gefun<strong>de</strong>n<br />
die<br />
hatte.<br />
<strong>de</strong>r „tierische Magnetismus“ (F. A. Mesmer 1775) resp. <strong>de</strong>ssen mo<strong>de</strong>rne Deutung<br />
Auch<br />
Hypnotismus (James Baird: Neurohypnology, 1842-43) fan<strong>de</strong>n zahlreiche Anghänger in<br />
als<br />
und in Ungarn. Mit <strong>de</strong>r sprichwörtlichen Begeisterung <strong>de</strong>r Literaten für alles<br />
Deutschland<br />
Okkulte und Esoterische fin<strong>de</strong>n wir in bei<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn ihre Befürworter unter<br />
Mystische,<br />
Schrifstellern. In Deutschland Heinrich von Kleist, E. T. A. Hoffmann, Jean Paul,<br />
<strong>de</strong>n<br />
Schelling, Fichte, Justinus Kerner aus Weinsberg, Mitglied <strong>de</strong>r Schwäbischen
76 Comm. <strong>de</strong> Hist. Artis Med. 194—195 (2006)<br />
und Arthur Schopenhauer, - in Ungarn Gárdos János (1813-1893), zwei<br />
Dichterschule<br />
Seelenforscher und Hypnotiseure Ferenc Szapáry und Graf János Mailáth,<br />
romantische<br />
<strong>de</strong>n Dichter Ferenc Kölcsey (1790-1838), Schöpfer <strong>de</strong>r ungarischen Hymne, welcher<br />
sowie<br />
und 1828 die antiken Spuren <strong>de</strong>s Magnetismus in zwei Aufsätzen unterschuchte. Ein<br />
1823<br />
Schluß wäre auch hier verfehlt: bis Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r Äthernarkose war in <strong>de</strong>r<br />
voreiliger<br />
Hälfte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts die Hypnose die einzige Metho<strong>de</strong>, die in vielen Fällen<br />
ersten<br />
schmerzlose Operation ermöglichte (J. Esdaile in Indien, J. Récamier in Paris, J.<br />
eine<br />
und W. Ward in Edinburgh). Internationalen, wenngleich nicht einhelligen Ruhm<br />
Elliotson<br />
die stets umstrittenen Versuche von Ferenc Völgyesi im 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt in <strong>de</strong>r<br />
erlangten<br />
und Heilhypnose <strong>de</strong>s Menschen. Seine experimentellen Arbeiten Hypnose an<br />
Tier-<br />
und Tieren in Bezug auf die Phylo- und Ontogenese <strong>de</strong>s Gehirns erschien 1938<br />
Menschen<br />
Budapest und eine umfassen<strong>de</strong> Kulturgeschichte von <strong>de</strong>r Dämonologie bis <strong>zur</strong><br />
in<br />
(Die Seele ist alles) 1941 in Zürich. Neben Völgyesi erforschte aber auch <strong>de</strong>r<br />
Heilhypnose<br />
Neurologe László Bene<strong>de</strong>k (1887-1945) <strong>de</strong>n Einfluß <strong>de</strong>r Hypnose auf das<br />
Debrecziner<br />
Nervensystem (1933).<br />
vegetative<br />
die Hydrotherapie von Vinzenz Priessnitz (1799-1883) fand treue Anhänger im<br />
Auch<br />
Ba<strong>de</strong>wesen. In Gräfenberg kann das Gedicht <strong>de</strong>s großen ungarischen Dichters<br />
ungarischen<br />
Vormärz, Mihály Vörösmarty (1800-1855) zu Ehre Priessnitz noch immer gelesen<br />
<strong>de</strong>s<br />
Es ist bekannt, daß Vörösmarty sich 1830 homöopathisch kurieren ließ, und diese<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
mit Aconitum und Pulsatilla Deák und Wesselényi <strong>zur</strong> Behandlung <strong>de</strong>r roten<br />
Heilmetho<strong>de</strong><br />
d. h. <strong>de</strong>s Scharlachs selbst empfohlen hat.<br />
Pest,<br />
es sich in <strong>de</strong>n o. g. Fällen um lediglich eine Übernahme und Verbreitung in<br />
Han<strong>de</strong>lte<br />
Lan<strong>de</strong>, so gibt es auch einen echt ungarischen Beitrag <strong>zur</strong> Außenseitenmedizin.<br />
eigenem<br />
in Wien studierte Mediziner, Ignác Péczely (1822-1911) glaubte die Differential-<br />
Der<br />
<strong>de</strong>r meisten Krankheiten <strong>de</strong>r strukturellen Beschaffenheit <strong>de</strong>r Iris, <strong>de</strong>r<br />
diagnose<br />
<strong>de</strong>s Auges zu entnehmen; seine Thesen über diese okkulte Irisdiagnose<br />
Regenbogenhaut<br />
er 1881 veröffentlichen. Sein be-kannteres Werk, die Augendiagnostik erschien 1887 in<br />
ließ<br />
Das Prinzip <strong>de</strong>r Irisdiagnose be-steht darin, daß sich nach Péczely's Vorstellung<br />
Tübingen.<br />
Krankheiten in Teilen <strong>de</strong>r Iris wi<strong>de</strong>rspie-geln. Wie alle diese Künste wurzelt<br />
bestimmte<br />
diese – wie wir mittlerweile wissen – irrige Lehre von <strong>de</strong>r<br />
auch<br />
rerum“, als <strong>de</strong>s „Gezeichnetseins“ <strong>de</strong>r Dinge <strong>de</strong>s Kosmos in <strong>de</strong>r Péczely's<br />
„signatura<br />
fand bald zahlreiche Nachahmer in Deutschland, so F. Hübotter (1929), <strong>de</strong>r die<br />
Iris<strong>de</strong>uterei<br />
<strong>de</strong>r Irisdiagnostik in <strong>de</strong>r alten chinesischen Volksmedizin zu erkennen glaubte,<br />
Wurzeln<br />
Felke (1909), Hense (1918), M. Madaus (1920), A. Müller (1919), F. Rossdorf<br />
weiterhin<br />
F. Vida, I. Deck (1954) und Maubach (1952), die sich alle um das Herausfin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />
(1954),<br />
<strong>de</strong>r Regenbogenhaut bemühten.<br />
Organbezuges<br />
die Heilpraktiken <strong>de</strong>r Komplementärmedizin schon immer umstritten, so erreichte<br />
Waren<br />
Heftigkeit <strong>de</strong>s Streits um Gültigkeit und Wirkung niemals jenen Grad <strong>de</strong>r Ablehnung,<br />
die<br />
Ignác Fülöp Semmelweis (1818-1865), <strong>de</strong>m „Retter <strong>de</strong>r Mütter“ und Ent<strong>de</strong>cker <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r<br />
und Vorbeugung <strong>de</strong>s Kindsbettfiebers Zeit seines Lebens zuteil wur<strong>de</strong>.<br />
Ursache<br />
