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legale Rausch? - Nansen & Piccard

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Geht es um Glück? Oder um das radikal Fremde, dem man sich stellen will?<br />

aus dem gesicherten Alltag, um eine Mutprobe oder eine Initiation<br />

zu bestehen.«<br />

Genauso war es in meiner eigenen, bescheidenen <strong>Rausch</strong>karriere. Es<br />

gab einen direkten Übergang von den Abenteuerspielen der Kindheit<br />

zum ersten Bierrausch und dem ersten Joint. War es mir kurz zuvor ein<br />

unglaubliches Vergnügen gewesen, mit Freunden durch den Wald zu<br />

streifen und Jedi-Ritter-Kämpfe zu bestehen, begab ich mich nun auf<br />

innere Abenteuerreisen – der Reiz war der gleiche. Auch hatte ich nie<br />

das Gefühl (wie es die Lehrer warnend formulierten), der Realität zu<br />

entfliehen. Es ging darum, diese zu bereichern. Und da ich immer vorsichtig<br />

war und mich eher in den <strong>Rausch</strong> schlich als warf, hatte ich<br />

damit auch nie Probleme.<br />

Bei manchen führen die Heldenreisen jedoch in die Dunkelheit. Jeder<br />

kennt die Geschichten von Schulkameraden, Freunden oder Verwand-<br />

104 — Wissen<br />

ten, die abglitten in die Sucht oder in eine Drogenpsychose und die jetzt<br />

für den Rest ihres Lebens mit irrem Blick durch Wälder streifen. Es versteht<br />

sich eigentlich von selbst, dass die Politik tätig wird, um das zu<br />

unterbinden. In Deutschland wurde 1972 mit dem Betäubungsmittelrecht<br />

ein Verbotsgesetz installiert – zuvor war der Umgang mit Drogen<br />

im Opiumgesetz von 1929 geregelt gewesen, das aber nur in seltenen<br />

Fällen zu wirklicher Verfolgung geführt hatte. Das Betäubungsmittelrecht<br />

hingegen habe eine doppelte Stoßrichtung, erklärt der Staatsanwalt<br />

Jörn Patzak: »Zum einen soll das Individuum vor Krankheit und<br />

Sucht geschützt werden.« Daneben gehe es aber auch um den Schutz der<br />

Volksgesundheit. »Beide Aspekte rechtfertigen das Verbot«, sagt Patzak.<br />

Aber es gibt Mittel und Wege, das Verbot zu umgehen.<br />

Etwa über neue Drogen, wie MDMA, 2-CB oder Methamphetamin. In<br />

der Vergangenheit wurden diese immer relativ schnell entdeckt und den<br />

NH<br />

O<br />

O<br />

METHOXETAMIN<br />

ist ein stark psychedelisches<br />

Derivat des Narkosemittels<br />

Ketamin. Angeblich entwickelte<br />

es ein einarmiger britischer<br />

Pharmazeut als Nebeneffekt seiner<br />

Forschung an neuen Schmerzmitteln.<br />

Die Legal Highs kommen<br />

von der »dunklen Seite«<br />

der Neurowissenschaften.<br />

Drogengesetzen unterstellt. Die Legislative hinkte der Entwicklung von<br />

Designerdrogen etwas hinterher, hielt aber einigermaßen Schritt. Das<br />

änderte sich schlagartig – infolge des Booms der Neurowissenschaften.<br />

Zum Beispiel Spice: Das ist ein Forschungsprodukt. In den Achtzigerjahren<br />

entdeckten Forscher, dass der Cannabisrausch ausgelöst wird,<br />

indem THC, der Cannabiswirkstoff, an die Cannabinoidrezeptoren andockt.<br />

Die sind für viele kognitive Vorgänge, aber auch für die Steuerung<br />

des Immunsystems mitverantwortlich. Pharmazeuten machten sich<br />

nun – in der Hoffnung auf neue Medikamente, etwa gegen Schmerzen<br />

oder Krämpfe – auf die Suche nach anderen Molekülen, die wie ein<br />

Schlüssel in dieses Schloss passen. Sie wurden fündig und synthetisierten<br />

etliche Substanzen mit Namen wie JWH-018 oder CP 47,497-C8.<br />

2004 begannen findige Köpfe der zuerst in England, später in den Niederlanden<br />

