38 Renovierter Königssaal mit neuer Deckengestaltung
WEITERE BAUMASSNAHMEN IN DER <strong>SCHLOSS</strong>ANLAGE Der Frauenzimmerbau <strong>und</strong> der Fassbau Auf dem Holzschnitt von Sebastian Münster aus dem Jahr 1550 ist in der Mitte der Schlossanlage ein prächtiges dreigeschossiges Gebäude zu sehen: der Frauenzimmerbau, das Obergeschoss in Fachwerk <strong>und</strong> einer Vielzahl von Erkern mit hohen Dächern. Neun Erker müssen vorhanden gewesen sein; an der Nordseite der mittige Fürstenerker, die beiden Eckerker, wobei der westliche wohl aus statischen Gründen im Gr<strong>und</strong>riss gedreht ist, im Osten zwei Erker, beide verloren, der nördliche davon musste der anschließenden Bebauung weichen, der südliche ist noch im Kellergeschoss erhalten, im Süden der mittige Erker <strong>und</strong> der Treppenturm, im Westen zwei weitere Erker, davon ist der nördliche bis zum Obergeschoss auf einem Stützpfeiler errichtet <strong>und</strong> im Folgenden wegen des Englischen Baues abgebrochen worden, der südliche ist noch vorhanden. Diese Erker sind als Herrschaftsgeste zu verstehen: der Fürst trat hinaus <strong>und</strong> das Land lag unter ihm, er konnte sein Reich symbolisch überblicken <strong>und</strong> beherrschen. Lorenz Lechler errichtete um 1515 den Bau, im Inneren befand sich der Königssaal, in dem Dichter ihre Lieder sangen. Der Bau wurde in der Renaissance zurückhaltend überformt, die drei Norderker wurden in einer einheitlichen Fläche zusammengezogen, in der Barockzeit fand eine weitere Umgestaltung statt. Die Stiche von Ulrich Kraus, 1685, zeigen nun eine bemalte Fassade; im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört, wurde der Bau unter Carl- Theodor als eingeschossige Halle mit einem Dach versehen, das bis heute erhalten ist. Nach Nutzungen als Bildhauerwerkstatt <strong>und</strong> Arbeitsraum für Hofküfer <strong>und</strong> Fassbinder wurde der Saal in den 1930er Jahren zum Königssaal umgestaltet. Eine Holzvertäfelung vor den mittelalterlichen Wänden, eine „Balkendecke“, die aus Brettkästen besteht, Messingleuchten <strong>und</strong> ein gotisch empf<strong>und</strong>enes Portal an der Westseite bestimmen den Raum, die Erker sind als mittelalterliche Versatzstücke in den Raum einbezogen. Die Instandsetzungsmaßnahme bis 2009 behält das Bild dieses Innenraumes bei. Die Elemente der 30er Jahre wurden überarbeitet <strong>und</strong> erhalten; neue Eingriffe wie Doppelfenster, Stufen, Geländer, Heizungsgitter nehmen diese Sprache auf: nicht die Konfrontation zum Bestand wird gesucht, sondern ein kritisches Weiterbauen. Die sogenannte Fassbaukapelle, die niveaugleich zum Königssaal liegt, wurde in das Baugeschehen einbezogen. Der Fassbau, in den 1580er Jahren unter Johann Kasimir errichtet, nimmt im unteren Teil das Große Fass auf. In der Fassbaukapelle fällt ein großer Bogen in Ost-West Richtung auf, der in der Barockzeit die Ausbildung einer einheitlichen Fassadenflucht über dem Fassbau <strong>und</strong> Frauenzimmerbau von Friedrichsbau zum Englischem Bau ermöglichte. Bemerkenswert am Bau ist der Rückgriff auf gotische Bauformen zu einer Zeit, die längst Renaissanceformen hervorgebracht hat. 39