hatte sein ganzes Berufsleben lang gelitten und war von Unverständnis,<br />
Semmelweis<br />
und Hohn <strong>de</strong>r Fachkollegen gekränkt. Man sagt, dieser scheue Kliniker hätte<br />
Anfeindungen<br />
mehr und früher publizieren müssen, damit die Fachwelt erkennt, was das<br />
vielleicht<br />
mit Chlorwasser für das Eindämmen <strong>de</strong>r Sterblichkeit von Wöchnerinnen<br />
Hän<strong>de</strong>waschen<br />
be<strong>de</strong>utete. Aber als er 1861 sein klassisches Werk: Die Aetiologie, <strong>de</strong>r Begriff und die
Nemes, Cs.: Beiträge <strong>zur</strong> Wechselbeziehung… 77<br />
<strong>de</strong>s Kindsbettfiebers herausgab, wer<strong>de</strong>n davon kaum einige Exemplare<br />
Prophylaxe<br />
verkauft.<br />
Semmelweis mit seinen statistischen Untersuchungen an <strong>de</strong>r I. Wiener Geburtsklinik<br />
Als<br />
beginnt, stirbt je<strong>de</strong> fünfte Gebären<strong>de</strong> am Kindbettfieber. Kein Wun<strong>de</strong>r, daß die Frauen<br />
1846<br />
zu Hause entbin<strong>de</strong>n; selbst die Straßengeburten erweisen sich ungefährlicher. Sträflich<br />
lieber<br />
man die einfachsten Hygienemaßnahmen vernachlässigt. Statt <strong>de</strong>ssen haben die<br />
hatte<br />
<strong>de</strong>r Geburtshilfe 31 Hypothesen für die Entstehung dieser Krankenhausinfektion<br />
Professoren<br />
<strong>de</strong>n Anspruchloseren genügten hiervon schon fünf. Ungünstige atmosphärische<br />
fabriziert;<br />
schlechter sozialer Status <strong>de</strong>r Frauen, die Leitung <strong>de</strong>r Geburten durch die Ärzte<br />
Bedingungen,<br />
Hebammen, <strong>de</strong>r Anblick <strong>de</strong>s Priesters im Krankensaal o<strong>de</strong>r das verletzte Schamgefühl <strong>de</strong>r<br />
statt<br />
wur<strong>de</strong>n als Ursachen angeführt. Semmelweis verwarf alle diesen Theorien und<br />
Gebären<strong>de</strong>n<br />
daß die Autoinfektion durch das Leichengift o<strong>de</strong>r das eitrige Exsudat <strong>de</strong>r Gebärmutter<br />
bewies,<br />
<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Medizinstu<strong>de</strong>nten und Ärzte die Ursache <strong>de</strong>s massenhaften To<strong>de</strong>s sind.<br />
auf<br />
und Ärzte führten morgens erst die Leichenöffnung aus, ehe sie die<br />
Medizinstu<strong>de</strong>nten<br />
untersuchten. Nach Einführung <strong>de</strong>r rigorosen Hän<strong>de</strong><strong>de</strong>sinfektion ging die<br />
Gebären<strong>de</strong>n<br />
Sterblichkeit von 18 auf 1,8% <strong>zur</strong>ück. Dies be<strong>de</strong>utete an sich eine Weltsensation,<br />
mütterliche<br />
man doch noch nichts über die pathogene Mikroben und <strong>de</strong>ren Rolle in <strong>de</strong>r<br />
wußte<br />
Semmelweis Infektionsübertragung. , hat sich erst nach seinem Tod bestätigt durch die<br />
Theorie<br />
von Pasteur, Lister (1867) und <strong>de</strong>m „Bazillenjäger“ Robert Koch (1878). Nach<br />
Arbeiten<br />
Tod wer<strong>de</strong>n noch 14 Jahre vergehen, bis Pasteur <strong>de</strong>n Erreger <strong>de</strong>s<br />
Semmelweis'<br />
das Streptococcus haemolyticus ent<strong>de</strong>cken wird.<br />
Kindbettfiebers,<br />
Semmelweis seine Ent<strong>de</strong>ckung in Wien gemacht hatte, zunächst nichts veröffentlichte<br />
Da<br />
seine Thesen in Vorträgen nur auf Drängen Skodas und Rokitanskys bekanntgab und 3 hielt ,<br />
Wiener Medizinhistorikerin Erna Lesky (1911-1986) die Prophylaxe <strong>de</strong>s<br />
die<br />
als Gesamtleistung <strong>de</strong>r Wiener Medizinischen Schule. Dies ist jedoch im<br />
Kindbettfiebers<br />
<strong>de</strong>r Akten und Analyse <strong>de</strong>r Akzeptanz von Semmelweis' Thesen eine unhaltbare<br />
Spiegel<br />
Abgesehen davon, daß Tibor Győry schon 1936 die ungarische<br />
Schlußfolgerung.<br />
von Semmelweis bewiesen hatte.<br />
Abstammung<br />
Angriffe auf Semmelweis begannen schon 1850 und setzten sich bis zu seinem Tod<br />
Die<br />
Scanzoni in Würzburg, Seyfert in Prag, Braun in Wien, aber auch Virchow in Berlin<br />
fort.<br />
seine Thesen an. Die offenen Briefe an die leiten<strong>de</strong>n Geburtshelfer Europas,<br />
zweifeln<br />
im harten, mintunter verletzen<strong>de</strong>n Stil verfaßt, bewirken nichts. Semmelweis<br />
zugegeben<br />
47jährig, schon <strong>de</strong>utlich vorgealtert unter bis heute nicht ganz geklärten, ja<br />
starb<br />
Umstän<strong>de</strong>n in einem Wiener Irrenspital. Die Anerkennung seiner<br />
mysteriösen<br />
die Übernahme seiner Metho<strong>de</strong> erfolgte erst später. Professor Alfred<br />
Arbeitshypothese,<br />
(1830-1914), Geburtshelfer in Freiburg, Vilmos Tauffer (1851-1934), <strong>de</strong>r<br />
Hegar<br />
Gynäkologe Ungarns im 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt, Veit in Bonn, Spiegelberg in<br />
be<strong>de</strong>utendste<br />
Schroe<strong>de</strong>r in Erlangen, Simpson in Edinburgh und Guzzoni in Italien führen<br />
Breslau,<br />
Verfahren auf ihren Kliniken mit großem Erfolg ein. Die bis heute<br />
Semmelweis'<br />
Popularität gehört <strong>de</strong>m spätem Ruhm dieses Forschers, <strong>de</strong>ssen Statue 1950 in<br />
ungebrochene<br />
Halle <strong>de</strong>r Chirurgischen Aka<strong>de</strong>mie von Chicago unter <strong>de</strong>n zehn größten Ärzten aller<br />
<strong>de</strong>r<br />
und aller Völker aufgestellt wur<strong>de</strong>.<br />
Zeiten<br />
3 Höchst wichtige Erfahrungen über die Aetiologie <strong>de</strong>r in Gebäranstalten epi<strong>de</strong>mischen Puerperalfieber. Zschr. k.<br />
k. Ges. Aerzte Wien, 1847-48. Nr. 4, 242-244, 1849. Nr. 5, 64-65.
