STADTMAGAZIN Bremen November 2020
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THEATER<br />
Nebenfiguren im Fokus<br />
Aus der Feder von Tim Crouch / Bremer Shakespeare Company präsentiert drei Einakter<br />
Sie sind unverzichtbar für die Handlungsstränge und stehen<br />
dennoch im Schatten der Protagonisten: die Randcharaktere.<br />
Der britische Autor Tim Crouch hat einen Perspektivwechsel<br />
gewagt und die Nebenfiguren großer Shakespeare-Dramen<br />
als Hauptakteure in den Mittelpunkt der Bühne gestellt.<br />
Herausgekommen sind Monologe, in denen diese Charaktere das<br />
Stück aus ihrer Sicht durchleben und erzählen, und die zugleich<br />
die eigenen Persönlichkeiten schärfen. Crouchs Ansicht, dass sich<br />
in den Nebenfiguren ebenso Shakespeares Ideenreichtum widerspiegelt<br />
wie in den Hauptrollen, teilt auch die Bremer Shakespeare<br />
Company. Das Theater in der Neustadt bringt aus diesem Grund<br />
drei der Monologe als deutsche Erstaufführungen auf die Bühnen,<br />
in denen Regie und Schauspiel allein in den Händen der Ensemblemitglieder<br />
liegen.<br />
Zunächst feiert „Ich, Caliban“ am 5. <strong>November</strong> Premiere und<br />
interpretiert die Geschichte von „Der Sturm“ , aus der Sicht des<br />
Sklaven Caliban neu. Der Monolog „Ich, Cinna“ – zu sehen ab 6.<br />
<strong>November</strong> – widmet sich dagegen dem gleichnamigen Dichter aus<br />
dem Drama „Julius Caesar“. Eingeschlossen in seinem Zimmer, bedrängt<br />
von den flimmernden Bildern von Rebellion und Revolution<br />
auf einem alten Fernseher, reflektiert Cinna über Macht und<br />
Verantwortung der Sprache. Der Monolog soll dabei eine Brücke<br />
schlagen vom Shakespeareschen Rom-Drama zu den politischen<br />
Aufständen und Aufbrüchen unserer Zeit. In „Ich, Malvolio“ benutzt<br />
Tim Crouch die Irrungen und Wirrungen aus „Was ihr wollt“,<br />
um mit der eitlen Figur Malvolio die Empathiefähigkeit des Publikums<br />
auf die Probe zu stellen. Die Premiere ist am 19. <strong>November</strong>.<br />
Alle drei Stücke werden als Einakter aufgeführt. (JF)<br />
Sofie Alice Miller steht in „Ich, Caliban“ auf der Bühne.<br />
<br />
Foto: Marianne Menke<br />
Nähere Informationen zu den Spielzeiten gibt esim Internet unter:<br />
www.shakespeare-company.com.<br />
48<br />
Zugehörigkeit und Heimat<br />
„Mutter Vater Land“: Fiktionaler Abriss der deutschtürkischen<br />
Beziehungsgeschichte im Theater <strong>Bremen</strong><br />
„Wenn in Deutschland über Türken gesprochen wird, sind es nie<br />
die, die ich kenne. Vielleicht sollte ich weniger darauf geben, was<br />
die Leute von mir denken, aber ich möchte nicht, dass die Leute<br />
denken, Türken seien Idioten, bildungsferne Deppen oder ultraorthodoxe<br />
Landeier, die gibt es, aber ich kenne sie nicht.“ So lautet<br />
ein Auszug aus dem neuen Stück „Mutter Vater Land“, das Anfang<br />
<strong>November</strong> Premiere im Theater <strong>Bremen</strong> feiert und zugleich symbolisch<br />
für den Inhalt steht.<br />
Wenn das Wort „Türke“ selbst für die aus Breslau stammende<br />
Großmutter, die mit einem Istanbuler verheiratet ist, ein Schimpfwort<br />
bleibt, wie fühlt man sich dann als 3. Generation einer eingewanderten<br />
Familie? Dieser Frage geht Autor Akın Emanuel<br />
Şipal nach und erzählt in „Mutter Vater Land“ die Geschichte<br />
einer deutsch-türkischen Künstlerfamilie zwischen Istanbul und<br />
Wanne-Eickel, Adana und Gelsenkirchen. In den Diskursen um<br />
Zugehörigkeit und Heimat prallen vier Generationen aufeinander:<br />
mit unterschiedlichen Sorgen, Ängsten, Vorurteilen und<br />
Erfahrungen. (SM)<br />
Premiere: Freitag, 6. <strong>November</strong>, Kleines Haus, 20 Uhr<br />
Foto: Jörg Landsberg