DIALOG Heft 12 - Was bedeutet Meinungsfreiheit?
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Vertrauen in euch, weil ihr auch diese<br />
Leute zu Wort kommen lasst!«. Das ist<br />
jetzt erst mal nur eine Schilderung der<br />
Realität, die ich im Redaktionsalltag<br />
wahrnehme. Ist das perfekt? Ist die<br />
<strong>Meinungsfreiheit</strong> in Deutschland irgendwie<br />
super vorbildlich? Nein, die Demokratie<br />
ist immer fehlerhaft, durcheinander,<br />
nervös, fragil. Wir wursteln uns da<br />
durch. Aber was die <strong>Meinungsfreiheit</strong><br />
angeht, diese <strong>Meinungsfreiheit</strong>, die ich<br />
versucht habe zu beschreiben, ich glaube,<br />
um die steht es nicht so schlecht.<br />
Anne Hähnig (Moderation): Eine Frage<br />
schaffen wir noch. Möchte noch jemand?<br />
Fragestellerin: Wo verläuft bei Ihnen<br />
die Grenze der <strong>Meinungsfreiheit</strong>? Sie<br />
haben gerade gesagt, Holocaust-Leugner<br />
kommen bei Ihnen nicht zu Wort. Gibt<br />
es noch andere Grenzen, wo Sie sagen,<br />
das kommt bei uns nicht vor?<br />
Anne Hähnig (Moderation): Tabus! <strong>Was</strong><br />
sind die Tabus, über die man nicht reden<br />
sollte oder jedenfalls nicht auf eine<br />
bestimmte Art?<br />
Dr. Heinrich Wefing: Wir haben keine<br />
Liste, die ich Ihnen jetzt vortragen könnte.<br />
Und Holocaust-Leugner habe ich jetzt<br />
mal aus dem Bauch heraus gesagt. Da<br />
wäre auch die Mehrheit der Redaktion<br />
relativ eindeutig. Das machen wir einfach<br />
nicht. Ein anderes konkretes Beispiel<br />
habe ich für Sie: Die Kollegen vom<br />
STERN haben vor Kurzem eine ganze<br />
Ausgabe an die Bewegung »Fridays for<br />
Future« abgegeben. Die Aktivisten durften<br />
die redaktionelle Gestaltung übernehmen.<br />
Laut der STERN-Chefredakteure<br />
sind sie selbst in der Klimafrage keine<br />
unabhängigen Journalisten mehr, sondern<br />
Partei. Sie müssten mit den Aktivisten<br />
an einem Strang ziehen und das<br />
Blatt von ihnen gestalten lassen. Bei<br />
uns gab es dazu eine Diskussion. Ich<br />
kann mich an keinen Beitrag erinnern,<br />
der etwas anderes gesagt hätte, als<br />
dass das für uns nicht infrage kommt.<br />
Wir geben unsere journalistische Unab-<br />
hängigkeit nicht in die Hände von anderen.<br />
Ob das nun Klimaaktivisten sind,<br />
oder ob das Audi ist, oder ob das der<br />
sächsische Landtagspräsident ist. Die<br />
Redaktionshoheit geben wir nicht aus<br />
der Hand. Das ist in der Tat ein Tabu.<br />
Das machen wir nicht.<br />
Anne Hähnig (Moderation): Wo verläuft<br />
bei Ihnen die Grenze des Sagbaren,<br />
Herr Fleischhauer?<br />
Jan Fleischhauer: Sagbar ist immer alles,<br />
die Frage ist, ob das anschließend<br />
bestraft wird? Ein Interview ist ja eine<br />
besondere Form. Auch DIE ZEIT würde<br />
mit einem Holocaust-Leugner ein Interview<br />
führen, wenn es Baschar al-Assad<br />
oder ein anderer arabischer Potentat<br />
wäre. Die sind ja faktisch alle Holocaust-<br />
Leugner. Bei denen kommen Sie nicht<br />
drum herum! Ein Regierungschef oder<br />
ein Massenmörder, der so wichtig auf<br />
der Weltbühne ist, dass wenn Sie die<br />
Gelegenheit hätten mit dem zu reden,<br />
Sie kaum sagen würden, wir reden jetzt<br />
| 44 | Podiumsdiskussion