78 Comm. <strong>de</strong> Hist. Artis Med. 194—195 (2006)<br />
man Semmelweis' Thesen über die Ursache und Vorbeugung <strong>de</strong>s Kindsbettfiebers<br />
Hätte<br />
zu seinen Lebzeiten anerkannt, so hätte dies Tausen<strong>de</strong>n bis Abertausen<strong>de</strong>n Müttern<br />
schon<br />
sicheren Tod erspart. Aber es war einfacher, Semmelweis' Statistiken und seine<br />
<strong>de</strong>n<br />
die evi<strong>de</strong>nten Erfolge anzuweifeln, als die Hän<strong>de</strong><strong>de</strong>sinfektion einzuführen. Zumal<br />
Autorität,<br />
Schuld, wenn sie einmal erkannt und zugegeben, kein Geburtshelfer hätte seelisch<br />
diese<br />
können. Nur ein einzig Gerechter fand sich in ihren Reihen: G. A. Michaelis,<br />
ertragen<br />
<strong>de</strong>r Geburtshilfe in Kiel, <strong>de</strong>r nach Bekanntwer<strong>de</strong>n von Semmelweis' Vorträgen<br />
Professor<br />
von furchtbaren Gewissensnöten gepeinigt, sich das Leben nahm.<br />
(1847-48)<br />
Das 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s vorigen Jahrhun<strong>de</strong>rts können wir eine Neuorientierung <strong>de</strong>r ungarischen<br />
Gegen<br />
nach Deutschland und <strong>de</strong>n angelsächsischen Län<strong>de</strong>rn beobachten. Allerdings<br />
Mediziner<br />
die Verbindungen zu <strong>de</strong>r Wiener medizinischen Schule in <strong>de</strong>r Psychoanalyse und -<br />
blieben<br />
weiter bestehen. Sigmund Freud (1856-1939), ein Schüler von Charcot begann um<br />
therapie<br />
die Rolle <strong>de</strong>s Unterbewußten in <strong>de</strong>r Entstehung und Verdrängung seelischer Konflikte<br />
1900<br />
Kin<strong>de</strong>salter und die Psychopathologie <strong>de</strong>s Alltagslebens zu untersuchen. Seine auf<br />
im<br />
(1900) und Psychoanalyse fußen<strong>de</strong>n Metho<strong>de</strong>n fan<strong>de</strong>n im Kreis ungarischer<br />
Traum<strong>de</strong>utung<br />
und Psychiater eifrige Anhänger, während sich an<strong>de</strong>re Weggenossen wie Josef<br />
Psychologen<br />
Alfred Adler und Carl Gustav Jung von seiner Lehre allmählich distanzierten. Unter<br />
Breuer,<br />
namhaften Freudianer Ungarns sollen hier lediglich Sándor Ferenczi (1873-1933), Imre<br />
<strong>de</strong>n<br />
(1889-1984) und im weiteren Kreis Lipót Szondi (1893-1986) erwähnt wer<strong>de</strong>n.<br />
Herrmann<br />
kurzem ist die jahrzehntelange Korrespon<strong>de</strong>nz zwischen Freud und Ferenczi in 6<br />
Vor<br />
erschienen. Daraus geht hervor, daß Freud seine Thesen über die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r<br />
Bän<strong>de</strong>n<br />
für die Zivilisation oft während gemeinsamer Spaziergänge mit Ferenczi<br />
Sexualmoral<br />
hatte. Seit 1988 wird das Gedächtnis dieses großen ungarischen<br />
entwickelt<br />
von <strong>de</strong>r Ferenczi-Gesellschaft gepflegt. Herrmann leitete ab 1919 bis<br />
Psychoanalytikers<br />
die Internationale Gesellschaft für Psychoanalyse als Sekretär, später als Präsi<strong>de</strong>nt.<br />
1946<br />
befaßte sich in Zürich vor allem mit <strong>de</strong>r Tiefenpsychologie und <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r<br />
Szondi<br />
<strong>de</strong>r Gene und <strong>de</strong>r Herkunft (<strong>de</strong>s Stammbaumes) im Schicksal <strong>de</strong>r Individuen. Sein<br />
Rasse,<br />
die Schicksalsanalyse. Wahl in Liebe, Freundschaft, Beruf, Krankheit und Tod<br />
Werk,<br />
1965) rief, auch bei manchen Historikern (so bei Michael <strong>de</strong> Ferdinandy) ein<br />
(1944,<br />
starkes Echo hervor. Auch Szondi betonte die Rolle <strong>de</strong>r Störungen von<br />
ungewöhnlich<br />
und Triebleben in <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>r Psychosen, maß jedoch <strong>de</strong>n Genen, <strong>de</strong>r<br />
Sexualität<br />
eine größere Be<strong>de</strong>utung als Freud bei.<br />
Vererbung<br />
<strong>de</strong>r Nervenheilkun<strong>de</strong> waren die neuroanatomischen Untersuchungen <strong>de</strong>s in Wien<br />
In<br />
Károly Schaffer (1864-1939), Schüler von K. Weigert und A-H. Forel über<br />
geborenen<br />
und <strong>de</strong>n syphilitischen Rückenmarkschwund, die Tabes dorsalis so<br />
Hirnkrankheiten<br />
daß sein Budapester Elisabeth-Siechenhaus mit <strong>de</strong>r Poliklinik unter die<br />
be<strong>de</strong>utsam,<br />
aka<strong>de</strong>mischen Hirnforschungsinstitute eingereicht wur<strong>de</strong>. Als Kliniker<br />
internationalen<br />
er schon mit seinem ersten Werk Suggestion und Reflex (Jena, 1895)<br />
erlangte<br />
Ruf. Durch neurohistochemische Studien klärte Schaffer die Pathologie <strong>de</strong>r<br />
internationalen<br />
Krankheit auf (Über ein Fall von Tay-Sachs'scher amaurotischer Idiotie<br />
Tay-Sachs'schen<br />
mit Befund, Wiener klin. Rundschau, 1902) und hielt in seinen anatomisch-klinischen
Nemes, Cs.: Beiträge <strong>zur</strong> Wechselbeziehung… 79<br />
die Lokalisation <strong>de</strong>r zwei Formen <strong>de</strong>r Neurosyphilis auseinan<strong>de</strong>r, die Paralysis<br />
Vorträgen<br />
in das Großhirn und die Tabes in das Rückenmark (Ueber Tabes und Paralyse,<br />
progressiva<br />
1901). Lange Jahre hindurch war er Herausgeber <strong>de</strong>r Berliner Schriftenreihe<br />
Jena,<br />
Beiträge.<br />
Hirnpathologische<br />
<strong>de</strong>r Konstitutionslehre hatte <strong>de</strong>r ungarische Internist Bertalan Stiller (1837-1922)<br />
In<br />
1886 <strong>de</strong>n asthenischen Habitus (Magenneurose, Ptose <strong>de</strong>r Nieren, Neigung zu<br />
schon<br />
Beschwer<strong>de</strong>n) lange vor von Ernst Kretschmer (1884-1964)<br />
neurasthenischen<br />
drei an<strong>de</strong>ren Erscheinungsformen <strong>de</strong>s Körperbaus: Athleten, Leptosome und<br />
beschriebenen<br />
beschrieben. (Kretschmers Arbeit, <strong>de</strong>r Körperbau und Charakter wur<strong>de</strong> erst 1921<br />
Pykniker,<br />
Berlin veröffentlicht.)<br />
in<br />
<strong>de</strong>n 10 ungarischen Nobelpreisträgern, Richard Zsigmondy, Albert Szent-Györgyi,<br />
Von<br />
Hevesy, György Békésy, Jenô Wigner, Gábor Dénes, Mihály J. Polányi, György<br />
György<br />
János Harsányi und Avram Hersko (Ferenc Hersko) bekam diese hohe Auszeichnung<br />
Oláh,<br />
Szent-Györgyi zu Hause, und auch er mußte nach <strong>de</strong>m Krieg seine Heimat verlassen,<br />
nur<br />
als Hinweis auf die stiefmütterlichen Bedingungen <strong>de</strong>r Grundlagenforschung in diesem<br />
was<br />
gelten darf.<br />
Land<br />
<strong>de</strong>r Forschung <strong>de</strong>r Zellatmung, genauer <strong>de</strong>r oxidativen Reaktionskette <strong>de</strong>s zellulären<br />
