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Mein/4 Stadtmagazin Berlin 3/2021

Mein/4 Stadtmagazin Berlin, Ausgabe Dezember 2020

Mein/4 Stadtmagazin Berlin, Ausgabe Dezember 2020

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IMPFZENTRUM BERLIN: ES WAR UNS EINE EHRE

FRANZISKA GIFFEY: BERLIN IST AN DER REIHE

MAX STROHE: HELDEN IN DER KÜCHE

SCHULE: DER WERT DER BILDUNG

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Editorial

Liebe Leserinnen, lieber Leser,

noch immer leben wir in außergewöhnlichen Zeiten. Ein sonderbarer Start

ins Jahr 2021 liegt hinter uns – ein ziemlich stiller Jahreswechsel ohne große

Feiern und ausgestorbene Innenstädte mit geschlossenen Läden zum Jahresauftakt.

Seit zwölf Monaten beherrscht die Pandemie unser aller Leben. Der Wunsch

nach einer Rückkehr zur Normalität ist immens, die Sehnsucht nach Freunden,

Begegnungen und Gesellschaft kennt keine Grenzen. Bei alledem erkennen

wir aber in unseren unzähligen Gesprächen nicht nur Traurigkeit,

Zukunftssorgen und Verzweiflung, sondern auch ganz viel Kreativität, Engagement

und Vertrauen.

Gerade die Kulturbranche trifft die Pandemie schwer. Wenn es wieder losgeht,

braucht sie euch! Wir haben diese Ausgabe als Wendemagazin gestaltet:

Einmal umgedreht bekommt ihr auf rund 40 Seiten persönliche Einblicke

in das aktuelle Leben Berliner Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturschaffender,

ihr erlebt ihre Sorgen und ihre Zuversicht.

Was erwartet euch im Hauptmagazin? Mit Sandra Maischberger sprachen

wir über Verantwortung im Journalismus (S. 4). Bundesfamilienministerin

Franziska Giffey sieht jetzt die Zeit für Berlin gekommen (S. 20). Wie

die Krise manchen zur Hochform verhilft, zeigen wir euch anhand von

Max Strohe. Der Sternekoch hat gemeinsam mit Ilona Scholl die Initiative

Kochen für Helden ins Leben gerufen (S. 38). Dass Berlin sehr wohl dazu in

der Lage ist Großprojekte zu stemmen, haben wir im ersten Impfzentrum

in der Arena Berlin persönlich erlebt, und uns schlug eine riesige Welle von

Menschlichkeit entgegen (S. 42).

Viel Freude beim Lesen und bleibt gesund!

Beate und Markus Beeth

1


Im Gespräch mit Moderatorin Sandra Maischberger Seite 4

Impfzentrum Arena Seite 42

Im Gespräch mit Familienministerin

Kolumnen Seiten 12 / 36 / 29 / 45


Inhalt

Verantwortung im Journalismus …

Im Gespräch mit Sandra Maischberger 4

Neues vom Lebensmittelmarkt!

Eine Kolumne von Chin Meyer 12

Der HunniClub Seite 34

Kultur im Kiez entdecken

Heute: Das Hansaviertel 14

Kulturtipps

vom Kulturfritzen 17

Berlin zwischen zwei Buchdeckeln 18

„Jetzt ist die Zeit für Berlin“

Im Gespräch mit Franziska Giffey 20

Nachhaltiger Modestandort für Berlin

Rona Tietje und Stephan von Dassel 26

Werbung für rosa Pullover

Eine Kolumne von Wladimir Kaminer 29

„Kurz und knapp“

Ein Interview mit Andreas Lehmann 30

Der HunniClub 34

Franziska Giffey Seite 20

Bärbels ungebetener Ratschlag

Eine Kolumne von Bärbel Stolz 36

Helden in der Küche

Zu Besuch beim Sternekoch

Max Strohe vom Tulus Lotrek 38

Impfzentrum Arena Berlin 42

Die gesungene Kurzkolumne

Eine Kolumne von Ilja Richter 45

Was ist Deutschland im 21. Jahrhundert

die Bildung wert? 46

Dies & Das 48

Der Köche Gold zum Silberkurs

Küchenanekdoten 51

Kinderseiten 52

Buchtipps 54

Max Strohe Seite 38

Leserbriefe 55

Kultur/4 58


Verantwortung

im Journalismus und

soziales Engagement

Im Gespräch mit Moderatorin

Sandra Maischberger


Im Gespräch mit Sandra Maischberger

Wenn sie öffentlich auftritt, zählt ihre eigene Meinung nicht. Ihre Aufgabe ist es, verschiedene Sichtweisen

zu einem Thema aufzuzeigen. Sie ist nicht nur das Talkshow-Gesicht im deutschen Fernsehen,

sondern sie steht auch hinter dem Verein Vincentino e. V., der möglichst allen Kindern Zugang zu Kunst

und Kultur ermöglichen möchte: Wir sprachen mit Moderatorin und Journalistin Sandra Maischberger

über die veränderte Dialogfähigkeit unserer Gesellschaft, über das Miteinander und den Anspruch

von professionellem Journalismus. In unserem Gespräch zählt ihre Meinung sehr wohl.

Mein/4: Wir sind über das MACHmit! Museum

auf Sie aufmerksam geworden. Als wir über

die Verlosung des Bären schrieben, zeigte uns

Frau Rinklebe voller Stolz Ihr Foto, mit grauem

T-Shirt und Maske.

Maischberger: Das ist ein außergewöhnlicher Ort. So

etwas habe ich nirgendwo auf der Welt bisher gesehen.

Als mein Sohn jünger war, bin ich mehrmals hierher gekrochen,

um ihn aus dem großen Labyrinth wieder rauszuholen.

Unsere Freunde sind überall verstreut. Und

wenn sie mit ihren Kindern zu Besuch nach Berlin kamen,

sind wir immer in das MACHmit! Museum gegangen.

Mein/4: Sie engagieren sich viel ehrenamtlich.

Maischberger: Als ich Mutter wurde, habe ich die vielen

Engagements, die ich vorher hatte und die mich immer

irgendwo herumgeführt haben, weggelassen und mich

auf die Stadt konzentriert, in der ich lebe. Damit ich das,

was ich tun kann, dort mache, wo ich bin und nicht reisen

muss. Als Mutter eines Kindes hatte ich keine Lust

mehr dazu. Es macht Sinn, was wir hier tun, und es erinnert

mich an meine eigene Kindheit. Ich hatte einfach

Riesenglück: Ich hatte eine tolle Schule und Eltern, die

Musik und Theater unterstützt haben. Das hat mir viel

gegeben. Und dann dachte ich, das müsste eigentlich

jedes Kind kriegen können.

Mein/4: Der Impuls für die Vereinsgründung von

Vincentino e. V. kam von Ihnen?

Maischberger: Ein ehrenamtliches Radioprojekt führte

mich an eine Grundschule in einem sogenannten

Berliner Problemviertel. Die Kinder haben mich interviewt.

In der Klasse waren 26 Kinder aus 24 Nationen.

Ich war so beeindruckt von diesen Kindern und vom

Lehrer. So etwas kannte ich aus Bayern, wo ich aufgewachsen

bin, oder aus Hamburg, wo ich dann gelebt

habe, nicht. Jedenfalls nicht aus den Vierteln, in denen

ich mich bewegt habe. Ich dachte mir: „Das ist irre, wie

die das hinkriegen!“ Der Mann hatte eine natürliche

Autorität, und die Kinder waren fantastisch. Mit der

Frau, die dieses Projekt damals betreut hat, haben wir

dann den Verein gestartet. Wir fanden, dass man genau

diese Fähigkeiten bei den Kindern unterstützen muss

und natürlich auch die Lehrer, die das Ganze umsetzen.

Das war der Beginn vor etwa 15 Jahren. Der Verein ist

nur wenig älter als mein Sohn.

Mein/4: Woran fehlt es dem Verein? Was

brauchen Sie?

Maischberger: Spendengelder [lacht]. Wir haben uns

zum Ziel gesetzt, Kinder mit Kulturprojekten zu stärken

und damit am Ende auch die Klassengemeinschaft zu

fördern. Und um den Lehrern zu zeigen, was ihre Kinder

können. Das führt dazu, dass die Kinder nicht nur

in diesen Projekten aufgehen, sondern vielleicht auch

im Schulischen besser und erfolgreicher werden. Das

funktioniert richtig gut. Wir arbeiten inzwischen regelmäßig

pro Jahr mit etwa 600 Kindern an fünf bis sechs

Schulen innerhalb der Unterrichtszeit. Wir sind in den

Unterricht gegangen, weil freiwillige Nachmittagsangebote

nur die Kinder erreichen, die sowieso schon aktiv

sind. Und wir wollen alle Kinder erreichen. Das ist aber

meist nicht förderungsfähig, deshalb sind wir auf Spenden

angewiesen und darauf, dass Menschen an das glauben,

woran wir glauben. Dass die Beschäftigung mit Künsten,

mit Kultur, aber auch mit Medien – das ist eines unserer

großen Standbeine – die Kinder befähigt, sie aufweckt

Info

Sandra Maischberger (*1966 in München) ist

eine deutsche Journalistin, Fernsehmoderatorin,

Produzentin und Autorin. Derzeit

moderiert sie die Talkshows

maischberger. die woche im Ersten.

Sie ist auch als Autorin erfolgreich.

Im Oktober 2004 veröffentlichte

sie ein Nachschlagewerk für Kinder

mit dem Titel Die musst du kennen –

Menschen machen Geschichte.

Im Jahr 2008 gründete die

Journalistin Sandra Maischberger

mit Mitstreiter*innen

den Verein Vincentino.

Seitdem initiiert der Verein kulturelle Bildungsprojekte

an Berliner Schulen. Vincentino geht es dabei

um die Chancengleichheit der Kinder, um das Miteinander

in unserer Stadt.

www.vincentino.org

mein/4

5


Im Gespräch mit Sandra Maischberger

und in ihren Talenten stärkt, sodass sie Lust haben auf

Leben, Lust auf Schule, Lust auf Erfolg und Lust haben

einfach zu sein. Es geht um Talent, um Selbstbewusstsein,

um Teamfähigkeit. Wir wollen auch den Lehrern zeigen,

dass jedes einzelne Kind in ihrer Klasse, auch wenn es

vielleicht gerade nicht so auffällt, etwas kann.

Ich habe gestern mit Cem Özdemir ein Interview gemacht,

und er erzählte von seiner Schulzeit. Er sagte: „Wir

waren immer die Kinder in der letzten Reihe.“ Sprich er,

Cem, der „Türkenjunge“, und José, der „Portugiesenjunge“,

waren die einzigen beiden Ausländerkinder in der Klasse.

Und er sagte: „Kein Lehrer hat mir etwas zugetraut.“ Er

ist nachher Erzieher geworden, weil es einen gab, der gesagt

hat: „Dieses Kind kann was.“ Und als Erzieher ist

er genau mit dem Gedanken dorthin gegangen: „Jedes

Kind kann das.“ Ich bin der festen Überzeugung, dass

das stimmt. Wir können es uns überhaupt nicht leisten,

als Gesellschaft auch nur ein Kind zurückzulassen, auch

nur ein Kind ohne Schulabschluss zu lassen. Mein Sohn

wächst in dieser Stadt auf. Er wird Teil dieser Stadt sein

und sich diese Stadt mit allen anderen Kindern teilen.

Das sind alle seine Stadtgenossen und -genossinnen. Wir

sind alle eine Gemeinschaft, und wir müssen aufeinander

achtgeben, finde ich.

Mein/4: An der Schule meiner Kinder haben

wir gerade ein Trommelprojekt laufen. Das

Gemeinschaftsgefühl ist toll. Ich habe gerade

ein Video vom Musiklehrer bekommen: 70 Leute

mit afrikanischen Trommeln. Ich bin begeistert

davon, wie verbindend das ist.

Wir können es uns überhaupt nicht

leisten, als Gesellschaft auch nur ein

Kind zurückzulassen.

Maischberger: Bei uns heißen diese Musikkurse „Kids &

Drums“. Das ist genau das Prinzip. Als wir in den Jahren

2016 und 2017 die vielen Willkommensklassen hatten, war

das das Mittel der Wahl. Da waren so viele Kinder, die

sich gar nicht verbal verständigen konnten, weder mit den

Lehrern noch untereinander. Bei diesen Musikgruppen,

die ja sehr niedrigschwellig anfangen, kann jeder sofort

mitmachen. Du brauchst überhaupt keine Vorbildung.

Die sind zusammengewachsen. Wir konnten uns gar nicht

retten vor Anfragen, dieses Programm auch an anderen

Schulen anzubieten. Das ist bis heute so. Wir haben tolle

Musiker und könnten doppelt so viele Klassen bespielen

– aber wir müssen das natürlich finanzieren. Berlin hat

inzwischen eine sehr lebendige Unternehmerkultur. Wir

haben vor allem Kinder an sogenannten Brennpunktschulen

im Auge, wo der Anteil an Schülerinnen und Schülern,

die die Schule ohne Abschluss verlassen, am höchsten

ist. Genau da setzen wir an und hoffen, dass wir dazu

beitragen können, dass da auch richtig guter Nachwuchs

für den Arbeitsmarkt rauskommt. Ich glaube, dass alle,

die hier ein Business aufziehen, ob Handwerk, Dienstleistung,

Gastronomie oder Hotellerie, Auszubildende

brauchen. Deswegen habe ich immer gehofft, dass wir

bei den Unternehmern vielleicht welche finden, die uns

dauerhaft unterstützen.

Mein/4: Aber wenn es jemand mit Ihren

Kontakten nicht schafft …?

Maischberger: Ich habe einen Hauptberuf, ob Sie es

glauben oder nicht [lacht]. Wir machen eine bundesweite

Sendung – so viele Gäste aus der Berliner Unternehmerschaft

haben wir gar nicht. Aber Dirk Rossmann z. B.,

der bei uns in der Sendung war, gehört zu unseren Großspendern.

Auch der Hotelmanager Zeèv Rosenberg hat

für uns eine großartige Charity-Aktion aufgezogen. Es

gibt Einzelne, die mitmachen, aber es könnten sehr

viel mehr sein. Unsere Programmleiterin, Ulla Giesler,

kümmert sich neben dem Fundraising ja um die zentrale

Arbeit mit den Schulen und unseren Projektleitern – deshalb

ist uns jede Hilfe willkommen. Ich moderiere auch

Firmenveranstaltungen für die Vereinskasse. Wenn sie mir

eine ordentliche Spende geben, mache ich alles [lacht].

Mein/4: Sie sind das Gesicht der Talkshows

im deutschen Fernsehen, zusammen mit Ihren

beiden Kolleginnen. Wie produzieren Sie

eine ausgewogene Sendung, in der Sie eigene

Vorbehalte und Meinungen außen vor lassen?

Maischberger: Die Frage hat sich mir nie so gestellt, weil

ich genau weiß: Wenn ich in so eine Sendung gehe, bin

ich allen gegenüber erst einmal aufgeschlossen. Das ist

ein professionelles Prinzip. Ich rege mich z. B. nie auf in

meinen Sendungen. Wenn ich mich privat mit Freunden

politisch streite, dann rege ich mich auf. Meine Aufgabe

als Talkmasterin ist es zu zeigen, dass es mehr als eine

Sichtweise gibt. Selbst wenn die anderen Sichtweisen mir

nicht gefallen, muss ich das akzeptieren. Auch bei der

6 mein/4


Im Gespräch mit Sandra Maischberger

MATRATZEN | BETTEN | BETTSYSTEME

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krudesten Ansicht – das ist vielleicht eine Berufskrankheit

– frage ich mich: Ist da vielleicht ein Funken Wahrheit

dran? Dass man die Chemie zwischen Menschen

nicht immer ausschalten kann, ist klar. Natürlich gibt

es Politiker, mit denen ich sehr viel besser auskomme

als mit anderen. Übrigens sind meine besten Interviews

meistens nicht mit denen, die ich persönlich sympathisch

finde. Weil ich dann denke, da musst du besonders scharf

rangehen. Deshalb werden Sie merken: Wenn ich scharf

bin, dann ist es wahrscheinlich jemand, auf dessen Linie

ich sein könnte. Ich versuche, mich einfach zurückzunehmen.

Hundertprozentig gelingt das natürlich nie.

Wenn schon Homeoffice,

dann so!

Mein/4: Social Media spielt heutzutage eine

riesige Rolle. Man kann sich da weniger wehren.

Und dann gibt es diese immer gleiche Kritik.

Herr Lauterbach zum Beispiel …

Maischberger: … Lauterbach ist im Moment gerade

echt eine Ausnahme, weil es keinen gibt, der sowohl

Politiker ist als auch Epidemiologe. Er ist das Gesicht der

Corona-Debatte, ob er das will oder nicht. Von der fachlichen

Seite her ist er keiner, der Unsinn erzählt. Wenn

er sich durch die Studien wühlt, dann hat das, was er

sagt, Hand und Fuß. Im Moment ist er vielleicht gerade

übervertreten, das stimmt. Das wird nach Corona aber

wieder anders. Wir haben unser Konzept in der Sendung

geändert, sodass wir nicht eine Runde zum Thema mit

fünf Gästen machen, sondern mehrere Themen in unterschiedlicher

Form bereden können. Wir haben als ein

festes Element drei Kommentatoren. Bei diesen dreien

geht es wirklich darum zu zeigen, wie man eine Sache

von unterschiedlichen Seiten sehen kann. Dann haben

wir einzelne Gäste und im Moment natürlich sehr viel

Corona – das ist so, aber wir können auch mal andere

Aspekte nehmen und andere Gäste einladen. Das war

im letzten Jahr in der Tat ein bisschen schwierig. Aber

das wird wiederkommen. Und wir achten darauf, dass

wir nicht überall dieselben Gesichter einladen.

Mein/4: Wie hat sich Journalismus verändert?

Maischberger: Der hat sich komplett verändert. Meine

erste Talksendung, also Gesprächssendung – damals

nannten sie es Diskussionssendung – hatte ich in Bayern.

Das war eine Jugendsendung, die hieß „Live aus

dem Schlachthof“. Günther Jauch hat dort z. B. auch

moderiert, und damals war es so, dass über ganz wenig

wirklich öffentlich gestritten wurde. Wir haben z. B.

jahrelang darum gekämpft, eine Sendung über Homosexualität

zu machen. Das müssen Sie sich vorstellen,

in den 80er Jahren in Bayern hieß es immer: „Könnt

ihr machen, aber da muss jemand von der Kirche dabei

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Im Gespräch mit Sandra Maischberger

sein.“ So waren die Anfänge. Damals sind wir, wenn Sie

so wollen, in die Tabuzonen gegangen.

Heute herrscht eher das Gefühl vor, dass jedes Tabu einmal

gebrochen wurde und jeder mit jedem in Social Media

redet. Natürlich hat sich der ganze Diskurs komplett

verändert, diese Offenheit, auch mit Andersdenkenden

umzugehen. Unsere Sendung hat damals die Wiking-Jugend

eingeladen, also eine rechtsextreme Jugendgruppe,

um zu erfahren, wie die eigentlich ticken. Wir haben

uns damals offen mit denen auseinandergesetzt. Das ist

heute schwieriger geworden, weil die einzelnen Strömungen

in der Gesellschaft in einer viel größeren Spannung

miteinander leben. Es gibt eine viel größere Angst vor

dem anderen. Der andere ist nicht einfach ein Gegner,

sondern gleich ein Feind. Das ist schwierig für unseren

Diskurs. Dass ich jetzt einzelne Gespräche führe oder

höchstens mal zwei Personen zusammen einlade, ist eine

Folge daraus. Wir hatten das Gefühl, dass man sich so

wieder besser konzentrieren kann, eine Seite zeigt und

die mit kritischen Fragen konfrontiert. Bei der nächsten

Sendung kann man dann wieder die andere Seite einladen.

So lässt sich dieser manchmal sehr hasserfüllte

Dialog entzerren.

Mein/4: Können Sie den Vorwurf „Systemmedien“

nachvollziehen?

Maischberger: Nein, das ärgert mich wirklich. Was

Systemmedien sind, kann man in Ländern wie Ungarn

oder Russland sehen, wo vieles, was oppositionelle Medien

sind, ausgeschaltet wurde. Ich verstehe natürlich,

dass es Fragen gibt. Bei den Flüchtlingen an den Bahnhöfen

waren, glaube ich, ganz viele begeistert von dieser

Willkommenskultur. Dass wir Deutschen mal ein ganz

anderes Gesicht zeigen. Da haben wir uns vermutlich

auch in den Medien alle zu sehr darüber gefreut, dass

wir anders wahrgenommen werden und waren anfangs

zu unkritisch. Aber selbst da war es ja nicht so, dass wir

irgendeine Regierungslinie vertreten hätten. Dieser absurde

Vorwurf kam ja manchmal: „Ihr kriegt doch eure

Befehle direkt aus dem Kanzleramt.“ Uns wurde schlicht

abgesprochen, eine eigene Haltung zu haben. Das ist

natürlich Unsinn. Wir haben dann übrigens sehr schnell

angefangen, sehr kritisch zu werden.

Mein/4: Haben Sie das Gefühl, dass die

Kommunikation der Politik sich stark geändert

hat? Inzwischen habe ich den Eindruck, dass

sich ein großer Spalt durch die Stadt Berlin,

durch Deutschland zieht.

Maischberger: Ich glaube, dass es auch früher Feindschaften

gab. Es gab immer schon bei der SAT1-Polit-

Wer nicht dialogfähig ist

und keinen Austausch

will, den wird man da

nicht bekehren können.

Talkshow Talk im Turm, die ich Anfang der 90er moderiert

habe, die, die nach der Sendung noch geblieben sind, um

ein Glas Wein am Kamin miteinander zu trinken, nachdem

sie vorher heftig gestritten haben. Es gab aber auch

damals schon die, die gegangen sind, weil sie gesagt haben:

„Deine Haltung passt mir nicht.“ Es hat sich insofern

geändert, dass gerade Social Media mit dem Zwang, sich

stärker und lauter zu positionieren, einen Dialog schwerer

macht. Aber ich erlebe trotzdem, dass man im Großen

und Ganzen schon noch miteinander spricht. Aber es gibt

immer ein paar, die da grundsätzlich nicht mitmachen.

Wer nicht dialogfähig ist und keinen Austausch will, den

wird man da nicht bekehren können.

Mein/4: Wie stehen Sie zur Sprachkultur gerade

in den sozialen Medien?

Maischberger: Das ist deshalb problematisch, weil der

auffällt, der laut ist, der extreme Positionen hat oder der

sich sehr privat gibt. Die gemäßigte Temperatur fällt nicht

so auf. Also führen die sozialen Medien natürlich dazu,

dass man ein bisschen überspannt. Dann dreht sich das

in einer Spirale hoch, und der Nächste muss noch mal

einen draufsetzen. Auf der anderen Seite funktioniert

die Kommunikation untereinander, das ist das Positive.

Wie hätten wir es denn früher geschafft, uns in Gruppen

überhaupt zu finden und auszutauschen? Ich finde, da

gibt es auch sehr gute Entwicklungen.

Mein/4: Heute kann jeder seine Meinung

kundtun und findet im besten Fall über seinen

YouTube-Kanal eine große Anhängerschaft. Wie

kann sich der seriöse Journalismus behaupten?

8 mein/4


Im Gespräch mit Sandra Maischberger

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Die (R)Evolution des

Boxspring-Bettes

Maischberger: Ich glaube, dass Journalismus noch nie

so gefordert war wie heute. Ich bin ausgebildete Journalistin.

Was lernt man als Journalist? Es wäre ganz gut,

wenn man die Wahrheit sagt. Es wäre ganz gut, wenn

man das, was man sagt, überprüft hat. Es wäre ganz gut,

wenn diese Überprüfung nicht nur eine Quelle hatte,

sondern möglicherweise zwei oder drei Quellen. Sonst

ist das keine Tatsache. Es wäre ganz gut, wenn man

Meinung von Nachricht unterscheidet. Es wäre ganz

gut, wenn man nicht nur eine Seite, sondern auch eine

andere zu Wort kommen lässt. Diese Dinge habe ich

als Journalistin gelernt. Das sind natürlich lauter Dinge,

die im Netz nicht automatisch funktionieren, weil eine

digitale Plattform nicht die Verantwortung für die Inhalte

trägt, wie eine Zeitung das tut. In der Zeitung haben

Sie einen Verantwortlichen im Sinne des Presserechts.

Das heißt, Sie können jemanden haftbar machen dafür,

dass da eine Lüge drinsteht. Im Netz kann jeder alles

sagen und YouTube, Twitter, Facebook sind alles keine

Publikationen, wie wir sie kannten. Das heißt, es gibt

keine Kontrolle, im Guten wie im Schlechten. Es gibt

auch tolle Bewegungen, die im Netz entstanden sind.

Aber Donald Trump ist das beste Lehrbeispiel dafür,

dass jemand, wenn er nur einfach bekannt genug ist

und eine Machtposition hat, alles erzählen kann, ohne

dass jemand dazu schreibt: „Achtung, falsch!“ Das ist

etwas, was jetzt passieren muss: Wir müssen die Anbieter

im Netz, die Absender, daran erinnern, dass sie eine

Verantwortung dafür haben, was auf ihren Plattformen

passiert. Und dem zumindest eine Art von Reality Check

unterziehen. Man kann es nicht, finde ich, so laufen lassen,

weil dann genau das passiert, was wir in Amerika

gesehen haben. Die Männer, die das Kapitol gestürmt

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mein/4 9

roewa.berlin


Im Gespräch mit Sandra Maischberger

Ich glaube, erst wenn wir uns quasi

von der Schockstarre erholt haben,

in die wir uns alle begeben mussten,

werden wir begreifen, was mit uns

passiert ist.

haben, haben wirklich geglaubt, dass sie im Recht sind

und dass da ein riesen Wahlbetrug passiert ist. Und sie

sind auch nicht mehr davon abzubringen. Twitter hat viel

zu lange den Tiger geritten, und ganz am Schluss haben

sie dann den Account gesperrt. Was ist das für eine Haltung?

Erst alles durchlassen und am Ende zensieren sie

komplett. Das ist nicht verantwortlich. Ich glaube, da

müssen wir wirklich drüber reden.

Mein/4: Die Trump-Zeit ist ja hoffentlich erst

mal vorbei. Sehen Sie diese Gefahr auch auf

Deutschland umgemünzt?

Maischberger: Permanent, ja. Der Ministerpräsident

von Sachsen wollte neulich Schnee schippen vor seiner

Haustür und war mit 30 Querdenkern konfrontiert. Und

es entspinnt sich ein Dialog, in dem er sagt: „Aber die

Menschen sterben auf den Stationen.“ Dann schreit einer:

„Es ist hier im Land noch nie jemand an Corona gestorben.“

Ist doch schwierig, oder? Ich glaube, wir haben

gerade die Marke von 50.000 Toten in Deutschland an

oder mit Corona überschritten. Man kann die absolute

Zahl vielleicht in Zweifel ziehen. Vielleicht sind es nicht

50.000, sondern 53.000, vielleicht sind es 47.000 – aber

es sind einfach eine große Menge Leute, die gestorben

sind. Es gibt Familien, die jemanden verloren haben. Und

dann zu sagen: „Es ist noch niemand in diesem Land gestorben.“

Was machen wir damit? Das ist so ein Ausmaß

an Willen, einfach an Lügen zu glauben, ohne dass man

sich die Mühe macht zu überprüfen, ob das stimmen

kann. Das erschreckt mich manchmal wirklich.

Ich hinterfrage alles, was ich lese. Auch wenn es von den

seriösen Medien kommt. Wo sind die Quellen? Wer sagt

das? Ich wünschte mir, es würde sich durchsetzen, dass

jeder hinterfragen würde. Und nicht nur: „Der hat das

geteilt und meint, das sei richtig.“ Das ist keine Quelle.

Mein/4: Bei unserer Medienvielfalt heute hätte

ich es nicht für möglich gehalten, dass es noch

mal so ein Aufbrechen in unserer Gesellschaft

geben würde. Was ist mit uns passiert?

Maischberger: Diese Gesellschaft ist unter Druck geraten,

glaube ich. Das hat etwas mit der Globalisierung

zu tun. Das hat etwas mit der Digitalisierung zu tun. Es

strömen so viele Dinge auf uns ein, und wir erkennen,

dass wir die wenigsten davon wirklich selber ändern oder

beeinflussen können. Das setzt die Menschen unter einen

immensen Druck. Und unter immensem Druck macht

man natürlich auch alle möglichen Dinge und glaubt vielleicht

auch Sachen, die einfach bei näherer Betrachtung

Humbug sind. Ich glaube, dass die AfD oder Trump nur

Symptome für etwas sind, was passiert. Und ich glaube,

wenn wir nicht ernst nehmen was passiert, dann können

wir noch so viel lästern über den Trumpismus. Wir werden

ihn nicht bekämpfen können.

Mein/4: Was ist die Lösung? Wie kann dieses

Volk wieder zusammenwachsen?

Maischberger: Ich bin ja jemand, der Fragen stellt. Ich

frage Menschen, weil ich selber natürlich auf solche Fragen,

die Sie gerade gestellt haben, keine Antwort habe.

Ich suche fragend nach Antworten. Neulich hatte ich

Gesine Schwan bei mir in der Sendung. Sie hat ein

Buch geschrieben: „Politik trotz Globalisierung“. Und

sie schreibt den Satz: „Politik hat einen schlechten Ruf.“

Ich habe sie auch gefragt: „Was ist die Lösung? Wie kriegst

du die Leute?“ Sie sagt: „Man muss sozusagen im Kleinen,

im Regionalen, im Lokalen die Menschen wieder dazu

kriegen, dass sie sich selber engagieren, dass sie selber

auch ihre Geschicke in die Hand nehmen.“ Denn da sind

die Dinge, die man ändern kann. Ich bin ein großer Fan

von Bürgermeistern deutschlandweit, weil die in der Globalisierung

noch die Möglichkeit haben, Dinge vor Ort

zu verändern. Das haben die rechten Gruppen sehr gut

begriffen, dass sie in der Fläche wirken müssen: Vereine

gründen, Nachbarschaftshilfe. Lauter Dinge, die wirklich

an der Basis wirken. Das ist der einzige Schlüssel, da

wieder hinzugehen.

Mein/4: Was ist mit all den kleinen Ortschaften

am Rande, wo politisch die Farbe Blau

dominiert?

Maischberger: Ich hätte gerne in diesen Ortschaften

eine ordentliche Verbindung mit einer Bahn oder einem

10 mein/4


Im Gespräch mit Sandra Maischberger

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ordentlich funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr.

Bildungs- und Freizeitangebote, Infrastruktur.

Das sind alles Dinge, die wir häufig vernachlässigt haben.

Natürlich gerade im Osten in der Zeit nach dem

Mauerfall. Aber auch der Westen kennt die Probleme

des Strukturwandels. Unsere Industrie verändert sich

gerade radikal – damit darf man die Menschen nicht

allein lassen.

Die Adresse

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Mein/4: Finanziell gesehen würden die meisten

sagen: „Es geht mir wesentlich besser als früher.“

Maischberger: Es kommt auf den Vergleich an. Mein

Mann kommt aus Tschechien. Lothar de Maizière hat

gesagt, dass die Tschechen nach 1989 zufriedener waren,

weil sie sich immer mit dem restlichen Osten verglichen.

Die Ostdeutschen hätten sich dagegen immer mit Westdeutschland

verglichen. Die Unzufriedenheit kommt also

auch aus dem Vergleich. Im Vergleich zu vielen Ländern

in Afrika geht es uns relativ gut, wenn man so will. Aber

natürlich gibt es einfach viel zu viele Millionen Menschen

in Deutschland, denen es objektiv nicht gut geht.

Das aber nicht nur entlang der Ost-West-Linie, sondern

eher bei Allleinerziehenden und schlecht Ausgebildeten.

Das spielt eine große Rolle bei dem, was man verdient.

Mein/4: Gestern saß ich mit Franziska Giffey

zusammen und dann sagte sie: „Wer teilt,

gewinnt.“ Haben wir das nicht begriffen?

Maischberger: Wenn ich an meinen Steuersatz denke,

dann sehe ich schon, dass ich teile [lacht]. Darüber

hinaus gebe ich einen Teil dessen, was ich verdiene, ab.

An jene, die nicht die Chance haben so gut zu verdienen,

wie ich es zufälligerweise und glücklicherweise tue.

Übrigens macht das auch großen Spaß, wenn man das

einmal begriffen hat. Natürlich teilen wir schon alle, und

Deutschland ist ein Land mit Ehrenämtern und großem

sozialen Engagement. Ganz viele Menschen teilen wahnsinnig

viel. Gerade in Corona habe ich gesehen, wie viel

Unterstützung im eigenen Sprengel da ist. Das hat doch

wieder gezeigt: Wir können das.

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Bettenprogramm.

Mein/4: Ist Corona ein Brennglas für die

Gesellschaft?

Maischberger: Eins von vielen. Im Moment schon. Ich

glaube, erst wenn wir uns quasi von der Schockstarre

erholt haben, in die wir uns alle begeben mussten, werden

wir begreifen, was mit uns passiert ist. Und dann

schauen wir, was daraus wird.

Frau Maischberger, vielen Dank für das Gespräch!

Ihr Weg zu uns:

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© Fotos: Pavol Putnoki

Neues vom Lebensmittelmarkt!

Eine Kolumne von Chin Meyer

Dass das „Zigeunerschnitzel“ nicht mehr so heißen darf, ist mittlerweile auch dem WDR klar. Der

„Mohrenkopf“ hat schon länger ausgesorgt, genau wie sein süffisanter Diskriminierungsvetter, der

„Schaumkuss mit afro-amerikanischem Migrationshintergrund“.

