Hamburg kriegt die Krise - DIE LINKE. Fraktion in der ...
Hamburg kriegt die Krise - DIE LINKE. Fraktion in der ...
Hamburg kriegt die Krise - DIE LINKE. Fraktion in der ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
„Es ist erschreckend, wie<br />
wenig auf <strong>die</strong> Bedürfnisse <strong>der</strong><br />
Menschen e<strong>in</strong>gegangen wird“<br />
Interview mit Joachim Gerb<strong>in</strong>g, Geschäftsführer des<br />
Verbandes K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendarbeit e.V. <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong><br />
Herr Gerb<strong>in</strong>g, <strong>der</strong> Verband K<strong>in</strong><strong>der</strong>-<br />
und Jugendarbeit beteiligt sich<br />
zusammen mit Gewerkschaften,<br />
dem Paritätischen Wohlfahrtsverband,<br />
dem Sozialverband Deutschland<br />
und an<strong>der</strong>en Organisationen<br />
an e<strong>in</strong>em „Bündnis gegen <strong>die</strong> Rotstiftpolitik“.<br />
Warum?<br />
Weil <strong>die</strong> aktuelle Politik des Senates zu<br />
Lasten <strong>der</strong> Schwächsten <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong><br />
geht, weil <strong>die</strong> Kürzungen im Bereich<br />
<strong>der</strong> Offenen Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Jugendlichen<br />
und Familien letztendlich<br />
<strong>die</strong>jenigen Menschen beson<strong>der</strong>s treffen,<br />
<strong>die</strong> sowieso nicht zu den durchsetzungsstärksten<br />
unserer Gesellschaft gehören.<br />
Wir wollen, dass <strong>die</strong> Offene K<strong>in</strong><strong>der</strong>-<br />
und Jugendarbeit erhalten bleibt, und<br />
zwar nicht nur zu 90 Prozent, wie <strong>der</strong><br />
Senat das will, son<strong>der</strong>n m<strong>in</strong>destens im<br />
bestehenden Umfang.<br />
Der Senat begründet <strong>die</strong> Kürzungen<br />
damit, dass immer mehr K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
nachmittags zur Schule gehen.<br />
Das gilt aber nach aktuellem Stand beispielsweise<br />
im Grundschulbereich nur<br />
für etwa <strong>die</strong> Hälfte <strong>der</strong> Schulk<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />
Alle an<strong>der</strong>en brauchen weiterh<strong>in</strong> offene<br />
Freizeit-Angebote.<br />
Sie haben e<strong>in</strong>en Brief an <strong>die</strong><br />
SPD-Abgeordneten <strong>in</strong> den Bezirksfraktionen<br />
geschrieben. Was steht<br />
dr<strong>in</strong>?<br />
Wir appellieren an <strong>die</strong> soziale Verantwortung<br />
<strong>der</strong> SPD. Denn <strong>die</strong> ge-<br />
Künstlich kle<strong>in</strong> gehalten<br />
Warum ist Deutschlands<br />
reichste Stadt eigentlich so arm?<br />
Haushaltsprobleme <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>?<br />
Eigentlich dürfte es <strong>die</strong> gar<br />
nicht geben. Denn <strong>Hamburg</strong> gehört<br />
zu den wohlhabendsten Städten <strong>der</strong><br />
Republik. Hier wohnen <strong>die</strong> meisten<br />
Millionäre/<strong>in</strong>nen. Große Konzerne,<br />
Verlage und Ree<strong>der</strong>eien haben hier<br />
ihren Sitz. In <strong>der</strong> City präsentieren<br />
sich <strong>die</strong> Prachtbauten privater Banken,<br />
Versicherungen und Großunternehmen<br />
stets im allerbesten Zustand.<br />
Und <strong>die</strong> öffentlichen Kassen? Die s<strong>in</strong>d<br />
leer. Dr<strong>in</strong>gend benötigte Schulsanierungen?<br />
Werden erst mal verschoben.<br />
Die Stadtbahn? Zu teuer. Soziale E<strong>in</strong>richtungen?<br />
Werden gekürzt und abgescholzt.<br />
Jedes Jahr fehlt <strong>der</strong> Stadt im<br />
Schnitt e<strong>in</strong>e Milliarde Euro, um ihre<br />
Aufgaben erfüllen zu können. Und<br />
das ist nur das offizielle Defizit. H<strong>in</strong>zu<br />
kommt <strong>der</strong> „Sanierungsstau“: Betriebsausgaben,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Stadt eigentlich zahlen<br />
müsste, aber nicht kann. Zu <strong>die</strong>sem<br />
„verdeckten Defizit“, wie es <strong>der</strong> Landesrechnungshof<br />
nennt, gehören Straßenbauarbeiten<br />
und Reparaturen an städ-<br />
planten Kürzungen wi<strong>der</strong>sprechen<br />
allen Grundsätzen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Sozialdemokratie<br />
ja eigentlich ausmachen.<br />