In<br />
mit zyklischem Verlauf, gelang es Albert Szent-Györgyi (1893-1986) die<br />
Stoffwechsels<br />
konträren Theorien von Otto Heinrich Warburg (1883-1970) und Hans Adolf Krebs<br />
zwei<br />
zu vereinen. Neben <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>s Vitamin C erhielt Szent-Györgyi 1937<br />
(1900-1981)<br />
Nobelpreis für Physiologie und Medizin für diese Ergebnisse. Pál György (1893-1976),<br />
<strong>de</strong>n<br />
Hei<strong>de</strong>lberg Mitarbeiter von A. Moro, ent<strong>de</strong>ckte mit R. Kuhn und Wagner-Jauregg das<br />
in<br />
das Vitamin B6 und klärte die Struktur <strong>de</strong>s Vitamin B2-Komplexes auf (1930).<br />
Riboflavin,<br />
mittlerweile schon Direktor <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>lberger Kin<strong>de</strong>rklinik verließ 1933<br />
György,<br />
emigrierte in die USA und wur<strong>de</strong> zwischen 1960 und 1970 Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s<br />
Deutschland,<br />
<strong>de</strong>r WHO.<br />
Ärztebun<strong>de</strong>s<br />
Nervenbahnen <strong>de</strong>s Gleichgewichtsapparates hatte Endre Hőgyes (1847-1906)<br />
Die<br />
(Nervenmechanismus <strong>de</strong>r assoziierten Augenbewegungen, 1881), aber dafür<br />
ent<strong>de</strong>ckt<br />
Robert Bárány aus <strong>de</strong>r Wiener Ohrenklinik 1914 <strong>de</strong>n Nobelpreis: Bárány hatte seine<br />
erhielt<br />
Abstammung stets heftig abgestritten und darf daher nicht als ungarischer<br />
ungarische<br />
angesehen wer<strong>de</strong>n. Lei<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong> Hőgyes' Werk erst 1913, nach seinem Tod in<br />
Gelehrte<br />
Übersetzung international bekannt, nur nicht <strong>de</strong>m Nobelpreis-Komitee im Jahre<br />
<strong>de</strong>utscher<br />
Und Bárány hatte ohne Hőgyes' Namen nur zu erwähnen, <strong>de</strong>n wichtigsten Teil <strong>de</strong>r bis<br />
1914.<br />
nicht übersetzten monumentalen Arbeit über die Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>s „labyrinthogenen<br />
dahin<br />
einfach übernommen und in seinem preisgekrönten Werk publiziert. Vergebens<br />
Nystagmus“<br />
sich R. Ewald, <strong>de</strong>r Straßburger Physiologe schon früher, 1892, o<strong>de</strong>r Bartels ebenfalls<br />
setzte<br />
Straßburg in <strong>de</strong>m Gräfe's Archiv für Augenheilkun<strong>de</strong> (Band 1910-1911) für Hőgyes ein,<br />
aus<br />
<strong>de</strong>m sie feststellen, die Verbindung <strong>de</strong>r Augenmuskeln zu Labyrinth, <strong>de</strong>r Zusammenhang<br />
in<br />
assoziierten Augenbewegungen (Nystagmus) zu <strong>de</strong>n Kleinhirn-Nervenbahnen von<br />
<strong>de</strong>r<br />
Hőgyes ent<strong>de</strong>ckt wur<strong>de</strong>n. Bárány trug mit seinem geistigen Diebstahl <strong>de</strong>n Sieg<br />
Endre<br />
Dabei ist es ein kleiner Trost, daß Wilhelm Maximilian Wundt (1832-1929), <strong>de</strong>r<br />
davon.<br />
<strong>de</strong>utsche Philosoph, Physiologe und Experimentalpsychologe in Hei<strong>de</strong>lberg aufgrund<br />
große<br />
Hőgyes' Arbeiten <strong>de</strong>n fünf Sinnen noch einen sechsten <strong>de</strong>s Gleichgewichts zufügte.<br />
<strong>de</strong>r<br />
stammte Ádám Politzer (1835-1920), Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r ersten Universitäts-<br />
Übrigens<br />
Ohrenklinik <strong>de</strong>r Welt in Wien (1873) ebenfalls von Ungarn, aus <strong>de</strong>m Dorf Albertirsa im
80 Comm. <strong>de</strong> Hist. Artis Med. 194—195 (2006)<br />
Pest. Bis heute blieb Politzer's großes medizinhistorisches Werk, Geschichte <strong>de</strong>r<br />
Komitat<br />
(Stuttgart 1907-1913) ein Standardwerk auf diesem Gebiet.<br />
Ohrenheilkun<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r inneren Medizin war Sándor Korányi (1866-1944) und seine Schule<br />
Auf<br />
führend auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Nephrologie, Kardiologie und Hämatologie.<br />
europaweit<br />
neben Fernand Vidal (1862-1929) und Franz Volhard (1872-1950) einer <strong>de</strong>r<br />
Korányi,<br />
Kliniker und Nephrologen <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts, erwarb seine viel bewun<strong>de</strong>rte<br />
größten<br />
in <strong>de</strong>r experimentellen Medizin im Straßburger Physiologischen Institut bei<br />
Technik<br />
Goltz, seine umfassen<strong>de</strong> internistische Ausbildung beim Neurologen und<br />
Leopold<br />
Hans Curschmann in Berlin und die bakteriologische Metho<strong>de</strong>n bei August<br />
Endokrinologen<br />
Wassermann in Bamberg. Mit <strong>de</strong>r Labormedizin – damals als selbständiges Fach noch<br />
von<br />
Anfangsstadium –, wur<strong>de</strong> er auf <strong>de</strong>r Inneren Klinik seines Vaters Frigyes Korányi von<br />
im<br />
betraut, von <strong>de</strong>m er sich auch seine phänomenale Treffsicherheit in <strong>de</strong>r<br />
Tolcsva<br />
Diagnostik aneignete. An seinen Namen knüpt sich die Etablierung <strong>de</strong>r<br />
physikalischen<br />
Diagnostik in <strong>de</strong>r Inneren Medizin.<br />
funktionellen<br />
Sammelwerk, die 1903 ershienene zweibändige Physikalische Chemie und<br />
Korányi's<br />
galt lange als Standardwerk <strong>de</strong>r Labormedizin. Die beschei<strong>de</strong>nen Erfolge, die<br />
Medizin<br />
mit <strong>de</strong>r von ihm initiierten Benzoltherapie bei Leukämie aufweisen konnte, haben<br />
Korányi<br />
Zeitgenossen allerdings überbewertet, als sie dieses Verfahren in Deutschland mit <strong>de</strong>r<br />
die<br />
als ebenbürtig erklärten.<br />
Röntgentherapie<br />
<strong>de</strong>m Kreis <strong>de</strong>r ungarischen Pädiater darf János Bókay d. J. (1858-1937) nicht<br />
Aus<br />
bleiben, <strong>de</strong>r 1909 die i<strong>de</strong>ntische Ätiologie von Windpocken und Gürtelrose<br />
unerwähnt<br />
<strong>de</strong>n gleichen Viruserreger bewiesen hatte. Bókay führte in Ungarn die O'Dwyersche<br />
durch<br />
(1880) <strong>de</strong>r Intubation <strong>de</strong>r Luftröhre in <strong>de</strong>r Behandlung <strong>de</strong>s diphtherischen Krupps<br />
Metho<strong>de</strong><br />
und veröffentlichte seine vorzüglichen Ergebnisse in <strong>de</strong>utscher Sprache (Die Lehre von<br />
ein<br />
Intubation, 1908), in einer Zeit, in <strong>de</strong>r dieses Verfahren durch die Arbeiten von Franz<br />
<strong>de</strong>r<br />
in Kassel gera<strong>de</strong> erprobt (1900-1911), aber noch lange nicht in <strong>de</strong>r klinischen<br />
Kuhn<br />
etabliert wur<strong>de</strong>. Ivády Gyula (1914-1994) verdanken wir die Heilung <strong>de</strong>r<br />
Anästhesie<br />
carinii verursachte Pneumonie im Säuglingsalter mit Pentamidin. Seine<br />