Neu ist allerdings, dass auch Ritter Sport-

Schokolade nicht mehr „Schokolade“ heißen

darf – das hat aber ausnahmsweise nichts

mit Diskriminierung zu tun. Die neue Schokolade

„Cacao y Nada“ (Kakao und sonst

nichts) enthält nämlich keinen Zucker,

sondern nur natürlichen Saft aus der

Kakaofrucht. Sie ist also gesund – und

so etwas sieht das deutsche Lebensmittelrecht

nicht vor! Jedenfalls nicht für

Schokolade. Unklar ist, wie die Tafel

jetzt bezeichnet werden darf – „Marktgift“?

„Ruinöser Wettbewerbsverzerrer“?

Oder „Süßigkeit ohne Vergiftungshintergrund“?

Leider legt das deutsche Lebensmittelrecht

nicht die gleiche Sorgfalt an den

Tag, wenn es um Lebensmittel geht, die

Zucker enthalten, obwohl er da eigentlich

nichts verloren hat – die sogenannten

versteckten Zucker. Etwa in Instanttee

(20 Gramm Teepulver enthalten

Bätsch-nix-

Koka-Cola

18 Gramm Zucker) – sollte der nicht ehrlicherweise

„Instant-Zahn-Weh“ heißen?

Und was ist mit anderen Lebensmitteln?

Darf etwa alkoholfreies Bier weiterhin „Bier“

heißen? Oder nur noch „Gerstensaft ohne

Wumms“? Was ist mit Coca-Cola, die ja

bekanntlich und zum Leidwesen vieler

Werbeagenturen-Inhaber überhaupt kein

Kokain enthält? Muss die nicht eigentlich

„Bätsch-nix-Koka-Cola“ heißen?

Welche Auswirkungen hat das auf andere

Lebensbereiche? Darf eine gesunde Beziehung

ohne Zoff demnächst auch nicht

mehr „Ehe“ heißen – sondern „Scheidungsanwalts-Vernichtungsbombe“?

Wie sieht es in der Politik aus? Aus der

„Corona-Impfstrategie“ müsste korrekterweise

das Wort „Strategie“ entfernt werden

– sie hieße dann nur noch „Corona-

Impf-Pannen-Chaos“. Aber da ist das

deutsche Lebensmittelrecht auf einmal

nicht mehr zuständig.

12 mein/4


Chin Meyer: Neues vom Lebensmittelmarkt!

Bei Alkohol hingegen greift das Lebensmittelrecht,

aber anders als man vielleicht

denkt: Die Leber wächst zwar

mit ihren Aufgaben, wie es gern

heißt – aber damit ist vorerst Schluss.

Denn die Deutschen trinken coronabedingt

weniger Bier. Insgesamt

gab es im vergangenen Jahr einen

Rückgang von über fünf Prozent.

Oder in Zahlen ausgedrückt: gut

500 Millionen Liter Bier weniger als

2019. Oder in Leber gemessen: rund

1.500 Leberzirrhosen-Verluste. Viele

Trinker leiden mittlerweile unter

einer Schrumpfleber!

Diese Entwicklung ist brandgefährlich:

Karneval weg. Party

weg. Bier weg. Wenn jetzt auch

noch die Sexclips entfallen, versinkt

das Land in nationaler

Depression. Diese Entwicklung

gefährdet zusätzlich zum Bestand

der Brauereien auch den

der Deutschen: Wenn immer

mehr Frauen sich den Partner

nicht mehr schöntrinken können,

sinkt die Geburtenrate noch

stärker als normal!

Nun ist die Meldung „Die Deutschen

trinken zu wenig Bier“

schon ein wenig skurril. Könnte

man sich eine Schlagzeile

Deutsche trinken

Corona-bedingt

weniger Bier:

Minus 500

Millionen Liter

vorstellen: „Die Deutschen kiffen zu

wenig Marihuana!“? Oder: „Die Deutschen

nehmen zu wenig Crystal Meth –

tschechische Grenze kurz vor dem

Bankrott!“?

Die rückgängige Anzahl der Biertrinker

kann noch weitere dramatische

Auswirkungen haben: Die Deutschen

bleiben länger gesund, die Rentenzahlungen

erhöhen sich, der Staat geht

bankrott. Die Brauereien schlagen also

zu Recht Alarm. Jetzt hilft nur noch ein

Rettungsschirm: Freibier für alle! Das

käme in der Bevölkerung auch wesentlich

besser an als „Geld für Banken“

wie beim letzten Mal.

Andererseits könnte eine der Bierflaute

folgende Verknappung auch

positive Preisauswirkungen haben.

Seltener Whiskey zum Beispiel

gilt mittlerweile als heißer

Anlagetipp mit jährlichen Renditen

von 10 bis 20 Prozent.

Man muss sich allerdings davor

hüten, von der Investition

so betrunken zu werden, dass

man aus Versehen die Flasche

„Macallan 1926“ für „harte Zeiten“

trinkt – mit einem Marktwert

von 1,7 Millionen Euro …

Bier und Schokolade sind jetzt

also erste Pandemiepflicht! ■

Leben im Plus – Kabarett,

Geld und mehr

Gewohnt bissig-unterhaltsam und höchst

aktuell nimmt Chin Meyer, Deutschlands

bekanntester Finanzkabarettist, private

und politische Verheißungen und Glücksversprechen

ins Visier. Denn Chin Meyer

ist sicher: Wir wünschen uns alle eine ausgeprägte

Komfortzone und ein „Leben im Plus“.

Doch was passiert eigentlich, wenn wir dem Unerklärlichen wie

einem Hybrid aus Hippie und Kapitalist (Mark Zuckerberg) oder

aus Staatschef und Idiot (suchen Sie sich jemanden aus) oder gar

den Algorithmen die Macht über uns überlassen? In einem vehementen

Plädoyer für Pluralismus kämpft Chin Meyer scharfzüngig

und gut gelaunt für unsere Demokratie.

www.Leben-im-Plus.com

mein/4

13


Kultur im Kiez entdecken

Folge 10: Das Hansaviertel

Spricht man heutzutage vom Hansaviertel, ist zumeist das zur Interbau 1957 entstandene, südlich der

Stadtbahntrasse gelegene Stadtquartier gemeint. Nördlich der Gleise erstreckt sich der Ortsteil jedoch

noch bis zum Ufer der Spree und auch hier lohnt ein Spaziergang, bei dem man einen Eindruck von der

gutbürgerlichen Gegend vermittelt bekommt, die das Hansaviertel ursprünglich gewesen ist.

Text & Fotos: Marc Lippuner

Das alte Hansaviertel war eines jener innerstädtischen

Wohngebiete, die nach der Reichsgründung 1871 für

wohlsituierte Bevölkerungsgruppen entstand. Während

in den Arbeitervierteln, wie dem nördlich angrenzenden

Moabit, Mietskasernen mit bis zu sieben Hinterhöfen

aneinandergereiht wurden, legte die Berlin-Hamburger

Immobiliengesellschaft auf unbebauten Überschwemmungswiesen

nördlich des Großen Tiergartens und

südlich der Spree ab 1874 ein attraktives Wohngebiet

mit repräsentativen, zumeist zwei- oder dreistöckigen

Blockrandbauten an, die kleine Vorgärten und großzügige

Innenhöfe aufwiesen. Fünf Jahre später wurden

die ersten Straßen nach norddeutschen Städten oder

in Hamburg wirkenden Persönlichkeiten benannt: zu

Ehren der Gründergesellschaft, wegen der Nähe zum

Hamburger Bahnhof und in Erinnerung an Berlins Jahrhunderte

zurückliegende Hansetradition. Herzstück des

Bebauungsplans war der sternförmige Hansaplatz, der

dem neuen Bezirk seinen Namen gab, wenngleich im

Volksmund von Beginn an vom Hansaviertel die Rede

Konditorei Buchwald

Erhaltenes Wohnhaus

des alten Hansaviertels

Katholische Kirche St. Ansgar von Willy Kreuer

14 mein/4


Kultur im Kiez

Scheibenhochhaus von

Oscar Niemeyer

mein/4

war. Bereits während der Erschließung

wurde das Viadukt der Stadtbahn durch

das Wohngebiet gezogen, das dadurch

in zwei fast gleich große Hälften zerfiel,

jedoch durch zahlreiche Unterführungen

miteinander verbunden blieb. Zur

Jahrhundertwende hatte das Hansaviertel

knapp 18.000 Einwohner, hier

lebten überwiegend „anspruchsvolle

Leute“, neben Bankiers, Staatsbeamten

und Kaufleuten auch zahlreiche

Künstlerinnen und Künstler wie die

Schriftstellerinnen Alice Berend und

Else Lasker-Schüler, die Maler Lovis

Corinth und Walter Leistikow, der Bildhauer

Hugo Lederer, der Theatermacher

Max Reinhardt und der Kritiker Alfred

Kerr. Käthe Kollwitz hatte hier ihr Atelier,

Rosa Luxemburg nahm im Hansaviertel

für wenige Monate Quartier,

ebenso Wladimir Iljitsch Lenin.

Bemerkenswert war der Anteil der jüdischen

Bevölkerung. In den 1920er-

Jahren soll er mit acht Prozent doppelt

so hoch gewesen sein wie im Gesamtdurchschnitt

Berlins. Im Hansaviertel

entstanden neben einer evangelischen

und einer katholischen Kirche folgerichtig

auch zwei Synagogen. Diese wurden

in der Reichsprogromnacht am 9. November

1938 zerstört, mit der „Entjudung“

erlosch 1941 das jüdische Leben

hier vollständig. Heute erinnern knapp

150 Stolpersteine an die deportierten

und ermordeten Bewohnerinnen und Bewohner.

In der Nacht vom 22. auf den

23. November 1943 zerstörte die alliierte

Luftwache einen Großteil des Hansaviertels,

nur 70 der 343 Wohnbauten überstanden

den Krieg, die meisten davon

schwer beschädigt. Im nördlichen Teil des

Hansaviertels lässt sich heute noch das

Mondäne des einstigen Viertels erahnen,

zum Beispiel, wenn man am Holsteiner

Ufer entlang flaniert und die schmuckvoll

gestalteten Fassaden betrachtet. An

der Ecke zur Bartningallee findet man

in einem der wiedererrichteten Gebäude

die – nach eigenen Angaben – älteste

Konditorei Berlins, die in fünfter Generation

betrieben wird. 1852 hatte Gustav

Buchwald, der 1883 offiziell zum königlich-preußischen

Hoflieferanten ernannt

wurde, in Cottbus die nach ihm

benannte Baumkuchenfabrikation mit

Konditorei und Café eröffnet, sein Sohn

erwarb das Haus mit Spreeblick um die

Jahrhundertwende.

Während man nördlich der S-Bahn-Viadukte

also noch ein wenig dem kaiserlichen

Hansaviertel nachspüren kann, ist

dies im südlichen Teil unmöglich, lediglich

zwei Wohnhäuser sind in unmittelbarer

Nähe des S-Bahnhofs Tiergarten

erhalten. Das Hansaviertel galt in der

Nachkriegszeit als größtes innerstädtisches

Trümmergebiet. Als der Bezirk

Tiergarten 1951 mit Baumaßnahmen beginnen

wollte, verhängte der Senat einen

Baustopp, um Westberlin mit einer

großen deutschen Bauausstellung ins

Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit

zu rücken. Das Bauprojekt sollte

einen ideologischen Gegenentwurf zum

„falschen Prunk der Stalinallee“ darstellen,

deren repräsentative, an sowjetischer

Monumentalarchitektur orientierte

Bauten zu dieser Zeit in Ostberlin als

ästhetische und politische Versinnbildlichung

der Leistungsfähigkeit des sozialistischen

Systems entstanden.

1955 wurde nach langwierigen Verhandlungen

ein luftiger Bebauungsplan als

„klares Bekenntnis zur westlichen Welt“

verabschiedet. Die Interbau, die Internationale

Bauaustellung 1957, bildete den

organisatorischen Rahmen des Großbauprojekts,

das jeweils sechs Punkt- und

15

Eternithaus von

Paul Baumgarten

Scheibenhochhaus von

Egon Eiermann (links)

und Punkthochhaus von

Broek & Bakema

Skulptur ohne Titel

von Hans Uhlmann


Kultur im Kiez

Bärenskulptur von Günter Anlauf

an der Moabiter Brücke

Mosaik von Rainer Hachfeld an

der Fassade des GRIPS-Theaters

Akademie der Künste von

Werner Düttmann, im

Hintergrund Punkthochhaus

von Hans Schwippert

Scheibenhochhäuser, neun viergeschossige

Wohnzeilen und zahlreichen Einfamilienhäuser

vorsah. Zudem wurden

zahlreiche Funktionsbauten errichtet,

darunter eine Grundschule, eine Bibliothek,

eine Ladenzeile und ein Kino, die

letzten drei direkt verbunden mit dem

neuen U-Bahnhof Hansaplatz, der im

Rahmen der Interbau bereits besichtigt

werden konnte. An den ursprünglichen

Standorten der Kirchen schufen Willy

Kreuer und Ludwig Lemmer neue

christliche Gotteshäuser, eine Synagoge

entstand hingegen nicht, zu klein

war die jüdische Gemeinde in Berlin

zehn Jahre nach dem Ende des Holocaust.

Architekten aus aller Welt zeichneten

für einzelne Bauten des südlichen

Hansaviertels verantwortlich: Neben

deutschen Baumeistern wie Egon Eiermann,

Paul Baumgarten, Hans Schwippert

oder Max Taut sind der Brasilianer

Oscar Niemeyer, der Finne Alvar Aalto

oder der Italiener Luciano Baldessari

vertreten. Auch der Bauhaus-Gründer

Walter Gropius, seit 1944 US-amerikanischer

Staatsbürger, hinterließ hier

seine Spuren. Zwischen den Gebäuden

setzte eine Vielzahl prominenter nationaler

und internationaler Künstlerinnen

und Künstler abstrakte und figürliche

Akzente.

Kunst findet man auch im nördlichen

Gebiet des Hansaviertels. So sind an

den Pfeileraufbauten der Lessingbrücke

August Jäkels Nachbildungen von Bronzereliefs

des Bildhauers Otto Lessing zu

sehen, die Darstellungen von Schlussszenen

vier Lessingscher Dramen zeigen.

Die ursprünglichen Kunstwerke

wurde im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen,

ebenso die bronzenen Bären

auf der benachbarten Moabiter Brücke.

Diese ersetzen seit 1981 vier gusseiserne

Bären von Günter Anlauf. Des Weiteren

finden Depeche-Mode-Fans Joachim

Schmettaus Hand mit Uhr, die ihnen aus

dem Musikvideo zu Everything Counts

bekannt vorkommen dürfte, vor dem

Gymnasium in der Altonaer Straße.

Wer Kunst und Kultur lieber in Innenräumen

genießt, wird im denkmalgeschützten

südlichen Hansaviertel

fündig. Im Flachbau am nördlichen

Ausgang des U-Bahnhofes war von

1957 bis 1974 das Kino Bellevue beheimatet.

Seitdem hat hier das Kinder-

und Jugendtheater GRIPS,

dessen erfolgreiches Stück Linie 1

im April sein 35-jähriges Jubiläum feiert,

ein Zuhause gefunden. Der Bühnenbildner

Rainer Hachfeld gestaltete nach

dem Einzug des Theaters die südliche

Fassade mit einem Mosaik aus bemalten

Fliesen. Am anderen U-Bahn-Ausgang

steht die kürzlich sanierte Bibliothek

Werner Düttmanns. Der Architekt realisierte

auch, allerdings erst im Nachklapp

der Bauausstellung, die Akademie

der Künste am Hanseatenweg. Er selbst

bezeichnete den Baukomplex, der als

repräsentatives Beispiel für den Brutalismus

gilt, als „klare, unpathetische Kiste“.

Heute wird das Gebäude als Ausstellungs-

und Veranstaltungsort sowie zu

Verwaltungszwecken genutzt. Eine letzte

und unbedingte Kulturempfehlung ist

das Buchstabenmuseum, das seit 2016

im Stadtbahnbogen 424 residiert. Das

Museumsprojekt hat zum Ziel, interessante

typografische Leuchtreklamen,

die zunehmend aus dem öffentlichen

Raum verschwinden, zu sammeln und

zu bewahren.

Marc Lippuner

leitet seit 2017 die

WABE, ein Kulturzentrum

im Herzen

des Prenzlauer

Bergs. Nebenbei

frönt er mit den

von ihm gegründeten

„Kulturfritzen“,

einem kleinen Projektbüro für

kulturelle Angelegenheiten, seiner

Berlinliebe: So hat er eine monatliche

Radiosendung bei ALEX Berlin

und einen wöchentlichen Podcast.

Im Elsengold-Verlag erscheinen seit

2019 seine Wandkalender zur Berliner

Geschichte. Für unser Magazin unternimmt

er kulturelle Entdeckungsreisen

durch Berliner Kieze, empfiehlt

eine Handvoll Kulturevents, die man

in den kommenden Wochen auf keinen

Fall verpassen sollte, und stellt

aktuelle Berlin-Bücher vor.

16 mein/4


Kulturtipps

Viele Kulturinstitutionen und Kunstschaffende bieten in Zeiten, in denen Theater- und Ausstellungsbesuche

nicht möglich sind, digitale Alternativen für zu Hause. Drei stellen wir hier vor.

Fotografische Hommage an die letzten Holocaust-Überlebenden

Als Mädchen überstand Eleonora Nass, genannt Lonka,

fünf Konzentrationslager der Nazis. Ihre Tochter initiierte

2019 die Wanderausstellung Das Lonka-Projekt als

Hommage an die Lebenskraft aller Überlebenden der

Shoah. 300 Fotokünstlerinnen und -künstler aus rund 30

Ländern haben die letzten Zeitzeugen des Holocaust in

ihrem privaten Umfeld portraitiert – das Ergebnis ist eine

berührende, künstlerische Fotosammlung, die zugleich

eine pädagogische Mahnung gegen das Vergessen darstellt.

Bis 11. April hängt die Ausstellung im Willy-Brandt-

Haus, zeitgleich steht sie als aufwendige 3D-Animation

im Netz zur Verfügung. Der virtuelle Rundgang bietet

neben den Fotografien

auch ausführliche

Informationen

über die porträtierten

Frauen und Männer.

Ein eindrückliches

Vermächtnis in Bild

und Wort.

Shaul Paul Ladany © Tsafrir Abayiv

www.fkwbh.de/ausstellung/das-lonka-projekt

Geschichte des Ernst-Thälmann-Parks

Wohnhochhaus Typs WHH GT 84/85

© IRS Erkner

Vor 35 Jahren wurde der

Ernst-Thälmann-Park als

letztes großes Vorzeigeprojekt

des sozialistischen

Wohnungsbaus der DDR

eingeweiht. Dass das Gelände

der einstigen IV.

Städtischen Gasanstalt in

Prenzlauer Berg in ersten

Überlegungen gar kein Wohn-, sondern ein Vergnügungspark

mit Riesenrad und Spaßbad werden sollte, zeigt die

Ausstellung Der Ernst-Thälmann-Park. Komplexe Planungen

für ein Prestigeprojekt, die – hätte Corona es nicht verhindert

– im Foyer des Zeiss-Großplanetariums an der

Prenzlauer Allee zu sehen gewesen wäre. Das Leibniz-

Institut für Raumbezogene Sozialforschung, Initiator der

Ausstellung, hat die Inhalte nun kurzerhand ins Netz

gestellt, sodass die spannende Entwicklung des Wohn-

Park-Ensembles von der Stilllegung des Gaswerks über

Nachnutzungspläne, Entwürfe des Thälmann-Denkmals,

die Sprengung der Gasometer und den Wettbewerb zur

Gestaltung des Wohnungsbaus, bis hin zum Denkmalstreit

nach der Wende und dem Denkmalschutz des Areals

virtuell nachvollzogen werden kann.

www.thaelmann-park.berlin

Hörbücher von den Gehörgängstern

In der Corona-Krise hat eine kleine Gruppe von Schauspielerinnen

und Schauspielern, unter ihnen Dana Golombek,

Astrid Kohrs, Marion Kracht, Sascha Rotermund, Hans-

Jürgen Schatz und Jürgen von der Lippe, die gezwungenermaßen

arbeitsfreie Zeit genutzt und zusammen mit einer

Handvoll Tontechnikerinnen und -technikern einen Verlag

für Hörbuchproduktionen gegründet. Die Gehörgäng bietet

Klassiker, Krimis, Humorvolles und erotische Geschichten,

aber auch Hörspaß für Kinder. Darüber hinaus produziert

das Kollektiv drei Podcasts, die, ebenso wie die sich stetig

füllende Hörbuchbibliothek, auf der Website zu finden sind.

www.die-gehörgäng.de

© Astrid Kohrs

mein/4

17


Berlin zwischen zwei Buchdeckeln

Briefe aus dem kriegszerstörten Berlin

Der Wirtschaftsjurist Reinhart von Lucius erlebt die

letzten Kriegsjahre in Berlin, während seine schwangere

Frau Dagmar ihr erstes Kind auf dem Gut der Familie

in Hinterpommern zur Welt bringt. Kontakt halten

sie über Briefe, die nun von ihrem jüngsten Sohn Robert

herausgegeben worden sind. Private Dokumente

einer Zeit, über die in Geschichtsbüchern viel geschrieben

steht, wobei das alltägliche Leben und Überleben

jedoch nur unzureichend beleuchtet wird angesichts

der dichten Abfolge politischer Ereignisse im Zweiten

Weltkrieg und den Jahren danach. Umso wichtiger

sind Tagebuchaufzeichnungen und persönliche Briefe,

die helfen, den Alltag vergangener Zeiten greifbar zu

machen. Reinhart von Lucius beschreibt das Leben in

Berlin, in dem kein Tag ohne Fliegerangriffe vergeht,

er berichtet, wie er Scherben aus dem Bett sammelt,

weil die Druckwellen der Bomben die Fensterscheiben

gesprengt haben, dass Bekannte im Bombenhagel umgekommen

sind, dass fremde Menschen in der Wohnung

einquartiert werden sollen. Er schreibt von rationiertem

Essen und dankt für jedes noch so kleine Lebensmittelpaket,

das die Familie ihm zukommen lässt. Er geht

aber auch, so lange es möglich ist, ins Theater, das

ihm Weltflucht ist, wenngleich nahezu jede Vorstellung

durch Fliegeralarm unterbrochen wird. Konzerte und

Theateraufführungen besucht von Lucius auch direkt

nach Kriegsende wieder, während er zu Hause friert,

weil der Tiergarten bereits abgeholzt ist und Kohle in

den bitterkalten Wintern der Jahre 1946/47 fehlt. Das

Wunderbare an den Briefen ist, dass sie trotz der schweren

Zeiten einen feinen Humor und sanfte Ironie nicht

missen lassen, womit die Lektüre eindrücklich und

überraschend unterhaltsam zugleich ist.

Robert von Lucius (Hrsg.): „Keine Illusionen

irgendwelcher Art ...“ Briefe aus Berlin 1943 bis 1948.

Mitteldeutscher Verlag 2020, 154 Seiten, 14,– €

Zwei Frauen im Wirtschaftswunder-Berlin

Wer Familienromane liebt, sollte die Bücher von Katharina

Fuchs zur Hand nehmen. Nachdem sie in ihrem ersten

Roman die wahre Geschichte ihrer Großmütter nachzeichnet,

sind die Protagonistinnen des Nachfolgeromans,

der letztes Jahr erschien und nun als Taschenbuch vorliegt,

ihre Mutter Gisela und deren Schwägerin Therese: Zwei

Frauen, die im Wirtschaftswunder-Berlin der 1950er-Jahre

die ihnen zugedachte Rolle als Hausfrau verweigern,

um ihre Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Während

die Näherin Gisela als Modeschöpferin Fuß fassen will,

studiert Therese an der Freien Universität Jura, wo ihr

als einzige Frau im Studiengang von Kommilitonen und

Professoren Steine in den Weg gelegt werden, was sie

nur umso mehr anspornt, eines Tages als eine der ersten

Frauen Deutschlands ein Richteramt zu bekleiden. Die

parallel geschilderten Emanzipationsgeschichten werden

durch spannende Nebenhandlungen bereichert: staatliche

Enteignungen, Verfolgungen durch die Stasi, unerwartete

Kriegsrückkehrer, ein Suizid, eine durch den kalten Krieg

gespaltene Familie. Der Roman beginnt mit Stalins Tod

im März 1953, streift den Aufstand vom 17. Juni desselben

Jahres und endet mit der Radioübertragung des Wunders

von Bern im Sommer 1954. Er lebt von der historischen

Detailtreue und der großen Erzählfreude der Autorin, die

18 mein/4


das Westberlin jener Jahre so plastisch zu beschreiben

vermag, dass man es nicht nur sehen und hören kann,

sondern an vielen Stellen auch riechen und schmecken.

Katharina Fuchs: Neuleben. Droemer TB 2021,

496 Seiten, 10,99 €

Das Leben dazwischen

Es ist schwer vorstellbar, was Menschen durchmachen, die

sich entscheiden oder gezwungen werden, ihre Heimat

zu verlassen, weil Krieg ihr Haus zerstört und Verwandte

in den Tod gerissen hat, weil sie ihres Glaubens wegen in

Lebensgefahr sind, weil die Familie sich von ihnen lossagt

oder weil sie im Rahmen des Familiennachzugs ihr Heimatland

hinter sich lassen. Mit der Entscheidung zu gehen,

betreten diese Menschen Zwischenräume – geografische,

soziale, kulturelle und emotionale. Zwischenräume, die sie

auch nicht verlassen, wenn sie in dem Land „angekommen“

sind, das ihnen Zuflucht oder Asyl gewährt. Sprachliche

Hürden, emotionale Überforderung oder behördliche

Einschränkungen verhindern das Ankommen, überlassen

die Geflüchteten einem Leben im Dazwischen. In Sarah

Jurkiewicz‘ Interviewband erzählen neun Frauen von den

bedrückenden Anlässen, die sie zur Flucht bewegten, von

den abenteuerlichen und oftmals auch gefährlichen Reisen,

von der Aufnahme in Berliner Flüchtlingsunterkünften, in

denen einige von ihnen nach Jahren noch leben. Acht der

Frauen kommen aus Afghanistan, Kamerun, Syrien und

dem Irak. Die neunte wurde vor mehr als 70 Jahren mit

ihrer Familie aus Ostpreußen vertrieben. Ihre Geschichte,

platziert zwischen den anderen, macht deutlich, dass

Fluchten weder Zeit noch Raum, stets jedoch Ursachen

kennen, und zumeist mit dem Wunsch verbunden sind,

die ungewissen Zwischenräume zu verlassen: Um hier

endgültig anzukommen oder bald wieder nach Hause

zurückkehren zu dürfen. Die Gespräche sind sowohl in

der jeweiligen Muttersprache der Frauen als auch in deutscher

Übersetzung abgedruckt, womit das schön gestaltete

Buch selbst zum Zwischenraum wird.

Sarah Jurkiewicz (Hrsg.): Zwischenräume.

tobios publishing 2020, 222 Seiten, 8,– €

Sehnsucht nach dem Beat

Eine Handvoll junger Menschen streift wagemutig durch

das nächtliche Berlin. Ihr Ziel: Der Club, das bass-schwer

pulsierende Herz dieser Stadt. Sie tanzen, berauschen

sich an- und miteinander, verlieben sich. Gemeinsam

erleben sie eine schicksalhafte Nacht, in der Pakte geschlossen

und Herzen gebrochen werden und in der Geschlechtergrenzen

keine Rolle mehr spielen. Sie verlassen

den Club mit dem Ziel, neue Wege zu beschreiten und

streifen noch immer wagemutig durch das nun morgendliche

Berlin, das neben den Hauptfiguren Protagonist

dieses in Episoden gestalteten Textes ist. Jetzt, wo die

Clubs schon ein Jahr geschlossen sind, lässt sich Kevin

Junks Debütroman lesen als Dokument einer gerade

vergangenen Ära, von der niemand weiß, ob sie noch

einmal so wird aufleben können. Junk weckt die Sehnsucht

nach dem Beat. Zugleich formuliert er mit seinem

rhythmisierten und sprachlich überaus präzisen Text eine

Art Manifest für seine Generation.

Kevin Junk: Fromme Wölfe. Querverlag 2021,

290 Seiten, 18,– €

mein/4

19


Rubrik

Jetzt ist

die Zeit

für Berlin

Im Gespräch mit der Bundesfamilienministerin

und Vorsitzenden der SPD

Berlin Franziska Giffey

Die Corona-Krise erfordert Fokus und zügige

Entscheidungen in der Politik. Es ist eine Gratwanderung

zwischen dem Schutz

der Gesundheit und dem Allgemeinwohl

der Menschen. So

gilt es immer wieder in den

Blick zu nehmen, wie ältere,

alleinstehende Menschen

oder Familien in

Not unterstützt werden

können. Wir haben mit

einer Frau gesprochen,

die in diesen

Diskussionen, Gesetzesvorlagen

und

Marschrichtungen

mittendrin steckt

und die daran

glaubt, dass

Berlin nach der

Krise zu seiner

Kraft zurückkommen

kann:

die Bundesministerin

für

Familie, Senioren,

Frauen

und Jugend

und Vorsitzende

der SPD Berlin

Franziska Giffey.

20

mein/4


Im Gespräch mit Franziska Giffey

Mein/4: Sie arbeiten in einem sehr schönen

Ministerium, wo man viel bewegen kann.

Aber dann kommt Corona. Betroffen sind

viele Bevölkerungsgruppen, auch Familien

oder Senioren. Wie erleben Sie diese Zeit?

Giffey: Auch wir in der Politik befinden uns in einer

Ausnahmesituation. Da geht es uns nicht anders als

allen anderen. Natürlich verlief das letzte und verläuft

auch dieses Jahr ganz anders als geplant und anders, als

wir uns alle das gewünscht haben. Einerseits verzichten

wir auf Dinge, die wir gerne gemacht hätten, andererseits

besteht die dringende Notwendigkeit, permanent

auf eine Akutsituation zu reagieren. Es ist eine große

Herausforderung. Wir befinden uns in einem ständigen

Abwägungsprozess zwischen dem Gesundheitsschutz

auf der einen Seite und dem Wohl der Menschen auf

der anderen: Kinderschutz und Kindeswohl oder die

Fragen, was wir für ältere Menschen tun können, damit

sie nicht vereinsamen, und wie wir Familien unterstützen

können, die jetzt nur sehr geringe Einkommen

oder große Schwierigkeiten dabei haben, Homeoffice,

Homeschooling und Kinderbetreuung zu vereinbaren.

Deswegen war das ganze letzte Jahr geprägt von Akutund

Nothilfemaßnahmen. Wir haben den Kinderbonus

und den Notfall-Kinderzuschlag umgesetzt. Wir haben

die Regeln für das Elterngeld verändert, damit Eltern

keine Nachteile entstehen, wenn sie in Kurzarbeit sind.

Wir haben ein Sonderprogramm aufgelegt, um die

Jugendherbergen und den internationalen Jugendaustausch

zu retten. Wir haben versucht, etwas für die

Seele zu tun, indem wir denen, die jetzt alleine sind

und Hilfe brauchen, die Möglichkeit geben, dass sie

jemanden anrufen können. Dafür haben wir unsere

kompletten Hilfetelefone aufgestockt: die Nummer

gegen Kummer für Jugendliche, das Hilfetelefon

gegen Gewalt an Frauen, das Pflegetelefon, das

Elterntelefon. Es geht also um finanzielle Hilfe,

aber auch um Rat, Tat und Unterstützung. Die

neueste Maßnahme ist die Ausweitung der

Kinderkrankentage, damit Eltern eine Möglichkeit

haben, Kinderkrankentage auch für

gesunde Kinder zu nehmen und ihre Kinder

zu betreuen, solange der Lockdown noch andauert

– dies eben auch aus der Erkenntnis

vom letzten Jahr heraus, dass Homeschooling

und Homeoffice nicht zusammengehen.

Mein/4: Die Politik muss sich ja oft dem

Vorwurf stellen, sie reagiere zu langsam.

Im Umkehrschluss heißt es, es würden ganz

schnell Entscheidungen im Kabinett oder auf

Ministerpräsidentenebene getroffen und wir

werden gar nicht gefragt. Woran liegt das?

Giffey: Die normalen parlamentarischen Abläufe brauchen

ihre Zeit. Demokratie braucht Zeit. Wir haben im

letzten Jahr in rasender Geschwindigkeit umfangreiche

Gesetze wie das ganze Nothilfepaket oder das Konjunktur-

und Krisenbewältigungspaket verabschiedet.

Das sind Milliardenbeträge, die in kürzester Zeit gängig

gemacht wurden. Oder auch die Überbrückungshilfen

für Unternehmen, die Regelungen zur Kurzarbeit,

auch jetzt die Kinderkrankentage. Das hat von der

Beschlussfassung in der Ministerpräsidentenkonferenz

bis zum Bundesrat anderthalb Wochen gedauert. So

schnell haben wir noch nie ein Gesetz durchgebracht!

Wenn man eine breite Parlamentsbeteiligung

möchte, dann kostet die Zeit.

Und das ist nur dann zu machen, wenn alle Fristen

für Beteiligung verkürzt werden, wenn man Prozesse

aussetzt und beschleunigt. Am Tag, nachdem die Ministerpräsidentenkonferenz

den Beschluss gefasst hatte,

wurde schon gefragt: „Warum dauert das so lange?“

Aber es ist klar, dass von der Beschlussfassung bis zur

Umsetzung einfach Zeit benötigt wird.

