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EDUCATION 5.20

Alt und Jung

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Volksschule | Ecole obligatoire<br />

Kompetenzraster<br />

WAS MUSS ICH FÜR<br />

WELCHEN BERUF KÖNNEN?<br />

Theodora Peter<br />

Fotos: Pia Neuenschwander<br />

Ein Kompetenzraster mit Musteraufgaben ermöglicht es Schülerinnen<br />

und Schülern an der Oberstufe, sich in den Fächern<br />

Deutsch und Mathematik gezielt auf ihren Wunschberuf vorzubereiten.<br />

Erste Erfahrungen mit dem 2019 eingeführten Instrument<br />

sind positiv. Eine Berufsberatung ersetzt es aber nicht.<br />

Von der Agrarpraktikerin bis zum Zimmermann: Im online abrufbaren<br />

Kompetenzraster (siehe Link am Textende) figurieren über<br />

130 Berufe, die sich im Kanton Bern erlernen lassen. Anklicken<br />

lassen sich auch die Anforderungsprofile für die Berufsmaturitäten.<br />

Das Kompetenzraster umfasst die Fächer Deutsch und Mathematik<br />

und definiert für jeden Lerninhalt vier bis fünf Schwierigkeitsgrade<br />

– von «Basis-Anforderungen» bis hin zu «hohen<br />

Anforderungen». Ein fiktives Beispiel: Die Schülerin Sonja Muster<br />

möchte Drogistin EFZ werden. Nach dem Anklicken des Wunschberufs<br />

erscheinen diejenigen Kompetenzen grün hinterlegt, die<br />

für die Berufslehre der Drogistin gefordert sind. So sind in Mathematik<br />

höchste Anforderungen beim Erfassen, Bestimmen und<br />

Vergleichen von Grössen und Massen nötig. Im Fach Deutsch<br />

wiederum ist für angehende Drogistinnen unter anderem die Fähigkeit<br />

gefragt, sich an einem Gespräch mit unterschiedlichen<br />

Menschen eigenständig beteiligen zu können. Jeder Kompetenz,<br />

die im Raster aufgelistet wird, sind wiederum Aufgaben hinterlegt.<br />

Diese lassen sich per Knopfdruck abrufen, downloaden und ausdrucken<br />

– inklusive Lösungen und Glossar.<br />

Einsatz im Berufswahlprozess<br />

Aufgeschaltet und einsatzbereit ist die Liste seit dem Sommer<br />

2019. An der Entwicklung des Kompetenzrasters mitgearbeitet<br />

hat Denise Schürch, Lehrerin in Frutigen und Mitglied der Fachkommission<br />

Deutsch. «Es war eine grosse Herausforderung, das<br />

alltägliche Kommunikationsmittel Sprache mit all seinen Anforderungen<br />

in ein Raster zu pressen», sagt Denise Schürch. Für<br />

gewisse Kompetenzen wie flüssiges Schreiben sei es kaum möglich,<br />

Übungen zu hinterlegen. Von den sechs im Lehrplan 21<br />

vorge sehenen Bereichen wurden im Raster Deutsch schliesslich<br />

vier Bereiche erfasst. Denise Schürch hat das neue Instrument<br />

während der Pilotphase mit einer 9. Sekundarschulklasse getestet<br />

und dabei grundsätzlich gute Erfahrungen gemacht. Die Schülerinnen<br />

und Schüler – die schon eine Anschlusslösung hatten –<br />

nutzten vor allem die Übungen zu Vortragskompetenzen.<br />

Denise Schürch blickt nun gespannt auf einen ersten Einsatz<br />

des Instrumentes mit ihrer jetzigen Realklasse. Einführen will<br />

die Oberstufenlehrerin das Kompetenzraster im Rahmen des<br />

Berufswahlprozesses im 8. Schuljahr. «Sobald die Jugendlichen<br />

ihre Berufswahl konkretisieren, steigt auch die Motivation, das<br />

Raster zu nutzen.» Das Instrument ersetze aber weder eine<br />

Berufsberatung noch die Einschätzung der Lehrperson, betont<br />

sie. «Wenn ein Schüler einen Pflegeberuf ergreifen möchte, und<br />

ich beobachte, dass er im Werkunterricht bei der kleinsten Verletzung<br />

kein Blut sehen kann, dann rate ich von vornherein<br />

von diesem Berufswunsch ab.» Insofern sei das Kompetenzraster<br />

ein ergänzendes Hilfsmittel, «es sagt mir aber nicht, welchen<br />

Beruf ich ergreifen soll», betont Denise Schürch.<br />

Auch bei den Eltern gefragt<br />

Lehrer Manuel Kappeler, der an der Oberstufe in Hünibach unterrichtet,<br />

hat das Kompetenzraster Mathematik bereits in mehreren<br />

Klassen erprobt und dabei ebenfalls positive Erfahrungen<br />

gemacht. Wichtig sei es, einen guten Einstieg zu finden. Er nutzt<br />

dazu die im Lehrplan 21 vorgesehenen Lektionen für die «Individuelle<br />

Vertiefung und Erweiterung (IVE)», die im 8. und 9. Schuljahr<br />

vorgesehen sind. Das Unterrichtsgefäss ermöglicht den<br />

Schülerinnen und Schülern, in den Fachbereichen Sprachen und<br />

Mathematik individuelle Schwerpunkte zu setzen – zur Vertiefung<br />

von Grundansprüchen sowie zur Erweiterung der Kom petenzen.<br />

Auch er stellt fest, «dass die Motivation dann hoch ist, wenn die<br />

Schülerinnen und Schüler konkret an etwas arbeiten, das in ihrer<br />

Berufsausbildung gefragt sein wird». Einziger Nachteil des Kompetenzrasters<br />

sei, dass es derart umfassend sei, «dass sich die<br />

Schülerinnen und Schüler darin verlieren können». Wer beim Beispiel<br />

der Drogistin sämtliche Mathematik- und Deutschaufgaben<br />

generiert, kommt rasch auf einen Umfang von mehreren Hundert<br />

Seiten. Laut Manuel Kappeler arbeiten die Schülerinnen und<br />

Schüler mitunter sechs bis sieben Wochen an den Aufgabenserien.<br />

Gut am Instrument findet der Mathematiklehrer, dass andere<br />

Aufgaben gestellt werden als diejenigen, die die Schülerinnen<br />

und Schüler aus dem Lehrmittel kennen. Das biete<br />

Abwechslung, bedinge Flexibilität und bereite die Jugendlichen<br />

auf ein neues Umfeld vor. «Die Aufgaben gehen aber nie über den<br />

Stoff hinaus, den sie gelernt haben.» Geschätzt werde das Kompetenzraster<br />

auch von den Eltern, stellt Manuel Kappeler fest. Sie<br />

könnten sich so selbst ein Bild machen, welche Kom petenzen in<br />

einem Beruf gefragt seien. Zwar sind alle Aufgaben und Lösungen<br />

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