DIALOG Heft 12 - Was bedeutet Meinungsfreiheit?
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Jan Fleischhauer: Es kommt ein bisschen<br />
darauf an, ob Sie zu denjenigen gehören,<br />
die mitschubsen, oder ob Sie das<br />
Opfer sind. Nehmen wir einmal einen<br />
Fall aus Hessen. Der Chef der Hessischen<br />
Filmförderung, die jedes Jahr Millionen<br />
Euro über die Schauspielerinnen und<br />
Schauspieler, Regisseure usw. ausstreut,<br />
trifft sich zum Mittagessen mit dem Chef<br />
der größten Oppositionspartei im Deutschen<br />
Bundestag, Jörg Meuthen. Herr<br />
Meuthen stellt anschließend ein Foto<br />
dieses Mittagessens beim Italiener in<br />
Wiesbaden auf seine Facebook-Seite.<br />
Es vergehen zwei Wochen und dann<br />
heißt es, dieser Mann sei nicht mehr<br />
tragbar in seinem Amt. Es gibt keinerlei<br />
Äußerungen von Hans Joachim Mendig,<br />
so hieß dieser Funktionär, die vermuten<br />
lassen, er habe überhaupt auch nur in<br />
besonderer Weise mit der AfD sympathisiert<br />
oder irgendetwas Anstößiges<br />
gesagt. Es reicht dieses eine Foto, dass<br />
eine Unterschriftenliste in Gang gesetzt<br />
wird, an der sich am Ende 600 Menschen<br />
beteiligten. Das ist nicht mehr der Rand.<br />
Also Iris Berben ist für mich nicht der<br />
Rand in Deutschland, sondern die Mitte.<br />
Sie verlangt: Wir nehmen keine Filmförderung<br />
mehr an, solange dieser Mann<br />
Chef der Filmförderung ist. Ich hätte ja<br />
gesagt: Gott spart uns viel Geld. Aber<br />
das konnte das von den Grünen geleitete<br />
Ministerium so nicht sehen. Der Mann<br />
verlor seinen Job. Ich dachte, das ist<br />
Horror, das ist eigentlich ein irrer<br />
Vorgang. Das hat relativ klein, so im<br />
Feuilleton, so in Randnotizen eine Rolle<br />
gespielt. Das ist, wie soll man das<br />
nennen, Herr Mendig jedenfalls würde<br />
wohl von »Cancel Culture« reden. Der<br />
hat seinen Job aufgrund eines Fotos<br />
verloren. Wenn das Leute lesen, dann<br />
haben sie schon das Gefühl, da passieren<br />
unheimliche Dinge in Deutschland,<br />
wenn das möglich ist, und zwar im<br />
Grunde auch ohne Widerspruch. Ich<br />
glaube, es gab dann einen Kommentar<br />
in der FAZ, irgendwo im hinteren Teil<br />
des Feuilletons, der da sagte, das sei<br />
so nicht ganz in Ordnung. Das ist es<br />
dann aber auch schon gewesen.<br />
Anne Hähnig (Moderation): Ist das ein<br />
weit verbreitetes Phänomen, dass<br />
Leute ihre Jobs verlieren, weil sie mit<br />
der AfD Mittag gegessen haben?<br />
Jan Fleischhauer: Ich weiß nicht, ob<br />
das weit verbreitet ist, aber dieser Fall<br />
ist ein eindrücklicher Fall. Ich treffe<br />
mich ja auch oft mit Leuten, wo es dann<br />
heißt: Muss man sich eigentlich mit<br />
denen treffen? Ich sage ja, als Journalist<br />
ist es unsere Aufgabe, sich auch<br />
mit Leuten zu treffen, denen andere<br />
nicht einmal die Hand geben würden.<br />
Das macht übrigens meinen Beruf auch<br />
relativ interessant.<br />
Es heißt ja zudem oft, wer sitzt mit wem<br />
im Podium? Wenn sich mein Freund<br />
Jakob Augstein, der eine knalllinke<br />
Wochenzeitung vertreibt, auf Schloss<br />
Ettersburg bei Weimar mit Karlheinz<br />
Weißmann, einem der Vordenker der<br />
Neuen Rechten trifft, dann hat er anschließend<br />
Hunderte von Rückfragen,<br />
wie das sein könne, dass er sich mit so<br />
Podiumsdiskussion | 23 |