Viele Menschen aus den Regierungsverwaltungen arbeiten

nahezu Tag und Nacht, um das hinzubekommen.

Gleiches gilt für die Gesundheitsämter und alle anderen

Bereiche. Ich wünsche mir manchmal, dass das

auch gesehen wird.

Wenn man auf der anderen Seite allerdings eine breite

Parlamentsbeteiligung möchte, dann kostet diese

Zeit. Das Schwierige ist, dabei den Mittelweg zu finden.

Nach einer Ministerpräsidentenkonferenz werden jetzt

immer alle Fraktionsvorsitzenden und die Ausschüsse

mein/4

21


Im Gespräch mit Franziska Giffey

informiert, es gibt Regierungserklärungen im Parlament,

wir diskutieren diese Maßnahmen. Trotzdem sind

das sehr kurze Zeiträume. Man kann nicht einerseits

erwarten, dass die Entscheidungen direkt umgesetzt

werden und andererseits sagen: „Wir brauchen einen

mehrmonatigen parlamentarischen Prozess.“ Das wird

nicht funktionieren. Für uns ist jetzt Priorität, dass die

Maßnahmen schnell greifen. Und dass wir schlicht und

einfach sowohl die sozialen Einrichtungen retten – von

der Jugendherberge über die Familienferienstätte bis zu

den Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen –

als auch, dass die Wirtschaft Hilfen bekommt, damit die

ich sagen: Für mich ist diese Regierungszeit absolut

zweigeteilt. Und natürlich sind die ersten beiden Jahre

die schöneren gewesen.

Mein/4: Sie wissen, was Sie verändern möchten.

Und dann kommt ein neuer Krisenmodus, der

wahrscheinlich noch mindestens ein halbes Jahr

dauert. Wie gehen Sie damit um?

Giffey: Ich bin ein grundoptimistischer Mensch. Die

Dinge sind, wie sie sind, und man muss das Beste daraus

machen. Es nützt ja nichts zu jammern. Die ganze

Situation macht einen fokussiert und rückt die Frage

ins Zentrum: Was können wir jetzt tun, damit es besser

wird? Niemand von uns kann das Virus überreden,

von einem Tag auf den anderen wegzugehen. Aber wir

können alles Mögliche tun, um die Lage in den Griff zu

bekommen. Und darum geht es jetzt. Ich habe 16 Jahre

Brennpunkterfahrung hier in Berlin hinter mir. Unsere

Devise war immer: mit den vorhandenen Ressourcen

flexibel umgehen und dann Hingehen, Zuhören, Anpacken.

Mit diesem Ansatz mache ich meine Arbeit. Und

das werde ich auch in Zukunft so halten.

Unternehmen nach der Krise noch da sind und Arbeitsplätze

nicht verloren gehen. Und natürlich bedeutet das,

Familien zu unterstützen, die in finanzielle Not geraten

sind. Das ist der Versuch, dass wir es alle gemeinsam

schaffen, durch diese schwere Zeit zu kommen.

Mein/4: Bald bricht Ihr viertes Jahr in der

Bundespolitik an. Wie hat sich die Politik in den

drei Jahren gewandelt?

Giffey: Ich kann diese Zeit einteilen. In den ersten beiden

Jahren haben wir schon große Teile des Koalitionsvertrages

umgesetzt. Zum Beispiel unsere beiden großen

Flaggschiffe, das Gute-KiTa-Gesetz und das Starke-Familien-Gesetz.

Das sind ganz konkrete Hilfen, von denen

die Berlinerinnen und Berliner wirklich profitieren. Die

Kinder- und Jugendhilferechtsreform, das Jugendschutzgesetz,

die Ganztagsbetreuung in der Grundschule – das

sind unsere großen Projekte, die noch in dieser Legislatur

abgeschlossen werden sollen. In der Anfangszeit

war ich auch extrem viel unterwegs im ganzen Bundesgebiet

– überall da, wo der Bund fördert und wo wir

Schwerpunkte setzen. Dann kam Corona und wir haben

natürlich alle Veranstaltungen, alle Vor-Ort-Besuche

komplett zurückgefahren. Wir sind umgeschwenkt auf

Telefonschalten, Videokonferenzen und Krisenstäbe.

Das geht jetzt seit fast einem Jahr so. Insofern würde

Mein/4: Warum haben Sie entschieden, wieder

nach Berlin zu gehen?

Giffey: Weil Berlin meine Stadt ist und ich etwas für

Berlin bewegen will. Ich will dafür arbeiten, dass die SPD

in Berlin wieder zu neuer Stärke kommt und dass wir

es schaffen, wieder führende Kraft in der Stadt zu werden,

weil ich davon überzeugt bin, dass eine soziale und

demokratische Politik gut für die Stadt ist. Ich glaube,

dass ich etwas tun kann, was Sinn macht und der Stadt

auch wirklich hilft. Und es geht darum, bei den Wählerinnen

und Wählern Vertrauen für die SPD zurückzugewinnen.

Da will ich nicht einfach zugucken, sondern

zu der Veränderung beitragen, dass die Menschen sagen:

„Die kriegen das hin, und das wird gut.“ Dass sie uns

vertrauen, dass sich Berlin unter der Führung der SPD

Ich will das hier machen, und ich

entscheide mich dafür, nach Berlin,

nach Hause zurückzukommen.

gut entwickelt. Dass wir uns darum kümmern, dass die

Stadt gut funktioniert und wir die Themen angehen, die

den Leuten unter den Nägeln brennen. Wir haben sie

die fünf B für Berlin genannt: Bauen, Bildung, Beste

Wirtschaft, Bürgernähe und Berlin in Sicherheit. Aus

zahlreichen Gesprächen mit Berlinerinnen und Berlinern

weiß ich, dass diese Themen viele Menschen bewegen.

22 mein/4


Im Gespräch mit Franziska Giffey

Für uns ist jetzt Priorität, dass die

Maßnahmen schnell greifen.

Ich bin Berlinerin mit Leib und Seele. Für

mich war klar: Ich will das hier machen,

und ich entscheide mich dafür, nach Berlin,

nach Hause zurückzukommen. Die

Bundesebene ist auch eine tolle Aufgabe.

Aber ich glaube, jetzt ist die Zeit für Berlin.

Ich mache das wirklich gerne.

Mein/4: Wenn es klappen sollte,

dass Sie im September Regierende

Bürgermeisterin von Berlin werden:

Was für eine Stadt erwarten

Sie dann vorzufinden? Was werden

die dringlichsten Themen sein?

Giffey: Wir werden noch eine schwierige

Zeit haben, bis der Lockdown aufgehoben

werden kann bzw. bis wir schrittweise

wieder öffnen. Aber wenn sich alle

an die Regeln halten, ist das ein Stück

weit absehbar. Dann wird es die Phase

der Impfungen geben. Wir könnten im

Sommer wirklich soweit sein, dass wir

einer breiten Bevölkerung ein Impfangebot

machen. Wir werden natürlich

dafür werben müssen, dass es auch alle

annehmen, sodass wir im Herbst auch

hier in Berlin einen guten Impfschutz

haben. Wir sind sehr gut aufgestellt, auch

im bundesweiten Vergleich. Die sechs

Impfzentren sind vorbereitet, fünf sind

am Start. Das ist nicht selbstverständlich.

Andere Bundesländer sind nicht so weit.

Deshalb haben wir auch im Vergleich ein

relativ hohes Level. Das reicht natürlich

noch nicht, es muss noch mehr werden.

Aber es ist davon auszugehen, dass wir

im Herbst einen guten Impfstatus in der

Bevölkerung haben, sodass wir wieder ein

relativ normales Leben führen können.

Natürlich werden wir dann die Folgen

der Krise sehen: In der Wirtschaft, bei

den Kindern, den Familien, in den sozialen

Einrichtungen, den Geschäften

– überall dort werden wir sie sehen, wo

Menschen jetzt ganz stark eingeschränkt

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Prenzlauer Berg

waren. Deswegen wird es auch darum

gehen, die Stadt nach der Krise wieder

zu stärken. Dabei ist für mich der Wirtschaftsstandort

Berlin ganz essenziell.

Er sorgt dafür, dass Wohlstand in der

Stadt erhalten bleibt und zukunftsweisende

Entwicklung erfolgen kann. Deshalb

müssen wir ihn stärken und als SPD

ganz klar sagen: „Gute Arbeit, gute Jobs,

starke Wirtschaft.“ Das muss die Priorität

sein, damit wir aus der Krise wieder

herauskommen.

Das andere sind die stadtentwicklungspolitischen

Themen. Wir sind eine wachsende

Stadt. Wir haben einen großen Bedarf

an Mobilitätsmöglichkeiten. Das heißt:

Wir brauchen eine gute Stadtentwicklung,

die Berlin auch in der Metropolregion

mit Brandenburg denkt und nicht

nur als Innenstadt sieht. Die Frage muss

lauten: Wie binden wir die Außenbezirke

besser an? Denn dort leben viel mehr

Menschen als in der City. Wir müssen

also darüber reden, wie wir deren gute

verkehrliche Anbindung erreichen können.

Dabei werden die Stichworte U-

Bahn-Ausbau und Straßenbahn-Ausbau

zentral sein. Das sind einige der unmittelbaren

Aufgaben, die dann anzugehen

sind, damit wir in diesen Punkten voran-

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mein/4

23


Im Gespräch mit Franziska Giffey

kommen und dabei auch Mittel des Bundes gut nutzen –

sowohl für die Wirtschaftsförderung als auch für die

Infrastruktur.

Mein/4: Sie sprachen das Thema Sicherheit in

Berlin an. Was schwebt Ihnen da vor?

Giffey: Gerade in diesen Krisenzeiten wird deutlich,

wonach sich die Leute am meisten sehnen: nach Sicherheit

– nach sozialer Sicherheit, aber auch nach innerer

Sicherheit. Im Moment sehnen sie sich natürlich auch

nach Planungssicherheit, weil niemand so richtig eine

Perspektive hat. Das Thema Sicherheit ist also in dieser

Situation, in der wir gerade sind, von ganz immenser

Bedeutung. Sicherheit ist ein Grundbedürfnis, das Menschen

von Geburt an in sich tragen. Auf dieses Grundbedürfnis

muss die SPD eine Antwort haben. Das muss

eines unserer Schwerpunktthemen sein. Davon bin ich

zutiefst überzeugt.

Dabei geht es uns darum, dass wir einerseits denen, die

jeden Tag vor Ort auf der Straße für Sicherheit und Ordnung

sorgen – Polizei, Feuerwehr, Ordnungsämtern –

den Rücken stärken, dass wir andererseits aber auch

den starken zivilgesellschaftlichen Organisationen und

Menschen, die sich für die Demokratie einsetzen und

die teilweise bedroht und angegriffen sind, genauso zur

Seite stehen.

Mein/4: Sie sprachen von sozialer Sicherheit und

haben angekündigt, den Mietendeckel nicht zu

verlängern.

Giffey: Ich habe gesagt, dass es keinen Automatismus

für die Verlängerung gibt. Das ist keine politische Aussage,

sondern ein schlichter Fakt. Der Mietendeckel ist

mit einer begrenzenden Wirkung auf fünf Jahre eingeführt

worden.

Berlin ist ganz stark von Mieterinnen und Mietern geprägt,

weil wir einen hohen Anteil an Mietwohnungen

in der Stadt haben. Daher ist es wichtig, dass wir auf

die großen sozialen Fragen eine Antwort geben: Kann

ich mir meine Miete leisten? Ist meine Wohnung sicher?

In der Stadt gab es auf dem Wohnungsmarkt eine extreme

Entwicklung mit riesigen Mietsteigerungen. Das

konnte man nicht einfach dem freien Markt überlassen,

da braucht es Regularien. Der Mietendeckel ist eines

der Instrumente, um dieser rasanten Entwicklung einen

Riegel vorzuschieben und den Mieterinnen und Mietern

eine Atempause zu geben. Aber es ist klar, dass so ein

Eingriff nicht automatisch auf Dauer gestellt werden

kann, zumal ja auch noch ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht

anhängig ist. Das heißt aber wiederum

nicht, dass wir uns nicht auch über fünf Jahre hinaus

für die Interessen der Mieterinnen und Mieter stark

machen und uns für eine Wohnungspolitik einsetzen,

die exorbitante Mietsteigerungen verhindert. Wir müssen

uns nach den fünf Jahren die Rechtslage anschauen,

das Ganze evaluieren und überlegen, was gut geeignete

Instrumente sind, um hier in Berlin einen funktionierenden

Mietmarkt sicherzustellen und zielgerichtet jenen zu

helfen, die wirklich unter zu hohen Mieten leiden. Die

befristete Zeit muss aber auch für Neubauten und für

die Schaffung eines größeren Angebotes genutzt werden.

Mein/4: Große Konzerne sind in der Krise ja

eher flexibel, während Einzelunternehmer Wege

finden müssen, um Löcher zu stopfen. Berlin

hat für mich dank der unzähligen kleinen Läden

und gemütlichen Cafés sehr viel Charme. Wird

Berlin nach der Pandemie dadurch einen Vorteil

oder einen Nachteil haben?

Giffey: Wir haben in Berlin einen starken Dienstleistungs-

und Tourismussektor. Dazu kommen Gastronomie

und Hotellerie. Deshalb ist Berlin auch so stark

von den wirtschaftlichen Auswirkungen getroffen. Wir

haben aber auch eine beeindruckende Produktion,

Handwerk und Industrie in der Stadt, auf die wir zu

Recht stolz sein können. Berlin als Industriestandort

bietet eine riesengroße Chance. Denken Sie an die

Siemensstadt 2.0, an Adlershof – den Wissenschaftsund

Technologiestandort. Da werden Produkte hergestellt,

die in den Weltmarkt gehen. Oder denken Sie

an Biotronik, die Herzschrittmacher-Technologie. Allein

in Neukölln haben wir drei Kaffeeröster: Tchibo,

Jacobs und Dallmayr. Zusammengenommen ist das

der größte Kaffeerösterei- und Produktionsstandort

Europas. Und die Berliner Seilfabrik produziert für

die USA, für Kanada und die ganze Welt: Spielgeräte

made in Berlin. Die ersten Wirtschaftshilfen sind sehr

unbürokratisch gelaufen. In der Unternehmerschaft

der kleinen Läden ist das als große Hilfe angenommen

und wahrgenommen worden. Es ist wichtig, dass die

24 mein/4


Im Gespräch mit Franziska Giffey

Leute merken, dass sie unkompliziert Unterstützung in

der Not bekommen, damit sie eben noch da sind, wenn

die Krise vorbei ist. Das ist ganz entscheidend. Und

wenn ich noch einmal einen Schlenker zur Kulturwirtschaft

machen darf: Die Kulturwirtschaft leidet gerade

extrem unter dieser ganzen Situation. Die SPD will auch

die Kultur und den Kulturstandort Berlin in den Blick

nehmen, wenn es darum geht, wie wir die Stadt wieder

beleben und neu entwickeln wollen nach der Pandemie.

Es gibt leider schon jetzt einige Cafés und kleine Läden,

die sagen: „Wir schaffen das nicht mehr. Wir können

nicht wieder aufmachen.“ Da wird schon etwas verloren

gehen in der Stadt. Aber wir bemühen uns, dass wir so

viel wie möglich Unterstützung geben, damit auch die

Einzelunternehmerinnen und -unternehmer nach der

Krise weitermachen können.

Mein/4: Sie sind Mutter eines 11-jährigen

Kindes. Wie läuft’s mit Homeschooling?

Giffey: Es läuft deutlich besser als letztes Jahr. Ich sehe

eine Entwicklung. Mein Sohn hat eine regelmäßige Videokonferenz

mit seiner Klassenlehrerin. Es gibt einen

Lernraum, die Schüler können ihre Aufgaben verschicken

oder auch einmal etwas im Schulsekretariat vorbeibringen.

Sie stehen im Austausch und können die Lehrerinnen

und Lehrer anmailen. Und das ist eine ganz normale

öffentliche Schule.

Es gibt sicherlich Unterschiede von Schule zu Schule,

aber auch von Lehrer zu Lehrer. Je nachdem, ob eine

Affinität zum digitalen Lernen besteht oder nicht. In der

Zukunft muss darauf geachtet werden, dass wir flächendeckend

zu einem guten digitalen Lernangebot kommen.

Das geht mit technischer Ausstattung auf der einen Seite,

aber auch ganz klar mit zusätzlicher Kompetenz für die

Lehrerinnen und Lehrer. Wir erleben gerade einen Digitalisierungsschub,

den es ohne diese ganze Situation

nicht gegeben hätte. Auch wenn es noch nicht optimal

ist, eine positive Entwicklung ist aber auf jeden Fall erkennbar.

Inzwischen haben sich alle darauf eingerichtet: Die Kinder

arbeiten ihre Aufgaben ab, chatten mit ihren Freunden,

verabreden sich telefonisch, machen zusammen

Mathe am Telefon. Es funktioniert, und ja, es ist nicht

schön. Sie warten, dass sie wieder zur Schule gehen und

etwas unternehmen können. Aber stellen Sie sich einmal

vor, wir hätten diese ganzen digitalen Möglichkeiten jetzt

nicht. Dann wäre es noch viel schwerer.

Frau Giffey, vielen Dank für das Gespräch!

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in Berlin


Ein nachhaltiger

Modestandort für Berlin

Nadia Holbe Stephan von Dassel Rona Tietje Nadine Thomas Beate Brüning Kilian Schache

Leiterin Büro

für Wirtschaftsförderung,

Pankow

Bezirksbürgermeister,

Mitte

Bezirksstadträtin,

Pankow

Büro für Wirtschaftsförderung,

Pankow

Leiterin Büro

für Wirtschaftsförderung,

Mitte

Büro für

Wirtschaftsförderung,

Mitte

Im Gegensatz zu Paris, Amsterdam oder New York gibt es in Berlin auch nach 13 Jahren Fashion Week

kein Modehaus, das junge Designerinnen und Designer sowie Modeschaffende in ihrer kreativen

Arbeit unterstützt. Doch das wird sich jetzt ändern.

Wir sprachen mit Stephan von Dassel, Bürgermeister des Bezirks Mitte, und Rona Tietje, Wirtschaftsstadträtin

von Pankow, über ihr Engagement für einen Modestandort in Berlin.

Mein/4: Warum engagieren Sie sich für ein

Modehaus?

Stephan von Dassel: Die Bezirke verzeichnen einen

Rückgang bzw. Stillstand bei den Ansiedlungen neuer

Modeunternehmen. Steigende Mieten, mangelnde Standort-Rahmenbedingungen

und fehlende Branchenvernetzung

führen dazu, dass Kreativpotenzial und handwerkliches

Know-how abwandern. Hinzu kommt: Mode

ist ein hartes Geschäft. Gerade Unternehmen, die verantwortungsbewusst

und ressourcenschonend arbeiten

möchten, erhalten kaum Unterstützung. Dem möchten

wir entgegenwirken.

Rona Tietje: Das Bezirksamt Pankow und das Bezirksamt

Mitte starteten in Kooperation mit dem Modenetzwerk

NEMONA im Juli 2019 das Projekt Bedarfsanalyse

der Modewirtschaft. Es dient der Entwicklung eines Modehauses

für Designerinnen und Designer, Modeproduzenten,

Lieferanten oder auch Salesagenturen und angrenzender

Gewerke. Das mittelfristige Ziel war von Anfang

an der Aufbau eines kooperativen Textilstandortes

26 mein/4


Nachhaltiger Modestandort Berlin

im Bezirk Mitte oder Pankow, der eine bezirksübergreifende

Anlaufstelle für Modeschaffende bildet und

nachhaltiges Design sowie faire Produktionsbedingungen

vorantreibt. Wir möchten einerseits junge Unternehmen

dabei unterstützen, ihre Marke und ihr Business nachhaltig

zu entwickeln, andererseits bestehenden Unternehmen,

die wachsen möchten, mit der Plattform zur

Seite stehen.

Stephan von Dassel: Die Modeindustrie gilt als

einer der größten Umweltverschmutzer. Neben der Ressourcenverschwendung

zählen die CO 2

-Emissionen zu

den größten Problemen der Fast Fashion. Hinzu kommen

Wasserverschmutzung durch Chemikalien, Pestizide

und Düngemittel oder die Belastung unserer Umwelt

durch Mikroplastik. Sehr wichtig ist uns daher, die Entwicklung

von Forschungsfragen rund um das Thema

Nachhaltigkeit und Zirkularität voranzutreiben und die

Entwicklung besonders innovativer Unternehmen zu

unterstützen. In der Berliner Modewirtschaft finden

sich bereits sehr gute konzeptionelle Ansätze, die weiter

ausgebaut werden sollten. Beispielweise bietet die

Mein/4: Wo steht das Modehaus?

Stephan von Dassel: In der Memhardtstraße am Alexanderplatz.

Dort sehen wir den Modestandort als Einfallstor

zum Scheunenviertel, wo sich eine bunte und

vielfältige Modelandschaft entwickelt hat. Wir beginnen

zunächst mit rund 600 m² und haben die Option, in gut

einem Jahr etwas mehr als 900 m² dazuzumieten.

Mein/4: Was für Angebote wird es in diesem

Haus geben?

Rona Tietje: Über die Bedarfsanalyse konnten wir sehr

genau herausfiltern, welche Angebote die Modeschaffenden

in Berlin benötigen, um ihr Unternehmen zu

festigen und sich weiterzuentwickeln. Der größte Bedarf

betrifft die Sichtbarkeit der jungen und unabhängigen

Designerinnen und Designer sowie den Verkauf. Daher

werden wir die Vernetzung weiter fortführen, und es

wird schon bald einen Showroom und Verkaufsaktivitäten

geben. Auch jungen Talenten von den Berliner

Hochschulen und den Modeschulen möchten wir eine

Plattform geben.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Bereich der Produktion.

Wir werden einen Makerspace mit den wichtigsten

professionellen Maschinen bereitstellen und ein Fotostudio

integrieren. Computerarbeitsplätze mit branchenspezifischer

Software werden folgen. Zusätzlich

werden Workshops zu nachhaltigen Themen und Kreislaufwirtschaft,

Digitalisierung der Branche, Marketing

und Betriebsführung angeboten. Ab 2022 gibt es dann

die Möglichkeit, Ateliers oder temporäre Arbeitsplätze

anzumieten.

Mein/4: Wie wichtig sind die Themen

Nachhaltigkeit und Digitalisierung?

Kunsthochschule Weißensee mit dem Textile Prototyping

Lab das erste offene Labor für High-Tech-Textilien in

Deutschland. Hier streben wir eine enge Zusammenarbeit

an. Zudem arbeiten viele der unabhängigen Designerinnen

und Designer bereits heute mit nachhaltigen

Standards oder möchten dies tun. Diese Bestrebungen

werden wir intensiv unterstützen.

Rona Tietje: Wir wollen Perspektiven schaffen und

durch moderne, digitale Produktionsweisen und neue

Geschäftsmodelle den Wandel beschleunigen. Dies muss

entlang des gesamten Wertschöpfungskreislaufs gedacht

werden. Allein durch die Optimierung des Designs mit

digitalen Hilfsmitteln können enorme Ressourcen eingespart

werden. Zusätzlich werden wir das Modehaus

auch als digitale Plattform anbieten und Raum für Austausch

und zur Vernetzung herstellen. Eine entschlossenere

Digitalisierung soll auch den Handel stabilisieren.

Das heißt, wir werden auch Onlineshopping über die

Webseite anbieten.

Info

Möchtet ihr informiert bleiben über die Entwicklung

des Modestandortes in der Memhardtstraße? Hier

erhaltet ihr alle Informationen:

www.pankow-wirtschaft.de/handlungsfelder/

kreativwirtschaft/

Wer mitwirken möchte, den Modestandort in

der Memhardtstraße zu verstetigen und Berlins

Bedeutung als Modehotspot zu stärken, schreibt

eine kurze E-Mail an:

nadine.thomas@ba-pankow.de

mein/4

27


Nachhaltiger Modestandort Berlin

Rona Tietje und Stephan von Dassel im neuen Modestandort am Alexanderplatz.

Mein/4: Was bedeutet ein Modehaus für die

Region? Wie kann sich solch ein Ort behaupten,

wenn doch die Innenstädte eher veröden?

Stephan von Dassel: Wir sehen eine große Chance für

mehr Regionalität, weil wir uns das Modehaus als kollaborativen

und offenen Ort vorstellen. Zum einen laden

wir die Modeschaffenden ein, an verschiedenen Projekten

zu arbeiten oder den Makerspace und das Fotostudio für

die Produktion zu nutzen. Zum anderen sollen auch die

Nachbarschaft, Service und Erlebnisse im Vordergrund

stehen. Wir zeigen Ausstellungen, Showrooms und lokale

Sortimente jenseits des Mainstreams und werden

auch Formate zum Mitmachen anbieten, wie z. B. zum

Thema Upcycling oder Reparaturen. In jedem Fall wird

das Modehaus Berlin pur sein – man kann eine gute Zeit

haben, arbeiten, shoppen, essen und Inspiration finden.

Stephan von Dassel: Man darf auch nicht vergessen,

dass die Mode ein kaum wahrgenommener Wirtschaftsfaktor

ist. Das Fashion Council Germany hat im Januar

eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass

Deutschland zweitgrößter Bekleidungsproduzent in der

EU ist und drittgrößter Textilexporteur weltweit. Die

Modebranche trug mit 27 Milliarden Euro in 2019 erheblich

zum BIP bei und hat einen großen Effekt auf

den Arbeitsmarkt.

Was es nun braucht, ist, den nachhaltigen Wandel in

der gesamten Branche zu beschleunigen. Die unabhängigen

Berliner Modelabels sind sehr kreativ und

arbeiten bereits vielfach nach nachhaltigen Prinzipien.

Wir sehen den Modestandort daher als Plattform für

die weitere Entwicklung der Modeschaffenden und als

Brücke zu einer sich neu ausrichtenden Modebranche

insgesamt.

Mein/4: Warum soll gerade die Modebranche

unterstützt werden?

Rona Tietje: Berliner Mode ist kreativ, individuell, exklusiv

und von hoher Qualität im Design. Diese Mode ist

ein Kulturgut. Im Gegensatz dazu ist herkömmliche Bekleidung

ein Gebrauchsgut, aber Mode ist Lifestyle, mit

dem wir unsere Lebenserfahrungen, unseren ästhetischen

Lebensstil und die eigene Identität ausdrücken können.

Leider sehen noch zu wenig Menschen in Deutschland,

dass auch in der Mode kultureller Wert Bestand hat und

bewahrt werden sollte. In Frankreich beispielweise werden

Labels, die nationales Handwerk besonders gut fortführen

und damit die Kultur des Landes prägen, mit dem Siegel

Entreprise du Patrimoine Vivant ausgezeichnet. Diese Erhaltung

der Exzellenz, des lebenden Kulturerbes, kennen

wir in Deutschland noch nicht. Auch das wollen wir mit

dem Modeort befördern.

Mein/4: Wie werden Sie das Modehaus

finanzieren?

Stephan von Dassel: Zunächst werden wir Mittel

nutzen, die den Bezirken zur Verfügung stehen. Wir

hoffen natürlich, dass sich auch der Senat oder private

Unternehmen an dem Projekt beteiligen. Wir werden

weitere Finanzierungsmöglichkeiten ausloten, damit

wir grundlegende Angebote möglichst kostengünstig

anbieten können. Wichtig ist uns aber jeweils, dass wir

unabhängig von wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen

die Idee eines kollaborativen Zusammenarbeitens,

das in die Zukunft wirkt, verwirklichen können. Wir

wollen mit dem Modehaus einen wichtigen Beitrag zur

Entwicklung der kreativen Identität in Berlin leisten.

Mein/4: Ich danke Ihnen für das Gespräch.

28 mein/4


Bill Gates schickt uns im Schlaf

Werbung für rosa Pullover

Eine Kolumne von Wladimir Kaminer

Inzwischen weiß jedes Kind: Unsere Telefone hören uns ab. Auch wenn

sie nicht benutzt werden, einfach so auf dem Küchentisch liegen, hören

sie genau zu, worüber ihre Besitzer sich unterhalten. Beweise dafür

muss man nicht lange suchen.

Wir schauten neulich einen alten Film, ich sagte laut über Angelina,

sie habe früher wie eine Barbiepuppe ® ausgesehen. Die

nächsten Tage bekam ich laufend auf meinem Smartphone Werbung

für Barbiepuppen ® angezeigt, so viele Puppen habe ich in

meinem ganzen Leben nicht gesehen. Meine Tochter hatte bereits

vor zwanzig Jahren ihrer letzten Barbie den Kopf abgedreht, nun

trafen wir uns wieder. Und ich muss sagen, die gibt es inzwischen

mit Pediküre-Set und Wellness-Sprudelbad, darüber wollte ich aber

gar nicht schreiben.

Je dichter der Wald, umso dicker die Partisanen. Mama erzählte,

ihr Laptop würde ihr seit einer Woche Werbung von den Dingen

schicken, die sie im Schlaf gesehen hat. Sie hatte einen völlig irren,

bunten Traum, als würde sie eine dreitägige Busfahrt von Berlin nach

London machen, so wie sie es früher gerne tat: Ein Tag London, zwei

Tage im Bus, sie saß am Fenster in einem rosa Pullover mit schwarzen

Blümchen drauf und glühte vor Freude.

Am nächsten Morgen hatte sie darüber gelacht. Die Grenze zu England

ist schon lange zu, es gibt überhaupt keine Busreisen mehr und sie würde

nie einen rosa Pullover tragen.

Beim Frühstück hatte Mama auf ihren Laptop geschaut, das Erste was

sie sah, war ein großer Werbebanner mit dem Pullover aus ihrem Traum:

schwarze Blumen auf rosa Hintergrund, für 49,90 Euro.

Sie hatte vor einer Woche ihre erste Impfung bekommen, auf dem Messegelände,

Halle 21, alles perfekt organisiert, Hin- und Rückfahrt, besser als

bei Holiday-Reisen, meinte sie.

Die Querdenker haben uns gewarnt, dieses ganze Corona und die eilige Impfstoffvergabe

würden von Bill Gates organisiert, damit er in flüssiger Form in

unsere Hirne eindringen, die Weltherrschaft übernehmen und uns im Schlaf

Werbung für rosa Pullover schicken kann. Nun ist es passiert, es führt kein

Weg zurück. Wir sind gespannt auf weitere Träume.

mein/4

Wladimir Kaminer

Privat ein Russe, beruflich

ein deutscher Schriftsteller,

ist er hoffentlich bald

wieder die meiste Zeit

unterwegs mit Lesungen

und Vorträgen.

www.wladimirkaminer.de

Er lebt seit 1990 in Prenzlauer Berg.

29


Fotos: Jens Wazel

„Kurz und knapp“ – Andreas Lehmann

„Kurz und knapp“ ist eine Interviewserie des Berliner Fotografen Jens Wazel

www.jenswazelphotography.com

Kurz und knapp … wer bist du?

Ich bin Chefredakteur der Zeitschrift DAS MAGAZIN

und einer der beiden Verleger des Kurznachzehn Verlages,

der DAS MAGAZIN herausgibt.

DAS MAGAZIN – das von früher?

Ja, das von früher. DAS MAGAZIN mit dem Klemke-

Kater und den Aktfotografien. Das in der DDR sogenannte

Bückware war, wo ein MAGAZIN-Abo in etwa

so begehrt war wie Badfliesen oder Westgeld. Wobei das

Heft noch länger existiert, seine Wurzeln hat es in den

wilden 20er Jahren: gegründet 1924 von Robert Siodmak,

dem Regisseur von „Menschen am Sonntag“, der später

nach Hollywood ging. Jedenfalls ist DAS MAGAZIN

wohl Deutschlands älteste Kulturzeitschrift. Tauchte

sogar kurz und passenderweise in einer Szene in Babylon

Berlin auf.

Worum geht es, was sind eure Themen?

Entscheidend ist, was unsere Autorinnen und Autoren

erleben, und zwar hautnah: Leute, die einer besonderen

Leidenschaft nachgehen: Beziehungen, Sex, Essen,

Landschaft, Bücher, Filme, Kunst, Musik. Unsere Autoren

fahren mit dem Fahrrad von Frankfurt nach Teheran,

leben eine Zeitlang als Einsiedler, sprechen mit

Pinguinforschern oder porträtieren einen alten Uhrmachermeister.

Wir sind leichtsinnig, heiter, verspielt. Wir

pflegen einen anderen Ton, sehr subjektiv, manchmal

komisch, keinen Wichtig-Popichtig-Journalismus.

In der DDR begann DAS MAGAZIN 1954 …

Genau. Damals wurde die sogenannte Politik des Neuen

Kurses ausgerufen, was unter anderem zur Folge

hatte, dass es fortan eine Zeitschrift jenseits der gängigen

Agitation und Propaganda geben sollte. Brecht

brachte den Titel DAS MAGAZIN ins Gespräch, den

man allseits noch aus der Vorkriegszeit kannte.

So kam es dann auch, und so begann eine einzigartige

Erfolgsgeschichte: Hilde Eisler als Chefredakteurin

prägte das Heft jahrzehntelang, der große Werner

Klemke zeichnete die MAGAZIN-Titel, und ja, es war

die erste Zeitschrift, die einen Akt veröffentlichte. Das

Heft war halbwegs weltgewandt und liberal wie kaum

was anderes in der DDR, die Auflage lag zeitweise bei

30 mein/4


„Kurz und knapp“

über 500.000 Exemplaren. Und wenn nicht diese DDRtypische

Papierknappheit bestanden hätte, wären es

wahrscheinlich noch viel mehr gewesen.

