371 Stadtmagazin Oktober 2020
Stadtmagazin Chemnitz Oktober 2020, Chemnitz NEWS
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Lieber Herr Kummer, bekommt die Stadt Chemnitz
den oder die Oberbürgermeisterin, den
sie verdient?
LETZTE
FRAGE
Herr Kummer gibt Antwort
Auch fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung verdienen
die Menschen bei uns noch deutlich weniger
als im Westen. Das von unserer Heimatzeitung
neuerdings öfter beauftragte Forschungsinstitut
Insa könnte ja mal versuchen herauszubekommen,
ob das nicht nur für die Löhne, sondern auch für
die Qualität der ostdeutschen Bürgermeister gilt.
Der große Staatenlenker und polit-intellektuelle
Universalist Donald Trump stellte den Rolling Stones
Titel „You Can‘t Always Get What You Want“
an den Beginn vieler seiner Wahlkampf-Veranstaltungen.
Dieses weltberühmte Motto haben viele
Chemnitzer so interpretiert, dass sich die Beteiligung
an einer Kommunalwahl sowieso nicht lohnt.
Nur knapp die Hälfte der Wahlberechtigten hatte
am Abstimmungstag ihre Stimme abgegeben. Da
im ersten Wahlgang keiner der OB-Kandidaten die
absolute Mehrheit erzielte, findet am 11. Oktober
ein weiterer Urnengang statt. Zu befürchten ist,
dass die Abstimmungsbeteiligung noch einmal
schrumpft. Vielen Chemnitzern ist ziemlich egal,
wer ihre Stadt regiert und repräsentiert. Diese
Mitbürger haben am Wahltag Fußwege gefegt,
waren in ihrem Garten Kürbisse ernten oder sind
im Bett geblieben.
Das ist natürlich ihr gutes Recht, sie dürfen sich
nur nicht übermäßig beschweren, wenn ab Oktober
an der Stadtspitze eine Person steht, die ihnen
nicht optimal geeignet erscheint. Vielleicht müssen
die Chemnitzer damit leben, dass das AJZ in ein
katholisches Umerziehungsheim, eine gigantische
Sparbüchse oder eine Kathedrale der staubtrockenen
Vernunft verwandelt wird. Vielleicht regiert
künftig in unserer Stadt
ein allwissender Oberlehrer
mit populistischer
Schlagseite. Möglicherweise
bekommt
die Stadt einen auch
in Krisenzeiten hörund
sichtbaren Kulturbürgermeister
oder gar
einen akzeptablen Fernbahnanschluss
und eine
pulsierende Innenstadt.
Eventuell verwandelt
sich Chemnitz in eine
ausländerfreie, russische
Exklave ohne Merkelmasken und Hygienegebote.
Unser künftiges Stadtoberhaupt könnte
schon einige wichtige Leitlinien und Zukunftsperspektiven
für die Stadt eröffnen.
Zugegeben, liebe Nichtwähler, der bisherige Wahlkampf
war sehr öde, überall wurden Gräben zugeschüttet,
sich die Hände gereicht und auf Augenhöhe
begegnet. Ordnung und Sicherheit, Wirtschaft
und Verkehr waren die dominierenden Themen. Bei
einer öffentlichen Vorstellungsrunde schwärmten
die anwesenden OB-Kandidaten von einer „Akzeptanz
des Scheiterns“, adressiert an die versammelten
Vertreter der Kreativwirtschaft. Die Zuhörer
konnten allerdings den Eindruck bekommen, dass
die Bürgermeister-Anwärter ihre eigenen Ambitionen
auf das höchste Amt der Stadt meinen könnten.
Vielleicht war das aber auch nur raffinierte Taktik,
um die Konkurrenz einzuschläfern, und unser
künftiges Stadtoberhaupt überrascht im Amt die
Chemnitzer, Deutschland und ganz Europa mit
einem Feuerwerk innovativer Ideen und Visionen.
So einen Bürgermeister hätten fünfzig Prozent der
Einwohner verdient, die andere Hälfte der Bürgerschaft
darf gern die Kommunalpolitik ignorieren
und sich ausschließlich mit sich selbst, Urlaubsplanungen
und Gartenbau beschäftigen.
i
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