Pneumocystis<br />
mit diesem Chemotherapeutikum erlangten allerdings erst dann eine weltweite<br />
Erfolge<br />
als man die Vergesellschaftung dieser Lungenentzündung mit <strong>de</strong>r HIV-<br />
Aufmerksamkeit,<br />
erkannte.<br />
Infektion<br />
theoretischen Grundlagen <strong>de</strong>r Isotopendiagnostik verdanken wir ebenfalls einem<br />
Die<br />
Forscher. György Hevesy (1885-1966), er arbeitete 1913 in Wien mit F.<br />
ungarischen<br />
zusammen, obwohl als sie das Prinzip <strong>de</strong>r in vivo Markierung vitaler Gewebe und<br />
Paneth<br />
mit Radionukli<strong>de</strong>n, also die Spurensuche krankhafter Her<strong>de</strong> im Körper mit<br />
Organe<br />
ausarbeiteten, man die Isotope noch gar nicht kannte. Inzwischen nahm Hevesy<br />
Indikatoren<br />
Ruf nach Freiburg an, war jedoch im Jahre <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r künstlichen Isotope<br />
<strong>de</strong>n<br />
bereits in Kopenhagen, so daß er die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Aktivationsanalyse, wofür er 1943<br />
(1934)<br />
Nobelpreis für Chemie erhielt, nicht mehr in Deutschland ausgearbeitet hatte.<br />
<strong>de</strong>n<br />
chirurgischen Pioniere <strong>de</strong>r Pester Universität im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt haben wir bereits<br />
Die<br />
Pólya Jenô (1876-1945) modifizierte die Billroth'sche Magenresektion durch<br />
erwähnt.<br />
Versorgungstechnik <strong>de</strong>r sog. „Jammerecke“. Hümer Hültl (1868-1940) und <strong>de</strong>r<br />
verbesserte<br />
Péter Fischer konstruierten 1905/07 die erste Magen-Nähmaschine, die seit 1910<br />
Ingenieur<br />
ein Weltpatent geschützt ist. Dieses erste Mo<strong>de</strong>ll hatte dann Aladár Petz (1888-1956)<br />
durch<br />
Chefchirurg in Győr weiter verbessert (1920). Bei<strong>de</strong> Typen sind heute mehrfach modifiziert
Nemes, Cs.: Beiträge <strong>zur</strong> Wechselbeziehung… 81<br />
unter an<strong>de</strong>ren Namen wie z. B. Autosuture für maschinelle Naht bei Magen-, Darm-<br />
und<br />
Rektumresektionen weltweit im Gebrauch.<br />
und<br />
nirgendwo waren ungarische Forscher <strong>de</strong>s letzten Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
Wahrscheinlich<br />
als in <strong>de</strong>r Etablierung <strong>de</strong>r neuen klinischen Wissenschaft <strong>de</strong>r Immunologie.<br />
erfolgreicher<br />
Preisz (1860-1940) begann seine bakteriologischen Experimente in Deutschland,<br />
Hugo<br />
und Frankreich und bewies die I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>r menschlichen und tierischen<br />
Belgien<br />
Preisz bestätigte auch – gegen Metschnikoff's Auffassung – die<br />
Tuberkulosenbazillen.<br />
von Richard Pfeiffer über die Rolle <strong>de</strong>r Immunseren in <strong>de</strong>r Phagozytose. Sein<br />
Thesen<br />
über die Bakteriophagen erschien in Jena 1925. László Detre (Deutsch) arbeitete<br />
Hauptwerk<br />
in Wien mit Karl Landsteiner zusammen. Von Detre stammt <strong>de</strong>r Terminus<br />
zunächst<br />
„Antigen“ (nach einer An<strong>de</strong>kdote in <strong>de</strong>r Pester Cafeterie Abbazia erfun<strong>de</strong>n), von<br />
technicus<br />
<strong>de</strong>r Fachausdruck „Antikörper“. Leo Liebermann (1852-1926) studierte in<br />
Landsteiner<br />
und Innsbruck und begrün<strong>de</strong>te dann die biochemische und immunchemische Schule in<br />
Wien<br />
Er war <strong>de</strong>r erste, <strong>de</strong>r das Komplement synthetisch herstellen konnte. Emil von<br />
Ungarn.<br />
besuchte ihn in Budapest und war entzückt von seinen immunchemischen<br />
Behring<br />
József Tomcsik (1898-1964), <strong>de</strong>m Schüler von Hugo Preisz gelang erstmals <strong>de</strong>n<br />
Metho<strong>de</strong>n.<br />
mancher Antigene nachzuweisen. Er und Ferenc Faragó (1905-1950)<br />
Haptencharakter<br />
in Ungarn als in erstem Land <strong>de</strong>r Welt die Diphtherie-Schutzimpfung ein. Faragó<br />
führten<br />
1950 im kommunistischen Gefängnis Selbstmord, Tomcsik verließ aber Ungarn<br />
beging<br />
1943 und wur<strong>de</strong> Nachfolger <strong>de</strong>s Hygieneprofessors Robert Doerr in Basel, <strong>de</strong>r<br />
noch<br />
ebenfalls aus Ungarn stammte. Zuletzt soll hier unter <strong>de</strong>n ungarischen<br />
übrigens<br />
Tamás Marschalkó (1862-1915) erwähnt wer<strong>de</strong>n. Marschalkó arbeitete in<br />
Immunologen<br />
bei Albert Ludwig Neisser (1955-1916), wo er die Umwandlung <strong>de</strong>r Lymphozyten<br />
Breslau<br />
Plasmazellen ent<strong>de</strong>ckt hatte. Seit<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n die Plasmozyten nach ihm benannt.<br />
in<br />
Schüler, Ferenc Hutÿra (1860-1934) und József Marek (1868-1952) verfaßten<br />
Liebermanns<br />
<strong>de</strong>r 1789 gegrün<strong>de</strong>ten königlich ungarischen Veterinärhochschule ein Werk über<br />
auf<br />
<strong>de</strong>r Haustiere (Lehrbuch <strong>de</strong>r klinischen Diagnostik <strong>de</strong>r inneren Krankheiten <strong>de</strong>r<br />
Diagnostik<br />
1912), das in Jena beim Gustav Fischer Verlag 7 Auflagen erlebte. Dessen<br />
Haustiere,<br />
Ausgabe, ein zweibändiges Werk auf 2700 Seiten (Spezielle Pathologie und<br />
spätere<br />
<strong>de</strong>r Haustiere, Jena 1938) wur<strong>de</strong> außer<strong>de</strong>m ins Englische, Italienische, Spanische,<br />
Therapie<br />
Russische und Chinenische übersetzt.<br />
Polnische,<br />
Béla Issekutz' Beurteilung arbeitete <strong>de</strong>r begabteste Pharmakologe Ungarns, Miklós<br />
Nach<br />
d. J. (1903-1966) als Stipendiant im Berliner Robert Koch Institut. Jancsó<br />
Jancsó<br />
wie <strong>de</strong>r größte Pathologe <strong>de</strong>s Jahrhun<strong>de</strong>rts, Ludwig Aschoff (1866-1942) die<br />
untersuchte<br />
<strong>de</strong>s sog. retikuloendothelialen Systems. Jancsó klärte als erster <strong>de</strong>n Mechanismus<br />
Funktion<br />
Speicherung von Arzneien und Bakterien in diesen Entgiftunszellen auf (1928/29), und<br />
<strong>de</strong>r<br />
nach, daß unter Histaminwirkung die Endothelzellen <strong>de</strong>r Gefäßintima innerhalb einiger<br />
wies<br />
zu solchen Speicherzellen umgewan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n (1941). Diese und die Ent<strong>de</strong>ckung<br />
Minuten<br />
intrazellulären Wirkung <strong>de</strong>s Arsenobenzol Salvarsan <strong>de</strong>r R seine internationale<br />
begrün<strong>de</strong>ten<br />
Auch sein wichtigstes Werk erschien in <strong>de</strong>utscher Sprache (Speicherung,<br />
Reputation.<br />
in Retikuloendothel und in <strong>de</strong>r Nieren, 1955).<br />
