Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
12 Die Erde Die Erde 13<br />
Schön ist die Erde!<br />
Erhebend das Wissen, auf ihrer Fläche zu<br />
stehen,<br />
und nichts kann erniedrigen das hohe<br />
Gefühl meiner Seele,<br />
in einem Menschen zu wohnen.<br />
Alfons Petzold<br />
I<br />
m dritten Teil unserer Elementereihe<br />
nähern wir uns dem Element Erde.<br />
Wenn wir von der Erde sprechen, meinen<br />
wir oft ganz verschiedene Dinge, zum Beispiel<br />
entweder den Planeten mit seiner astronomischen<br />
Bedeutung oder die Erde als<br />
mehr oder weniger fruchtbares Land. Das<br />
Wort Erde kann so vieles umfassen, wir verbinden<br />
es mit Heimat, den materiellen Dingen,<br />
unserem Körper, aber manchmal auch<br />
mit einem Wesen, welches es zu schützen<br />
gilt oder welches für uns der Inbegriff des<br />
Mütterlichen, also der Herkunft, ist. Besonders<br />
im spirituellen Bereich gilt die Erde<br />
manchmal als Grenze, um nicht zu sagen als<br />
Gefängnis, aus dem der Irdische erlöst werden<br />
kann und muss. Wir alle sind Kinder der<br />
Erde, wir werden auf ihr, aus ihr geboren, sie<br />
gibt uns unseren Lebensraum, nährt uns,<br />
schützt uns, sie ist versorgend, gibt uns Kraft<br />
und Stabilität und Festigkeit.<br />
Ebenso vielschichtig wie die Bedeutung des<br />
Begriffes Erde ist unser faktischer Umgang<br />
mit derselben. Wir vergiften sie, treiben<br />
Raubbau, verhalten uns, als hätten wir mehrere<br />
Planeten als Lebensraum zur Auswahl,<br />
um sie wenig später zu küssen, zu segnen<br />
und als leibhaftige Göttin wahrzunehmen.<br />
Fast erinnert mich diese Ambivalenz an einen<br />
Mutterkomplex und wahrscheinlich ist<br />
der Vergleich gar nicht so weit hergeholt.<br />
Aber kommen wir zu den Fakten.<br />
Gehen wir von dem Planeten Erde aus, stellen<br />
wir recht schnell fest, dass gerade hier<br />
die anderen Elemente nicht nur vertreten<br />
sind, sondern miteinander interagieren und<br />
erst auf diese Weise die Erde bewohnbar<br />
machen. Circa 70% unseres Planeten bestehen<br />
aus Wasser und die aus mehreren<br />
Schichten bestehende Atmosphäre ist etwa<br />
640 km hoch. Aber nicht nur Wasser und<br />
Luft, sondern auch die Kraft des Feuers wirkt<br />
auf der Erde. Der Erdkern hat eine Temperatur<br />
von 6700°C und ist damit wärmer als die<br />
Oberfläche der feurigen Sonne, deren Einfluss<br />
auf die Erde bekanntermaßen von existentieller<br />
Bedeutung ist.<br />
Wenn wir allerdings von der fruchtbaren Erde<br />
als Mutter allen Lebens sprechen, dann<br />
geht es in der Regel um den obersten Teil der<br />
Erdkruste, welcher auch als Erdreich oder<br />
Erdboden bekannt ist. Das ist der Teil des<br />
Planeten, auf dem der Kreislauf der Lebendigen<br />
stattfindet, es ist die nährende, schützende,<br />
sich wandelnde und den Jahreszeiten<br />
unterliegende Oberfläche dessen, was man in<br />
seiner Gesamtheit die Erde nennt.<br />
Nach unserem westlichen Vier-Elemente-<br />
System, welches übrigens seit etwa dem 5.<br />
Jahrhundert v.u.Z. aus Griechenland kommend,<br />
immer weiter entwickelt wurde, gilt<br />
die Erde als ein passives Element. Ihr werden<br />
die Tierkreiszeichen Steinbock, Jungfrau und<br />
Stier zugeordnet, ihre Wesen sind die Gnome,<br />
ihre Farbe ist schwarz und Plato schreibt<br />
ihr Dunkelheit, Dichte und Ruhe zu.<br />
Agrippa von Nettesheim schwärmt von der<br />
Erde, dass sie Basis und Grundlage aller<br />
Elemente sei und in sich die Samen und<br />
Samenkräfte aller Dinge enthalte. Und weiter<br />