Fühlst du da manchmal Leistungsdruck?

Leistungsdruck würde ich das nicht nennen, ich habe

ja Spaß an dem, was ich tue. Aber als ich auf den Chefredakteursposten

rückte, habe ich mir schon Gedanken

darüber gemacht, dass ich nicht derjenige sein will, der

das Ding versemmelt. Ich mag natürlich lieber einen

gelungenen Beitrag zu dieser langen, schillernden Geschichte

leisten. Obwohl die Herausforderungen, vor

denen man mit einer eher unabhängigen Zeitschrift

steht, nun nicht gerade klein sind: Lesegewohnheiten

ändern sich, die digitale Medienwelt ist überbordend,

und wir stecken natürlich auch immer noch in der Ostfalle.

Ostfalle?

Wir werden unterschätzt, wir sind leider nicht präsent

genug im ganzen Land, im Westen kennt man DAS

MAGAZIN oft nicht. Weil man sich bis heute nicht

wirklich für das, was da 1990 hinzugekommen ist, interessiert.

Und natürlich sind wir – was die Leserschaft angeht –

im Osten verwurzelter. Aber was die Beteiligten an der

MAGAZIN-Produktion betrifft und damit die verhandelten

Themen – das ist bunt gemischt, unsere Autorinnen

oder Zeichnerinnen kommen aus Hamburg, Berlin,

Südtirol, Leipzig oder von sonst wo. Mitunter weiß ich

gar nicht, ob das dann ein Ossi oder ein Wessi ist.

Wie hoch ist die Auflage?

45.000, plus/minus. Der Vorzug dieses Heftes war ja

schon immer, dass es, sagen wir, intelligente Unterhaltung

produziert hat. Charmant im Ton, zuweilen ironisch

und selbstironisch, nicht mit diesem überheblichen

Besserwissergestus oder mit den üblichen ideologischen

Phrasen – heute heißt es „Framing“ – wie das anderswo

inzwischen Usus ist.

Es ging im MAGAZIN nie um Belehrung, es war nie

wirklich elitär. Heutzutage erleben wir ja ein beunruhigendes

Auseinanderdriften von Schichten, Milieus, Oben,

Unten, Stadt, Land; DAS MAGAZIN indes war immer

ein Heft, das verbindet, das zusammenbringt. Es soll

mein/4

31


„Kurz und knapp“

Spaß machen es zu lesen, Mann und Frau sollen angeregt

werden – und da gibt es nach wie vor viele Leserinnen und

Leser im Land, die das brauchen und goutieren. Wenn

wir nur ein bisschen präsenter wären, könnten wir wahrscheinlich

ein viel größeres Publikum erreichen.

Wir kamst du zum MAGAZIN?

Durch Zufall. Ich habe seinerzeit fürs Fernsehen gearbeitet,

war aber mit dem, was ich da tat, fertig. Genau zu dem

Zeitpunkt traf ich meine alte Kollegin Manuela Thieme

wieder, die gerade Chefredakteurin des MAGAZINs

geworden war und das Profil des Heftes schärfen und sich

stärker auf die Wurzeln besinnen wollte. Dafür suchte

sie neue Mitstreiter, sie fragte mich, ich hatte Bock. Ist

fast 20 Jahre her.

Wir haben uns auch vor gut 20 Jahren

kennengelernt, bei deiner Recherche zu deinem

Buch Go West. Ostdeutsche in Amerika.

Ich konnte gleich nach der Wende mit einem Stipendium

für längere Zeit in die USA und war tatsächlich überwältigt

und begeistert. Ich bin mit den Amis sehr gut

klargekommen, ich habe dort – jetzt wird es ein bisschen

kitschig – tatsächlich ein Gefühl von Freiheit erfahren.

Ich habe so viele Möglichkeiten gesehen, so viel Großzügigkeit,

Neugier und, sagen wir, Zugewandtheit erlebt,

dass ich mir schon vorstellen konnte da ganz hinzugehen.

Aber das hat sich nicht ergeben. Meine Sehnsucht habe

ich indes in dieses Buch gepackt. Da bin ich dann später

kreuz und quer durch die Staaten gereist und habe die

Ostdeutschen getroffen, die wirklich ausgewandert sind.

Hast du die Sehnsucht heute noch?

Immer mal wieder, ja. Daran ändert auch nichts, dass so

ein Typ wie Trump Präsident werden konnte. Oder dass

es mit der Krankenversicherung nach wie vor eine mittelschwere

Katastrophe bleibt oder in San Francisco – wo

ich Freunde habe – mit der Gentrifizierung noch mal eine

ganz andere Nummer ist als hier in Berlin.

Aber ich bin hier verwurzelt. Ich bin in der Sprache zu

Hause, habe einen tollen Job. Was soll ich in Amerika?

Wenn ich Fahrradmechaniker wäre oder Bierbrauer, dann

ja. So was werde ich im nächsten Leben, und dann mache

ich das.

Du bleibst also in Berlin?

Bestimmt. Ich wohne seit 35 Jahren in Prenzlauer Berg,

hier wollte ich damals hin, hier bin ich geblieben, auch

wenn das heute natürlich eine ganz andere Geschichte

Andreas Lehmann ist Chefredakteur

der Zeitschrift

DAS MAGAZIN und gelegentlicher

Buchautor, zuletzt

erschien von ihm:

Die neuen zehn Gebote.

Wie Erziehungsexperten, Gesundheitsfetischisten

und

militante Nichtraucher zu den

Priestern unserer Zeit wurden.

www.dasmagazin.de

32 mein/4


„Kurz und knapp“

ist. Leider blieb so gut wie nichts von all dem Unkonventionellen,

Unsortierten übrig. Es geht jetzt darum, dass

die Handwerker die 25.000-Euro-Küche auch ordentlich

in die großzügig geschnittene Eigentumswohnung einbauen

und die wunderbaren Kinder auf dem richtigen

Gymnasium landen.

Ich bin auch immer wieder irritiert, dass die Damen und

Herren vom Ordnungsamt inzwischen das Straßenbild

beherrschen. Ich habe – lange vor Corona – mal geschrieben,

dass es nur noch fehlt, dass sie kontrollieren, ob wir

auch ja ein sauberes Taschentuch dabei haben.

Alte Omis oder normale Arbeiter wohnen hier nicht mehr.

Das ist manchmal ganz schön eintönig und monokulturell.

Gott sei Dank habe ich meinen Fußballverein – die

Alten Herren der SG Rotation Prenzlauer Berg – da spielen

noch die, die früher hier in Prenzlauer Berg lebten:

Dachdecker, Elektriker, Hausmeister – sorry, heute sagt

man ja „Facility Manager“.

Wie geht’s dir in der Corona-Zeit?

Mit dem MAGAZIN ganz gut. Unsere Leser sind heilfroh,

dass es bei uns nicht auch noch um Infiziertenzahlen

und öde Berichte aus dem Homeoffice geht. Ansonsten

ist das natürlich alles unerquicklich. Ich bin nicht der Typ,

der zu Hause auf der Couch und vor der Glotze sitzt. Ich

kann nicht mal mehr Netflix. Ich brauche urbanes Leben,

warum sonst bin ich denn in Berlin. Ich will wieder auf

den Fußballplatz und anschließend mit den Jungs Bier

trinken. Ich will mein altes Leben zurück, aber wer will

das nicht.

Vielen Dank!

Jens Wazel Jens Wazel ist Fotograf und Filmemacher.

Im Osten aufgewachsen, wohnt er – nach 25 Jahren in

den USA – wieder in Berlin. Er ist seit 40 Jahren Leser

von DAS MAGAZIN.

www.jenswazelphotography.com

www.sichtwechsel-berlin.de

Prenzlauer Berg

Sredzkistr. 23

10435 Berlin

T 030.25 74 29 49

Frohnau

Zeltinger Platz 9

13465 Berlin

T 030.401 03 567


Rührteig, Ordnung und

Auto mit vier Rädern

Eigentlich hatte ich mir die Überschrift „Plan C“ ausgedacht, denn auch diese

Geschichte hat irgendwie was mit Corona zu tun, allerdings im Positiven. Die

Geschichte handelt von einem Geschäft, was durch den Lockdown von heute

auf morgen zusammenbrach und von mutigen Menschen, die sich aus der Not

heraus etwas einfallen ließen.

Ich fange mal vorne an:

Robert Schäfer ist ein Westberliner Gastro-Urviech.

Ich stellte ihn mal mit den Worten: „Robert ist gelernter

Oberkellner“ vor, woraufhin er sofort bemerkte: „Das

kann man nicht lernen, das wird man.“ Gelernt hat er

im Hotel Mondial am Ku‘Damm. Arbeiten, wo andere

Urlaub machen, war im Club Med ganz okay, im Gegensatz

zu Zermatt: „Da musste jedes Gericht am Tisch

vorgelegt werden, ich bin fast wahnsinnig geworden …“

Das Schloss Hubertushöhe in Storkow hat er mit eingerichtet

und einige weitere Gastronomen bei Planung

und Umsetzung ihrer Projekte beraten.

„Ich bin Kellner aus Leidenschaft“, sagt Robert über

sich und wer schon mal im HunniClub war, wird das

garantiert bestätigen. „Und wenn du mal Essen gehst,

wie sind deine Erfahrungen mit Service? Wenn du ein

Auto kaufst, das nur drei Räder hat, gibst du es zurück,

oder? Service ist heute leider oft so. Aber ich rege mich

nicht mehr auf, das lohnt nicht.“ Seit 18 Jahren betreibt

Robert die Firma Kellner & Co. Eine Personalagentur

für Servicekräfte – natürlich von Robert geschult.

Christine Schäfer hat eine Doppelfunktion. Sie ist

Roberts Partnerin und Chefin von Kellner & Co. „Als

wir damals den Betrieb gründeten, war Robert für ein

Projekt unterwegs und ich musste alles allein unterschreiben“.

Auf meine Frage, ob er denn schon mal

eine Gehaltserhöhung bekommen hat, schenkt sie

mir ein verschmitztes Lächeln: „Wir machen alles gemeinsam!“

Tine (wenn man Christine sagt, erschrickt sie) hat mal

Erzieherin gelernt. „So manches aus der Zeit kann ich

in diesem Job gut gebrauchen“, verrät sie mir und „ich

liebe Ordnung.“

Bei 93 Mitarbeitern, die Kellner & Co. Anfang 2020

unter Vertrag hatte, kann das sicher nicht schaden. Dann

kam Corona und von heute auf morgen brachen sämtliche

Aufträge weg.

34 mein/4


Der HunniClub

Hedwig Tietze war noch nicht geboren, als ihre Eltern

die DDR verließen. „Wenn schon weg, dann richtig weg“,

muss sich ihr Papa gedacht haben und zog mit seiner Frau

nach Brasilien. Nach dem Abitur an der Deutschen Schule

in São Paulo kam Hedi zurück, studierte Landschaftsarchitektur,

machte ihren Master zum Schwerpunkt Naturschutz

und fing bei Kellner & Co. an, schon vor zwölf

Jahren. „Hedi kannst du überall einsetzen“, O-Ton Chefin.

Hedi hat ein Geheimnis. Sie liebt es zu backen. „Ich habe

mich schon zweimal für eine Lehrstelle als Konditorin beworben,

aber mit abgeschlossenem Studium war ich den

Leuten wohl zu unheimlich.“ Schon als kleines Kind hat

sie Rezepte der Oma nachgebacken, am liebsten Torten.

Liebe Hedi: Lehre ist gut, Leidenschaft ist besser!

Gierkeplatz 11 ist die Adresse, die es sich zu notieren

lohnt. Noch wird hier gesägt, gemalert, verkabelt. In

Kürze aber wird an dieser Adresse ein Café an den Start

gehen. Das Büro von Tine ist schon fertig. „Ich schaue

direkt auf den Platz und auf unserer Seite ist den ganzen

Tag Sonne“, freut sie sich. Die Ordner stehen ordentlich

im Regal, Rechner und Telefon funktionieren, es kann

wieder losgehen.

Jeudibar, nennt Robert seine Erfindung, die er schon

in den alten Räumen etabliert hat. Die Bar wird einen

schöneren Rahmen bekommen und immer – und nur –

donnerstags geöffnet sein.

HunniClub ist eine Corona-Erfindung, die Tine und

Robert schon in den früheren Räumen – in Partnerschaft

mit mir (der Zierliche mit dem gestreiften Hemd) – mit

großem Erfolg begonnen haben. In loser Reihe gestalten

Berliner Köchinnen und Köche kulinarische Abende für

einen kleinen Kreis von Gästen – ein ganz besonderes

Erlebnis. Am Gierkeplatz bekommt der HunniClub nun

sein perfektes Zuhause mit offener Küche im Raum, langer

Tafel, liebevoll eingedeckt und natürlich mit Oberkellner

Robert. Einfach mal die Seite anschauen: www.hunni.club.

In den neuen Räumen stimmen die Bedingungen und

auch die Chemie.

Das Einzige, was jetzt noch fehlt, ist Leben in der Bude –

darauf freuen sich alle schon riesig! Die Eröffnung wird

irgendwann im April stattfinden.

Wer nun vor Neugierde schon platzt (das ist nur

zu verständlich), der melde sich einfach unter

hallo@hunni.club schon mal an.

NEU!

Die mein/4-App zum Downloaden.

Dein Kiez in

Deiner Hand!


Bärbels ungebetener Ratschlag

HELP! Strawberry fields forever

Love is all you need

The Beatles

Und das stimmt. Nicht nur, weil

die Beatles praktisch immer recht haben.

Beatles-Songs können dich prima durchs

Leben navigieren. Irgendwas passt immer. Und

wenn es dein Gegenüber befremdet, weil „I am

the walrus“ in jedem Zusammenhang keinen

Sinn zu machen scheint, kannst du immer noch

sphinxenhaft lächeln und sagen: „Die Beatles, ne!

Die wussten Bescheid.“

Hach ja. Schön wär das ja. Bescheid wissen. Sich sicher

sein. Stattdessen ist gerade alles so kompliziert. Oder?

Wenn man sich die Corona-Regel-Seiten der einzelnen

Bundesländer anschaut, drängt sich der Gedanke

auf. Andererseits ist es auch wieder simpel: AHA. Zu

Hause bleiben. Es sich nett machen. Nett. Tss. Nicht

mal „nett“ kannst du doch einfach so benutzen! Heißt

das jetzt „nett“ oder „kleine Schwester von Scheiße“?

Puh. Kompliziert.

„Liebe ist doch so einfach.“

Das sagt Arletty, die berühmte französische Schauspielerin

in dem Film „Die Kinder des Olymp“. (Könnt

ihr anschauen, ist ein schwarz-weißer Klassiker, endlich

die Klassiker gucken ist doch ein Projekt für einen

Lockdown.) „Ich liebe diesen Satz“, habe ich damals in

mein Tagebuch geschrieben – und gehofft, dass ich ihn

auch irgendwann verstehen würde.

Ungefähr zur gleichen Zeit habe ich aus dem Deutschunterricht

den Satz mitgenommen: „Den Liebenden

lieben die Götter mehr als den Geliebten.“ Woher genau

der stammt, weiß ich nicht mehr. Ich weiß aber noch,

dass dahinter in meinem Tagebuch stand: „Das kann ja

sein, aber ich finde, ich war jetzt lange genug der Liebende,

kann ich jetzt mal der Geliebte sein?“ Gegendert

habe ich damals nicht, obwohl ich bei freier Erörterung

gerne das Thema „Gleichberechtigung“ gewählt habe.

Ich liebe dich. Je t´aime. Ja ljublju tjebja. Ti amo. Wo

ai ni. S´ayapo. Jeg elsker dig. „Die Sprachen der Liebe“

hieß das kleine Büchlein, das ich hatte – und theoretisch

konnte ich „Ich liebe dich“ in mindestens fünf Sprachen.

Und dann hat es bis in meine Zwanziger hinein

gedauert, bis ich die drei magischen Worte

ausgesprochen habe. So romantisch war ich. Ich

dachte nämlich, wenn ich das jemals sage, dann muss

ich das genau wissen, dass es dann für immer und ewig

ist. Ah ja, dabei fällt mir ein Filmzitat ein, das mich

damals etwas verstört hat: „Ich schwöre, dass ich dich

liebe – für immer. Das sagt man einmal, aber hört es sein

Leben lang.“ Irgendein Film mit Romy Schneider und

womöglich Alain Delon, und er stirbt und sie muss dann

ganz schön lange von diesem Echo zehren … egal. Wenn

es jemand zu mir sagen wollte, habe ich auch panisch

abgeblockt, weil ich diese Verantwortung nicht tragen

wollte, diese Liebe von jemandem, den ich dann womöglich

aber nicht genauso zurücklieben kann. Kompliziert.

Schrecklich kompliziert, das mit der Liebe. Fand ich.

Aber ab dem Moment, wo ich es dann mal gesagt hatte

– zunächst mit dem schnellen Zusatz: „Das soll dich

jetzt aber nicht unter Druck setzen, das ist meine Sache,

mein Gefühl und das ist total okay und sehr schön so“

– habe ich großen Spaß daran entwickelt, es zu sagen.

Ich sage es immer noch gerne mehrmals täglich. Von

meinen Kindern höre ich dann oft: „Jaha, weiß ich“. Mit

meinen Kindern ist es super – Liebeswelle steigt in mir

hoch – platsch, schütte ich sie über ihnen aus. Einfach.

Aber wenn man Kinder bekommt, ist eine ganz andere

Art von Liebe im Vordergrund als diese komplizierte romantische.

Die kriegt man einfach so BÄM reingeknallt

Bärbel Stolz

ist Schauspielerin und Autorin. Mit

ihrer Figur die Prenzlschwäbin

hat sie schwäbische, deutsche und

großstädtische Eigenheiten aufs Korn

genommen und mit ihren YouTube-

Videos und Liveauftritten Menschen

im ganzen Land begeistert. Hoffentlich

bald ist sie mit ihrem neuen Programm

Toller Arsch wieder auf Tour.

www.prenzlschwaebin.de

36 mein/4


Bärbels ungebetener Ratschlag

und sie ist absolut und unendlich und bedingungslos. So

wie sie sein soll. Einfach ist das aber auch nicht, weil dein

Herz dann permanent außerhalb von dir unterwegs ist

und du immer Angst um diese Menschlein hast.

Botho Strauß hat mal ein Buch geschrieben: „Über Liebe“.

Und darin steht auch ein Satz, der es in mein Tagebuch

geschafft hat. Er schreibt, man müsse einander

Raum geben, immer wieder auch auf Abstand gehen

als Paar … sonst steht man eines Tages zu dicht voreinander,

als dass man sich überhaupt noch sehen könnte

und fragt sich: „Wen lieb ich mir da?“

Abstand ist ja gerade Thema. Zu viel und zu wenig. Und

genau das Maß an Abstand kann über die Liebe entscheiden.

Nicht nur bei Paaren. Auch bei Freunden.

Manchmal ist es ganz wichtig, Abstand zu

gewinnen, um sich wieder richtig lieb haben

zu können. Damit wieder Sehnsucht

wächst. Vor einem Jahr kam

der Lockdown vielen doch gar nicht

ungelegen. Vorsicht mit deinen Wünschen,

sie könnten in Erfüllung gehen!

Wer von euch hat sich eine Auszeit gewünscht?

Einfach mal Pause. Stillstand?

Ich. Bin ich jetzt Schuld? Sorry. Eine Pause. Tja.

Da isse. Das Universum ist halt kreativer und krasser

in der Umsetzung, als wir uns das wünschen könnten.

Und jetzt? All you need is love?

Beziehungsstatus: unkompliziert – frei nach Facebook.

Also, ich finde Arletty hat recht. Und die Götter auch.

Ich liebe gerne und fühle mich gut dabei. Und mehr Liebe

an sich täte der Welt schon gut. Vielleicht sollten wir

das alle üben. Wir müssen ja immer noch Abstand halten,

da müssen wir nicht mit Mitmenschen anfangen: Essen.

Wetter. Gerüche. Bücher. Und dann vielleicht Pflanzen,

Tiere … sich selber. Liebe ist gesund. Hass macht krank.

Eigentlich keine schwierige Entscheidung, wenn man vor

dieser Alternative steht, selbst der egoistischste Mensch,

der nur sich selbst liebt, müsste das verstehen.

Mit dem Liebenüben nimmt das Hassen vielleicht ab.

Das nervt mich nämlich. Selbst wenn ich mit Liebe begonnen

habe und zum Beispiel bei Facebook schreibe:

Ich liebe Sonnenschein! Dann kriege ich 17 Knuddler

und drei Daumen hoch – und 58 wütende Gesichter,

die mir sagen: „Aha, was ist mit Regen? Der ist total

wichtig für unsere Landwirtschaft – und unsere Wälder

sind auch ganz trocken. Echt scheiße von dir, hier den

Regen so zu dissen! Du blöde Kuh!“

Und darunter streiten sich dann 179 Menschen über die

Kommasetzung, den Regen an sich, das Hassenswerteste

aneinander und beschuldigen sich gegenseitig, den Klimawandel

zu leugnen oder zu befürworten. Sehr verwirrend.

Und nicht liebenswert. Trotz des Abstands scheint

Liebe gerade noch komplizierter. Weil jeder dünnhäutig

ist. Weil du nicht weißt, wie die persönliche Kurve bezüglich

Sorge oder Zuversicht des anderen gerade steht.

Da kannst du einen Witz am einen Tag belachen und

am nächsten darüber in Tränen ausbrechen. Wenn mir

einer sagt: „Ja, die Kinder müssen zusammen spielen,

das ist doch wichtig für ihre seelische Gesundheit. Und

die gehen ja auch weniger viral als Erwachsene – oder

wie nennt man das?“, nicke ich einmal nachsichtig und

ein andermal schlag ich fast zu. Jeder, der gerade in

einer anderen Stimmungslage ist, scheint dich persönlich

anzugreifen.

Uff. Lösungsvorschläge bitte! Freundliche, zugewandte,

konstruktive! Es ist halt leider nicht schwarz und weiß,

es gibt viele Nuancen, es gibt lauter persönliche Sichten

auf alles. Es ist nicht immer einfach, andere Ansichten

liebevoll zuzulassen.

Und Toleranz ist eben keine Einbahnstraße,

funktioniert nur in beide Richtungen. Meine

persönlichen Spleens und Vorlieben dürfen

halt keinen anderen schädigen oder übermäßig

stressen. Aber da geht es ja schon los.

Manchmal bin ich gestresst, weil der Mensch,

den ich eigentlich liebe, ATMET. Andere werden

aggressiv, weil sie NACHBARN haben

mitten in der Großstadt. Kompliziert.

Kategorischer Imperativ dann. Gut, Kant war auch ne

„cunt“, kann man natürlich sagen, wenn man seine Theorien

zu den „Rassen“ liest – aber er war halt auch ein Kind

bzw. ein alter weißer Mann seiner Zeit. Sein berühmter

Satz an sich stimmt ja. (Wisst ihr schon, oder? Handle so,

dass die Maxime deines Handelns … oder halt: Was du

nicht willst, dass man dir tut …) Aber das konsequent

zu Ende gedacht …? Puh. Das überfordert mich in ähnlicher

Weise, wie wenn ich versuche, mir das unendliche

Weltall beim Ausdehnen vorzustellen.

Wie sähe denn z. B. ein bequemes Leben OHNE AUS-

BEUTUNG ANDERER aus? Reicht da Liebe?

„Liebe – ist doch so einfach!“ Der Film, in dem dieser

Satz fällt, wurde mitten im Zweiten Weltkrieg gedreht,

möglichst lange und mit möglichst vielen Menschen, die

die Produzenten dadurch schützen wollten, dass sie bei

dem Werk gebraucht wurden. Das war nervenaufreibend.

Anstrengend. Viele hatten Angst. Und keiner wusste,

wann es endlich vorbei sein würde und das Leben endlich

wieder normal, schön und einfach.

Arletty, die große Diva, die keinen Nachnamen brauchte,

hatte währenddessen eine Liebesbeziehung mit einem

Deutschen und wurde nach der Filmpremiere als Kollaborateurin

verurteilt. Auch nicht unkompliziert. Und

doch sagt sie diesen Satz im Film mit einer Klarheit, dass

er sich in ein siebzehnjähriges Herz bohrt.

Also: Liebe. Darauf läuft es raus. Kompliziert oder nicht:

Liebt! Den Rest schaffen wir dann schon. ■

mein/4

37


Helden in der Küche

Sternekoch Max Strohe und seine

Partnerin Ilona Scholl laufen in

der Krise zur Hochform auf

Im Tulus Lotrek gibt es französische Küche,

modern interpretiert und inspiriert von dem,

was den Köchen selbst schmeckt. Ilona Scholl

und Max Strohe haben eine ursprüngliche Altbauwohnung

zu einem gemütlichen Ort gemacht,

an dem die Gäste gern genießen. Mit

Corona sprossen Kreativität und Flexibilität im

Team: Geboren war u. a. die wohltätige Initiative

Kochen für Helden. Max Strohe nahm uns

im Gespräch mit in die Zeit der Entstehung

des Restaurants und erzählte uns, wie sie die

Corona-Zeit erleben und nutzen.

38 mein/4


Max Strohe – Helden in der Küche

Der Erfolg kam Schlag auf Schlag und zeigt deutliche

Meilensteine: Im November 2015 eröffnete Max Strohe

gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Ilona Scholl das

Restaurant Tulus Lotrek, 2016 zeichneten ihn die Berliner

Meisterköche als „Aufsteiger des Jahres“ aus und

2017 kam der erste MICHELIN-Stern. Mehrmals trat

er bei der Kochshow Kitchen Impossible an und ging in

den Frühjahren 2019 und 2020 als Sieger hervor. Auch

bei Ready to beef! war er 2019 zusammen mit Tim Mälzer

am Start.

Auf der Suche nach der eigenen Stilistik

A la carte oder Bar Food am Tresen: Um die eigene

Stilistik zu finden, haben Ilona Scholl und Max Strohe

zu Anfang viel ausprobiert. Herausgekommen ist eine

modern interpretierte, französische Küche. „Das war zu

der Zeit, wo die ganzen regionalistischen Restaurants

aufgeploppt sind und ein bisschen mit der Kargheit der

Umgebung kokettiert haben“, schildert Max Strohe und

ergänzt: „Wir wollten einfach lecker kochen und zwar

das, was wir selber gerne essen würden oder was uns in

Berlin irgendwie gefehlt hat.“

Der Sternekoch vergleicht seine Kochweise mit den Filtern

bei Instagram: „Wir kochen so, als würden wir zum

Beispiel den Toulouse-Lautrec-Filter drauflegen. Damit

sind wir näher an der französischen Küche dran, als wir

das jemals vorhatten. Es geht gar nicht darum, etwas

zu entfremden oder zu verändern. Es entwickelt sich

einfach so.“ In dem Restaurantnamen Tulus Lotrek steckt

nämlich der französische Namenspatron „Henri de Toulouse-Lautrec“

drin – in Erinnerung an das französische

Restaurant, das vorher in den Räumlichkeiten war. Mit

der absichtlich falschen Schreibweise „wollten wir verhindern,

dass zukünftige Gäste uns auf die französische

Küche festnageln. Mittlerweile könnten wir eines der

beiden Worte im Namen des Restaurants tatsächlich

Französisch schreiben“, schmunzelt Max Strohe.

Kochen für Helden: Corona bringt das Team

um Scholl und Strohe ins Tun

Das Team von 10–12 Mitarbeitern konnten Ilona Scholl

und Max Strohe in der Corona-Krise weitgehend halten,

zwar in Kurzarbeit, aber voll aufgestockt. Im ersten

Lockdown entstand die Kochen für Helden-Aktion.

Nach dem Motto „Wir kochen Essen für die, die den

Laden in Zeiten der Krise zusammenhalten“ haben sich

auf Initiative von Ilona Scholl und Max Strohe Berliner

Gastronomen zusammengetan, um für die Heldinnen

mein/4

39


und Helden des Alltags zu kochen. Inzwischen gibt es

#kochenfürhelden in weiteren Städten. So bewundernswert

diese wohltätige Aktion ist, so sehr hat sie das

ganze Team vereinnahmt: „Wir hatten gar keine Zeit

drüber nachzudenken, was wir noch machen könnten,

um uns selbst über Wasser zu halten. Erst im Nachhinein

habe ich realisiert, dass das sehr cool, aber auch

sehr, sehr kräftezehrend war. Das ging sieben Tage die

Woche über acht Wochen.“

Kochen für Helden entsprang einem Impuls, wie uns Max

Strohe erzählt: „Ich bin eher ein intuitiver Mensch, auch

in der Küche, und höre auf mein Bauchgefühl. Mein Impuls

im ersten Lockdown war: ‚Okay, wir stecken alle in

irgendeiner wahnsinnigen, unvorhersehbaren Scheiße,

die noch nie jemand mitgemacht hat. Wir müssen jetzt

die Arschbacken zusammenkneifen und Vollgas geben,

damit uns das Ganze nicht erledigt. Da habe ich eher

ganzheitlich gedacht. Nicht an mich als Betrieb, sondern

irgendwie an die Menschheit, die Stadt, ans Zusammenleben,

die Gemeinschaft und Gesellschaft. Und dann

haben wir das einfach gemacht.“

Lockdown und das Glück in Boxen

Max Strohe empfindet den beschränkten räumlichen

Platz in der Küche als Glück, denn dadurch kann er

gar nicht so viele Leute einstellen. Die Urlaubspläne

für den Sommer wurden ad acta gelegt, um wieder

Geld reinzuholen. Als der zweite Lockdown kam, war

ihnen klar, dass aus einer Eröffnung im Dezember

nichts werden würde. Während sie sich im November

eine Auszeit gegönnt haben, ging es im Dezember

dann mit dem Weihnachtsmarkt an den ersten beiden

Adventssonntagen weiter. „Das hat so gut funktioniert.

Wir hatten eine überwältigende Resonanz. Wir haben

es genossen, mal wieder eine Bestätigung zu kriegen.

Als Gastronomen und als Mitarbeiter im Service leben

wir davon, Bestätigung zu bekommen, Menschen

glücklich zu machen und in glückliche Augen zu gucken.

Es war einfach toll“, schwärmt Max Strohe von

der Weihnachtsaktion. Allerdings sei ihnen nach dem

zweiten Wochenende klar geworden, dass das nichts

mehr mit Lockdown zu tun hat, wenn sich Menschentrauben

bilden und die Leute Alkohol trinken: „Es

wäre keine kluge Idee gewesen, das weiterzumachen.

Auch im Kontext von Kochen für Helden hätte das keinen

Sinn gemacht. In unserer Verantwortung unseren

Mitmenschen gegenüber können wir hier keine

Superspreader-Veranstaltungen machen.“ Stattdessen

kamen die Weihnachtsbox, die Hangover bag und die

Katertüte für den 1. Januar, die sehr gut angenommen

wurde. „Das hat Spaß gemacht“, nimmt uns Max Strohe

mit, „die Katertüte war irgendwie geil, weil man da

Sachen reinmacht, auf die man Bock hat, wenn man

einen Kater hat, eben Junkfood, Soulfood, Moodfood.

Das kochen wir ja normalerweise nicht.“

„Ich bin ein großer Trüffelfan“, berichtet Max Strohe weiter,

„es gibt ja Leute, die bevorzugen Kaviar. Ich finde

Trüffel geiler, auch weil es ihn nicht immer gibt. Mir ist

40 mein/4


Max Strohe – Helden in der Küche

klar geworden, dass wir am Ende dieses Lockdowns oder

dieser Pandemie eine komplette Trüffelsaison zugehabt

haben werden, und das geht gar nicht. Also machen wir

jetzt ein Trüffelmenü für zwei Leute.“ Das Menü ist am

Samstag und Sonntag in Berlin abholbar. Versendet wird

das Valentinstagmenü. „Da machen wir auch eine schöne

Box für Valentinstaghasser oder für Singles“, schildert Max

Strohe die Idee, und schließt: „Das wird ganz lustig. Und

dann schauen wir mal, wie es weitergeht.“

Neue Runde: Kochen für die Helden

der Impfzentren

Wir sind wieder bei Kochen für Helden, und der Kreis

der Fürsorge schließt sich. Im Weihnachtsmonat Dezember

hat das Team um Ilona Scholl und Max Strohe

die Obdachlosenhilfe, die Caritas, die Diakonie und die

Wärmestuben unterstützt, in dem es Essen zugesteuert

und ausgegeben hat. Nun, wo die Impfzentren an den

Start gegangen sind, öffnet sich wieder ein Kochen-für-

Helden-Slot: „Jetzt gehen wir in die Arena. Wir kochen

hier und geben dort aus. Klar, alles natürlich aufwendig

organisiert, damit sich keine Schlangen und Tröpfchen

bilden.“ Deshalb dauert die Ausgabe aus dem Food Truck

heraus auch eine Stunde länger. Danach macht die Crew

das Gleiche am Tegeler Flughafen, gefolgt vom Erika-

Heß-Eisstadion – damit die Helden des Alltags „eine

wärmende, geile, leckere, nachhaltige und mit Liebe zubereitete

Speise“ bekommen.

Zukunftsträume

Vielleicht, mit etwas Glück und Zuversicht, darf die Gastronomie

Richtung Mai wieder öffnen. „Wenn genug UV-

Strahlen da sind, die das Virus töten“, so Max Strohe.

