DIALOG Heft 12 - Was bedeutet Meinungsfreiheit?
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»Es steht glänzend um die <strong>Meinungsfreiheit</strong> in Deutschland«<br />
Impulsvortrag von Dr. Heinrich Wefing, Journalist und Autor (DIE ZEIT)<br />
Herr Präsident! Vielen Dank für die<br />
Einladung. Ich freue mich in der Tat<br />
auch sehr. Mich verbindet mit diesem<br />
Gebäude etwas, das schon lange her<br />
ist, ein anderes Leben als Architekturkritiker.<br />
Auch von mir nur ein paar kurze Bemerkungen<br />
vorweg. Ich glaube, ich muss<br />
den Kollegen Fleischhauer enttäuschen.<br />
Zu etwa drei Vierteln würde ich<br />
ihm zustimmen, aber wir bekommen<br />
hinterher sicher trotzdem eine spannende<br />
Diskussion hin. Ich glaube,<br />
da werden auch »Feindbilder« aufgebaut,<br />
die man sich ein bisschen<br />
genauer ansehen sollte.<br />
Als Jurist würde ich mit Ihnen gern kurz<br />
gemeinsam einen Schritt zurücktreten<br />
und noch einmal fragen, warum eigentlich<br />
die <strong>Meinungsfreiheit</strong> geschützt wird.<br />
Das steht ja im Grundgesetz, Artikel 5,<br />
aber warum ist das eigentlich so? Es<br />
gibt, wenn Sie so wollen, einen moralischen<br />
oder fundamentalen Grund, und<br />
der hat mit der Würde des Menschen zu<br />
tun. Wir können uns schlicht ein Leben<br />
in Würde nicht vorstellen, wenn ein<br />
Mensch nicht in der Lage ist, seine Gedanken<br />
frei zu äußern, frei von Angst<br />
und Sorge vor Strafe, Repressalien,<br />
frei von der Angst um seine Freunde,<br />
seine Familie. Das ist das ganz Fundamentale.<br />
Das leuchtet auch jedem<br />
unmittelbar ein.<br />
Dann gibt es den historischen Grund.<br />
Die <strong>Meinungsfreiheit</strong> ist ein Schutz<br />
des Bürgers und der Bürgerin gegen<br />
den Staat, gegen die Macht, gegen<br />
»die da oben«, gegen den Kaiser, den<br />
König, den Bischof oder wer auch immer<br />
Macht in einem System hat. Dafür<br />
haben die Bürgerinnen und Bürger 200,<br />
300 Jahre lang gekämpft. Sie haben<br />
dafür gekämpft, dass sie vor ihren<br />
König oder dessen Beamte treten<br />
und sagen können: »Das ist Quatsch,<br />
was du uns sagst. Ich folge dieser Anweisung<br />
nicht.« Das ist das Verhältnis<br />
zwischen dem Oben und dem Unten.<br />
Da schützt die <strong>Meinungsfreiheit</strong> den<br />
Kleinen unten gegen den Starken oben.<br />
Ich glaube, das ist nicht mehr unser<br />
Problem, da sind wir jetzt gerade in<br />
einer neuen Situation. Aber dazu sage<br />
ich gleich noch etwas.<br />
Der dritte Punkt ist das wirklich Entscheidende<br />
in unserem Zusammenhang:<br />
Die <strong>Meinungsfreiheit</strong> wird geschützt,<br />
weil sie, wie die Karlsruher<br />
Richter des Bundesverfassungsgerichts<br />
sagen, »schlechthin konstitutiv für<br />
die Demokratie« ist. Man kann sich<br />
die Demokratie ohne sie überhaupt<br />
nicht vorstellen. Es gibt keine Demokratie<br />
ohne den freien Austausch von<br />
Meinungen. Auch dahinter steht die<br />
Idee, dass ein Austausch von Argumenten,<br />
von Kritik, dass ein Zuhören und<br />
ein sich Testen durch Gegenrede, uns<br />
insgesamt zu besseren Ergebnissen<br />
führen. Dass ich kritisiert werden<br />
kann, dass ich herausgefordert werden<br />
kann – jetzt gleich von Jan Fleischhauer<br />
und dann nachher auch von Ihnen.<br />
Dann komme ich, weil die Argumente<br />
von Jan Fleischhauer so stark sind,<br />
am Ende zu dem Ergebnis, dass ich<br />
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