#8 Identität
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verhalten sich komplementär zueinander – Trauma basiert
auf einer Verletzbarkeit, die bereits erlebt wurde, während
Resilienz die Kompetenz beschreibt, Traumata zu verhindern.
(vgl. Graefe 2016)
Ähnliche positive Implikationen zu dem Resilienzkonzept
sind in einigen psychodynamischen Ansätzen der Persönlichkeitspsychologie
zu finden, wie beispielsweise nach
Carl G. Jung (1875–1961) oder Erik H. Erikson (1902–
1994). Entgegengesetzt zu den Freudschen Lehren wurden
hier soziale Beziehungen und die Autonomie des Ichs
in der Persönlichkeitsentwicklung fokussiert – Determinismus
sowie Pessimismus verloren somit ihre Bedeutung,
was hinsichtlich des Resilienzbegriffes zentral ist. Für Jung
war die entscheidende Triebkraft menschlichen Verhaltens
eine allgemeine psychische Energie. Weiterhin geht sein
Ansatz von einem seelischen Wachstumspotential aus, das
sich in einem lebenslangen Individuationsprozess entfalten
kann. Die Menschen seien nicht dauerhaft von frühkindlichen
Ereignissen determiniert, sondern ebendiese
haben ein erhebliches Potential für Entwicklungsprozesse.
(vgl. Rauthmann 2017; vgl. Fooken 18f.)
Erikson konzentrierte sich in seiner entwicklungspsychologischen
Forschung auf das Ich bzw. auf die Suche sowie
Ausgestaltung der Ich-Identität. Nach Erikson sei eine
Person dann gesund, wenn sie eine starke Ich-Identität
ausgebildet habe und diese aufrechterhalten könne. Seine
psychosoziale Entwicklungstheorie basiert auf acht potentiellen
psychosozialen Krisenerfahrungen, die die Ich-Entwicklung
über die Lebensspanne kennzeichnen. Jede der
acht Phasen beschreibt eine Krise zwischen zwei miteinander
in Konflikt stehenden Polen (z.B. Ur-Vertrauen vs.
Ur-Misstrauen), die bewältigt werden muss, da sie die Lösungsmöglichkeit
für die nächste Krise darstellt. Jede Krise
ergibt sich aus neu gewonnenen Fähigkeiten und Einsichten
sowie sich daraus ergebenden neuen Möglichkeiten. Die
Phasenfolge (s. Tabelle 1) hat dabei universelle Gültigkeit.
In diesem Ansatz ist ebenfalls eine Bedrohung der psychischen
Stabilität festzustellen – die entweder eine entwicklungsfördernde
oder entwicklungshemmende Wirkung
aufweisen kann. (vgl. Rauthmann 2017; vgl. Fooken 18f.,
37f.)
Wesentlich für die Ausbildung von Resilienz ist die fünfte
Krise und Phase der Adoleszenz nach Erikson: Identität
vs. Identitätsdiffusion – Ich bin, was ich bin. Nach dem
Ende der Kindheit beginnt die Jugend und damit eine
entscheidende Lebensphase:
„Alle Identifizierungen und alle Sicherungen, auf die man
sich früher verlassen konnte, [werden] erneut in Frage
DEFINITIONEN NACH C.G. JUNG
(vgl. Rauthmann 2017)
Psyche
Selbst
Individuation
Gesamtheit aller psychischen
Vorgänge
Zentrum, das psychische Systeme
integriert und Persönlichkeit
stabil und einheitlich
macht
Ständige (Weiter-)Entwicklung
und Entfaltung der eigenen
Persönlichkeit und
Individualität
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