Er träumt von einer riesigen Party, bei der alle zusammenkommen,

feiern und Spaß haben: „Ich stelle mir eine

niemals endende Küchenparty oder Gastrosause vor, so

ab Sommer, weil jeder wieder Bock auf soziale Kontakte

hat. Wir machen dann einfach sieben Tage die Woche auf,

mittags, abends und rund um die Uhr.“

Ein schöner Traum. Möge er wahr werden. ■

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mein/4 41

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Impfzentrum Arena Berlin –

wir trafen auf Menschlichkeit

Anfang Januar 2021 erreichte uns eine E-Mail des Deutschen Roten Kreuzes mit der Bitte, die Suche

nach Mitarbeitenden für die Impfzentren in Berlin medial zu unterstützen. Eine gute Sache, fanden

wir. Da die ersten Interviews für diese Ausgabe erst Mitte Februar geplant waren, trugen wir uns

selbst in die Liste der Helfenden ein, um zumindest den Start in der Arena Berlin ehrenamtlich zu

unterstützen.

Nun eilt Berlin nicht gerade der Ruf voraus,

Großprojekte reibungslos, zügig

und effektiv umsetzen zu können. Bei

den Impfzentren haben wir es überdies

mit einem Großprojekt zu tun, das mit

einer besonders betreuungsbedürftigen

Gruppe von Impflingen, der über

90-Jährigen, umgeht. Zudem müssen

400 Mitarbeitende gefunden werden,

die alle an einem Strang ziehen. Doch

wir werden eines Besseren belehrt:

Berlin kann auch anders! Von der ersten

Sekunde an sind wir beeindruckt

von der Organisation, vor allem aber

von den Menschen vor Ort. Schnell

wird klar: Hier arbeitet gefühlt die

Ruhe vor dem Sturm …

komplette Veranstaltungsbranche

Berlins. „Was machst du im normalen

Leben?“, dürfte die meistgestellte

Frage sein. Wir lernen den

Zauberkünstler kennen, der üblicherweise

mit seiner Show deutschlandweit

auf Tour ist. Da ist die

Managerin dreier Bands, die schon

seit zehn Monaten keine Auftritte

mehr vermitteln konnte. Oder der

DJ, der sonst in den Clubs dieser

Stadt auflegt. Und der Hüne von

Mann, im normalen Leben Türsteher,

kümmert sich jetzt liebevoll um

eine 90-jährige Dame. Wir gehen

sogar so weit zu behaupten, dass

42 mein/4


Impfzentrum Arena Berlin

ein Impfzentrum ohne die Veranstaltungsbranche

kaum machbar wäre. Denn die helfenden Menschen

vor Ort sind Stress gewohnt, laufen unter Druck zur

Höchstform auf und sind geübt im Umgang mit anderen

Menschen. Selten haben wir so einen Teamspirit

erlebt wie in diesen Tagen. Selten zeigte sich so viel

ehrliches Interesse aneinander und an den Menschen,

für die der Besuch des Impfzentrums meistens kein

einfacher war. Auf Seiten der Impfenden und Angehörigen

war so viel Dankbarkeit spürbar.

Angesichts dieser mitmenschlichen, außergewöhnlichen

Atmosphäre wussten wir bald, dass wir über

die Menschen vor Ort schreiben wollten, um ihre Geschichten

zu erzählen. Wie sah ihr Leben vor Corona

aus? Wofür schlägt ihr Herz? Was leisten sie gerade in

dieser Ausnahmesituation? Zwölf Kurzportraits sollten

es werden. Problemlos

fanden wir zwölf

Menschen, die sich

mit uns unterhalten

wollten – aber leider fanden wir

niemanden, der uns diese Gespräche erlaubt

hätte. Trotzdem möchten wir euch teilhaben

lassen an unserer Erfahrung und an der Menschlichkeit,

mit der die Helfenden das Impfzentrum zu einem

Ort des Miteinanders machen. Diese Menschen leisten

Großartiges, vor allem menschlich Großes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen vor Ort, wir sind sehr

dankbar für die Erfahrung, mit euch zusammengearbeitet

zu haben. Euretwegen haben wir etwas Positives zum

Thema Impfen zu erzählen. Es war uns eine Ehre. ■

Infobox:

Du willst mitarbeiten?

Bewerbungen und Infos:

www.wirhelfenberlin.de

mein/4

43


Kaminer &

Die Antikörpers

Über Badewannen, Tagebücher

und Social Distancing

Um das Foto zu verstehen, erzählen wir die Geschichte

mal von vorne. Yuriy Gurzhy ist Musiker und ein „alter“

Freund von Wladimir Kaminer. Jahrelang organisierten

sie gemeinsam die Russendisko im legendären Kaffee

Burger. Gemeinsam standen sie am Plattenteller und

tanzten durch die Nacht. Schon damals gab es immer

wieder Ideen für gemeinsame Musikprojekte. Die

Zeit fehlte. Dann im März 2020: der Lockdown. Aber

kreative Seelen lassen sich nicht einsperren. Die Idee,

das Erlebte in Form eines musikalischen Tagebuches

zu verarbeiten, war geboren. Auf der Tagesordnung

stand jede Woche ein neuer Titel. Schnell waren Katya

Tasheva und Anna Margolina als Sängerinnen für das

Projekt begeistert, und die Band war zu einem Quartett

angewachsen. Zu viert treffen? Unmöglich. Also

einigten sich die vier auf

folgenden Plan: Montags

werden die Ereignisse aus

der Presse der letzten Woche

zusammengetragen, dienstags schreibt Wladimir

die Texte, ab Mittwoch komponiert Yuriy die Musik.

Zum Wochenende schickt jeder von sich ein Video zum

Titel, und die Söhne von Wladimir und Yuriy schneiden

sie zu einem Musikvideo zusammen.

14 Titel sind auf diese Weise entstanden, und es dauerte

unglaubliche zehn Wochen, bis die Band sich das

erste Mal zu viert treffen konnte. Herausgekommen

ist das Album Bleib zu Hause, Mama, das im April im

Trikont Musikverlag erscheint. Doch was hat das alles

mit dem Foto zu tun? Für das CD-Booklet brauchte es

Fotos, Wladimir rief an und bat um Unterstützung bei

der Suche nach einer schönen, alten Badewanne, inklusive

Fotograf … Die Suche im

durchsanierten Berlin gestaltete

sich schwierig, aber letztlich erfolgreich.

Und so trafen sich die

vier, ausgestattet mit frischen,

negativen PCR-Testergebnissen,

und bei guter Durchlüftung in

einem kleinen Berliner Badezimmer.

© Pavol Putnoki

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Kaminer & Die

Antikörpers

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Kaminer & Die

Antikörpers

Ein ABO – zur

Unterstützung

Wir lieben diese Stadt – trotz ihrer Hektik

und obwohl vielleicht einiges schiefläuft.

Umso wichtiger ist es für uns, über Sachen

zu berichten, die gut laufen, und über Menschen,

die sich engagieren.

Dafür brauchen wir auch euch!

Unterstützt uns mit einem Abonnement!

Schon ab 24,90 € pro Jahr ist das möglich.

Wir danken euch im Voraus.

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© Foto: Pavol Putnoki

Solidarisch im stillen Gesang –

die gesungene Kurzkolumne

Ein Musikalischer Appell an das lesende Publikum von Ilja Richter

Solidarität kann man erhoffen, Musikalität aber nie erwarten. Zum Nachteil des Nervenkostüms manches

Chorleiters. Der Vorteil meiner gesungenen Kolumne besteht nun darin, mit einer bestimmten Melodie

im Kopf und dem synchron dazu gelesenen Text, ganz solistisch in aller Stille dabei niemanden zu stören.

IN 50 JAHREN IST ALLES VORBEI ...

… dachte ich, frei nach dem alten Otto Reutter-Couplet. Das war vor „25 Jahren Disco“ ein Irrtum – wurde anlässlich

des 40-jährigen Jubiläums meiner, als nun bereits mit dem Begriff „legendär“ eingestuften ZDF-Sendung,

von mir mit einer erfolgreichen Discotournee beantwortet, damit es nicht heißen sollte: Der steht ja gar nicht zu

seiner Vergangenheit! Und nun? Nach der Dauernudelei im ZDF mit unbezahlten Auftritten, denn alle – von Rod

Stewart über Marianne Rosenberg bis hin zu meiner Wenigkeit zum Nulltarif dort Auftretenden, weil es hierfür

keine Wiederholungshonorare vom Sender gibt – singe nun, bevor ich mich in zwei Jahren, so Gott will, durch

einen dann runden Geburtstag in meine ultimativen 70er begeben darf, Folgendes.

Bitte summen Sie einfach die Melodie von MY FAVORITE THINGS, dem von Julie Andrews in

dem Musical THE SOUND OF MUSIC gesungenen Evergreen, zu meinen nun folgenden Worten:

SORRY, ICH HEIß NUR BEDINGT MISTER DISCO.

UNBEDINGT LIEB ICH DEN DICHTER CHAMISSO,

DER EINST DAS MÄRCHEN VOM SCHLEMIHL ERFAND

UND SEINEN SCHATTEN VERKAUFTE, WORAUF DIESER VERSCHWAND.

ICH BEHALT MEINEN, WEIL ICH KEIN IDIOT BIN.

DOCH WAS MACHT MEIN SCHATTEN, WENN ICH MAL TOT BIN?

GEHT ER SPAZIERN OHNE MICH DURCH DIES LAND?

UND HÄLT MEIN SCHATTEN DEN LEBENDEN STAND?

NIMMS BUDDHISTISCH, OPTIMISTISCH

UND KRIEG KEINEN SCHRECK.

DAS HIER IST KEIN WERBEN DAFÜR, DASS WIR STERBEN

DOCH AUCH WENN WIR GEHN, KOMMT NICHTS WEG.

Info

Der Schauspieler und Autor

begann seine Bühnenlaufbahn

bereits mit neun Jahren

im Berliner Renaissance Theater. Einem

breiten Publikum wurde er in den 70er

Jahren vor allem durch die ZDF DISCO-

Shows und Wörthersee-Kinofilme bekannt.

Er ist zudem Autor und Chansonier.

BEVORSTEHENDE VERANSTALTUNGEN

entnehmen Sie bitte der Webseite:

- VERGESST WINNETOU

- MEINE LIEBLINGSLIEDER

(am Flügel: HARRY ERMER)

www.iljarichter.de/page/termine

mein/4

45


Rubrik

Was ist Deutschland im 21. Jahrhundert

die Bildung wert?

Die Corona-Krise wirkt sich wie ein Brennglas auf die schulische Bildung aus und zeigt überdeutlich

die Defizite. Trotz des Digitalisierungsschubes, den die Krise ausgelöst hat, scheint die Schullandschaft

in Deutschland in der Kreidezeit steckenzubleiben. Zukunftsvisionen? Fehlanzeige! Diese

Bildungskatastrophe hat viele Eltern – selbst zwischen Homeoffice und Homescooling balancierend –

auf die Barrikaden gehen lassen. Wir führten ein brandheißes Gespräch mit den Elternvertreterinnen

Kerstin Müller und Carola Ehrlich-Cypra.

Liebe Eltern, mischt euch ein!

Im Zuge der Pandemie wurden die Rufe der Elternschaft

lauter, wie uns Carola Ehrlich-Cypra schildert: „Sandra

Scheeres wollte die Schulen wieder öffnen, obwohl die

Bundeskanzlerin die Schließung verkündet hat. Da haben

innerhalb von 24 Stunden mehrere Zehntausend Eltern

und Lehrkräfte eine Petition unterzeichnet.“ Unabhängig

davon hätte es eigentlich längst ankommen müssen:

Eine Partizipation von Eltern sowie

Schülerinnen und Schülern

– im Sinne der Demokratieförderung

– ist enorm wichtig, um bildungspolitische

Veränderungen

einzuläuten und Bewegung in die

langsamen Mühlen der Schulpolitik zu bringen. Eltern

können ihren Beitrag dazu leisten, Beteiligungsverfahren

zu pushen und gesetzlich zu verankern. Im Chaos der

Milliardenschwere Hilfspakete

für die Wirtschaft und Scheuklappen

bei der Schulpolitik!

Corona-Krise haben sich verschiedene AGs und Taskforces

gegründet, die Themen bündeln und Forderungen

an die Landespolitik stellen.

Krise als Chance: (k)ein Fortschritt in der

Digitalisierung der Schulen?

„Milliarden werden für Wirtschaftshilfen ausgegeben.

Aber wo ist das Milliardenpaket für die Bildung?“, weist

Kerstin Müller auf das deutliche

Missverhältnis hin. Mit einem

Bruchteil dieser Summe ließen

sich alle Schulen mit digitalen

Geräten und Luftfiltern ausstatten.

Dem Wunsch nach Präsenzunterricht

stehe leider keine Strategie gegenüber, wie

Schüler- und Lehrerschaft geschützt werden können, so

Müller und Ehrlich-Cypra. „Mit drei bis vier Luftfiltern

46 mein/4


Was ist Deutschland im 21. Jahrhundert die Bildung wert?

pro Schule kommen wir bei 1.300 Schülerinnen und

Schülern nicht weit. Kaschiert wird das mit der hilflosen

Aussage: ‚Die Schulen sind kein Treiber der Pandemie.‘

Wo ist das Milliardenpaket

für die Bildung?

Da hat die Bildungsverwaltung in Berlin versagt“, stellt

Kerstin Müller fest. Harsche Kritik äußern die engagierten

Mütter an der Bildungssenatorin, die bis heute

keinen Schwerpunkt auf die Digitalisierung der Schulen

gelegt habe: „Erst nach neun Monaten Pandemie wurde

gerade mal ein Landesbeirat Digitalisierung einberufen.“

Bildung brauche ganz klar eine Lobby, sind Kerstin Müller

und Carola Ehrlich-Cypra überzeugt.

Zum Fortschritt des 21. Jahrhunderts gehören eigentlich

auch die nötigen Breitbandanschlüsse für alle Schulen.

„Aber keine Schule in Berlin ist bisher ans Breitband

angeschlossen! Selbst die Ausschreibung dafür ist immer

noch nicht veröffentlicht, obwohl die Koalition bis

Ende 2021 allen Schulen Breitband versprochen hatte“,

regt sich Kerstin Müller auf. Einfach so wäre das auch

nicht getan, denn „um überhaupt Breitband legen zu

können, braucht es erst einmal bauliche Maßnahmen“,

erklärt Carola Ehrlich-Cypra die Dimension des Ganzen.

Auch der Digitalpakt hilft da leider nicht weiter:

Info

Internetkarte der Berliner Schulen von Thomas

Tursics, Mitglied der AG Digitalisierung des LEA:

www.tursics.de/story/schule-breitband-2020

Kerstin Müller

Vorstand einer Gesamtelternvertretung

eines

Pankower Gymnasiums,

ehemalige MdB von

Bündnis 90/Die Grünen

Bezirkselternausschuss Pankow:

www.twitter.com/BEA_Pankow

bea-pankow@bea-pankow.de

Landeselternausschuss:

www.leaberlin.de

Carola Ehrlich-Cypra

Elternvertreterin einer

Pankower Gemeinschaftsschule,

Vorstand

Elternnetzwerk Berliner

Gemeinschaftsschulen

Im Gespräch mit den Elternvertreterinnen

Kerstin Müller (li.) und Carola Ehrlich-Cypra (re.)

Seit 2019 stehen zwar für die nächsten fünf Jahre 257

Millionen Euro Bundesmittel für Berlin zur Verfügung,

die auf die Bezirke verteilt werden sollen. „Die Gelder

werden aber zurzeit von vielen Bezirken noch gar nicht

Wir müssen die Krise als Chance

für den Digitalisierungschub an

den Schulen nutzen!

abgerufen, weil die Verfahren völlig bürokratisiert sind

und die Verwaltung mit der Vergabe überfordert ist“,

kritisiert Kerstin Müller.

„Man hätte diese Krise nutzen können, wenn man schon

überall Geld in die Hand nimmt und sich verschuldet,

um den notwendigen Digitalisierungsschritt endlich

auch bei den Schulen zu machen“, vertritt Kerstin

Müller ihren Standpunkt. In diesem Sinne ist die Krise

eine Chance, um einen digitalen Kulturwandel für

die Schule von morgen endlich auch in Deutschland

einzuleiten. „Doch was hier gemacht wird, sind Notoperationen

und Durchhalteparolen“, finden die beiden

Elternvertreterinnen.

Welche Kompetenzen braucht die Schule von

morgen?

Kinder müssen mit lösungsorientiertem Lebenswissen

ausgestattet werden. Vom sogenannten Bulimie-Lernen

hält Kerstin Müller gar nichts: „Reinfressen, Rauskotzen

und nichts bleibt hängen – das muss aufhören!“ In der

Schule von morgen müssen Kinder Fähigkeiten erlernen,

Zusammenhänge erkennen und Hintergründe bewerten.

Unsere Gesellschaft wird künftig Menschen brauchen,

die im Team arbeiten und Konflikte lösen können, die

kommunikationsfähig sind und sich als kreative Problemlöser

erweisen. „Letztlich geht es darum, Bildung neu

zu erfinden“, so Carola Ehrlich-Cypra.

mein/4

47


Dies & Das

Corona-Kilos sind am Purzeln – eure auch?

Versprochen ist versprochen: Ich stelle mich den „Corona-Kilos“ und halte euch im Magazin über den

Prozess auf dem Laufenden. Seit der letzten Ausgabe sind bei mir 10,4 Kilos gepurzelt. Nun geht unsere

„Anti-Corona-Kilos-Challenge“ in die nächste Runde! Daniel und Sebastian präsentieren uns drei weitere

Übungen, die sich ganz einfach zu Hause machen lassen, auch wenn sie ein bisschen Biss erfordern.

Die Übungen gibt’s übrigens auch als Video auf dem Instagram-Account der beiden Sportsfreunde.

Daniel und Sebastian sind Experten im Bereich Functional Training und Kampfsport. Sie bieten kein

0-8-15-Training, sondern dank ihrer über 20-jährigen Erfahrung individuell angepasste Programme

(Personal Training, Ernährungsberatung, Fitnesskurse und Firmenfitness). Durch regelmäßige Weiterbildungen

bleiben sie immer auf dem neuesten Stand. Sportsfreund, Belforter Str. 16, 10405 Berlin

www.sportsfreund-berlin.de • Facebook: SportsfreundPT • Instagram: sportsfreund_berlin

1. Ausfallschritt

Mit dieser Übung wird die gesamte

Beinmuskulatur gekräftigt und

gleichzeitig die Balance verbessert.

Aus dem parallelen Stand macht

man einen großen Schritt nach

hinten, bis das Knie den Boden

berührt, und drückt sich kraftvoll

wieder nach oben in die Ausgangsposition.

Dabei ist wichtig,

dass man den Oberkörper aufrecht

und das Knie des vorderen

Beines über dem Fuß hält. Zur

Stabilisation kann man sich an

einer Wand festhalten.

2. VWT-Übung

Diese Übung kräftigt die Muskeln im Rücken- und Nackenbereich. Dazu formt man hintereinander durch

Bewegung der Arme die Buchstaben V, W und T, in genau dieser Reihenfolge. Hierbei kommt es darauf

an, die Pobacken fest zusammenzukneifen und die Arme die ganze Zeit so weit wie möglich nach hinten

zu ziehen, sodass man die Anspannung im oberen Rücken spürt.

48 mein/4


Dies & Das

Das Ende von Eddy

oder

Wer hat meinen Vater umgebracht

Ein Theaterprojekt mit Jugendlichen

und Schauspielern

Premiere:

13. Mai 2021

WABE Berlin

Weitere Vorstellungen:

14.05. bis 17.05.

Tickets & aktuelle

Infos zum Programm:

www.wabe-berlin.de

3. Seitstütz

Mit dieser Übung stärken wir die Schultern sowie

die seitliche Bauch- und Pomuskulatur. Man

legt sich hierbei seitlich auf den Boden und

drückt sich dann nach oben, sodass nur noch

der Unterarm und die Füße den Körper stützen.

Ziel ist, dass sich der ganze Körper in einer gedachten

Linie befindet. Wenn das zu schwerfällt,

kann man den Unterarm auch etwas erhöht

platzieren, z. B. auf einem Stuhl oder Sofa.

Alexander Fehling

Ausfallschritt, VWT und Seitstütz bauen auf den

Übungen auf, die wir in der letzten Ausgabe gezeigt

haben, und sind schon etwas anspruchsvoller.

Anfangs kann man sie jeden zweiten Tag

durchführen, später auch jeden Tag.

Wir empfehlen 10 Wiederholungen bei der

VWT-Übung, 10 Wiederholungen pro Seite bei

den Ausfallschritten sowie 30 Sekunden Halten

des Seitstützes pro Seite.

Franz Hartwig

mein/4 auf Facebook

www.facebook.com/mein4tel

Michael Rotschopf

mein/4 auf Instagram

www.instagram.com/mein4tel

Online lesen?

www.meinviertel.berlin/

aktuelle-ausgabe

mein/4

49

gefördert

durch:

Jonathan Berlin

Schauspieler wie Alexander Fehling, Jonathan Berlin,

Franz Hartwig oder Michael Rotschopf kommen in

die WABE Berlin, um mit Jugendlichen aus dem Kiez

und anderen Schauspieler(inne)n aus Film, Fernsehen

und Theater die außergewöhnliche und spannende

Geschichte von Eddy zu erzählen - einem Jungen,

der nach seiner Freiheit sucht und sie schließlich findet.

EN FINIR AVEC EDDY BELLEGUEULE - Copyright © 2014, Édouard Louis - All rights reserved

QUI A TUÉ MON PÈRE - Copyright © 2018, Édouard Louis - All rights reserved First publishedby Editions de soleil in 2018


Dies & Das

Kolumnistentreffen

Schon mehrmals haben wir versucht, alle unsere Kolumnisten in der Redaktion zu einem gemeinsamen

Treffen zusammenzubringen. Gescheitert ist es immer an den übervollen Terminkalendern unserer vier

Kolumnisten. Der Lockdown macht es nun möglich: keine Lesungen, keine Bühnenauftritte, keine Buchpräsentationen,

keine musikalischen Darbietungen, keine Dreharbeiten. So kam es, wenn auch mit viel

Abstand, zu einem Treffen der Redaktion für ein kurzes Foto im Herzen von Berlin.

Vielen Dank an Bärbel Stolz, Chin Meyer, Wladimir Kaminer und Ilja Richter – es war schön euch zu sehen.

Corona-Toten

ein Gesicht geben

Die in den Nachrichten genannten Zahlen

der an oder mit Corona Verstorbenen

sind viel mehr als schlichte Zahlen. Darauf

möchte die Aktion Corona-Tote sichtbar

machen hinweisen und damit den verstorbenen

Menschen ein Gesicht geben.

Jeden Sonntag werden, wie zum Beispiel

hier am Arnswalder Platz, Kerzen angezündet

und den Toten gedacht. Die Initiative

startete in Berlin, inzwischen beteiligen

sich Menschen in mehr als 40 Städten

deutschlandweit daran.

Unter #coronatotesichtbarmachen verbreitet

sich die Aktion, die zu Empathie in

dieser Pandemie aufruft, in den sozialen

Netzwerken.

50 mein/4


Küchenanedokdoten Rubrik

Der Köche Gold zum Silberkurs

Eines sollte man nie tun, das weiß ich jetzt

auch: In einer Runde mit mehr als vier Teilnehmern

und einer Frauenquote von 66 Prozent

eine Farbkarte für englische Wandfarben

rumgehen zu lassen, mit dem Ziel, die

perfekte Hintergrundfarbe für Kupfertöpfe

festzulegen. Im Nu war die Karte voller

Kreuzchen und Kringel.

Glücklicherweise habe ich eine sehr nette

Nachbarin, die sich professionell mit Gestaltung

befasst.

Glücklicherweise hat sie sich angeboten, zu

den Gebr. Tonsor zu fahren und sich um die

Farbe zu kümmern.

Glücklicherweise hatte dort Fachberaterin

Maria Dienst, die sich als ausgebildete Porzellanmalerin

nun wirklich mit Farben auskennt.

So stehen unsere Kupfertöpfe nun vor

dem perfekten Grün (das übrigens nicht in

der Farbkarte zu finden ist).

Doch warum all die Aufregung?

Wir haben ein neues

Kupfersortiment!

Das hört sich zunächst nicht besonders

spektakulär an, ist es aber. Der Tipp kam

von einem meiner Lieferanten und ging in

etwa so: Es gibt im Elsass einen Hersteller,

den man nirgendwo findet. Das soll

man auch nicht, denn er produziert nur für

andere Marken und tritt selbst nicht in

Erscheinung.

Ich also nichts wie hin. Und siehe da, die

Produkte sind so gebaut, wie man es von

den Toplieferanten kennt: 2,5 mm Kupfer,

feuerverzinnt und mit dem klassischen

gegossenen Griff – perfekt. Als wir dann

über Preise sprachen, erhöhte sich meine

Herzfrequenz deutlich. Natürlich stieß

das Sortiment am Anfang auf Skepsis.

Kenner haben an Töpfen und Pfannen

gerochen, dagegen geklopft, reingebissen:

Das kann doch gar nicht sein, beim Preis

für die 14 cm Stielkasserolle (79 Euro)

fehlt doch wohl eine Zwei davor!

Nein, es ist kein Schreibfehler, und damit

rückt das perfekte Zitronenrisotto oder

die perfekte Sauce in bezahlbare Nähe.

Sollte jetzt jemand vermuten, wir wollen

dazu auch gleich noch ein paar Gläser

marokkanische Salzzitronen verkaufen –

weit gefehlt. Bei uns gibt es Sebastian

Radtkes Rezept für Salzzitronen dazu, die

sind viel besser und selbst ist der oder die

oder das …

Da weiß ich immer noch nicht, wie man

zeitgemäß formuliert. Entschuld_I*gung!

colecomp

Wörther Straße 39

Kollwitzplatz

mein/4

51


Spaß für Kids

25

6 3 8

3 7 8 9

2 8 6 9 5 4 7

2 3 1 4

5 9 6 1

8 5 2 9

1 3 4 2 7 9 8

5 8 9 1

9 5 2

26

27

8 6 7 1 4

4 6 7 3 5 8 2

2 1 4 7 3

2 6 4 9 5 2 3 6 1

3 1 6

3 8

6 4 3

2 9 1 7

7 5 3 2 4 6 8

1 6 2 8 3 4

3 7 5

1 3

2 5 1

4 5 9 2 7

1 2 7

7 1

9 4 1 8 3 2 6

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3 2 5

2 9 1 4 8

3 6 4 5 8

9 7

5 9 7 8 2 3

3 7 5 4 8 9 2

3 1 9 6

9 2 7

7 9 5 8

8 1

5 8 7 1

1 5 3 7 8 4 1 2 9

7 8 4 3 5 2 3 6 1 5

1 2

1 3 5

6 4 9 8 1

Die Auflösung gibt es auf S. 56.

30

9 8

2 5 6 8 7 9

7 8 9 1 6

Die Abenteuer von Kucks und Miesepups

Öh! Hell! Der Miesepups ist ein moosbedecktes, sehr

schlecht gelauntes Waldwesen, das in einer unordentlichen

Höhle lebt. Er verlässt sein Zuhause nicht und mag

auch nix und niemanden. Eines Tages wagt er sich doch

mal kurz hinaus und schließt ganz aus Versehen eine echte

Freundschaft mit dem flauschigen, süßen und sehr lieben

Kucks. Obwohl die beiden so verschieden sind, mag das

Kucks den Miesepups sehr und weicht ihm nicht mehr von

der Seite. In mittlerweile drei Bilderbüchern erleben die

beiden fantastische Abenteuer, von denen das neueste sie

sogar bis auf den Mond verschlägt! Kirsten Fuchs‘ „Der

Miesepups“ ist ein herrlich sprachverspielter Vorlesespaß für alle ab vier Jahren und

die kuriosen Collagenbilder von Cindy Schmid machen große Lust, selbst kreativ

zu werden und moosblumige Figuren zu erschaffen. (Alex Bachler)

52 mein/4

26

8 6 7 1 4

2 1 4 7 3

4 9 5 2 3 6 1

3 8

2 9 1 7

1 6 2 8 3 4

1 3

4 5 9 2 7

7 1

28

Forscherregeln !

3 2 5

3 6 4 5 8

5 9 7 8 2 3

3 1 9 6

7 9 5 8

5 8 7 1

7 8 4 1 2 9

2 3 6 1 5

1 3 5

30

9 8

2 5 6 8 7 9

7 8 9 1 6

2 4 5 7 9

6 2 1 3

5 9 6 3 1

3 2 4 5 7

5 4 7 6 9 1

6 2

Ein Buchtipp von

der Buchhandlung

ocelot

Kirsten Fuchs und Cindy Schmid: Der Miesepups auf dem Mond. Voland & Quist 2020, 48 Seiten, 16,– €, ab 4 Jahren

• Beim Experimentieren nicht essen, nicht trinken und überhaupt

nichts in den Mund stecken!

• Forsche nur, wenn ein Erwachsener dabei ist.

• Feuer dürfen nur Erwachsene anzünden.

• Wasche dir nach dem Experimentieren gut die Hände.

Schwer oder leicht?

Ein Stein kann richtig schwer sein, ein Sandkorn ist ganz leicht. Was passiert

mit den beiden, wenn du sie ins Wasser wirfst?

Sand und Steine gehören zum Meer, kein

Problem also. Plastikmüll aber ist ein großes

Problem in unseren Ozeanen, zum Beispiel

weil Tiere ihn fressen und daran sterben können.

Auf der Meeresoberfläche, aber auch in

mehr als 8.000 Metern Tiefe haben Wissenschaftler

Reste von unseren Verpackungen

und anderem Plastik gefunden. Warum

schwimmen manche Stoffe und warum

sinken andere zum Meeresgrund?

© https://pixabay.com/de/photos/wasser-verschmutzt-kunststoff

Und wenn andere Flüssigkeiten ins Wasser

fließen? Öl aus kaputten Schiffen zum Beispiel.

Geht das unter? Oder bleibt es oben?

Oder mischt es sich mit dem Meerwasser?

© Clara Schaksmeier


Trotz schwieriger Zeiten atmet das MACHmit!

Museum weiter. Unsere kommende Ausstellung

Bücher sind Lebensmittel wächst und füllt

sich mit Leben. In der Galerie der Besten haben

schon einige Bücher ihren Platz gefunden und

stehen stolz im Regal. Aber da ist noch viel mehr

Platz. Deshalb brauchen wir deine Hilfe.

Schick uns den ersten Satz aus deinem

Lieblingsbuch und eine Zeichnung von

deiner Lieblingsheldin oder deinem

Lieblingshelden bis zum 30. April 2021 an:

Die Spurensuche nach den besten Büchern der Welt hat uns gezeigt, wie eine Detektivreise

à la Emil und die Detektive kribbelt. Mit Lupe und Notizblock in den Händen

sind wir losgezogen und haben erfahren, was mit den anderen Büchern passiert ist,

die Erich Kästner geschrieben hat. Davon werden wir in der neuen Ausstellung erzählen.

Welche Detektivgeschichten hast du geliebt und kannst du uns empfehlen?

Nach dem Motto »Wir bauen um – Was baut ihr?« warten Bastelsets vor unserer Tür

und MACHmit!-Werkstätten auf www.machmitmuseum.de auf dich. Komm vorbei,

Bauen tut gut und lässt die Zeit fliegen. Dann dauert es gar nicht mehr lange, bis wir

die Tür des Kindermuseums wieder aufschließen.

MACHmit! Museum für Kinder – Senefelderstraße 5, 10437 Berlin

030–74778 200 • info@machmitmuseum.de • www.machmitmuseum.de

Der Flüssigkeitenturm

Experiment für Kinder ab 5 Jahre

Das brauchst du:

• eine Flasche mit weitem Hals oder ein hohes, schmales Glas

(von passierten Tomaten oder Würstchen zum Beispiel) mit

Deckel

• roten Sirup oder flüssigen Honig, Speiseöl, Wasser

• Tinte oder blaue Lebensmittelfarbe

• viele unterschiedliche kleine Gegenstände (z. B. Büroklammer,

Holz- und Plastikperle, Weintraube, Nüsse, Glasmurmel,

Würfelzucker, Korken, Minitomate, Schraube, Eiswürfel ...)

Färbe das Wasser mit ein paar Tropfen Tinte oder Lebensmittelfarbe

hellblau.

Du hast nun drei Flüssigkeiten: Wasser, Öl und Sirup. Was ist

gleich? Was ist verschieden? Wie riechen sie? Wie fühlen sie sich

an? Schüttele mal vorsichtig die

verschlossenen Flaschen. Wie

bewegen sich die Flüssigkeiten?

Flaschenglas entlangläuft. Was

passiert? Und was wird wohl passieren,

wenn gleich das blaue Wasser

dazu kommt?

Gieße Wasser in die Flasche, bis sie

fast voll ist.

Nimm nun nacheinander deine

kleinen Gegenstände. Überlege,

bevor du sie in die Flasche fallen

lässt: Wie tief werden sie nach unten

sinken? Oder werden sie ganz

oben schwimmen? Und warum?

Fertig ist dein Flüssigkeitenturm!

Wenn dein Experiment ausreichend bewundert wurde, schütte

den Flascheninhalt bitte nicht in den Ausguss. Öl verschmutzt

das Abwasser und kann die Leitungen verkleben. Schraube deine

Flasche lieber fest zu und wirf sie in den Restmüll.

Text und Fotos: ScienceLab, Simone Lambert

Gieße soviel Sirup in deine

Glasflasche, dass sie knapp zu

einem Drittel gefüllt ist.