Stoffanreicherung<br />
Verzár (1886-1979), Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Lehre über die Alterslei<strong>de</strong>n, die<br />
Frigyes<br />
leitete schon 1919 <strong>de</strong>n Physiologischen Lehrstuhl an <strong>de</strong>r Debrecziner<br />
Gerontologie,<br />
und im Auftrag <strong>de</strong>s Kultusministers Klebelsberg das Biologische For-<br />
Universität<br />
schungsinstitut in Tihany, als 1930 <strong>de</strong>m Ruf nach <strong>de</strong>m Basler Physiologischen Lehrstuhl
82 Comm. <strong>de</strong> Hist. Artis Med. 194—195 (2006)<br />
ist. Das in Basel von ihm nach seiner Emeritierung ins Leben gerufene<br />
gefolgt<br />
für Gerontologie blieb bis heute das Zentrum dieses neuen klinischen<br />
Forschungsinstitut<br />
Und die Verzár'sche Zeitschrift Gerontologie, das wichtigste Organ <strong>de</strong>r<br />
Faches.<br />
Gerontologischen Gesellschaft, <strong>de</strong>ren erster Generalsekretär ebenfalls<br />
Internationalen<br />
war. Verzár<br />
das Versailler Frie<strong>de</strong>nsdiktat o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Schuldspruch vom 1919-1920 verlor<br />
Durch<br />
zwei Drittel seiner Hoheitsgebiete, ein Drittel seiner ungarischen Bevölkerung, die<br />
Ungarn<br />
Städte, fast alle Bergwerke. Sein Straßen- und Bahnnetz wur<strong>de</strong> amputiert, die<br />
reichsten<br />
in Preßburg und Klausenburg geschlossen. Dennoch ließ sich durch die kluge<br />
Universitäten<br />
<strong>de</strong>s Grafen Kuno von Klebelsberg (1875-1932) bis Mitte <strong>de</strong>r dreißiger Jahre<br />
Kulturpolitik<br />
Stabilisierung und <strong>de</strong>r Neuausbau <strong>de</strong>s Unterrichtswesens bis auf die neu errichteten<br />
eine<br />
in Pécs (aus Pozsony) und Szeged (aus Kolozsvár, Klausenburg, Cluj)<br />
Universitäten<br />
Dank diesem reformierten Unterrichtswesen und <strong>de</strong>n besten internationalen<br />
erreichen.<br />
von Klebelsberg kam En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 20er Jahre erneut <strong>zur</strong> Belebung <strong>de</strong>s<br />
Kulturbeziehungen<br />
zwischen Ungarn und <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschsprachigen Län<strong>de</strong>rn. Als Zeichen dafür<br />
Wissenstransfers<br />
die Deutsche Gesellschaft für Geschichte <strong>de</strong>r Medizin und Naturwissenschaften<br />
hielt<br />
im September 1929 ihre Jahrestagung in Budapest ab. Auf dieser Tagung<br />
(DGGMN)<br />
Sudhoff, welcher Győry's Besuch in Budapest schon 1925 erwi<strong>de</strong>rte, das<br />
würdigte<br />
Semmelweis' und seine epochale Be<strong>de</strong>utung für die universelle<br />
Lebenswerk<br />
Semmelweis „als Ent<strong>de</strong>cker o<strong>de</strong>r Erfin<strong>de</strong>r ist nicht <strong>de</strong>r anzusehen, <strong>de</strong>r<br />
Medizingeschichte:<br />
Gedanken an die Sache streifte, son<strong>de</strong>rn lediglich, wer zielbewußt auf Grund von<br />
mit<br />
<strong>de</strong>n Gedanken verbreitet und in wissenschaftlicher Form <strong>de</strong>n Beweis <strong>de</strong>r<br />
Experimenten<br />
gründlich erbracht, die I<strong>de</strong>e so siegreich und nachhaltig verfochten hat, daß<br />
Wahrheit<br />
Zweifel verstummen mußte”<br />
je<strong>de</strong>r<br />
vielversprechen<strong>de</strong>n bilateralen <strong>de</strong>utsch-ungarischen Beziehungen, - insitutionellen<br />
Den<br />
auch persönlichen, - setzte die Annexion Ungarns durch das Sowjetimperium (1945-<br />
wie<br />
abrupt ein En<strong>de</strong>. Nach <strong>de</strong>m Zweiten Weltkrieg wur<strong>de</strong> neben <strong>de</strong>m römischen<br />
1989)<br />
Hungaricum auch das Berliner Ungarische Institut geschlossen. Unter<br />
Collegium<br />
Terror <strong>de</strong>r 50er Jahre kam die universitäre Grundlagenforschung durch<br />
kommunistischem<br />
Gängelung fast vollständig zum Erliegen. O<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n die Ergebnisse<br />
staatliche<br />
totgeschwiegen.<br />
<strong>de</strong>n Universitäten wur<strong>de</strong>n ab 1959 das sowjetische Muster kopiert. Lediglich die<br />
An<br />
Kontakte für einige Großprojekte zwischen Ungarn und <strong>de</strong>r DDR blieben<br />
institutionellen<br />
bestehen.<br />
Teil: Kulturelle und institutionelle Beziehungen zwischen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
III.<br />
und <strong>de</strong>r Republik Ungarn nach 1989<br />
Deutschland<br />
1989 betrug <strong>de</strong>n Anteil ungarischer Stu<strong>de</strong>nten an <strong>de</strong>n ost<strong>de</strong>utschen Universitäten<br />
Noch<br />
weniger als aus Polen, CSSR o<strong>de</strong>r UdSSR, während nur 3,4% <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten an<br />
17,4%,<br />
Universitäten und Hochschulen aus <strong>de</strong>r DDR kamen. Dabei spielte die<br />
ungarischen<br />
praktisch keine Rolle. Von <strong>de</strong>n Forschungsthemen <strong>de</strong>r sozialistischen Län<strong>de</strong>r im<br />
Heilkun<strong>de</strong><br />
1986-1990 war die Medizin lediglich insgesamt mit 2,3% vertreten; dabei<br />
Planzeitraum<br />
mit 0%!<br />
Ungarn
Nemes, Cs.: Beiträge <strong>zur</strong> Wechselbeziehung… 83<br />
konnten die Wissenschaftsbeziehungen bei<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Medizin,<br />
Erfreulicherweise<br />
und <strong>de</strong>r Technik ab <strong>de</strong>n 80er Jahre nach und nach wie<strong>de</strong>rbelebt, und<br />
Naturwissenschaft<br />
<strong>de</strong>m Jahr <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> 1989 in ganz erheblichem Maß erweitert wer<strong>de</strong>n. Die Grundlage<br />
nach<br />
bil<strong>de</strong>te das<br />
hierfür<br />
über Zusammenarbeit in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Forschung und<br />
„Abkommen<br />
Ent-wicklung“, das sog. WTZ-Abkommen, erstmals umgesetzt am 7. 10.<br />
technologischen<br />
Die genauere Analyse zeigt jedoch, daß die Kooperation <strong>de</strong>utscher und ungarischer<br />
1987.<br />
mit insgesamt 76 Projekten vor allem in <strong>de</strong>n Jahren 1989-1992 blühte, dann<br />
Hochschulen<br />
ab 1993 wie<strong>de</strong>r drastisch <strong>zur</strong>ückging: zwischen 1993 und 1996 gab es nur noch 10<br />
aber<br />
Kooperationsverträge!<br />
Jahre 1993 feierte in Budapest das Collegium Budapest sein zehnjähriges Jubiläum,<br />
Im<br />
von 6 europäischen Staaten, Deutschland, Frankreich, Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>, Österreich, <strong>de</strong>r<br />
das<br />
und Schwe<strong>de</strong>n gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Auch ein Humboldt-Verein ist seit 1994 in<br />
Schweiz<br />
