23.11.2020 Aufrufe

Journalistische Verantwortung in der digitalen Gesellschaft

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

n FAKE NEWS

Frank-Walter Steinmeier verfassungsrechtliche

Bedenken gegen das neue Gesetz. Das

Bundesverfassungsgericht hatte Zugriffsrechte

des Bundeskriminalamts (BKA) für

verfassungswidrig erklärt.

Was sie alle eint, ist die

angebliche Bedrohung der

eigenen Meinung

Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten

Walter Lübcke und dem

antisemitischen Terroranschlag in Halle ist

man in der Bundesrepublik endlich auch

auf dem rechten Auge nicht mehr blind.

Verfassungsrichter loten die Grenze des

Sagbaren im Netz aus, grundsätzlich gewähren

sie der Meinungsfreiheit eine breite

Basis. Aber: Sie genieße nicht automatisch

Vorfahrt vor dem Schutz des Persönlichkeitsrechts.

Das Bundesverfassungsgericht

hatte das Urteil des

Landgerichts Stuttgarts, in dem

ein Mann, der das Sorgerecht für

seine Tochter 2012 verloren hatte

und daraufhin einen Feldzug gegen

die Justiz im Internet antrat.

Hervorgehoben hatten die Verfassungsrichter,

das Internet könne ein „die ehrbeeinträchtigende

Wirkung einer Äußerung verstärkendes

Medium sein“. Und Wut könne

keine Entschuldigung dafür sein. Im Gegenteil:

Bei schriftlichen Äußerungen sei ein

höheres Maß an Zurückhaltung zu erwarten.

Das gelte auch in den sozialen Netzwerken.

Heribert Prantl meint in seinem Kommentar,

dass die Justiz mit dem Beleidigungsrecht

zu unseriös umgehe, die Justiz

behandle gar „Straftaten gegen die Ehre

wie Larifari-Strafrecht“. Siehe hier das Beispiel

von Renate Künast. Die rechtsextreme

Szene freue sich, wenn die Beleidigung

in den klassischen Medien widergegeben

werde, dann aber weder verfolgt oder gar

für straflos erklärt werde. Die Rechtsprechung

habe die Beleidigung öffentlicher

Figuren im Internet faktisch entkriminalisiert.

Prantl fordert, Karlsruhe solle eine

neue Leitentscheidung erarbeiten, die „den

Schutzgegenstand des Beleidigungsrechts

neu“ bestimme.

Sind Fake News eine neue Erfindung? /

Gruppenzugehörigkeit übertrumpft

Wahrheit

Ängste haben Menschen schon immer

umgetrieben. Das ist keine Erfindung der

Neuzeit. Zur Zeit der Pandemie durch das

Corona-Virus ist jedoch deutlich spürbar,

wie sehr viele Menschen unter besonderem

Druck stehen. Sehr viele erleben die

Folgen hautnah, sei es den Verlust des Jobs

oder auch „nur“ das Fehlen des bisherigen

VERSCHWÖ-

RUNG

28

Lebens. Der sichere Alltag ist für alle verschwunden,

aber einige Menschen haben

damit besonders zu kämpfen. Vielen fehlen

die eigenen Perspektiven. Da wundert

es nicht, dass so viele in andere Welten

flüchten. Die Geschichten von entführten

Kindern, Hinterzimmer-Politikern sind tief

im kollektiven Bewusstsein. Theorien, die

Erklärungen für Unerklärliches suchen und

finden, gab es schon immer. Es gibt sie im

linken genauso wie im rechten Spektrum,

immer mehr aber kommen sie auch in der

Mitte der Gesellschaft an. Und da wird es

umso gefährlicher.

Appelle, mit Nazis nicht gemeinsame

Sache zu machen, laufen ins Leere. Wer an

Übermächtiges glaubt, für den sind Nazis

keine Feinde, sondern Verbündete. Was sie

alle eint, ist die angebliche Bedrohung der

eigenen Meinung. Deswegen sind es diese

für uns so unglaublichen Bilder des zuvor

schier Unglaublichen (Reichsflaggen neben

amerikanischen oder russischen, der Hippe

neben dem Nazi), die aus Sicht der Demonstranten

Anfang August 2020 in Berlin

völlig normal sind.

Verschwörungen gehen von drei Grundannahmen

aus: Nichts geschieht zufällig,

nichts ist, wie es scheint und alles ist mit

allem verbunden. Dann wird etwas behauptet

und vor allem: Es muss ein Schuldiger

her. Auf diesen fokussieren sich dann alle,

die an die Verschwörung glauben. Schließlich

haben sie ein gemeinsames Feindbild.

Das stärkt sie in der Gruppe. Und sie heben

sich ab vom „gemeinen“ Volk, weil sie

mehr als die anderen wissen. Gruppenzugehörigkeit

übertrumpft Wahrheit.

29

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!