Als Zweites kommt das Öl,

etwa gleich viel. Gieße es ganz

vorsichtig auf den Sirup. Du

kannst die Flasche dazu schräg

halten, sodass das Öl innen am

Der ScienceLab e.V. ist eine unabhängige

und gemeinnützige

Bildungseinrichtung, die Kindern

die Grundlage für lebenslanges

und eigenständiges Lernen eröffnet. In unseren Forscherkursen,

Ferienprogrammen und bei Experimentiertagen

unterstützen wir Kinder auf ihrem Weg, Antworten auf ihre

Fragen aus Natur, Technik und Umwelt zu finden. Und bei

unseren Forschergeburtstagen sind Spannung und Spaß

garantiert!

www.science-lab.orgberlin@science-lab.org

mein/4

53


mein/4

Buchtipps

Diesmal aus der Buchhandlung ocelot

Die Unvorstellbarkeit kolonialistischer Gewalt

In einem abgeschiedenen Dorf im präkolonialen Kamerun

bricht eines Nachts ein verheerendes Feuer aus. Als sich

die in den Wald geflüchtete Dorfgemeinschaft

am nächsten Morgen

in der beinahe komplett zerstörten

Siedlung versammelt, muss sie bestürzt

feststellen, dass zwölf Männer

der Gemeinschaft, darunter deren

religiöser Führer, spurlos verschwunden

sind … Léonora Miano schildert

in ihrem mitreißenden Roman, wie

über eine Gesellschaft, die bisher in

glücklicher Isolation gelebt hat, von einem Tag auf den

anderen das absolut Unvorstellbare hereinbricht. Wenige

Romane haben für mich die grausamen Dimensionen kolonialistischer

Gewalt so unmittelbar erfahrbar gemacht

wie Zeit des Schattens. (Magda Birkmann)

Léonora Miano: Zeit des Schattens. Roman (aus dem

Französischen von Ina Pfitzner). w_orten & meer 2020,

256 Seiten, 14,– €

Deutschland ist nicht schwarz-weiß

Woher kommst du? Nein, ich meine: Woher kommst

du wirklich? Diese Frage kann als offenes Interesse an

der Herkunft einer anderen Person

gemeint sein. Und sie ist rassistisch.

Denn sie verweist darauf, dass Menschen

mit einer bestimmten äußerlichen

Erscheinung eben nicht wirklich

von hier kommen. Tun sie aber sehr

oft. Deutsche gibt es in allen Farben.

Diese im Grunde recht simple Logik

erklärt das Buch Dear Discrimination

des Netzkollektivs @wirmüsstenmalreden. Mit klaren

und einfachen Worten zeigt es verschiedene Formen von

Alltagsrassismus, erklärt Wörter wie „White Gaze“ oder

„Rosa Blase“ und wie wir diesem Blick und dieser Blase

entkommen können. Ein wichtiges Buch zur richtigen

Zeit. (Ludwig Lohmann)

Netzkollektiv @wirmüsstenmalreden: Dear Discrimination.

Ein Mitmachbuch zur antirassistischen Weiterbildung.

Mikrotext 2020, 190 Seiten, 14,99 €

Schauerliche Geschichten mit

feministischem Furor

Die Erzählungen der kanadischen Autorin wirken wundersam

rätselhaft und verführerisch doppelbödig. Und

sie werden von herrlich skurrilem Personal

bevölkert, das noch lange im

Gedächtnis bleibt. In Grudovas Geschichten

können Körperhüllen durch

Reißverschlüsse verlassen werden,

Meerjungfrauen leben unerkannt

unter den Menschen, Männer haben

zur Hälfte einen Spinnenleib und alleinerziehende

Mütter verwandeln

sich des Nachts in Wölfinnen. Was

erstmal märchenhaft viktorianisch

und grotesk wirkt, entblättert seine gesellschaftskritische

Aktualität erst allmählich. Wenn beim Lesen dann nach

und nach die feinen feministischen Bezüge in diesem

magischen Realismus bewusst werden, will man sofort

nochmal zurückblättern und mit großem Genuss von

vorn beginnen. (Maria-Christina Piwowarski)

Camilla Grudova: Das Alphabet der Puppen,

Erzählungen (aus dem Englischen von Zoë Beck),

CulturBooks 2020, 195 Seiten, 20,– €

Die großzügige Buchhandlung in Berlin-Mitte, direkt gegenüber dem Weinbergspark,

präsentiert eine wohl überlegte Auswahl an Büchern, die das Lesen schöner

machen. Ihr Anspruch ist es, immer das richtige Buch an den Menschen zu bringen,

mit einem Schwerpunkt auf guter Belletristik und besonderen Kinderbüchern. Ob

als gebundenes Buch oder auf dem E-Reader, das Team von ocelot versteht sich als

Literaturvermittler. Selbst das Genre wird nebensächlich, wenn der Text den Geist

befeuert oder besonders schön gestaltete Editionen den Händen schmeicheln. Die

Buchhandlung ocelot gestaltet ihr Sortiment mit viel Begeisterung und schätzt vor

allem die weniger bekannten Perlen, oft auch aus unabhängigen Verlagen.

Buchhandlung

ocelot

© Maria-Christina Piwowarski

54 mein/4


mein/4

Leserbriefe

Bitte sendet uns

eure Leserbriefe an:

leserbriefe@meinviertel.berlin

oder per Post:

Mein/4

Schönhauser Allee 52

10437 Berlin

Wir lieben den Dialog mit euch! Schreibt uns Leserbriefe,

wenn ihr etwas zu einer Ausgabe auf dem Herzen habt.

Mode Berlin „Die Große Freiheit“

Werte Redakteure des Stadtmagazins,

in Ihrem Artikel über Mode aus und in Berlin „Die große

Freiheit“ unternehmen Sie einen Kurzausflug in die Geschichte,

und da man selbst einen kurzen Ausflug genießen

möchte, lässt man ihn sich ungern verderben. Dieser

mentale Ausflug beginnt mit der Bewunderung von Herrmann

Gerson, „der zum Hofschneider vieler Adeliger in

ganz Europa wurde.“ Mit und nach ihm entwickelte sich

der „Berliner Chic“, der „im ersten Kaufhaus Berlins Konfektionsware

anbot“ usw.

Doch dann: „Der Zweite Weltkrieg zerstörte den Aufschwung

der deutschen Textilwirtschaft jäh, auch und

besonders […] weil die Hälfte aller Betriebe jüdisch war.

Durch diese Zäsur wurde die Berliner Mode international

bedeutungslos …“ Soweit Auszüge aus dem Artikel. Eine

Zäsur! Besonders weil ...?

Dass Herrmann Gerson Jude war. Egal. Dass die großen

Kaufhäuser jüdische Gründungen waren. Was tut’s zur Sache?

Und was ist in dieser Zeit sonst noch so Schreckliches

passiert? Außer dieser „Zäsur“? Wieder zu Hause feiert man

seine Stadt, „in der es eine große Freiheitstradition gibt und

in der die Vielfalt die Norm ist“. Darauf einen Dujardin!

Ein klein wenig Recherche, das Internet täte es womöglich

schon, oder gar die Lektüre des Buches „Modemetropole

Berlin“ von Uwe Westphal hätte in diesem Artikel womöglich

zur Berücksichtigung dessen geführt, was der Untertitel

dieses Werkes feststellt: „1936–1939 Entstehung und Zerstörung

der jüdischen Konfektionshäuser“. Wie ist es nur

möglich, dass hier und heute solch geschichtsvergessene

Aussagen veröffentlicht werden können? …

Sehr geehrter Herr R.,

H. R.

vielen Dank für Ihre ausführliche und konstruktive Kritik.

Unsere Sonderseiten zum Thema Mode beginnen mit

einem ausführlichen Artikel zur Geschichte der Berliner

Modebranche, geschrieben von Marc Lippuner, in der die

Rolle der jüdischen Unternehmer für die Konfektionsindustrie

sowie die Zerstörung des Industriezweigs durch

die Nationalsozialisten ausführlich beschrieben wird. Hier

gibt es auch einen Literaturhinweis zu dem von Ihnen empfohlenen

Westphal-Buch. Ausgehend von diesem Artikel

waren wir der Ansicht, dass die Historie in weiter hinten

platzierten Beiträgen bewusst kurzgehalten werden sollte.

Wir sind davon ausgegangen, dass der geneigte Leser

dies erkennt und im Kontext sieht. Es lag nicht in unserer

Absicht und sicher auch nicht in der von Alex Bohn, der

Autorin von „Die große Freiheit“, die schrecklichen Ereignisse

ab 1933 zu bagatellisieren.

Wir leiten Ihre Kritik an Frau Bohn weiter und werden

den Onlineartikel mit ihr an den entsprechenden Stellen

kritisch überprüfen und an dieser Stelle in jedem Fall einen

Querverweis zu Marc Lippuners Auftaktbeitrag „Kurze

Geschichte der Berliner Modebranche“ verlinken.

Vielen Dank noch einmal für Ihre Mühe.

Wir wünschen Ihnen eine schöne Adventszeit.

Mit freundlichen Grüßen,

Sehr geehrter Herr Beeth,

Markus Beeth

ich gestehe, ich hatte zuerst nur in mein/4 herumgeblättert,

wie man es eben bei einem noch unbekannten Druckerzeugnis

tut und bin genau bei diesem Artikel und an

dieser Stelle hängen geblieben. Ein Querverweis an dieser

von mir als unausgegoren empfundenen Stelle wird wohl

nicht ausreichen, die Autorin sollte sie klarer formulieren,

Ungenauigkeiten führen notwendigerweise zu Missverständnissen.

Inzwischen habe ich mir die Zeit genommen, weiter in

mein/4 zu lesen und freue mich über diese neue Stimme

im unübersichtlichen Blätterwald. Die erste „Ehrenrettung“

war dann für mich (nicht alleine) das Gespräch mit Pierre

Sanoussi-Bliss. Wunderbar, wie dort ohne erhobenen Zeigefinger

und ohne zu moralisieren das Problem Rassismus

behandelt wird.

Zum Schluss möchte ich noch eine Anmerkung loswerden:

Die Gestaltung Ihres Magazins macht die Zeitung

an manchen Stellen etwas schwer lesbar, so auch die des

Artikels von Frau Bohn (was nicht ihr zuzurechnen ist). …

Ich bedanke mich für Ihre schnelle und freundliche Antwort

und hoffe, mein/4 wiederzufinden, ich weiß leider nicht

mehr, wo genau sie mir beim Einkauf ins Auge gefallen ist

und ich sie mitgenommen habe. Auf jeden Fall werde ich

sie mir online anschauen, obwohl sie mir gedruckt lieber ist.

Mit freundlichen Grüßen und bleiben Sie

und Ihre Redaktion gesund

H. R.

mein/4

55


mein/4

Vorschau

IMPRESSUM

Chefredaktion Markus Beeth

Herausgeberin / Geschäftsführerin

Beate Beeth

mein/4 UG

Schönhauser Allee 52, 10437 Berlin

Matthias Matschke

Wir treffen den Schauspieler mit den 1.000 Gesichtern

in seinem Kiez in Berlin-Mitte. Über die Lust an Berlin,

schwarzen Humor und die Weigerung in eine Schublade

zu passen.

Foto: Alexander Hörbe

Redaktionelle Mitarbeit

Beate Beeth, Markus Beeth, Lutz Müller-Bohlen,

Franziska Hauser, Marc Lippuner, Andreas Langholz,

Wladimir Kaminer, Ilja Richter, Bärbel Stolz, Jens Wazel,

Chin Meyer, Hans-Jürgen Schatz, Silke Schuster

Verlag & Redaktion | mein/4

mein/4 UG

Schönhauser Allee 52, 10437 Berlin

redaktion@meinviertel.berlin

Tel.: 030 818 914 60

www.meinviertel.berlin

www.facebook.com/mein4tel

www.youtube.com/mein/4 TV

www.instagram.com/mein4tel

www.twitter.com/BerlinMein

Mediadaten

www.meinviertel.berlin/mediadaten

Ressort Kultur

Marc Lippuner | kultur@meinviertel.berlin

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2 8 1 6 9 5 3 4 7 4 9 7 5 2 3 8 6 1

Kai 9 7Wegner, 2 3 8 1 CDU-Landesvorsitzender 4 5 6 5 3 4 9 1 7 Berlin 6 8 2

4 5 3 9 7 6 8 1 2 2 8 9 3 6 4 1 5 7

„Ich will Regierender Bürgermeister werden“ – Wir sprachen

6 1 8 5 4 2 9 7 3 7 1 6 2 5 8 3 4 9

1 3

über

6 4

Ziele

2 7

und

5 9

Versäumnisse

8 1 6

der

2 7

Vergangenheit.

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5 2 4 8 6 9 7 3 1 3 4 5 1 9 6 2 7 8

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Foto: CDU Bundestag

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Anzeigengestaltung

fgl-werketage

Rüdiger Serinek

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Tel: 030 437 358 72

6 9 3 1 7 4 5 8 2 6 2 7 1 5 3 8 4 9

anzeigengestaltung@meinviertel.berlin

1 5 8 3 6 2 4 7 9 4 8 3 2 9 7 6 1 5

Satz,

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Layout

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Design

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Rüdiger 9 6 5Serinek, 2 8 3fgl-werketage.de

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Lektorat 8 4 7 6 9 1 2 3 5 3 4 2 9 7 1 5 8 6

Silke 5 2Schuster, 9 8 3 wortschusterei.de

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Online 4 8 6 5 1 9 3 2 7 8 3 5 7 6 9 1 2 4

grafik@meinviertel.berlin

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© 4Titelfotos 5 8 9 und 3 7Kultur/4

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Pavol 6 9Putnoki, 7 4 2putnoki.photo

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Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche

Genehmigung des Verlags vervielfältigt oder verbreitet werden.

9 3 4 8 5 2 6 7 1 8 2 3 5 1 7 9 6 4

Unter

8 7dieses 5 1Verbot 6 3fällt 4insbesondere 2 9

die gewerbliche

1 7 9 4Vervielfälti-

gung 2 6per 1Kopie, 7 4die 9Aufnahme 5 3 8über elektronische 6 5 Datenträger 4 9 3 8und

7 2 1

2 6 3 8 5

die 7 Vervielfältigung 4 6 2 1 5auf 8elektronischen 9 3 Datenträgern. 7 4 5 Für 1 unverlangt 6 3 2 9 8

eingeschickte

5 8 9 3

Manuskripte,

7 4 2 1Fotos 6

und Illustrationen

9 1 8übernehmen 7 4 2 5wir

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keine Gewähr.

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Bei Kunst & Kultur den

Durchblick behalten!

schauen

staunen

vorinformieren

Bötzowstraße 27

10407 Berlin-Prenzlauer Berg

www.augenoptik-in-berlin.de

Mo. bis Fr. 10–19 Uhr, Sa. 10–16 Uhr

Telefon: 030 49 78 03 21

Bei Kultur & Kunst den

Durchblick behalten!

schauen

staunen

vorinformieren

Bötzowstraße 27

10407 Berlin-Prenzlauer Berg

www.augenoptik-in-berlin.de

Mo. bis Fr. 10–19 Uhr, Sa. 10–16 Uhr

Telefon: 030 49 78 03 21


Kultur macht den Menschen

Eine neue Petition zum Schutz von Kunst, Künstlern und Kultur

„Mir fehlt die selbstverständliche Verankerung der Kultur in der

Mitte der Gesellschaft“, sagt Kathrin Schülein, Leiterin des Theater

Adlershof in Berlins größtem Bezirk Treptow-Köpenick. Sie ist

Teil eines ehrenamtlich agierenden Teams, das Mitte Dezember

die Petition Kultur ins Grundgesetz ins Leben gerufen hat.

Die Forderungen:

• Den Schutz von Kunst und Kultur als Grundrecht im Grundgesetz

zu verankern.

• Das Recht auf unbeschränkte Teilhabe aller Bürgerinnen

und Bürger am kulturellen Leben und an kultureller Bildung

als Grundrecht im Grundgesetz zu verbriefen.

• Langfristige, stabile Sicherungsinstrumente für Kunst- und

Kulturschaffende zu etablieren sowie ein auf sie zugeschnittenes

gesetzliches Regelwerk zu schaffen, das sie vor unverschuldeten

Verdienstausfällen schützt.

In der Vergangenheit gab es schon einige Bestrebungen mit ähnlichem

Ziel. Im Unterschied dazu strebt diese Petition jedoch an,

das Recht auf Kunst und Kultur nicht als sogenanntes Staatsziel

anzusiedeln, sondern juristisch als solideres „Grundrecht“. Im

Grundgesetz ist bislang die Freiheit der Kunst festgeschrieben

und Kulturförderung wird als freiwillige Aufgabe der Länder und

Kommunen betrachtet.

Es geht der Initiative aber nicht nur um den grundsätzlichen

Stellenwert von Kultur, sie vertritt auch die Auffassung,

dass Kulturgenuss unterschiedslos für jedefrau und jedermann

zugänglich sein muss und der Besuch einer Opernvorstellung

nie eine Frage des Portemonnaies sein dürfe.

Wim Wenders und viele andere namhafte Künstlerinnen und

Künstler wie Liedermacher Konstantin Wecker, Schriftstellerin

Marion Brasch, Sebastian Krumbiegel von den Prinzen, Jazztrompeter

und Fotograf Till Brönner, die Intendantin des Maxim

Gorki Theaters Shermin Langhoff, die Regisseure Pepe und Didi

Danquart, Ulrike Kriener alias Kommissarin Lucas gehören zu

den Unterzeichnern dieses Anliegens.

Bis Ende Januar verzeichnete die Petition

rund 20.000 Unterschriften, mit einem Ziel

von 50.000 Unterschriften bis Juni 2021.

Fotos: Christian Schoppe / Roba Images, Valeska Holschen, sandraludewigofficial, RJ Muna, Ferdinando Godenzi, Yan Revazov, Privat

Infobox

Webseite: www.kulturinsgrundgesetz.de

Petition: www.openpetition.de/petition/online/kultur-ins-grundgesetz

Die Autorin Bettina Ullmann gehört zu den UnterstützerInnen der Petition.

Redaktion: Jens Wazel


PETITION – Kultur ins Grundgesetz

36

meinviertel – Kultur Spezial


der Tourismusverein Berlin-Pankow e. V.

auch in Eigenregie das Tourist Information

Center (TIC) Berlin Prenzlauer Berg

in der Kulturbrauerei – optimaler Ausgangspunkt

für ein individuelles Berlin-

Besuchsprogramm.

Die Verbindung zwischen Tourismus

und Kultur spiegelt sich in den Kooperationsprojekten

des Vereins wider. So

organisierte er den Tourismusstammtisch

Tourismus & Kultur – Kultur & Tourismus,

unterstützte das artspring Kunstfestival

sowie den Pankower Wirtschaftstag Pankow

macht Musik – Auch morgen noch?.

Politische Lobbyarbeit gehört genauso

zum Auftrag des Vereins wie Beratung

und Weiterbildungen. Ein monatlicher

Newsletter hält alle Bezirksbegeisterten

auf dem Laufenden.

Damit Visionen dieser Art mit Leben gefüllt

und am Leben erhalten werden können,

braucht es Engagement, Manpower,

Austausch und einen respektvollen

Umgang auf Augenhöhe. Deshalb ist der

Tourismusverein Berlin-Pankow e. V. auf

der Suche nach interessierten Partnern

und Mitgliedern aus Kunst und Kultur, aus

Einzelhandel und Gastronomie. Kulturschaffende

sowie selbstständige Unternehmerinnen

und Unternehmer aus allen

anderen Bezirken sind ebenso willkommen,

denn die Herausforderungen ähneln

sich, und von dem Erfahrungsaustausch

über die Bezirksgrenzen hinaus profitieren

alle Seiten. In der Corona-Krise verzichtet

der Verein auf Aufnahmegebühren

und bietet vergünstigte Beiträge an.

Interessiert? Dann schaut auf der Website

vorbei und nehmt Kontakt auf! ■

Infobox

Tourismusverein Berlin-Pankow e. V.

www.tourismuspankow.berlin

TIC Berlin Prenzlauer Berg

www.pankow-weissenseeprenzlauerberg.berlin/de


TOURISMUSVEREIN Berlin-Pankow e.V.

Der Bezirk Pankow im Berliner Nordosten

steht für gemütliche Kieze, lockt in

normalen Zeiten mit kleinen wie großen

Kulturevents und bietet grüne Zonen

genauso wie quirlige Straßenzüge. Hier

pulsierte vor Corona noch das Leben,

zurzeit findet hier auch vermehrt Ruhe,

wer eigentlich keine sucht.

Nach der auferlegten Atempause

durch die Pandemie wird der vielfältige

Bezirk wieder seine Lebendigkeit

entfalten.

Seit mehr als 25 Jahren schlägt der Tourismusverein

Berlin-Pankow e. V. eine

Brücke zwischen Tourismus, Kultur, Läden

und Gastronomie. Das eine hängt

vom anderen ab, sie alle bedingen einander:

Die Touristen beleben die Stadt

und genießen die einzigarten Kultur- und

Einzelhandelsangebote Pankows. Umgekehrt

leben die Kulturschaffenden sowie

die Einzelhändlerinnen und -händler des

Bezirks in hohem Maße von den Gästen,

die hoffentlich in absehbarer Zukunft

wieder die Kulturhauptstadt besuchen

können.

Um seinen Zielen die nötige Power zu verleihen,

ist der Verein in ein starkes Netzwerk

vor Ort eingebunden und pflegt enge

Kontakte in die Pankower Kultur- und

Tourismusbranche. Erst in dieser Verbundenheit

und zusammen mit den Berlinerinnen

und Berlinern erwachsen eine

Gemeinschaft und ein lebenswertes Miteinander.

Aus Liebe zum Bezirk, zur Kultur

und zu seinen Berlinbesuchern betreibt

34

meinviertel – Kultur Spezial


Fotos: © Jens Wazel

Infobox

#AlarmstufeRot

www.alarmstuferot.org

Bereich fallen nämlich nicht wenige durchs

Raster. Bei den Richtlinien wird mitunter

bestraft, wer sich in der Krise als kreativ

erweist. „Die Sachen sind teilweise nicht

aufeinander abgestimmt“, fasst Fery für uns

zusammen. Auch wenn er grundsätzlich ein

hohes Verständnis seitens der Politik wahrnimmt,

trifft es die Veranstaltungsbranche

hart: „Es ist teilweise wirklich schlimm. Hätten

#AlarmstufeRot und die Verbände nicht

so einen Druck gemacht was die ersten

Formulierungen der Novemberhilfe angeht,

hätten wir nicht einen Cent bekommen!“

Wird die Veranstaltungsbranche von

einer Pleitewelle überrollt?

In der Krise kursiert immer häufiger das

Wort „Pleitewelle“. Wie sind die Prognosen

für die am stärksten betroffene Branche,

die von so was wie Normalität meilenweit

entfernt ist? Marcel Fery ist deutlich: Er

rechnet mit einer Pleitewelle Ende dieses

Jahres, Anfang nächsten Jahres. Seine Einschätzung:

„Wir werden im Laufe dieses

Jahres für die Veranstaltungswirtschaft keine

Normalität bekommen. Auch im nächsten

Jahr nicht. Deswegen muss es meiner

Meinung nach für besonders betroffene

Unternehmen die Möglichkeit geben, noch

länger Kurzarbeit zu beantragen.“ Denn

sollte im Winter 2021/2022 eine weitere

Viruswelle anrollen und keine Kurzarbeit

möglich sein, wird sich diese Welle wie ein

Tsunami auswirken: Mitarbeitende könnten

entlassen werden und Firmen reihenweise

pleitegehen.

Was, wenn die Angst bleibt?

Der Glaube scheint weitverbreitet, dass wir

noch ein bisschen durchhalten und ordentlich

impfen müssen und dann der Virus verschwindet.

Doch was, wenn er bleibt? Oder

Escapemutationen auftauchen? Und damit

die Angst vor einer (erneuten) Infizierung?

Angst kann unser Leben retten, sie kann

aber auch übersteigerte Ausmaße annehmen.

Marcel Fery beobachtet besorgt die

Art, wie in der Corona-Krise Politik gemacht

werde, gesteuert nämlich durch Angst: „Es

ist zwar nachvollziehbar, aber ich glaube,

es wird enorm schwer, diese Angst wieder

aus den Köpfen herauszubekommen. Ich

würde auch nicht ausschließen, dass manche

Menschen aus Angst nie wieder auf ein

Konzert oder in einen Club gehen werden.“

Trotz dieser Sorgen überwiegt bei ihm die

Zuversicht – dass die Menschen darauf

brennen, wieder ins Theater gehen und

gemeinsam Konzerte erleben zu können.

Demonstration

zur Rettung der

Veranstaltungsbranche in

Berlin am 28.10.2020


BÜNDNIS – #AlarmstufeRot

Für die Veranstaltungswirtschaft steht

die Ampel längst auf Rot, der sechstgrößte

Wirtschaftszweig Deutschlands

ist am Verkümmern. Das Bündnis #AlarmstufeRot

setzt sich für das Überleben der

deutschen Veranstaltungswirtschaft ein.

Es entstand auf Initiative von Tom Koperek

und geht zurück auf die erste Protestaktion

Night of Lights 2020, bei der

mehr als 9.000 Bauwerke in rotes Licht

getaucht waren. Marcel Fery ist Managing

Director bei dem 1998 gegründeten

Full-Service-Eventdienstleister TSE und

Gründungsmitglied von #AlarmstufeRot.

Wir warfen einen Blick hinter die Kulissen

und sprachen mit Marcel Fery über seine

Hoffnungen und Sorgen.

So streng das Hygienekonzept bei der

ersten Demo war, so frustrierend gestaltete

sich die Suche nach prominenter

Unterstützung. Herbert Grönemeyer

allerdings hielt eine Rede, die unter die

Haut ging. „Die Zuschauer sind unser

Adrenalin, unser Lebenssinn, unsere Lebensversicherung,

und ich glaube, das

ist umgekehrt genauso. Dazu brauchen

wir, um wieder an- und aufzutreten, Abertausende

von helfenden Händen. Ohne

die Menschen, die Crews, die Armadas

von Technikern, Aufbauhelfern, Caterern,

Toningenieuren, Roadies, Truckern, Busfahrern,

Veranstaltern und Clubbesitzern

sind wir Künstler hilf- und glanzlos“, mit

diesen Worten sorgte der Musiker nicht

nur für Gänsehaut, sondern gab der Bewegung

auch einen ordentlichen Schub.

Beim zweiten Mal war die Riege an Prominenten

deutlich gewachsen.

Kann das Bündnis eine Großbranche

bewegen?

„Die Aktion hat sehr viel gebracht. Sie hat

zu einem gewissen Zusammenschluss in

der Branche geführt, die an sich sehr zersplittert

ist. Man hat sich kennengelernt,

man hat miteinander geredet und man

hat mehr Verständnis füreinander aufgebracht“,

erklärt Marcel Fery. Schließlich

habe die Branche selbst begriffen, wie

wichtig sie ist. Kaum einem sei das vorher

bewusst gewesen, auch der Politik nicht,

betont Fery: „Jede zweite Hotelübernachtung

in Berlin ist veranstaltungsbasiert, ob

es nun eine Messe ist, ein Theaterbesuch

oder ein Großevent. Die Veranstaltungsbranche

ist wirklich richtig relevant.“ Der

Bewegung #AlarmstufeRot ist es also gelungen,

auf sich aufmerksam zu machen

und die immense Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges

ins Bewusstsein der Politik

zu rücken.

Lässt sich die Branche finanziell

retten?

Die Hilfsmittel für die Branche sollen von

4 Mio. auf 12 Mio. hochgeschraubt werden.

„Damit rettet man auch die großen Firmen“,

so Fery, „das riesige Problem ist, dass alles,

was du bekommst, noch gar nicht da

ist. Überbrückungshilfe I haben jetzt viele

bekommen, Überbrückungshilfe II viele

noch nicht. Auch die November- und Dezemberhilfe

ist bislang kaum angekommen.

Überbrückungshilfe III soll eigentlich seit

November greifen. Dazu gibt‘s noch nicht

mal die FAQ und Regeln.“ Er bemängelt

außerdem, dass sich die Richtlinien oft

ändern: „Selbst wenn du es hast, weißt du

nicht, ob du es behalten darfst. Viele haben

Überbrückungshilfe II beantragt und

zwei Wochen vor Ende dieses Programms

haben sie die Vorschriften diesbezüglich

geändert: Nun brauchst du zwingend Verluste,

um überhaupt was zu bekommen.

Das stand nur vorher nirgendwo oder war

nicht deutlich zu erkennen.“ Da kann das

Problem gleich zur Katastrophe werden.

Denn wer Gelder beantragt, bekommen

und genutzt hat – sprich, ausgegeben hat –

muss diese im Zweifelsfall zurückzahlen,

obwohl er nichts mehr hat. Thema unseres

Gesprächs sind auch die Ungerechtigkeiten,

die Soloselbstständige betreffen. In diesem

32

meinviertel – Kultur Spezial


Das Universum hat immer

geöffnet. Wir bringen den

Kosmos regelmäßig in die

heimischen Wohnzimmer

– per Livestream aus dem

Planetariumssaal des Zeiss-

Großplanetariums.

#wirsindnichtallein

www.planetarium.berlin

www.youtube.com/stiftungplanetariumberlin

© SPB / Foto: N. Toczek

Infobox

Skip Pahler

Maler, Bildhauer, Grafiker

www.skip-pahler.de

Eymelt Sehmer und Ólafur Örn

Arnarson

Fotografie (u. a. mit alter, analoger

Fototechnik)

www.arnarson-sehmer.art

Begreifen drinstecken. Gerade bei skulpturaler

Kunst ist das Anfassbare ganz

wesentlich. Das ist Sinnlichkeit. Und das

geht letztlich nur in einer Ausstellung.“ Die

pure Sinnlichkeit des Kunsterlebens geht

in der Corona-Zeit völlig verloren. Auch

der Dialog zwischen Betrachtenden und

Kunstschaffenden fehlt. „Ich will von den

Besuchern wissen, was sie über ein Bild

denken. Sie sollen mir sagen, was sie empfinden.

Damit ich weiß, was ich da gemalt

habe. Ein solches Gespräch ist unendlich

wichtig. Das gehört einfach zu unserem

Beruf dazu. Ob daraus ein Verkauf entsteht,

das ist nicht unbedingt gesagt. Du

hast als Künstler ja nicht bloß die Aufgabe,

wie der Fleischer seine Wurst loszuwerden,

sondern du willst auch immer etwas

vermitteln“, betont Skip Pahler. Es braucht

Ausstellungen und Tage der offenen Tür,

denn einfach so betreten die wenigsten

Menschen ein Atelier: „Die meisten Menschen

kennen ein Atelier von innen überhaupt

nicht. Da sie es aber nicht kennen,

wissen sie gar nicht: Wie entsteht Kunst

überhaupt?“ Letztlich lebt die Kunst also

von der Atmosphäre einer Galerie. Hoffen

wir, dass auch in der Ateliergemeinschaft

möglichst bald wieder so etwas wie Normalität

einkehren kann. ■

STREAM ME UP,

SCOTTY!


ATELIERGEMEINSCHAFT – Skip Pahler

In der Ateliergemeinschaft im Steinmetzhof

geht es sinnlich zu, denn an diesem Ort

entstehen Kunstwerke. Greifbar wird Kunst

erst in Ausstellungen – doch die entfallen

in der Corona-Krise. Und damit geht etwas

ganz Essenzielles verloren: die Sinnlichkeit

der Kunst und der persönliche Dialog.

Wir unterhielten uns mit Skip Pahler und

seinen Künstlerkollegen Eymelt Sehmer

und Ólafur Örn Arnarson.

Die Phase zwischen den beiden Lockdowns

hat die Ateliergemeinschaft für Ausstellungen

genutzt. Aber mit den vielen Vorgaben

– Maske aufziehen, Abstand halten, Namen

aufschreiben – hat das Ganze einen komischen

Beigeschmack bekommen. Auch die

Besucherzahlen waren deutlich verhalten.

Künstlerinnen und Künstler wissen nie, ob

sie bei einer Ausstellung etwas verkaufen

oder nicht. Doch ohne Ausstellung besteht

gar nicht erst die Chance, etwas zu verkaufen.

Zurzeit ist es für die Künstlerinnen und

Künstler der Ateliergemeinschaft eine Frage

der Motivation: neue Bilder malen, Geld

ausgeben – aber nicht wissen, ob und wann

das je wieder reinkommt, das macht mürbe.

Außer der Soforthilfe haben sie keine

Gelder beantragt, weil sie alle auch noch

andere Jobs haben und Skip Pahler seine

Rente: „Die ist grandios. Sie steigt auch immer

mal um 20 Cent oder einen Euro“, sagt

er schmunzelnd.

Im Internet kann Kunst kein Gefühl

vermitteln

Fotografin Eymelt Sehmer ist wie ihre

Kollegen der Überzeugung: „Das Internet

ersetzt niemals dieses Erlebnis, durch eine

Ausstellung zu gehen, sich ein Bild real anzugucken,

die Textur zu erkennen. Auch

das persönliche Gespräch mit der Künstlerin

oder dem Künstler fällt weg.“ Im Internet

kann Kunst niemals das Gefühl vermitteln,

das sie in der Realität beim Betrachtenden

hervorruft. „Das Internet ist einfach totes

Material. Da kann ich das Ganze auch im

Fernsehen bringen, da kann man es noch

spannender machen. Du hast doch gar

kein Gefühl für ein Bild oder eine Skulptur.