gemeldeten Firma Psyche Deli, einige dieser Substanzen in Reinform<br />

zu kaufen, auf ein wirkungsloses Pflanzensubstrat aufzutragen<br />

und als »Räuchermischung« zu vertreiben: Spice. 2008 wurden die<br />

Medien auf das Phänomen aufmerksam. Die Substanzen JWH-018 und<br />

CP-47,497-C8 wurden verboten – mit dem Effekt, dass kurz darauf Produkte<br />

mit den noch <strong>legale</strong>n Substanzen JWH-073 und JWH-015 (und<br />

etlichen anderen) auf den Markt kamen. Langsam wurde klar: Es gibt<br />

nicht nur unzählige künstliche Cannabinoide. Es gibt für so gut wie jede<br />

il<strong>legale</strong> Droge Ersatzstoffe, die ähnlich wirken. Gerade trat die »26. Verordnung<br />

zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften« in<br />

Kraft, mit der 28 weitere Legal-High-Wirkstoffe wie 4-Fluortropacocain<br />

(ein Ersatz für Kokain) oder Metyhlon (wirkt ähnlich wie Ecstasy) verboten<br />

wurden – Ersatz aber ist längst gefunden. Volker Auwärter,<br />

Rechts mediziner an der Freiburger Universität und Fachmann in Sachen<br />

Legal Highs, sagt: »Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Es ist ein Leichtes,<br />

psychotrope Stoffe chemisch so zu modifizieren, dass eine neue, vom<br />

Betäubungsmittelrecht nicht erfasste Substanz vorliegt.« Und selbst<br />

wenn alle chemischen Modifikationen einer il<strong>legale</strong>n Substanz ebenfalls<br />

verboten würden, gibt es noch immer unzählige Ausweichmöglichkeiten.<br />

Oder ganz andere Drogen.<br />

Etwa unser Mittelchen. Es ist eine chemische Weiterentwicklung des<br />

<strong>legale</strong>n Narkosemittels Ketamin, das sich in jedem Notarztkoffer befindet.<br />

Die Substanz unterliegt wie alle Legal Highs nicht dem BtMG. Wohl<br />

aber dem Arzneimittelrecht, was bedeutet, dass nicht der Besitz, sondern<br />

nur der Handel damit strafbar ist. Die Strafen dafür seien aber viel zu<br />

gering, um Händler wirklich abzuschrecken, klagt der Staatsanwalt<br />

Jörn Patzak. Machten sich jene anfangs noch die Mühe, die Substanzen<br />

als »Räuchermischung« oder »Badesalz« zu deklarieren, kann man sie<br />

inzwischen pur bestellen. Auf dem Tütchen steht der Hinweis »for research<br />

use only«. Wie man halt »research« definiert.<br />

Verpackung und Vertrieb kosten die<br />

Internethändler mehr als die Droge selbst<br />

Woher haben die Händler im Internet eigentlich die nötigen Kenntnisse,<br />

solche Drogen herzustellen? Da keiner der Händler auf meine Anfragen<br />

reagiert, frage ich Volker Auwärter. Er sagt: »Es ist ein Leichtes, sich über<br />

Studienpublikationen oder Google Scholar pharmazeutische Forschungsergebnisse<br />

zu besorgen.« Dafür brauche es keinen besonders großen<br />

Sachverstand. »Von Labors in China kann man die Substanzen dann<br />

bestellen – für Kilopreise zwischen 2000 und 4000 Dollar. Im Endeffekt<br />

kosten das Verpackungsmaterial und die Vertriebsstruktur die Händler<br />

mehr als die Droge.« Ein Millionengeschäft.<br />

Einer der großen Lieferanten ist die Firma Chemfun in China, die sich<br />

seit 2009 auf künstliche Cannabinoide spezialisiert hat. Es ist nicht allzu<br />

kompliziert, mit dem Chef der Firma, Doktor Wang Zhiguo, in Kontakt<br />

zu treten. Mit dem Zoll habe es noch nie Probleme gegeben, erklärt<br />

Doktor Wang. Schließlich handle man ja nicht mit il<strong>legale</strong>n Substanzen:<br />

»Wir verkaufen nur Inhaltsstoffe, die Kunden bei uns nachfragen. Wir<br />

sind nicht dafür verantwortlich, was die Kunden daraus machen.«<br />

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