tätig. Das Osteuropazentrum <strong>de</strong>r Universität Hohenheim unterhält zahlreiche<br />
Budapest<br />
zu Hochschulen, Verbän<strong>de</strong>n und Stiftungen in Ungarn. Zusätzlich eröffnete<br />
Verbindungen<br />
Lektorenprogramm <strong>de</strong>r Robert Bosch Stiftung mit Hilfe seines eigenen Netzwerkes,<br />
das<br />
Stuttgarter Institut für Auslandbeziehungen e. V. Zugang zu über 100 Hochschulen in<br />
<strong>de</strong>m<br />
Als Höhepunkt <strong>de</strong>r Beziehungen <strong>zur</strong> ungarischen Kultur in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />
Osteuropa.<br />
im Jahre 2002 eine Veranstaltungsreihe Kulturportrait Ba<strong>de</strong>n-Württemberg in Ungarn<br />
fand<br />
Im gleichen Jahr erschien auch ein Sammelband Ungarn und Deutschland – eine<br />
statt.<br />
Beziehung, herausgegeben vom Haus <strong>de</strong>r Geschichte Ba<strong>de</strong>n-Württemberg und<br />
beson<strong>de</strong>re<br />
Kulturinstitut <strong>de</strong>r Republik Ungarn mit zentralen Aspekten <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsch-ungarischen<br />
vom<br />
seit 1800. Es war schon im Jahre 2000 geplant, in Siebenbürgen mit drei<br />
Beziehungen<br />
Hermannstadt und Nagyszeben) eine multikulturelle Petôfi-Schiller-Universität ins<br />
Zentren<br />
zu rufen. Deutschsprachiger Unterricht für medizinische Stu<strong>de</strong>nten wird seit Jahren<br />
Leben<br />
<strong>de</strong>r Semmelweis Universität in Budapest und <strong>de</strong>r Szent-Györgyi-Universität in Szeged<br />
an<br />
Mittlerweile sind alle vier medizinischen Universitäten Ungarns zertifiziert und<br />
angeboten.<br />
jährlich Hun<strong>de</strong>rte von ausländischen Ärzten aus.<br />
bil<strong>de</strong>n<br />
1. und 3. Juni 2000 fand das 37. Symposium <strong>de</strong>r Gesellschaft für<br />
Zwischen<br />
in Budapest und Piliscsaba in <strong>de</strong>r Organisation <strong>de</strong>r Pázmány Péter<br />
Wissenschaftsgeschichte<br />
Universität statt. Das Thema <strong>de</strong>r Tagung: Der Donauraum in <strong>de</strong>r<br />
Katholischen<br />
Europas mit beson<strong>de</strong>rer Berücksichtigung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsch-<br />
Wissenschaftsgeschichte<br />
Wissenschaftsbeziehungen. Die Donau war schon seit <strong>de</strong>n Nibelungen ein<br />
ungarischen<br />
Kommunikationsweg zwischen Ost- und Mitteleuropa.<br />
wichtiger<br />
<strong>de</strong>r von Thomas Rütten (University of Newcastle) edierten Schriftenreihe Studien<br />
In<br />
Geschichte <strong>de</strong>r Medizingeschichte und Medizingeschichstschreibung hat im Jahre<br />
<strong>zur</strong><br />
Anne Kristin Oommen-Halbach aus Lübeck die erst 1996 aufgefun<strong>de</strong>ne<br />
2004<br />
zwischen Tibor Győry und Walter von Brunn mit reichlichen und<br />
Korrespon<strong>de</strong>nz<br />
Noten versehen ausgegeben, die eine recht gute Einsicht in die Gedankenwelt<br />
kritischen<br />
Werke <strong>de</strong>r großen <strong>de</strong>utschen Medizinhistoriker wie Neuburger, Sticker, Sigerist,<br />
und<br />
Diepgen und Artelt während <strong>de</strong>r Weimarer Republik und nach <strong>de</strong>r<br />
Sudhoff,<br />
bis 1938 ermöglichen. Keine erholsame, aber sehr ernüchtern<strong>de</strong> Lektüre<br />
Machtergreifung<br />
die Zeit <strong>de</strong>s Nationalsozialismus!<br />
über<br />
2001 und 2004 fan<strong>de</strong>n gleich vier gemeinsame, z. T. medizinhistorische<br />
Zwischen<br />
Tagungen statt:
84 Comm. <strong>de</strong> Hist. Artis Med. 194—195 (2006)<br />
Donauraum in <strong>de</strong>r Wisseschaftsgeschichte Europas mit beson<strong>de</strong>rer<br />
Der<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsch-ungarischen Wissenschaftsbeziehungen (1-3. 6. 2000,<br />
Berücksichtigung<br />
Budapest-Piliscsaba)<br />
Tagung <strong>zur</strong> Medizingeschichte. Tagung <strong>de</strong>s Instituts für Geschichte<br />
Deutsch-Ungarische<br />
Medizin <strong>de</strong>r Robert Bosch Stiftung und <strong>de</strong>s Ungarischen Kulturinsitutes Stuttgart, (11-<br />
<strong>de</strong>r<br />
2001). 12.10.<br />
Kongreß über Geschichte <strong>de</strong>r Homöopathie (organisiert von <strong>de</strong>r<br />
Internationaler<br />
Medizinhistorischen Gesellschaft und <strong>de</strong>s Semmelweis Museum, Bibliothek<br />
Ungarischen<br />
Archivs für Geschichte <strong>de</strong>r Medizn, Budapest, 24-25. 3. 2003).<br />
und<br />
von Wasser“. Medizinische und kulturelle Aspekte von Wasserkuren,<br />
”Nutzungen<br />
und Diätetik. 3. Deutsch-Ungarische Tagung <strong>de</strong>s Instituts für Geschichte <strong>de</strong>r<br />
Hygiene<br />
<strong>de</strong>r Robert Bosch Stiftung in Stuttgart in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m Semmelweis<br />
Medizin<br />
Bibliothek und Archiv für Geschichte <strong>de</strong>r Medizn in Budapest, (1-2. 10. 2004).<br />
Museum,<br />
Hermannstadt (Sibiu) erschien vor 5 Jahren eine große Monographie über die Medizin<br />
In<br />
alten Siebenbürgen (Editura hora Verlag) von Arnold Huttmann (1912-1997), <strong>de</strong>m<br />
im<br />
Kardiologen aus Kronstadt. Diese bietet eine in je<strong>de</strong>r Hinsicht erschöpfen<strong>de</strong><br />
großen<br />
auch über <strong>de</strong>n Beitrag <strong>de</strong>r Siebenbürger Sachsen in <strong>de</strong>r Medizin, weshalb in<br />
Darstellung<br />
Übersicht auf diesen Teil kultureller Beziehungen nicht eingegangen wird. Nur eine<br />
dieser<br />
Schil<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsch-siebenbürgischen Quellen <strong>de</strong>r ungarischen Medizin<br />
annähern<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>n Rahmen sprengen und sollte an sich Gegenstand für einen an<strong>de</strong>ren Essay<br />
wür<strong>de</strong><br />
Die postume Ausgabe dieser Arbeiten verdanken wir u. a. Georg Huttmann, <strong>de</strong>m<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
<strong>de</strong>s Medizinhistorikers Arnold Huttmann und <strong>de</strong>m Arbeitskreis für Siebenbürgische<br />
Sohn<br />
in Hei<strong>de</strong>lberg. Immerhin ist dieses Werk die erste umfassen<strong>de</strong><br />
Lan<strong>de</strong>skun<strong>de</strong><br />
Siebenbürgens in <strong>de</strong>utscher Sprache.<br />
Medizingeschichte<br />
Schluß rufen wir Tibor Győry's Worte aus <strong>de</strong>m Jahre 1928 in Erinnerung: „Auch ein<br />
Zum<br />
Urteil wird feststellen, daß unsere Nation auch in <strong>de</strong>n schwierigsten<br />
unbefangenes<br />
unserer kampfreichen Vergangenheit bemüht war, wenigstens in die<br />
Zeitläuften,<br />
<strong>de</strong>r stärkeren und weniger gefähr<strong>de</strong>ten westlichen Nationen zu treten, ja daß es<br />
