DIALOG Heft 12 - Was bedeutet Meinungsfreiheit?
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Übel des Journalismus halte. Und ich<br />
glaube, das wird sich jetzt erst einmal<br />
noch verstärken, jedenfalls in der Generation<br />
der sogenannten Millennials,<br />
also der Leute im Alter von 25 bis 30.<br />
Wie die Generation Greta Thunberg,<br />
also die Generation Z, dann wieder<br />
darauf schaut, das ist eine andere Frage.<br />
Auf ihr liegt wieder meine Hoffnung,<br />
weil es oft so eine Art Backslash in der<br />
nächsten Generation gibt. Ich habe<br />
es in der Süddeutschen gelesen und<br />
es hat mich sehr gefreut, dass diese<br />
naseweisen 25-Jährigen – die immer<br />
kommen und sagen: Aha, oh, du hast<br />
mit einer Plastiktüte eingekauft. Ist<br />
das eigentlich ein Bio-Müsli?, die<br />
gleich morgens am Frühstückstisch so<br />
richtig schlechte Laune bekommen, so<br />
Luisa-Neubauer-mäßig –, schon wieder<br />
verspottet werden von denen, die jetzt<br />
darunter kommen, von den 16-, 17-Jährigen.<br />
Dass dieser heilige Ernst, den<br />
Luisa Neubauer ja immer so mit den<br />
blitzenden Augen zeigt, dass der schon<br />
wieder von den Jüngeren verspottet<br />
wird. Da liegt jetzt meine Hoffnung,<br />
dass die Generation Z das anarchische<br />
Element hat.<br />
Anne Hähnig (Moderation): Herr<br />
Fleischhauer, weil das gerade etwas<br />
in der Frage mitschwang. Sie sind seit<br />
1989 Journalist beim SPIEGEL gewesen,<br />
jetzt bei FOCUS. Ist es Ihnen einmal<br />
passiert, dass Sie über ein Thema<br />
nicht schreiben durften, weil man<br />
Ihre Meinung zu diesem Thema beim<br />
SPIEGEL oder beim FOCUS nicht lesen<br />
wollte?<br />
Jan Fleischhauer: Nein. Deshalb habe<br />
ich es ja 30 Jahre gut ausgehalten beim<br />
SPIEGEL. Ich bin da auch nicht gegangen,<br />
weil ich rausgemobbt worden<br />
wäre, wie dann anschließend ein paar<br />
Leute vermutet haben, sondern weil<br />
ich von Burda ein schönes Angebot<br />
bekommen habe und mir überlegte,<br />
wenn ich mit 57 Jahren noch einmal<br />
etwas Neues machen will, ist das jetzt<br />
im Grunde die letzte Chance.<br />
<strong>Was</strong> für die ZEIT gilt, gilt auch für den<br />
SPIEGEL. Das sind Hamburger Blätter.<br />
Ich bin aus Hamburg, und so habe ich<br />
auch immer ein bisschen den Norden<br />
verstanden. Es gibt eine andere Liberalität<br />
im Norden. So war der SPIEGEL<br />
auch immer, jedenfalls unter Rudolf<br />
Augstein, seinem Gründer. Von Rudolf<br />
Augstein gibt es diesen Satz, der dort<br />
am Entree des SPIEGEL-Gebäudes<br />
hängt: »Sagen, was ist.« Worauf dann<br />
Jakob Augstein, der Sohn, offen gesagt<br />
hat: Naja, mein Vater hat gesagt:<br />
Sagen, was ist – nicht schreiben, was<br />
ist. Also: Sagen, was ist. Immer wenn<br />
es eng wurde bei den Diskussionen,<br />
die ich beim SPIEGEL hatte, dann habe<br />
ich Augstein-Kommentare vorgelesen.<br />
Da ist den Leuten die Kinnlade heruntergefallen.<br />
Rudolf Augstein war nationalliberal.<br />
Der Vorwurf – das hat er<br />
wörtlich an Helmut Kohl geschrieben –<br />
war: Helmut Kohl, der Mann, der sich<br />
dreimal vor der Trikolore verbeugt. Das<br />
war der Vorwurf gegen Helmut Kohl,<br />
also zu viel Europa. Rudolf Augstein<br />
Podiumsdiskussion | 39 |