Du kannst sie nicht berühren, du kannst

nicht mal mit dem Handrücken drübergehen

und die Oberfläche fühlen. Im Internet

siehst du nur die nackte Abbildung“, macht

Skip Pahler den Unterschied deutlich. Die

Internetseiten und die Social-Media-Profile

der Künstlergemeinschaft laden insofern

zwar zu einem Rundgang ein, können aber

trotzdem nichts weiter als ein Eindruck

sein.

Deshalb wird ein reiner Verkauf über das

Internet auch nicht erfolgversprechend

sein. Eymelt Sehmer fasst zusammen: „Die

Leute, die etwas von mir gekauft haben,

haben das in erster Linie gekauft, weil sie

den persönlichen Kontakt hatten und das

Bild in echt gesehen haben. Ich würde sagen,

dass der Onlineauftritt unterstützend

wirkt, aber ein reiner Verkauf ist über diesen

Kanal nicht möglich.“

Kunst bedeutet Sinnlichkeit

„Kunst ist sinnlich. Und sinnlich bedeutet

auch Anfassen, Berühren, Begreifen.

Mit allen Sinnen eben, die in dem Wort

30

meinviertel – Kultur Spezial


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Infobox

Laura la Risa – Tänzerin, Choreografin, Pädagogin, Clownin

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in den Höfen am Südstern, Hasenheide 54, 10967 Berlin

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kocht, Masken genäht und Taschen hergestellt,

um sie gegen eine Spende abzugeben.“

Ihre Miete und ihren Lebensunterhalt hat

sie dadurch nicht bestreiten können. „Ich

habe Außenstände von über 5.000 Euro

im Monat“, gibt sie offen zu, „da kann man

sich ausrechnen, dass ich inzwischen hoch

verschuldet bin.“

Neben den großen finanziellen Sorgen sind

die psychischen Belastungen enorm. Die

sonst so fitte, rührige und stressresistente

57-Jährige hat wegen der Corona-Krise gesundheitliche

Probleme bekommen. „Was

soll ich tun?“, fragt sie sich. Die Dramatik

der Situation ist unverkennbar: „Ich habe

Kollegen, die sich umgebracht haben, die

sich wochenlang besaufen oder mit Depressionen

im Bett liegen.“ Wer ihr vorschlägt

doch einfach die Schule zu schließen, dem

schlägt Fassungslosigkeit entgegen: „Da

stecken 30 Jahre Arbeit drin! Ich bin ausgebildete

Tänzerin, Choreografin und Pädagogin.

Ich habe drei Berufe und das ist jetzt

alles bedeutungslos?“

Mit der KünstlerHilfeJetzt! gegen die

Not der Künstlerszene

Laura la Risa gehört zu den Gründern der

Initiative KünstlerHilfeJetzt!, die sich die

Rettung der freien Kulturszene auf die

Fahnen geschrieben haben. „Momentan

sind wir samstags unterwegs. Wir machen

lustige Auftritte im Freien“, für la Risa ist

das eine Win-win-Situation: „Die Leute

freuen sich so. Es wird gelacht, gestaunt

und gewunken. Und wir brauchen es aufzutreten.“


TÄNZERIN – Laura La Risa

In unserem bewegenden Gespräch mit der

Solokünstlerin und freiberuflichen Tänzerin

Laura la Risa kommen wir nicht umhin festzustellen,

dass sich ihr Leben zweiteilt: in die

Zeit vor Corona und die Zeit seit Corona. Die

Tanzstudio-Inhaberin bereichert bereits seit

den 80er Jahren die Berliner Kulturszene.

Was dank Corona und dem Umgang mit der

Krise bleibt sind Schulden, Zukunftsängste

und Depressionen.

25 Jahre lang hat Laura la Risa beim Karneval

der Kulturen mitgewirkt. Sie war nicht

nur in der Jury, sondern hatte auch einen

Wagen. 2003 gründete sie La Vasca Flamenca

e. V., einen Verein zur Förderung der

Flamencokultur. Zwei Jahre später baute

sie an einem traditionsreichen Ort ihr Tanzstudio

aus, das auch eine Begegnungsstätte

und ein Platz zum Feiern wurde. „Als ich das

übernommen habe, war es einfach ein ausgebrannter,

leerer Raum mit Betonboden

und ohne Wände. Ich habe einen Kredit aufgenommen,

den ich Ende 2019 abbezahlt

habe“, erzählt sie uns.

Laura la Risa engagiert sich seit vielen Jahren

in der Inklusion. Unter anderem leitet sie

eine Gruppe von Menschen mit geistigen

und psychischen Behinderungen. Sie lernen

Flamenco und spielen mit Rhythmus: „Meine

Aufgabe war es, den Menschen den Spaß

an anderen Dingen zu vermitteln. Flamenco

ist Rhythmus, ist Gesang und alles Mögliche.

Du kannst über den Flamenco ganz viel erreichen,

auch bei dir selbst.“ Die umtriebige

Tanzlehrerin hat auch mit inhaftierten und

straffällig gewordenen Frauen gearbeitet.

Ein Flüchtlingsprojekt gehörte ebenso zu

ihrem Engagement für die Menschen.

Seit Corona das Leben bestimmt

Wo einst Hunderte Menschen tanzten, wo

es neben Flamenco auch Ballett, Salsa und

Hip-Hop gab, schwingt derzeit niemand

mehr das Tanzbein. Praktisch seit Mitte

März ist Laura la Risa mit ihrer Veranstaltungslocation

im Lockdown. „Zwischen den

Lockdowns durften nur vier Leute im Raum

sein. Meine Nachbarn achten sehr aufmerksam

darauf, ob hier Leute im Studio sind.

Sonst schicken sie mir das Ordnungsamt

vorbei.“ Alle Kooperationen wurden abgesagt

und liegen bis heute auf Eis. „Im Juni

habe ich noch einen Kurstermin veranstaltet,

mit all den Vorgaben. Von den 67 Leuten

kamen aber aus Angst nur sechs“, damit

reiht sich la Risa ein in die Schilderungen der

anderen Veranstalter, die über verhaltene

Besucherzahlen im Sommer berichten.

In der Tanzschule waren 13 Honorarkräfte

beschäftigt, keiner von ihnen hat mehr

einen Job. Ein großer Teil der Tanzschüler

hat mittlerweile gekündigt. Laura la Risa ist

traurig: „18 Jahre lang habe ich ohne Subventionen

daran gearbeitet, dass Menschen

mit geistigen Behinderungen zusammen mit

‚normalen‘ Menschen hier feiern und auftreten.

Diejenigen, die sich daran gestört haben,

habe ich nach Hause geschickt. Ich habe

diese Form der Inklusion knallhart durchgezogen,

und es hat geklappt.“

Das Überleben gleicht einem Kampf

Als Solokünstlerin musste Laura la Risa Arbeitslosengeld

II beantragen. Die Soforthilfe

des Landes hat sie noch bekommen, seit

Oktober hat sie kein Geld mehr erhalten.

Bislang blieben sowohl die Novemberhilfe

als auch die Überbrückungshilfe aus. „Ich

habe Angst“, gibt die Tänzerin zu, „ich habe

den ganzen Sommer über Marmelade ge-

28

meinviertel – Kultur Spezial


Infobox

Ruperts Kitchen Orchestra

www.rupertskitchen.de

sind verängstigend für die Leute. Es ist ja

so: Wenn ich den Urwald abholze, mache

ich erwiesenermaßen das System kaputt.

Dann können sich Viren ungehindert ausbreiten

und auf Menschen überspringen.

Das wird den Leuten nicht kommuniziert.

Leider geht die Kommunikation dahin, dass

die Menschen immer mehr in Angst miteinander

sind und kein Verantwortungsgefühl

aufbauen können, um zu sagen: ‚Wie kann

das Urwaldroden aufhören?‘ Oder: ‚Wie

kriege ich es hin, dass meine Regierung

nicht schon wieder einen Fracking-Vertrag

unterschreibt?‘ Das Klimathema ist

gerade völlig vom Tisch.“ In dieser nötigen

Verlagerung der Zusammenhänge und Bedeutungen

sieht der Drummer eine große

Verantwortung bei den Medien, aber auch

bei ihnen als Künstler. Letztlich muss die

Menschheit besser begreifen (können):

Warum sind wir in so einer Situation? „Die

Angst vor den Ursachen könnte man gerne

mal schüren“, findet Andi. „Dann wäre aber

eine Gemeinschaft ohne Angst voreinander

besser. Nützlicher wäre dann eine Angst

vor dem, was im Namen des Geldes letzten

Endes im Großen passiert. Wir haben vor

der falschen Sache Angst“, ist er sich sicher.

Bei Leo überwiegt das Prinzip Hoffnung. Er

möchte daran glauben, dass der Mensch

seinen Reifeprozess noch vollenden wird

und lernfähig ist. Fasziniert erzählt er von

den Effekten des Lockdowns: aufgeklarte

Kanäle in Venedig und blauer Himmel

über China. „Ich finde, das sind ganz relevante,

gravierende Geschichten. Viele

haben gesehen, was in relativ kurzer Zeit zu

machen ist.“ In diesem Sinne ist der Leadsänger

und Gitarrist davon überzeugt, dass

die Pandemie einen Beitrag dazu leisten

kann, das Bewusstsein der Menschen in

eine wichtige Richtung zu lenken.

Derweil ist Ruperts Kitchen am Köcheln:

„Wir haben ganz viele neue, geile Stücke

auf der Pfanne, die wir gerade zubereiten“,

schwärmt Andi. Die Band ist voller Vorfreude:

„Sobald wir können, werden wir überall

spielen, wo wir nur können.“ ■

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STRASSENMUSIKER – Ruperts Kitchen Orchestra

Ruperts Kitchen Orchestra wurde sozusagen

als Straßenband in Berlin geboren.

Die drei Musiker Cornelia Rösler (Conny),

Leandro Florentino (Leo) und Andreas Raab

(Andi) sind auf den Straßen unserer Welt

unterwegs, um die Menschen in ihren Bann

zu ziehen. Doch gerade sind Auftritte selbst

unter freiem Himmel nicht möglich. Wir

sprachen mit den dreien über die Pandemie,

deren mögliche Ursachen und die Hoffnung

auf die Lernfähigkeit des Menschen.

Aus dem im April geplanten Albumrelease

wurde gezwungenermaßen ein Onlinerelease.

Der „energetische Vibe“ kann online

aber niemals der gleiche sein wie live,

wenn der ganze Raum durch die Musik in

Schwingung gerät. Im Spätsommer gab

sich die Band noch einmal der Straßenmusik

hin. Doch die Leute huschten eher

verängstigt weiter. „Im August waren wir

noch auf dem Ferrara Buskers Festival in

Italien, dem größten Straßenmusik-Festival

der Welt“, erzählt Bassistin Conny. „Das

hat unter strengen Auflagen stattgefunden.

Die eingeladenen Musiker haben sich

auf vier Bühnen, die in der Stadt verteilt

waren, abgewechselt.“ Wo normalerweise

etwa 80.000 Menschen zum Lauschen,

Singen und Feiern zusammenkommen, waren

2020 nur Einheimische vertreten. Von

regelmäßigen Auftritten ist auch Ruperts

Kitchen Orchestra, die regulär im Freien

auftreten, in der Corona-Krise weit entfernt.

Vom Überleben echter Künstler

Die große Ungewissheit und die fehlenden

Perspektiven haben mittlerweile etwa ein

Drittel der Künstlerinnen und Künstler dazu

bewogen, ihren Beruf aufzugeben. Keine

Option für Ruperts Kitchen Orchestra: „Wir

haben uns ausgesucht, das zu sein, was wir

sind. ‚Ich werde ein anderer‘, das ist für uns

gerade nicht angesagt. Aber das Ganze

hängt natürlich wie ein Damoklesschwert

über einem.“ Dass keiner von ihnen Soforthilfe

beantragt hat, liegt nicht nur daran,

dass sie von den Möglichkeiten kaum etwas

mitbekommen haben, sondern dass

sie sich während der Pandemie mit anderen

Berufen über Wasser halten können.

Einzig die GEMA-Soforthilfe haben sie in

Anspruch genommen. Das, was gern als

„echtes Künstlerleben“ bezeichnet wird,

ernährt einen Menschen nicht. Die Frage

ist dann: Wie weit geht es jetzt mit meiner

Kunst? „Im Moment hat es den Anschein,

als würden alle Künstler schreien, sie könnten

keine Künstler mehr sein, weil sie kein

Geld mehr haben“, so Leo. „Das spricht für

mich gegen die Kunst. Wenn jemand ein

wirklicher Künstler ist, wird er nicht aufhören,

Kunst zu machen.“

Gegen die Angst und für das

Bewusstsein

Die Bandmitglieder gehen davon aus, dass

bei den Menschen auch nach der Pandemie

noch eine Weile die Angst mitschwirren

wird. Leo würde sich wünschen, dass

die Menschen diese Situation nutzen, um

innezuhalten und sich zu überlegen, was

sie generell besser machen könnten. Andi

sorgt sich vielmehr um die mediale Vereinfachung

der Situation. „Die Maßnahmen

26

meinviertel – Kultur Spezial


Infobox

Franziska Hauser

Bücher:

Die Gewitterschwimmerin

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Sommerdreieck

(Rowohlt Verlag)

Wie wir leben wollen

(Suhrkamp Verlag)

Sieben Jahre Luxus

(Kehrer Verlag)

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weile wieder in der KSK. Ob das ohne den

öffentlichen Druck auch so schnell gegangen

wäre? Daran hat sie leise Zweifel. Sie hat

zugesagt, nicht mehr als 450 Euro zu den

aktuell 800 Euro künstlerischem Verdienst

hinzuzuverdienen, doch mit Kind in Berlin

reicht das natürlich nicht.

Arbeitslosengeld II für Künstler in

dieser Situation ist verachtenswert

Wer einst von seiner Kunst leben konnte

und jetzt dazu veranlasst wird, Arbeitslosengeld

II in Anspruch zu nehmen, welche

Spuren hinterlässt das? „Man fühlt sich

degradiert und verachtet von der Politik“,

beschreibt Franziska Hauser das Gefühl

aus Künstlersicht und ergänzt als Bild: „Es

ist so, als ob man alle Künstler in eine Abstellkammer

auf Eis legt. Wenn der Spuk

vorbei ist und man wieder in die Oper gehen

möchte, dann sollen die plötzlich alle wieder

da sein und werden aufgetaut.“ Dabei fehlt

ihr die Einsicht, dass hier gerade ganze Existenzen

zerstört werden. „Es sind ja nicht nur

Künstler, alle Soloselbstständigen werden

ziemlich schlecht behandelt. Sie werden

so behandelt, als würden sie dem Staat

auf der Tasche liegen. Was ja, wenn man

sich das mal genauer anguckt, überhaupt

nicht stimmt. Die zahlen wahnsinnig viele

Steuern und haben davon gar nichts“, so

Franziska Hauser.

Auch sie glaubt, dass es nach der Pandemie

nur langsam so etwas wie Normalität im Kulturbetrieb

geben wird: „Und ich befürchte,

dass danach ein Ellenbogenkampf einsetzt,

weil jeder seinen Platz zurückerobern will.“

Aber dass die Angst vor Nähe bleiben könnte,

diese Bedenken teilt sie nicht. ■


AUTORIN – Franziska Hauser

Dem Buchhandel geht es in der Corona-

Krise gut, was nicht automatisch auch auf

die Autorinnen und Autoren zutrifft. In der

Regel bekommen sie einen Vorschuss für

ihr Buch und leben ansonsten von Lesungen.

In der Pandemie ist das Leben also

auch für die schreibende Zunft eine Herausforderung.

Autorin Franziska Hauser

nahm uns ein Stück mit in ihr Leben während

der Pandemie.

Franziska Hauser ist als Künstlerin und

Deutschlehrerin selbstständig. Es ist

nicht so, dass sie keinen Job mehr hätte,

aber „es ist alles weniger geworden“. Aktuell

unterrichtet sie vor allem Menschen

online, die für deutsche Firmen arbeiten,

aber in Indien oder Ägypten leben. So gut

das bei einem Sprachkurs möglich ist, so

schlecht funktioniert das mit Onlinelesungen:

„Es hat erstens niemand Zeit für Onlinelesungen.

Und es macht auch einfach

niemandem Spaß. Es entsteht kein Bezug

zum Publikum. Da kann man sich noch so

viel Mühe geben. Dieses Medium hat sich

erschöpft.“

Die Krux mit der Künstlersozialkasse

Mit ihrer Autorentätigkeit ist Franziska

Hauser bei der Künstlersozialkasse (KSK)

versichert. Als Deutschlehrerin verdient

sie bei der Sprachschule monatlich 450

Euro. Mehr erlaubt die KSK nicht als Zubrot

aus nichtkünstlerischer Arbeit. „Ich müsste

deutlich mehr bei der Sprachschule verdienen,

um mir eine Versicherung leisten zu

können, die nicht von der KSK bezuschusst

ist. Aber das geht nicht, weil die Sprachschule

auch totale Einbußen hat“, erklärt

uns Franziska Hauser. Dabei ist sie bei weitem

nicht die Einzige, die diesen Spagat

betrifft – aber praktisch die Einzige, die

dazu öffentlich Position bezieht. „Mit der

künstlerischen Arbeit kann ich momentan

nicht genug verdienen und mit der nichtkünstlerischen

darf ich nicht“, bringt es die

Autorin auf den Punkt.

Im März 2020 hat Franziska Hauser die

5.000 Euro Soforthilfe der Stadt Berlin bekommen.

„Das hat bis September gereicht“,

sagt sie, „um auszugleichen, was gefehlt hat.

Im September habe ich langsam Panik gekriegt.“

Im November wollte sie Novemberhilfe

beantragen. Und da fing der Ärger mit

der KSK richtig an. Ihre Anwältin empfahl

ihr, erst einmal die Beitragshöhe anzupassen.

„Das habe ich gemacht und angegeben,

dass ich 600 Euro aus nichtkünstlerischer

Arbeit verdiene, weil die mir aus künstlerischer

Arbeit fehlen. Ich habe das für logisch

gehalten, weil man ja von irgendwas leben

muss. Dann haben die mir kurz vor Weihnachten

zum 1. Januar gekündigt. Das fand

ich krass! Weil ich zu viel verdient habe aus

nichtkünstlerischer Arbeit. Ich hätte es einfach

nur verschweigen müssen, wie alle anderen

auch.“ Dieses Erlebnis hat die Autorin

in einen Facebook-Post verpackt, der hohe

Wellen schlug. Doch öffentlich solidarisieren

möchte sich kaum jemand. Zu groß ist laut

Franziska Hauser die Angst aufzufliegen.

Dabei weiß sie, dass es vielen ähnlich geht

wie ihr. „Die Leute wollen lieber nicht auffallen.

Sie würden sich in eine existenzielle

Notlage bringen, wenn sie jetzt von der KSK

überprüft werden und rausfliegen. Natürlich

will das keiner“, und so sieht es aus, als wäre

die Autorin ein Einzelfall. In der Konsequenz

hat sie sich untergeordnet und ist mittler-

24

meinviertel – Kultur Spezial


Infobox

Heike Feist

www.heikefeist.de

Andreas Nickl

www.ankebalzer.de/

andreas-nickl

schaftlich ist, wenn nur 20 Prozent der Plätze

verkauft werden dürfen.“ Dafür zeigten Andreas

und Heike ihren Ringelnatz-Abend

einmal vor der Kamera. Als Amuse-Gueule

eines Online-Firmenevents. „Das war ein

enormer technischer Aufwand für uns, aber

jetzt können wir auch das“, grinst Andreas.

„Das hat echt Spaß gemacht und kam auch

gut an“, ergänzt Heike. „Aber man merkt

eben auch: Live ist live und nicht ersetzbar.“

Doch mit Auftritten kann sie erst einmal

nicht rechnen, im November schlossen die

Theater erneut auf unbestimmte Zeit. „Bis

Ostern ist wieder alles gecancelt, ich kriege

inzwischen Absagen bis Juni rein“, erzählt

Heike. „Keine Ahnung, wann ich überhaupt

wieder auf die Bühne darf.“ Im Dezember

bekamen die beiden jeweils ein Stipendium

über das #TakeCare-Programm des Fonds

Darstellende Künste, das ihnen ermöglicht,

gemeinsam für ein weiteres biografisches

Bühnenprojekt zu recherchieren – Anecken

mit Heine soll es heißen.

Undurchsichtige Finanzhilfen

Von der Novemberhilfe des Bundes, die

Heike beantragt hat, wurde bislang nur ein

Abschlag ausgezahlt, niemand weiß, wann

und ob die restliche Summe überhaupt

überwiesen wird. „Diese ganzen Anträge

sind extrem undurchsichtig und schwierig

zu verstehen – selbst für Steuerberater“,

meint Heike. „Oft fallen Soloselbstständige

durchs Raster, z. B. bei den Überbrückungshilfen,

da wir keine Betriebskosten haben,

aber nur diese angerechnet werden dürfen.“

Davon unterkriegen lassen sich Andreas

und Heike nicht, sondern investieren die

unfreiwillig freie Zeit in die Zukunft. Zur Zeit

proben sie das Valentin-Karlstadt-Stück,

das eigentlich kompakt im August und

September erarbeitet werden sollte. So

entzerren sie die Probenzeit, damit sie den

Sommer auch dafür haben, um ihre anderen

Stücke wieder „hochzuholen“ oder um zu

drehen. Denn beide haben ab Herbst die

Kalender wieder voll mit Terminen. Landauf,

landab. ■

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SCHAUSPIELER – Heike Feist UND Andreas Nickl

Seit einem Jahr sind die Theater geschlossen,

die zehn Wochen der Öffnungsmöglichkeiten

im Herbst waren geprägt durch

strengste Hygienekonzepte, ausgedünnte

Sitzreihen und ein zögerliches Publikum.

Auch Dreharbeiten finden kaum statt.

Bei den staatlichen Hilfspaketen fallen

Theater- und Filmschaffende, die zumeist

soloselbstständig sind oder nur projektbezogen

angestellt werden, vielfach durchs

Raster, weil sie unregelmäßig verdienen,

weil sie keine Betriebskosten abrechnen

können oder weil sie keinen Steuerberater

haben. Kurzarbeitergeld kommt für sie

nicht infrage, stattdessen wird ihnen nahegelegt,

Hartz IV zu beantragen und über

einen Berufswechsel nachzudenken. Für

die wenigsten ist das eine Option.

Normalerweise ist Heike Feist das ganze

Jahr unterwegs. Landauf, landab. Entweder

als Solodarstellerin mit den Stücken

Cavewoman und Alle Kassen, auch privat

oder mit Kollegen, um ihre selbstproduzierten,

für zwei Personen konzipierten

Biografien für die Bühne zu zeigen, Abende

über Tucholsky, Ringelnatz oder Hildegard

von Bingen. Einer ihrer Partner ist

Andreas Nickl. Dieser spielt nicht ganz

so viel Theater, steht dafür aber oft vor

der Kamera, dreht unter anderem für die

Rosenheim-Cops, Charité oder Morden

im Norden.

Seit einem Jahr ist alles anders

„Corona tauchte bei mir beim Drehen auf“,

erzählt Andreas. „Also nicht direkt. Eher als

nicht ernst genommene Verrücktheit, uhh,

plötzlich will einem keiner mehr die Hand

geben ... Das war Ende Februar.“ Am letzten

Tag vor dem Lockdown hatte er noch

in München Theater gespielt, da kam aber

nur noch die Hälfte der Leute, weil die Verunsicherung

schon sehr groß war. Eine sehr

spezielle Vorstellung sei das gewesen: „Die

Zuschauer durften nicht mehr eng beisammen

sitzen, aber wir sangen und spielten Saxophon

nur einen Meter von ihnen entfernt.“

Dann ging alles sehr schnell: Alle weiteren

Vorstellungen fielen aus. Auch für Heike.

23 Veranstaltungen wurden ihr im ersten

Lockdown, der sich für die Bühnen bis in

den Sommer zog, abgesagt. Die beiden beantragten

5.000 Euro Soforthilfe vom Land

Berlin und bekamen sie auch.

Zeit für neue Projekte

Nach einer kurzen Zeit der Schockstarre

stürzten sie sich in neue Projekte. Heike

schrieb eine weitere Biografie für die Bühne,

diesmal über Karl Valentin und Liesl

Karlstadt, zugleich machte sie ihre anderen

Zweipersonenstücke coronatauglich,

inszenierte sie auf gebotene Distanz um

und strich Requisitenübergaben, um mit der

Wiedereröffnung der Theater sofort spielbereit

zu sein. Andreas absolvierte derweil

erstmals eine Castinglesung via Zoom: „Die

Beteiligten waren von Schweden bis Wien

verteilt, das war aufregend und lustig und

hat gut funktioniert.“ Ende April traf er sich

mit einer ARTE-Redakteurin, um über einen

Dokumentarfilm in Israel zu sprechen. Das

Projekt wurde immer wieder verschoben, im

Moment hofft Andreas auf den Sommer:

„Aber wenn wir Pech haben, will ARTE das

Projekt nicht mehr.“

Spielen unter Corona-Bedingungen

Im Juli drehten sowohl Heike als auch Andreas

erstmals unter Corona-Bedingungen.

Mit Abstand, regelmäßigen Corona-Tests

und Hygienebeauftragten am Set. Im Herbst,

nachdem die Theater wieder öffnen durften,

spielten sie zusammen zwei corona-kompatible

Vorstellungen vor coronakompatibel

gesetztem Publikum. Heike stand noch

sieben weitere Abende im September und

Oktober auf der Bühne. „Mehr als 20 wären

geplant gewesen“, erzählt sie, „wurden jedoch

schon im Sommer abgesagt. Wegen

fehlender Planbarkeit und weil es für ein

nicht subventioniertes Theater nicht wirt-

22

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fristen geändert. Es war ein ganz großes anzuschieben, aber davon habe ich gelebt.

Wenn mir dann irgendwann hinterher

Problem, dass es immer hieß: nur für Betriebsmittel.

Aber wenn du ein Artist bist gesagt wird: ‚Zahlen Sie mal die Hilfen

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oder ein Zauberer, dann hast du oft keine zurück, Sie haben ja theoretischen Gewinn

gemacht’, weiß ich gar nicht, wovon

Betriebsmittel. Es kann dir trotzdem keiner

sagen, wovon du deine Miete bezahlen ich investieren soll, um das nächste Ding

sollst.“ Das Einmaleins der Förderung ist wieder zu starten. Solange sozusagen Gewinn

machen in diesen Zeiten ein No-Go

gerade aus Produktionssicht nicht nachvollziehbar:

„Das Prinzip ist: Verlust plus ist, wird es perspektivisch schwer.“ Maik

Förderung gleich plus/minus null. Aber M. Paulsen befürchtet: „Manche Sachen

wenn ich eine Produktion plane, dann plane

ich die so, dass die Leute irgendwie Aber man weiß nicht, wer wie viel wieder

gingen schnell und waren unkompliziert.

davon leben können. Ich brauche eine zurückzahlen muss. Ich glaube, der große

fünfstellige Summe, um die modulare nächste Tour Knall + funktionale kommt da noch.“ Das möbelsysteme

Zukunftssze-

Theater.“ ■

mehrfach preisgekrönt

nario hört sich durchaus düster an: Es

wird spätestens dann eng, wenn Corona

offiziell vorbei ist, keine Hilfsgelder mehr

fließen, es noch keine großen Events gibt

und nur wenige Leute ins Theater gehen.

Schon jetzt gehen reihenweise Agenturen

und Veranstalter pleite. Die Sorge:

„Wenn für die normale Wirtschaft, also

außerhalb der Kultur- und Kreativbranche,

Corona vorbei ist, es keine Hilfen mehr

gibt und die Leute hochverschuldet sind.

Wenn keine neuen Jobs kommen, weil

alle noch vorsichtig sind – dann fallen die

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VARIETÉ – Maik M. Paulsen UND Axel Hecklau

Maik M. Paulsen ist als Falschspieler bekannt.

Mit seiner Kunst ist er auf Businessevents

zu Hause. Als Produzent von

Varietéshows tourt er durch Theater in

ganz Deutschland. Axel Hecklau ist Zauberer

aus Leidenschaft und steckt unter

anderem hinter dem Salon der Wunder.

Über Solokünstler in der Corona-Krise,

neue Formate und Zukunftsprognosen.

Interaktives Zaubern im Onlineformat

Zusammen haben die beiden Solokünstler

eine Onlineshow entwickelt, die auf große

Begeisterung stößt. Maik M. Paulsen konnte

sich zu Beginn nicht vorstellen, dass das

funktionieren würde: „Ich glaube, wir sind

eine der wenigen Onlineshows, die Tickets

zu einem halbwegs normalen Preis verkaufen.“

Inhaltlich haben die beiden Künstler

einen Vorteil gegenüber anderen künstlerischen

Richtungen, wo Shows einfach nur

abgefilmt werden (können). Die Zauberei

ermöglicht es ihnen, auch im Videoformat

mit den Zuschauenden zu interagieren.

„Wir picken auch mal einzelne Leute raus,

deren Gedanken wir dann lesen oder die

Entscheidungen treffen. Die Kommunikation

auf diese Weise ist nagelneu. Die Leute

können sich das erst nicht vorstellen und

sind nachher völlig geflashed“, berichtet

Axel Hecklau von den Onlineshows. Die

Zuschauer haben ihr Mikrofon aus, Reaktionen

nehmen die Künstler nur über

die Kamera wahr. „Das ist ein total befremdliches

Gefühl“, gibt Maik M. Paulsen

zu. Eine Alternative zum Theater sei das

nicht: „Ich betrachte es als neue Location.

Es ist eine Ergänzung zu etwas, das vorher

nicht existierte.“ Was hier konzeptionell

super funktioniert, wäre live allerdings gar

nicht abbildbar.

Kunst nach der Krise

Die Sorge, dass bei den Menschen die

Angst bleibt, teilen Maik M. Paulsen und

Axel Hecklau mit vielen anderen Künstlern.

„Ich glaube, dass die Zuschauerzahlen nur

langsam steigen werden“, ist sich Maik M.

Paulsen sicher. Axel Hecklau sieht das

ganz ähnlich: „Hier geht’s um die Angst.

Unsere Erfahrung nach dem ersten Lockdown

zeigt, wie zurückhaltend die Leute

waren. Die meisten hatten ihre Eintrittskarten

in Gutscheine umwandeln lassen.

Der erwartete Ansturm nach der Wiederöffnung

blieb aus. Die Leute hatten einfach

Angst und sind nicht gekommen. Nicht mal

die Hälfte.“ Neben der Angst sieht Axel Hecklau

auch die Gefahr, dass sich die Menschen

irgendwie an die Situation gewöhnt

haben könnten und nicht gleich euphorisch

in die Theater stürmen.

Wie die Künstler finanziell durch die

Krise kommen

Axel Hecklau hat erst spät Hilfen beantragt,

vorher lebte er von seinen Rücklagen.

„Aber wir haben 80 Prozent Einbußen

gehabt. Zusammen mit meinem

Kollegen aus dem Salon der Wunder

habe ich erst vor Kurzem die Novemberhilfe

beantragt“, erzählt er. Bei Maik

M. Paulsen stellt sich die Situation etwas

komplizierter dar, weil er einerseits die

Produktion hat, andererseits als Künstler

arbeitet: „Ich glaube, es gab bei den

Künstlern ganz viel Verwirrung und Frust.

In einem Bundesland konntest du das

Geld für deine Privatausgaben benutzen,

im anderen nicht. Teilweise wurden die

Sachen dann noch während der Vergabe-

20

meinviertel – Kultur Spezial


Infobox

RambaZamba Theater

Schönhauser Allee 36–39, 10435 Berlin

www.rambazamba-theater.de

Superforecast:

www.rambazamba-theater.de/inszenierungen/

superforecast-eine-dada-webserie/

Theaters hat sich dafür dem Autor Konrad

Bayer und dem Künstler Martin Kippenberger

gewidmet. „Für uns war das ein

großer Energiegewinn, weil das Haus wieder

richtig funktioniert hat, weil wir eine

sinngebende Tätigkeit hatten. Auch das

Publikum hat das Angebot gut angenommen.“

Höhne beschreibt diese Aktion als

„Kampf gegen die Unsichtbarkeit“: „Es betrifft

alle Künstlerinnen und Künstler, aber

jene mit Behinderung noch dreimal mehr,

weil sie aus allen Diskursen verschwunden

sind. Sie wurden nicht besprochen, sie waren

einfach nicht mehr vorhanden.“

Kürzlich hat das RambaZamba damit begonnen,

einen Spielfilm zu drehen, eine

Adaption des eingebildeten Kranken. „Für

wenig Geld durften wir zwei Wochen lang

das Ballsaal-Studio im Wedding nutzen“,

Höhne ist dankbar für diese Unterstützung

und ergänzt: „Das war ein großer Energieschub

ins Haus hinein!“ Dieses Projekt

habe deutlich die Zuversicht gesteigert.

Kulturpolitik und Zukunftsprognosen

Höhne ist einer der Vielen, die dem Kultursenator

großen Respekt zollen: „Man

schaut ja sehr kritisch auf die Politik. Und

ich finde auch, dass sich die Politiker in

letzter Zeit nicht mit Ruhm bekleckern.

Aber wir haben eine besondere Unterstützung

der Kulturpolitik in dieser Pandemie

erfahren. Was Klaus Lederer da leistet, verdient

größten Respekt. Er hat uns stark

unterstützt und durch die Pandemie gebracht.

Ich finde, das muss man an so einer

Stelle auch mal formulieren.“

Der Tag wird kommen, an dem die Theater

ihre Türen wieder öffnen dürfen. Werden

die Menschen in die Theater strömen? „Ich

glaube, das ist ein Gewöhnungsprozess.