Fußstapfen<br />
oft gelang, mit <strong>de</strong>nselben parallel vorwärtszuschreiten und hie und da auch<br />
sogar<br />
mitzuarbeiten“. Die Entwicklung <strong>de</strong>r bilateralen kulturellen Kontakte in<br />
initiierend<br />
und Technologievermittlung ist mittlerweile wie<strong>de</strong>r so ermutigend, daß man die<br />
Wissens<strong>de</strong>r<br />
jahrhun<strong>de</strong>rtalten Tradition dieser Nachbarvölker in interdisziplinärer<br />
Fortsetzung<br />
Zusammenarbeit auch in <strong>de</strong>r nahen Zukunft mit Gewißheit erwarten darf.<br />
*<br />
NEMES, MD, PhD<br />
CSABA<br />
Überlingen<br />
D-88662<br />
41.<br />
Mühlbachstrasse<br />
DEUTSCHLAND<br />
e-mail: csaba@nemes.<strong>de</strong>
Nemes, Cs.: Beiträge <strong>zur</strong> Wechselbeziehung… 85<br />
LITERATUR<br />
J.: Bil<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r europäischen Heilkun<strong>de</strong> und Pharmazie. Corvina<br />
Antall,<br />
Budapest, 1981.<br />
Kiadó,<br />
und Ungarn in ihren wechselseitigen Beziehungen während <strong>de</strong>r Renaissance.<br />
Deutschland<br />
<strong>de</strong>s Wolfenbütteler Arbeitskreises für Renaissanceforschung in <strong>de</strong>r<br />
Arbeitsgespräch<br />
August Bibliothek Wolfenbüttel (24-26. 9. 2001). AHF-Information Nr. 76 vom<br />
Herzog<br />
11. 2001. 20.<br />
H.(Hrsg.): Deutsch-ungarische Beziehungen in Naturwissenschaft und Technik<br />
Fischer,<br />
<strong>de</strong>m Zweiten Weltkrieg. München, R. Ol<strong>de</strong>nbourg Verlag, 1999.<br />
nach<br />
I.: Die Völkergeschichte hat wenige Beyspiele einer solchen Veredlung. In: Marta<br />
Futaky,<br />
(Hrsg.): Das Ungarnbild <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Historiographie. Symposium Tübingen, 9-<br />
Fata<br />
11. 2000. Stuttgart, Franz Steiner Verlag, 2004. 31-48.<br />
11.<br />
I.: Pers. Mitteilung am 13. 11. 2005.<br />
Gazda,<br />
W E. – Haager, B.D. – Keil, G. – Wegner, W. (Hrsg.): Enzyklopädie<br />
Gerabek,<br />
Berlin, W Gruyter Verlag, 2005.<br />
Medizingeschichte.<br />
M. – Nemes, Cs. – Straimer, A: Aloys Martin und <strong>de</strong>r Verein <strong>de</strong>utscher Aerzte in<br />
Goerig,<br />
In: Proceedings of the 4 Paris. th Symposium on the History of Medicine.<br />
International<br />
Druck, Lübeck, 1997. 235-246<br />
Dräger<br />
Gy.: Az újabbkori magyar orvosi művelődés és egészségügy története. Akadémiai<br />
Gortvay<br />
Budapest, 1953.<br />
Kiadó,<br />
T.: Die Abstammung <strong>de</strong>s Ignaz Philipp Semmelweis. Dtsch. Med. Wschr. 1936.<br />
Győry<br />
787-88.<br />
No.19,<br />
T.: Der Anteil Ungarns an <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Medizin. Budapest, Pester Lloyd-<br />
Győry<br />
1928.<br />
Gesellschaft,<br />
T.: Kolozsvári Jordanus Tamás és a morbus brunogallicus. Orv. Hetil. 1912. Nr. 56,<br />
Győry<br />
1-20.<br />
Ch. O: Partnerschaften <strong>de</strong>r Kommunen. Nichts ist möglich ohne die Menschen.<br />
Heger<br />
www. ungarn<strong>de</strong>utsche.<strong>de</strong><br />
Internet:<br />
J.: 150 év a tudomány szolgálatában. Magyar-német orvosi kapcsolatok a<br />
Hidvégi<br />
tükrében. Orv. Hetil. 1992. Nr. 133, 1119-21.<br />
Springer-kiadványok<br />
A: Medizin im alten Siebenbürgen. Hermannstadt, Editio Hora Verlag, 2000.<br />
Huttmann,<br />
L.: A honfoglalás és az Árpád-kori magyarság egészsége és betegségei. Budapest,<br />
Józsa<br />
1996.<br />
Gondolat,<br />
L.: Magyar királylány a mo<strong>de</strong>rn európai kórház megteremtője? Orv. Hetil. 1993.<br />
Józsa<br />
196-198.<br />
Nr.134,<br />
K.: Ludwig Teleky születésének századik évfordulója. Orv. Hetil. 1972.<br />
Kapronczay<br />
2303-04.<br />
Nr.113,<br />
K.: Magyar Orvoséletrajzi Lexikon. Budapest, Mundus Könyvkiadó, 2004.<br />
Kapronczay<br />
K.: Megemlékezés Lechner Károlyról. Orv. Hetil. 2001. Nr. 142 (24), 1279-<br />
Kapronczay<br />
80.<br />
Katalin: Kameralizmus, felvilágosodott abszolutizmus, orvosi rendészet.<br />
Kapronczay<br />
Lege Artis Medicinae, 1998. Nr. 8 (5), 384-88.
86 Comm. <strong>de</strong> Hist. Artis Med. 194—195 (2006)<br />
D.: A kórbonctan magyar mesterei. Scheuthauer Gusztáv emlékezete. Orv.<br />
Karasszon<br />
1994. Nr.135 (52), 2882-84.<br />
Hetil.<br />
P.: A humanisták szerepe a XVI. századi orvosi gondolkodásban. Orv. Hetil.<br />
Kemenes<br />
Nr.132, 647-48.<br />
1991.<br />
P.: Orvosi levelezés a XVI. században. Orv. Hetil. 1991. Nr.132, 1095-96.<br />
Kemenes<br />
Gy.: Magyar Orvosi emlékek 1-IV. Kötet. Magyar Orvosi Könyvkiadó<br />
Magyary-Kossa<br />
kiadása, Eggenberger-féle könyvkereskedés, Budapest, 1929.<br />
Társulat<br />
A.: Geschichte <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung und Verbreitung <strong>de</strong>s Aetherismus. Buchner's<br />
Martin,<br />
für die Pharmacie 1847. Nr. 46, 361-387.<br />
Repertorium<br />
W: Das Hospital <strong>de</strong>r Heiligen Elisabeth in seinem Verhältnis zum Hospitalwesen.<br />
Moritz,<br />
Sankt Elisabeth. Fürstin, Dienerin, Heilige. Sigmaringen, J. Thorbecke Verlag, 1981.<br />
In:<br />
Cs.: Aloys Martins Berichte an die Augsburger Allgemeine Zeitung 1847.<br />
Nemes,<br />
(Suppl. 1) 1994. Nr. 43, 597.<br />
Anaesthesist<br />
Cs.: A medicina kultúrtörténete. A Debreceni Egyetem és a Magyar<br />
Nemes<br />
Intézet kiadása, Debrecen-Piliscsaba, 2006 (im Druck).<br />
Tudománytörténeti<br />
Cs.: Die Rolle <strong>de</strong>s Vereins <strong>de</strong>utscher Ärzte in Paris. Beiträge zum Wissenschafts-<br />
Nemes,<br />
Technologietransfer zwischen Frankreich und Deutschland im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt.<br />
und<br />
Anästhesie-Kongreß, München, 9. 4. 2003 (Abstract).<br />
Deutscher<br />
Cs.: Vörösmarty Mihály és a magyar orvosi műnyelv a Reformkorban. Magyar<br />
Nemes<br />
Nyelv, 2002. Nr. 2, 28-35.<br />
Orvosi<br />
J.: Külföldön élt régi magyar orvosok. Pásztortűz 1928. Nr. 14 (6), 133-35, 14<br />
Pataky<br />
225-29.<br />
(10),<br />
O.- Wimmer, W.: Der mo<strong>de</strong>rne Okkultismus. Stuttgart, Gustav Fischer Verlag,<br />
Prokop,<br />
1976.<br />
K. H.: Fortschritte und Leistungen <strong>de</strong>r Homöopathie in und ausser Ungarn.<br />
Rosenberg,<br />
1843.<br />
Leipzig,<br />
E.: Über <strong>de</strong>utsch-ungarische Beziehungen <strong>de</strong>r Medizin im Zeitalter <strong>de</strong>r<br />
Schultheisz,<br />
– zugleich ein Beitrag <strong>zur</strong> Geschichte <strong>de</strong>r Pest-Inokulation. Ber. Wiss. Gesch.<br />
Aufklärung<br />
Nr. 24, 163-74.<br />
2001.<br />
L.: Innovators and Innovations. The Hungarian Quaterly 2001. Nr. 62, 162,1-14.<br />
Sipka,<br />
I.: Semmelweis Ignaz Philipp. In: Enzyklopädie Medizingeschichte (10) 1319-<br />
Tshisuaka,<br />
20.