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DIALOG Heft 12 - Was bedeutet Meinungsfreiheit?

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den Eindruck gab, dass es in dieser<br />

Frage zu wenig Kritik gab und dass es<br />

zu wenig Andockstationen für die Kritik<br />

gab. Ich glaube, das war ein Problem in<br />

den Medien, das war aus meiner Sicht<br />

noch mehr ein Problem in den Parteien,<br />

dass es 2015/2016 im Grunde keine<br />

Partei im Bundestag gab, an die man<br />

sich wenden konnte, wenn man Probleme<br />

mit dem massenhaften Zuzug<br />

von Flüchtlingen und Migranten hatte.<br />

Das ist der Entstehungsgrund für die<br />

AfD gewesen bzw. für deren Wiederaufleben.<br />

Dass Teile der Wahrheit nicht berichtet<br />

werden, dazu müssten wir dann konkret<br />

werden. Es gibt immer eine Auswahl,<br />

natürlich fallen viele Dinge weg,<br />

aber die Behauptungen, dass es ein<br />

systembedingtes bewusstes Weglassen<br />

von Teilen der Wahrheit gibt oder dass<br />

wir Journalistenschüler nur unter der<br />

Bedingung einstellen, dass sie bestimmte<br />

Dinge nicht recherchieren und<br />

schreiben, das ist nicht wahr.<br />

Jan Fleischhauer: Er darf ja sein Blatt<br />

nicht loben, deshalb mache ich das<br />

jetzt einmal. Ich finde, dass man in der<br />

ZEIT das Bemühen merkt, dass beide<br />

Seiten vorkommen. Das geht hier auch<br />

sehr stark von der Chefredaktion aus,<br />

von Giovanni di Lorenzo. Ich kenne<br />

auch eine Reihe von Kollegen, die nicht<br />

morgens aufwachen und fragen, wo<br />

sie jetzt bei den Grünen ihre Stimme<br />

abgeben können. In den verschiedenen<br />

Redaktionen, vor allem im Feuilleton,<br />

sind in der Regel ältere Kollegen, also<br />

Leute über 45. Und das ist jetzt die ganz<br />

schlechte Nachricht für Sie, weil Sie ja<br />

sagten, junge Menschen würden sich<br />

deshalb nicht für den Journalismus interessieren,<br />

weil ihnen zu sehr gesagt<br />

würde, wie sie denken sollen. Nein,<br />

es ist genau andersherum. Ich will es<br />

Ihnen erklären. Ich bin öfter auf Journalistenschulen.<br />

Ich war zuletzt im März<br />

bei der Hamburger Journalistenschule,<br />

also jener, von der ich komme. Die<br />

Leute, die dort sind, verlangen noch<br />

viel mehr Haltung. Da hatte ich eine<br />

harte Diskussion. Ich war eingeladen,<br />

mit dem neuesten Jahrgang der Hamburger<br />

Journalistenschule von Gruner +<br />

Jahr über Meinungsjournalismus zu diskutieren.<br />

Als Absolvent habe ich mich<br />

darüber sehr gefreut. Das sind immer<br />

so 18 Leute, also die Elite der Journalistenschüler,<br />

die dann über die Redaktionen<br />

verteilt werden. Nach diesen eineinhalb<br />

Stunden Diskussion sagte die<br />

Sekretärin, das habe sie noch nie erlebt,<br />

dass dem Referenten vorgeworfen<br />

wurde, er hätte nur Unsinn geredet.<br />

Die haben sich wahnsinnig an mir gerieben.<br />

Das Argument war immer: Ja,<br />

es stimmt alles, aber die Zeiten sind<br />

doch so ernst. Wenn wir nicht aufpassen,<br />

dann marschieren morgen wieder<br />

die braunen Horden durchs Brandenburger<br />

Tor. Jetzt müssen wir alle<br />

gemeinsam in den Kampf.<br />

Das ist nicht unsere Aufgabe als Journalisten,<br />

habe ich gesagt. Da hat sich der<br />

Streit entzündet, sozusagen Haltung<br />

vor Neugier, was ich für ein großes<br />

| 38 | Podiumsdiskussion

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