Wir haben uns an <strong>die</strong> Bezirke<br />
gewandt, weil <strong>die</strong> am nächsten an <strong>der</strong><br />
Basis s<strong>in</strong>d und wissen, was verloren gehen<br />
würde, sollten <strong>die</strong> Kürzungen so<br />
kommen.<br />
Die Schuldenbremse ist beschlossene<br />
Sache, E<strong>in</strong>sparungen müssen<br />
demnach se<strong>in</strong>. Gibt es überhaupt<br />
e<strong>in</strong>e Alternative zu den Kürzungen?<br />
In unserem Brief weisen wir darauf<br />
h<strong>in</strong>, dass <strong>die</strong> f<strong>in</strong>anzielle Lage <strong>der</strong> Stadt<br />
<strong>die</strong> Kürzungen eigentlich nicht rechtfertigt.<br />
Es gibt hohe Steuermehre<strong>in</strong>nahmen,<br />
E<strong>in</strong>nahmerekorde werden<br />
tischen Gebäuden, <strong>die</strong> eigentlich se<strong>in</strong><br />
müssten, aber aus Geldmangel nicht<br />
erfolgen. 30 Milliarden Euro Schulden<br />
hat <strong>die</strong> reichste Stadt Deutschlands<br />
<strong>in</strong>zwischen angesammelt.<br />
Wer trägt dafür <strong>die</strong> Verantwortung?<br />
Jedes Jahr fehlt<br />
e<strong>in</strong>e Milliarde<br />
Da s<strong>in</strong>d zum e<strong>in</strong>en handfeste politische<br />
Fehler gemacht worden. Milliarden<br />
g<strong>in</strong>gen verloren, weil sich <strong>die</strong> Stadt<br />
von den Zockern <strong>der</strong> HSH Nordbank,<br />
den größenwahns<strong>in</strong>nigen Planern <strong>der</strong><br />
Elbphilharmonie und geldgierigen<br />
Investoren beim Verkauf von Krankenhäusern<br />
und <strong>der</strong> HEW hat über<br />
den Tisch ziehen lassen. Zum an<strong>der</strong>en<br />
s<strong>in</strong>d es <strong>die</strong> Steuersenkungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
rot-grünen und <strong>die</strong> schwarz-gelben<br />
prognostiziert. Wir s<strong>in</strong>d außerdem <strong>der</strong><br />
Me<strong>in</strong>ung, dass <strong>die</strong> öffentlichen E<strong>in</strong>nahmen<br />
erhöht werden sollten durch e<strong>in</strong><br />
gerechteres Steuersystem.<br />
Was raten Sie den von den Kürzungen<br />
Betroffenen?<br />
Diese nicht e<strong>in</strong>fach so h<strong>in</strong>zunehmen.<br />
Das betrifft <strong>die</strong> E<strong>in</strong>richtungen ebenso<br />
wie <strong>die</strong> Nutzer<strong>in</strong>nen und Nutzer. Mehr<br />
als 21.000 Unterschriften von <strong>Hamburg</strong>er<strong>in</strong>nen<br />
und <strong>Hamburg</strong>ern, <strong>die</strong><br />
sich gegen <strong>die</strong> Kürzungen ausgesprochen<br />
haben, zeigen, dass es hier nicht<br />
nur um partikulare Interessen e<strong>in</strong>zelner<br />
E<strong>in</strong>richtungen o<strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
und Mitarbeiter geht, son<strong>der</strong>n dokumentieren<br />
das breite Interesse an e<strong>in</strong>em<br />
umfassenden Erhalt des Arbeitsfeldes.<br />
Bundesregierungen den Unternehmen<br />
und Reichen <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />
spen<strong>die</strong>rt haben. In <strong>der</strong> Summe kommen<br />
<strong>die</strong>se - ohne jede Gegenleistung<br />
verteilten - Geldgeschenke <strong>die</strong> Stadt<br />
sogar noch teurer als Elbphilharmonie<br />
& Co. Durch sie gehen <strong>Hamburg</strong><br />
jedes Jahr geschätzte 400 Millionen<br />
Euro verloren, e<strong>in</strong> großer Teil durch<br />
<strong>die</strong> abgeschaffte Vermögenssteuer. Gespart<br />
wurde dagegen stets bei den kle<strong>in</strong>en<br />
Leuten. Schwimmbä<strong>der</strong>, Ämter<br />
und Bücherhallen wurden geschlossen,<br />
Kulture<strong>in</strong>richtungen wurden bespart,<br />
<strong>in</strong> den Behörden Personal abgebaut.<br />
All das führte aber nicht zu e<strong>in</strong>er Sanierung,<br />
son<strong>der</strong>n zu e<strong>in</strong>er weiteren<br />
Belastung des Haushalts. Denn fehlende<br />
Investitionen, kle<strong>in</strong>ere Haushalts-Budgets<br />
und ger<strong>in</strong>gere Löhne<br />
führten zu e<strong>in</strong>em weiteren Rückgang<br />
<strong>der</strong> öffentlichen und privaten Nachfrage,<br />
was <strong>die</strong> regionale Wirtschaft<br />
belastete und <strong>die</strong> Armut vergrößerte<br />
- und dadurch wie<strong>der</strong>um dem<br />
Haushalt schadete. E<strong>in</strong> Teufelskreis.