meint er: "Sie nimmt alle befruchtenden<br />
Die Elemente<br />
Die Erde<br />
Kräfte in sich auf und ist gleichsam erste<br />
Gebärerin, der Mittelpunkt, das Fundament<br />
und die Mutter von allem." Er nennt die Erde<br />
den ersten "[...]Stoff unserer Schöpfung und<br />
die echteste Medizin unserer<br />
Wiederherstellung und Erhaltung."<br />
Die Erde besetzt im magischen Kreis die<br />
Stelle des Winters, des Norden und der<br />
Mitternacht. Das begründet sich durch den<br />
geografischen Hintergrund Griechenlands,<br />
nördlich von Griechenland befindet sich<br />
Land, also Erde. Dort soll auch das<br />
sagenumwobene Hyperborea gelegen haben.<br />
Davon heißt es, dass die Sonne immer<br />
scheint und der Lichtgott Apollon den<br />
Winter dort verbringt. Hyperborea bedeutet<br />
jenseits des Nördlichen und ist damit eine<br />
beinahe paradiesische Verheißung nach der<br />
Überwindung der Finsternis und des Winters.<br />
Genau das birgt auch das Element Erde in<br />
sich.<br />
Wenn wir im Jahreskreis den nördlichsten<br />
Punkt erreicht haben, dann verbinden das<br />
viele Heiden mit Mittwinter, dem Zeitpunkt<br />
der tiefsten Dunkelheit, des Ruhens der Vegetation<br />
und dem Rückzug auf das eigene<br />
Innere. Und genau an diesem Punkt der Wintersonnenwende<br />
kehrt der Gott des Lichts,<br />
wiedergeboren und zunächst kaum mehr als<br />
eine Ahnung von Leben, zurück und verspricht<br />
damit auch die Rückkehr von Blatt<br />
und Blüte und Frucht. In diesem jahreszeitlichen<br />
Zusammenhang wird die Interaktion<br />
zwischen den Elementen besonders deutlich.<br />
Da ist es naheliegend, dass selbst im kabbalistischen<br />
Lebensbaum die Sephirah der<br />
höchsten Verdichtung der Materie, nämlich<br />
Malkuth, die Vereinigung aller Elemente beinhaltet<br />
und dazu mit dem Planeten Erde in<br />
Verbindung gebracht wird.<br />
Vielleicht kann man in diesem Zusammenhang<br />
auch die Frage nach der Gewichtung<br />
des Nordaltars bei manchen magischen<br />
Gruppierungen beantworten: Nur auf der Erde<br />
können wir Menschen den anderen Elementen<br />
begegnen und anders ausgedrückt<br />
kann man sagen, dass die Erde - unser Körper<br />
- das Gefäß ist, welches den Geist und<br />
die Seele und den Willen vereint.<br />
Es erübrigt sich hoffentlich anzumerken,<br />
dass man als Hexe weder dem irdischen Leben<br />
entfliehen noch dieses als Sünde betrachten<br />
sollte. Unsere Körper, unser Leben und<br />
unser bewohnter Planet sind großartige Geschenke,<br />
die es zu ehren und zu feiern gilt.<br />
Wir verbinden mit der Erde den Tastsinn,<br />
Pflanzen, Tiere, Steine, Felsen, Höhlen, die<br />
Materie - alle materiellen Dinge sind die<br />
Einflussbereiche des Elements. Die Erdkräfte<br />
beinhalten Wachstum und Fruchtbarkeit,<br />
aber auch das Vergehen und den Tod.<br />
Im Kosmos unseres Körpers werden der Erde<br />
die Knochen zugeordnet, ihre Stabilität und<br />
Festigkeit sind das Fundament, welches uns<br />
die notwendige Stärke gibt.<br />
Die Erde beschert uns die Erfahrung von fester<br />
Materie, Form und Substanz. Sie ist das<br />
Element der Erfahrung, das Element von<br />
Geburt und Tod. Wenn wir uns damit beschäftigen,<br />
wird uns der ewige Kreislauf von<br />
unaufhörlichem Wachsen, Reifen und Vergehen<br />
des Lebens in aller Deutlichkeit bewusst<br />
gemacht.<br />
Als Beispiel für Götter des Lebens und der<br />
Fruchtbarkeit sei hier der keltische Gott<br />
Cernunnos genannt. Sein Hirschgeweih<br />
repräsentiert die Wachstumskräfte. Er lässt