Abstand halten, keine Berührungen, das

hat man ja verinnerlicht. Aber der Hunger

nach Berührung und Begegnung ist ganz

groß“, ist sich Höhne sicher. Hinzu kommt

die Tatsache, dass Berlin ein Kulturraum

ist. In Berlin ist zu Hause, wer Kultur liebt

und lebt. ■

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THEATER – Ensemble RambaZamba

Das Ensemble des „Miniatur-Stadttheaters“

RambaZamba bilden 35 Menschen mit Behinderung,

die gemeinsam mit Schauspielerinnen

und Schauspielern von außen das

Publikum verzaubern. Mit Geschäftsführer

und Intendant Jacob Höhne sprachen wir

über die menschlichen Sorgen während der

Pandemie, aber auch über Energie, Optimismus

und Dankbarkeit.

Seit 2017 ist Jacob Höhne Leiter des vor

über 30 Jahren gegründeten Ramba-

Zamba Theaters. Heute ist das staatlich

geförderte Haus eine feste Institution der

Berliner Theaterszene. „Der Kern von

RambaZamba war und ist das Ensemble,

in dem Künstlerinnen und Künstler mit

den unterschiedlichsten Behinderungen

zusammenarbeiten. Ihre Besonderheit ist

nicht ihre Behinderung, sondern ihr besonderer

künstlerischer Ausdruck und ihr

hohes Maß an Professionalität“, schildert

Höhne das Alleinstellungsmerkmal des

Theaters. In regulären Zeiten bringt das

Ensemble bis zu 110 Vorstellungen und

acht Premieren pro Spielzeit auf die Bühne.

Lockdown Nr. 1: katastrophal für

die als Risikogruppe geltenden

Schauspieler

Mehr noch als an anderen Kulturorten war

der erste Lockdown für die Schauspielerinnen

und Schauspieler des RambaZamba

eine persönlich-menschliche Katastrophe.

„Es war ein politisches, ein gesellschaftliches

Problem“, so Höhne, „dass Menschen mit

Behinderungen pauschal als Risikogruppe

kategorisiert und dementsprechend sofort

weggeschlossen wurden.“

Zu Beginn der Pandemie hat sich die

Schließung für die RambaZamba-Crew

ein bisschen wie Hitzefrei angefühlt. „Wir

sind aus einem sehr hohen Aktivitätsniveau

sozusagen ins Nichts gestürzt. Erst

mal war die Reaktion: ‚Cool, wir haben

jetzt frei.‘ Doch diese Freude war nur von

kurzer Dauer“, erzählt Höhne. Es begann

das, was er die „pandemische Extrabelastung“

nennt, und was sich im zweiten

Lockdown noch deutlicher zeigt: „Diese

Belastung, die du als Künstler tragen

musst, wenn du plötzlich als nicht systemrelevant

bezeichnet wirst, deines Ortes

und deines sozialen Umfeldes beraubt

wirst und nicht mehr arbeiten kannst.“

Diese Situation greife das Selbstverständnis

der Kulturschaffenden stark an,

so seine Erfahrung.

Neue digitale Formate sollen

Unsichtbarkeit bekämpfen und

Energie bringen

Höhnes Aufgabenbereich hat sich mit der

Pandemie verlagert: „Ich bin praktisch nur

noch damit beschäftigt, positive Energie

in dieses Haus hineinzutragen und alle zu

motivieren. Die Familien sind überfordert,

und gerade die Singles verenden sozusagen

seelisch in der Einsamkeit.“ Als klar

war, dass die Situation länger andauern

würde, hat das RambaZamba ein neues

digitales Format entwickelt: „Ein Theaterstück

einfach zu streamen, entspricht

uns nicht. RambaZamba ist dieses Unmittelbare,

ist sozusagen die Berührung.

Aus meiner Sicht eignet sich dafür die

filmische Auseinandersetzung.“ Superforecast

ist eine fünfteilige Dada-Webserie,

das Ensemble des RambaZamba

18

meinviertel – Kultur Spezial


Foto: Etienne Girardet, www.pacificografik.de

Infobox

Berliner Kriminal Theater

Palisadenstraße 48

10243 Berlin

www.kriminaltheater.de

Conventstraße 1 – 3 | 22089 Hamburg | Germany

und halten die Stange. An der Zuversicht,

die Schauspieler zur Wiedereröffnung zusammenzukriegen,

scheitere es jedenfalls

nicht: „Die Abwanderung durch einen

Wechsel des Engagements ist momentan

nicht das Problem. Niemand engagiert

ja gerade. Es spielt nicht eine Bühne in

Deutschland.“ Und Theater im Onlineformat

sei kein Thema (mehr): „Das hat sich

im Schauspiel schnell wieder erledigt. Es

ist nicht nur teuer, es ersetzt einfach nicht

den Theaterbesuch. Wir haben uns bewusst

dagegen entschieden, weil es das

Theater entzaubert“, machen Rumpf und

Seppelt deutlich. Der Intendant spricht

von einem abrufbaren Repertoire von

15–16 Stücken. Das Ensemble steht also

bereit.

Kunde: Gasag Format: 210x145 mm Auftrags-Nr.: 326722

Kampagne/Etat: Gasag Beschnitt: 3 mm Operator

Motiv/Name: „für nachwachsende Eneregien“ MBZ/BGE/SF: 0/5 mm Kundenfreigabe

Publikation/Art mein/4 Stadtmagazin Profil: LWC_improved ABC-Geprüft

Spannungsgeladene Vorfreude auf

die Wiedereröffnung

Das Kriminal Theater gibt neben den

Vorstellungen in Berlin etwa 70–75

Gastspiele im Jahr. Da aber alle Termine

verschieben, ist davon auszugehen,

dass auch mehr oder weniger alle Veranstaltungen

parallel wieder an den Start

gehen. „Und wenn die Zuschauer dann

alle kommen und wir diese Stückzahl

erreichen, sind wir auch wirtschaftlich

wieder auf der sicheren Seite“, verdeutlicht

Wolfgang Seppelt die Kalkulation

und ergänzt: „Meine große Hoffnung für

die nächste Wiedereröffnung ist, dass

das Publikum da sein wird. Die Leute

wollen wieder ins Theater gehen.“

Eine Eröffnung im Sommer würde allerdings

ungünstig liegen. Die letzte Öffnung

fiel auf den September. Und September,

Oktober sind bekanntlich gute

Theatermonate. In diesem Jahr werden

zwar voraussichtlich viele Menschen in

Berlin bleiben, doch die deutschsprachigen

Touristen fallen weg. Sie waren

der Grund, warum das Kriminal Theater

immer den Sommer durchgespielt hat.

Zur Wiedereröffnung im Sommer sagen

Rumpf und Seppelt: „Mal schauen, wie

wir das abfangen können. Allerdings hat

der Senator schon angekündigt, dass

es auch weiterhin Hilfe geben wird.

Die wissen genau: Wenn wir in so einer

schlechten Kartenverkaufszeit anfangen,

saisonal bedingt, dann haben wir

ein Problem.“ ■

Tel. +49 40 25109-0 | albertbauer.com

Kontakt: Sybille Müller Trapping: nein Revision

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Berlin ist gelebte Geschichte, bewegte Zukunft und vor allem: unser Zuhause. Deshalb unterstützen wir die Menschen, die hier

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THEATER – Berliner Kriminal Theater

Das Berliner Kriminal Theater wurde im

Jahr 2000 gegründet. Seither herrscht im

Gebäude in der Palisadenstraße 48 Hochspannung.

Mit dem coronabedingten Lockdown

hat sich die Spannung gewandelt, sie

hat etwas Abwartendes und gleichzeitig

Vorfreudiges an sich. In unserem Gespräch

mit dem Intendanten Wolfgang Rumpf und

dem Geschäftsführer Wolfgang Seppelt

schwappte uns aber eine zuversichtliche

Grundhaltung entgegen.

Im März Komplettschließung, dazwischen

kurze Zeit Spielbetrieb mit Hygienekonzept

und unter Schirmen, seit Oktober erneute

Komplettschließung – diese Szenarien

kennt nicht nur das Berliner Kriminal Theater.

Während der Nachmittagsvorstellung

am 13. März 2020 gab es erste Gerüchte zu

einer angeordneten Schließung der Spielstätten,

die noch am selben Tag während

der Abendveranstaltung zu einer Verordnung

wurden.

Finanzierung in Zeiten von Corona

Das Kriminal Theater mit seinen insgesamt

70 Mitarbeitenden finanziert sich komplett

privat. Das klappt bereits seit mehr als 20

Jahren. Der vorübergehende Spielbetrieb

unter Auflagen im Sommer hat nur wenig

finanzielle Entlastung gebracht. Zu der Zeit

flossen jedoch die ersten Zuwendungen.

Am meisten habe der Senat den privaten

Theatern mit Soforthilfen unter die Arme

gegriffen, verraten uns unsere Gesprächspartner.

Dazu kommen das Überbrückungsgeld

und das Hilfspaket „Neustart Kultur“

vom Bund. Im aktuellen Doppelhaushalt

2020/2021 erhält das Berliner Kriminal

Theater einen Mietzuschuss von 20.000

Euro vom Kultursenat – damit teilt sich das

Theater die Gesamtsumme von 100.000

Euro mit den anderen Privattheatern Tipi

am Kanzleramt, Bar jeder Vernunft, Wintergarten

Varieté und Chamäleon. Während

die Soforthilfe tatsächlich sofort kam,

floss das restliche Geld eher schleppend.

„Beim Bund dauert das viel länger. Die Novemberhilfe

kam jetzt erst. Ohne die Zuwendungen

hätten wir es nicht geschafft.

Unsere Rücklagen waren aufgebraucht. Sie

haben ausgereicht, um zwei Monate lang die

Miete zahlen zu können“, erklärt Wolfgang

Seppelt. Hocherfreut berichten uns Rumpf

und Seppelt auch von den vielen Gästen,

die weder einen Gutschein noch das Geld

für ihr Ticket zurückhaben wollten. Diese

kleinen Spenden beeindrucken.

Schauspieler bleiben bei der Stange

Die Schauspieler haben die Soforthilfen

für Soloselbstständige beantragt und

konnten sich damit über Wasser halten.

Denn ohne Vorstellung gibt es natürlich

auch kein Honorar. Die Stimmung unter

den Kollegen sei positiv, offenbaren uns

Rumpf und Seppelt: „Alle rechnen schwer

damit, dass es irgendwann wieder losgeht.

Aus dem Beschluss des Kultursenators

geht hervor, dass auf den staatlichen und

privaten Bühnen vor Ostern gar nichts

passiert. Wir rechnen damit, dass es

sich noch weiter nach hinten verschieben

wird.“ Trotz dieser misslichen Lage

seien die Schauspieler durchaus motiviert

Termine des

Open-Air-Kriminal-Sommers:

28. + 29.05.2021:

Der Name der Rose

(Kloster Chorin)

04.07.–29.08.2021:

Kriminal-Open-Air-Festspiele

(The Lakeside Burghotel zu

Strausberg)

16

meinviertel – Kultur Spezial


17.3.2021–7.2.2022

Ways of

Seeing

Abstraction

Works from the

Deutsche Bank Collection

Unter den Linden 5, 10117 Berlin

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Rana Begum, WP 412 (Detail) © Begum Studio, Courtesy of Jhaveri Contemporary

Infobox

GRIPS

Altonaer Straße 22

10557 Berlin

www.grips-theater.de

GRIPS-Blog mit Onlinebühne

www.grips.online

Onlineformat entwickelt, das Kindern digital

einen Vorgeschmack auf das Theatererlebnis

bietet. Unter dem Motto „Wir sind

zu. Aber wir sind da.“ gibt es auf der GRIPS-

Onlinebühne Theaterstücke zum Streamen,

Podcasts zum Hören, Interviews zum Lesen

und Lieder zum Mitsingen. Darüber hinaus

können sich Grundschullehrkräfte mit dem

#GRIPSTheaterPowerPaket, bestehend

aus einer 46-seitigen Broschüre, Ideen

für theaterpraktische Übungen holen. Der

Kontakt zu den Schulen liegt dem GRIPS

am Herzen. Über den E-Mail-Verteiler des

Senats wurden die Schulen informiert, dass

es das Stück „Ab heute heißt du Sara“ zum

Streamen gibt. Philipp Harpain ist stolz: „35

Schulklassen haben das gesehen. Wir versuchen

wirklich, eine Hilfestellung in dieser

Zeit zu geben.“

Weiterleben und Kontaktpflege in

der Krise

Im GRIPS arbeiten etwa 70 Festangestellte

und 80 Freie. Die Autorinnen und

Autoren erhalten für jedes nicht gespielte

Stück eine Ausgleichszahlung. Diese

wertschätzende Art des Umgangs mit

den eigenen Künstlern hat dem Haus

sogar den „Sonderpreis der Deutschen

Theaterverlage“ als coronafreundlichstes

Haus für Autoren eingebracht. Als Privattheater

ist das GRIPS institutionell gefördert

und wird von der Stadt bezuschusst.

„Wir sind sehr froh, dass der Berliner Senat

uns soweit finanziert, dass wir eine Grundversorgung

haben. Das zweite Standbein

ist gerade die Kurzarbeit. Außerdem

haben wir Sponsoren“, mit diesen drei

Standbeinen kann sich das Kindertheater

in der Krise über Wasser halten. Der

Vorlauf, um wieder auf der Bühne stehen

zu können, ist beim GRIPS erstaunlich

kurz: „Innerhalb von drei Wochen sind wir

spielklar“, sagt Philipp Harpain, „das weiß

der Senat auch.“ ■


THEATER – GRIPS-Kindertheater

Das GRIPS bringt Theaterstücke für Kinder

(Jugendliche und Erwachsene) auf die

Bühne, richtet gemeinsam mit der GASAG

AG den Berliner Kindertheaterpreis aus und

engagiert sich in der kulturellen Bildung an

Schulen. In unserem Gespräch mit Theaterleiter

Philipp Harpain und der Sponsoring-

Referentin Birgit Jammes der GASAG AG

kam der Wert dieser Arbeit deutlich zum

Ausdruck. Umso erfreulicher war für uns

zu hören, dass das Kindertheater einigermaßen

durch die Corona-Krise zu kommen

scheint und in kurzer Zeit wieder startklar

sein könnte.

Berliner Kindertheaterpreis

Seit 2005 richtet GRIPS alle zwei Jahre den

Berliner Kindertheaterpreis aus. Der Wettbewerb

spürt junge Autorinnen und Autoren

auf, die für das Kindertheater schreiben.

„Sie reichen Exposés und Skripte ein,

aus denen eine Jury bis zu fünf Autoren

auswählt“, beschreibt Birgit Jammers das

Prozedere. Das GRIPS unterstützt die Autorinnen

und Autoren mit seinem Knowhow

und vermittelt in Workshops die Skills, um

für ein Kindertheater schreiben zu können.

Was braucht es dafür? „Wir haben bei den

Workshops einen Kinderpsychologen dabei,

der die Entwicklungsstufen der Kinder beschreibt.

Wann verstehen Kinder was? Erwachsene

mögen ja gern Ironie, bestimmte

Altersgruppen bei Kindern verstehen Ironie

aber noch gar nicht.“ Auch Dramaturgie

und Schauspieler werden zur Verfügung

gestellt. Darüber hinaus entwickeln sich die

Schreibenden durch den regen Austausch

und Support untereinander.

Am schwierigsten sei es, für die Fünf- bis

Sechsjährigen zu schreiben, so der Theaterleiter:

„Man darf noch nicht zu komplex

sein in der Geschichte. Aber man braucht

natürlich etwas, woran sie beteiligt sind.

In dieser Altersgruppe sind die Kinder oft

zum ersten Mal in so einem großen Theater.

Wenn sie sich dann langweilen, fangen sie

entweder sofort an zu plappern oder versuchen,

irgendwas auf der Bühne zu ändern.

Für uns heißt das, dass wir diese Beteiligung,

diese Empathie bei den Kindern von

vornherein mitdenken müssen. Ansonsten

hätten wir gelangweilte Kinder, und das ist

natürlich nicht unsere Intention.“ Deshalb

versucht das GRIPS mit seinen Autorinnen

und Autoren etwas auf die Beine zu stellen,

was auf der Bühne spannend wirkt. Dazu

braucht es die passenden Themen – das

kann Mobbing sein, das heute viel früher

beginnt, oder Themen aus dem kindlichen

Umfeld, der Elternwelt oder Umweltgeschichten.

Die diesjährige Gala des Berliner Kindertheaterpreises,

die am 20. April 2021 stattfindet,

wird in einem Livestream unter professionellen

Bedingungen produziert. „Wir

haben uns für dieses Format entschieden

und hoffen, dass wir eine Veranstaltung hinkriegen,

die niemand wegschaltet“, erklärt

Birgit Jammers.

Die GRIPS-Onlinebühne unterhält

Kinder, Eltern und Lehrkräfte in der

Corona-Zeit

In der Krise wachsen die Kinder im Grunde

ohne Theater auf. „Wir wollen trotzdem ein

Erlebnis schaffen, sodass Kinder für sie

gemachte Stücke auch erleben können“,

sagt Philipp Harpain. So hat das GRIPS ein

14

meinviertel – Kultur Spezial


Infobox

Staatsoper Unter den Linden

Unter den Linden 7, 10117 Berlin

www.staatsoper-berlin.de

Kinderopernhaus Berlin

Das Kinderopernhaus Berlin wird gefördert vom Berliner Projektfonds Kulturelle

Bildung, den Kooperationspartnern in den Bezirken und von der Hilti Foundation.

www.staatsoper-berlin.de/de/junge-staatsoper/kinderopernhaus/

„das ist immerhin besser als nichts.“ Doch

was wegfällt ist enorm: „Am Ende entsteht

Musik nun mal im Raum. Und es braucht

auch dieses Gemeinschaftsgefühl. Irgendwie

muss eine Produktion auch zusammenwachsen.“

Das ist der Moment, in dem

die Kinder einen wirklichen Mehrwert erleben

und sich persönlich entwickeln.

Politik und die Zukunft der Oper

„Es ist wichtig, sich immer wieder daran

zu erinnern, dass der Gegner ein Virus ist,

für den kein Verantwortungsträger etwas

kann“, bricht Matthias Schulz eine Lanze

für die Politik. Und er ist sich sicher: „In der

Bundespolitik und hier im Kultursenat tut

man alles dafür, dass wir genauso kräftig

aus der Krise herauskommen können, wie

wir reingegangen sind. Im Moment habe

ich große Hoffnung, dass uns das gelingt.“

Allerdings dürfe niemand vergessen, was

wir auch drohen zu verlieren.

Regina Lux-Hahn weiß: „Viele Menschen

brennen darauf, wiederkommen zu können.

Sie wollen das Liveerlebnis.“ Insofern

ist die Sehnsucht nach dem, was kulturell

gerade fehlt, greifbar. Optimistisch ist die

Leiterin des Kinderopernhauses vor allem

hinsichtlich der Kinder. „Ich sehe, wie sehr

die Kinder die Oper vermissen, diesen

Ausgleich zur Schule und diese Ansprache.

Weil sie das freiwillig machen, haben

sie eine hohe Motivation“, so Regina Lux-

Hahn. „Der Mensch ist ein soziales Wesen.

Die Spannung des gemeinsamen Erlebens,

die in so einem Raum entsteht, kann ein

Bildschirm niemals ersetzen. Je länger diese

Phase andauert, desto größer wird die

Sehnsucht“, ist sich Matthias Schulz sicher.

„An diese Kraft glaube ich ganz stark. Das

wird vielleicht ein bisschen brauchen, aber

es muss und wird zurückkommen.“ ■

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OPER – Staatsoper Unter den Linden

Um Kinder an die Oper heranzuführen,

hat die Staatsoper Unter den Linden mit

650 Mitarbeitenden inzwischen vier Kinderopernhäuser

aufgebaut. Mit Eifer und

Engagement setzt sich die Leiterin des Kinderopernhauses,

Regina Lux-Hahn, für die

Vision des Hauses ein. Wir sprachen mit

ihr und mit dem Intendanten der Staatsoper,

Matthias Schulz, über die Kraft der

Oper und wie sich diese Kultursparte in

der Pandemie behauptet.

Um eine Oper aufzuführen, braucht es

unglaublich viele Menschen – Orchester

und Chor, Bühnentechnik und Kostümmitarbeitende,

internationale Künstlerinnen

und Künstler und Gäste, um nur einige zu

nennen. Insofern ist der Opernbereich in

besonderem Ausmaß von der Pandemie

betroffen. „Wir sind froh, dass wir in Berlin

sehr schnell in Zusammenarbeit mit dem

Kultursenat eine Ausfallhonorarregelung

getroffen haben“, erzählt uns Matthias

Schulz. Auch wenn das die Probleme nicht

löst, bringt es eine kleine Entlastung. „Hinzu

kommt, dass so eine Spitzeninstitution

viele, ich sage mal, Rennpferde hat, die

endlich laufen wollen, aber quasi im Stall

stehen müssen.“ Damit schildert Matthias

Schulz das Elend aller Künstlerinnen und

Künstler, die auf den Bühnen zu Hause sind

und denen das Auftreten praktisch in den

Genen liegt.

Das Kinderopernhaus begeistert die

Jüngsten für die Oper

Das Kinderopernhaus möchte gemeinsam

mit Musikschulen, Grundschulen und Ausbildungsinstitutionen

Schülerinnen und

Schülern niedrigschwellig an die Oper

heranführen. „Diese Arbeit ist so wichtig:

ergänzend zu den Schulen etwas Einmaliges

anzubieten. Das passiert sowohl beim

Kinderopernhaus als auch beim Opernkinderorchester,

wo die Kinder im Opernhaus

auftreten können und vielleicht mit Künstlern

zusammenkommen, die sie sonst nie

erleben würden. Wir sprechen mit diesem

Angebot auch Kinder aus schwierigeren

Regionen Berlins an“, erklärt der Intendant

des Opernhauses.

Mehr als 200 Kinder sind aktuell an elf

Grundschulen in AGs und arbeiten in normalen

Zeiten aktiv jede Woche an den vier

großen Kinderopernhäusern in Marzahn,

Lichtenberg, Reinickendorf und in Mitte.

„Das letzte Jahr war schlimm“, berichtet

Regina Lux-Hahn, „weil wir zehnjähriges

Jubiläum haben. Wir hatten eine Jubiläumspremiere

mit einem aufwendigen Mozart-Stück

geplant. Das musste zweimal

abgesagt werden.“ Wo sich Kinder jede

Woche auf einen solch großen Auftritt

in Camps und zusätzlichen Workshops

vorbereiten, um die sehr hohe Qualität zu

sichern, hinterlässt die Corona-Krise große

Enttäuschung. Glücklicherweise konnte

das Kinderopernhaus einen Sponsor finden,

der die Szenen professionell gefilmt

hat: „So können wir etwas von dem Ganzen

bewahren. Denn das ist ja wie Eis, das

schmilzt, und dann ist es weg und nicht

mehr zu gebrauchen.“

Eigentlich ist momentan eine Lohengrin-

Produktion im Haus geplant. Seit Januar

finden alle Proben der Kinderopernhäuser

per Zoom statt. Regina Lux-Hahn nennt die

Lösung eine „mentale Brücke“, die hilft, am

Projekt dranzubleiben. „In gewisser Weise

sind die Kinder ja an Unterricht in dieser

Form gewöhnt“, ergänzt Matthias Schulz“,

12

meinviertel – Kultur Spezial


Mehr Infos unter:

edeka.de/wwf

Infobox

Yorck Kinogruppe

„Im richtigen Kino bist du nie im

falschen Film“

www.yorck.de

wechselseitig abhängig und vielfältig ist.

Und dass es genau diese Vielfalt braucht,

betrachtet man die unterschiedlichen

Interessen und Vorlieben der Menschen.

Das Streamen zu Hause ersetzt nicht die

Begegnung vor Ort, ist Bräuer überzeugt:

„Diese analogen Räume sind Teil einer zukünftigen

Stadt. Städte müssen grüner

werden. Wir brauchen faire, gute Jobs. Wir

brauchen bezahlbaren Wohnraum. Und wir

brauchen diese kollektiven Räume.“ Die

Kinos der Yorck Kinogruppe sind stark in

ihren Kiezen eingebunden. Arthouse liegt

bundesweit bei etwa 15 Prozent, in Berlin

bei über 30 Prozent. Diese Zahl spiegelt

das vielfältige Interesse in der Stadt wider.

Mittlerweile kommen nahezu 800 Filme

pro Jahr auf den Markt: „Da wird diese kuratorische

Leistung viel wichtiger. Da muss

ein Kino auf seinen Kiez, auf seine Nachbarschaft

rekurrieren. Ich glaube tatsächlich,

das ist unser Plus. Wir kennen wirklich

das Publikum. Der Algorithmus kennt es

fast. Das ist natürlich gut. Datenmanagement

ist wichtig. Auch im Kino wird das

wichtiger. Jedes Kino braucht eine Digitalstrategie.

Aber letztlich ist es die menschliche

Interaktion, diese Authentizität, die es

am Schluss immer noch ausmacht.“ Bräuer

rechnet damit, dass es eine Weile dauern

wird, bis die Menschen wieder Vertrauen

fassen: „Ich schätze, da liegt ein schwerer

Übergang vor uns. Auf der anderen Seite

waren wir so lange zu Hause. Die Leute

wollen und müssen raus. Das wird dann

auch an Filmen hängen. Diese Sehnsucht

nach Gemeinschaftserlebnis, das ist das

Plus“. Dazu kommt das Herzstück jedes

Filmemachens und Filmeschauens: „Die

Menschen waren immer fasziniert vom Geschichtenerzählen.

Das kann das Theater

sein, das machen Bücher, und das Medium

Film hat durch seine technischen Möglichkeiten

wahnsinnige Mittel“, ist sich Bräuer

sicher. Es wird auch immer Menschen

geben, die gern Geschichten erfinden

und erzählen. Dafür braucht es die Kinobetreiber.

„Ich glaube, dass wir bleiben. Die

Digitalisierung schwemmt diesen Zweig

nicht weg. Es gibt jetzt eben andere Möglichkeiten.“

• Seit 2009 setzt sich EDEKA zusammen

mit WWF für nachhaltiges Handeln ein.

• Hauptziel: ökologischen Fußabdruck

von EDEKA deutlich zu reduzieren.

• Über 400 nachhaltigere EDEKA-Produkte

tragen zur besseren Orientierung den

WWF-Panda auf ihrer Verpackung.

Herausgeber: EDEKA-Markt Minden-Hannover GmbH, Wittelsbacherallee 61, 32427 Minden

Ein Stück Berlin


KINO – Dr. Christian Bräuer (Yorck Kinogruppe)

Auch in der Yorck Kinogruppe mit 14 Kinos

plus Freilichtkino herrscht Kurzarbeit. Doch

in unserem Gespräch ging es um so viel

mehr als um das pure Überleben in der Corona-Krise:

Wie sah Kino vor der Pandemie

aus? Wie sind die Zukunftsprognosen für

die Kinobranche? Kaum jemand steckt so

tief in diesem Metier wie Dr. Christian Bräuer.

Die kurze Öffnungsphase zwischen den

Lockdowns hat der Kinogruppe, die für

Arthouse steht, Verluste gebracht. Aber

klar sei gewesen: „Wir müssen da sein und

Flagge zeigen. Abgesehen davon wäre uns

die Decke auf den Kopf gefallen“. In diesem

Sinne sind die Förderprogramme des Senats

auch hier extrem wichtig, um die Zeit

des Lockdowns zu überstehen.

Kino im Wandel der Zeit

Kino, Fernsehen, Videokassette, Digitalisierung

– um ein paar Meilensteine der

Filmkunst zu nennen. „Natürlich hatten

wir Herausforderungen, aber die letzten

Jahre seit der Digitalisierung waren für uns

gute Jahre“, erzählt Bräuer. „Es besteht

ein Interesse an Kultur. Die Faszination der

großen Leinwand wirkt. Aber der Markt

ist im Umbruch, so wie die Gesellschaft

generell. Alles wird immer schneller.“

Das globale Wachstum hat auch vor der

Kinobranche nicht haltgemacht. Die großen

Multiplexketten blieben nicht national,

sondern wurden europäisch: „Wir haben

eine kulturelle Vielfalt, eine sprachliche

Vielfalt, eine Ländervielfalt. Das alles erschwert

es uns.“ Im Studiowesen zeigt

sich eine Marktmacht-Monopolisierung.

Außerdem: „Viele Leute kommen über

Google ins Kino. Es gibt große Spieler, die

mit ihren Algorithmen entscheiden.“ Mit der

Pandemie hat das nichts zu tun, doch sie

beschleunigt diese Tendenzen. „Es gibt ein

paar Sondereffekte, die werden aber nicht

bleiben. Nie haben die Studios mehr Geld

mit dem Kino verdient als 2019. Die Yorck

Kinogruppe hatte fast 1,5 Mio. Besucher“,

zeigt ein Blick in die nicht weit entfernte

Vergangenheit, die aus heutiger Sicht jedoch

anmutet wie die Steinzeit.

Visionen für die Kinozukunft trotz

Pandemie

„Wir sind Kultur, wir sind ein Teil der Nachbarschaft

und Teil der Vielfalt. Viele

Arthouse-Filme hätten ohne die Kinos

überhaupt keine Chance zum Publikum

vorzudringen. So ist das Kino heute immer

noch die Herzkammer für Filme, zumindest

für Filme jenseits des großen,

globalen Mainstreams. Und ich glaube,

das geht nicht verloren, dieser Wert wird

eher gewinnen, auch durch die Pandemie“,

so Bräuers Standpunkt. Erkennt er

irgendetwas Positives an der Pandemie?

„Sie schafft gerade viel Solidarität in der

Kinobranche und in der gesamten Kultur.

Wir sind auf einmal in Kontakt mit Theaterbühnen“,

zeigt sich der Geschäftsführer der

Yorck Kinogruppe angetan. „Ohne die Krise

hätte es das so nicht gegeben.“ Letztlich

demonstriert diese Solidarität, dass Kultur

10

meinviertel – Kultur Spezial


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Ein Blick in die Zukunft

Die passionierte Eventmanagerin geht

davon aus, dass in näherer Zukunft die

Geschäfte weitgehend online ablaufen.

„Wenn man sich ein bisschen besser damit

auskennt und es gut macht, kann man sich

darauf mehr verlassen als auf Events live

mit Corona“, begründet sie ihren Standpunkt.

Langfristig allerdings geht Ricarda

Farnbacher davon aus, dass Events

zurückkommen und die Leute auch Lust

darauf haben. Auf Seiten der Eventbranche

setzt das Flexibilität und auch Spontaneität

voraus. „Ich denke aber, es wird

sehr viel länger brauchen, als wir denken“,

mutmaßt sie.

Planen ohne Plan: aus wirtschaftlicher

Sicht ein unmögliches

Unterfangen

Die Kurzfristigkeit von Beschlüssen zählt zu

Farnbachers größten Kritikpunkten an der

Politik: „Es kann einfach nicht sein, dass wir

erst eine Woche vorher erfahren, was passieren

darf und was nicht. Wir sind schon arg

flexibel, aber innerhalb von sieben Tagen

läuft natürlich gar nichts. Da frage ich mich

schon, wie man eine Wirtschaft überhaupt

planen will. Wenn ein Krisenstab der Regierung

nicht weiß, wie es in den nächsten

zwei Wochen wirtschaftlich für eine ganze

Branche aussieht, kriege sogar ich Angst,

wie das weitergehen soll.“ Ihre Kritik betrifft

auch die Fahrt auf längere Sicht: „Wenn wir

nicht wissen, wie wir planen sollen, wie sollen

wir da planen? Manche würden dann

vielleicht ihre Geschäfte zumachen oder

auf ein anderes Pferd setzen und ihr Geld

für etwas anderes ausgeben.“ ■


EVENTMANAGERIN – Ricarda Farnbacher

Vom Politikstudium zur eigenen Event- und

Cateringfirma: Ricarda Farnbacher hat in

ihrem Leben viel gekellnert, hatte beruflich

aber erst einmal anderes im Blick. Doch:

„In Berlin bin ich relativ schnell von der Kellnerin

zur Eventmanagerin geadelt worden.

Dazu haben auch viele Zufälle im Privaten

beigetragen“, schildert sie ihren Einstieg

in die Branche. Ihren schlecht bezahlten

Job als Reporterin hing sie irgendwann an

den Nagel und gründete 2015 ihr eigenes

Label „Ricarda Farnbacher – Event Catering

Location“. Ihrem Verständnis von

Qualität entsprechend stellte sie recht flott

auf Nachhaltig und Regional um. Seit Mitte

2016 hat die Powerfrau ihre eigene Küche

und rockte in der Peakphase mit ihrem

Team 250 Veranstaltungen im Jahr.

Mit nachhaltiger „Farnkost“ trotzt sie

dem Lockdown

Bis zum Lockdown 2020 hat Ricarda

Farnbacher durchgearbeitet. Der Sommer

war schon voll gebucht, ebenso belegt

waren die besten Weihnachtsdaten.

„Ich habe gedacht, ich kriege ein Herzinfarkt“,

schaut sie zurück auf den krassen

Bruch. Die Intention nachhaltiger zu werden,

hatte sie ohnehin. „Mich hat das persönlich

total gestört, wie mit Essen umgegangen

wird und dass es immer viel sein

muss.“ Ihre Kunden habe sie schon immer

darauf trainiert, lieber fünf gute Speisen

zu nehmen. Das ist nicht nur nachhaltiger

und kann die Qualität der Speisen sichern,

es ist auch logistisch besser zu stemmen.

Mit Corona entstand die nachhaltige

Feinkostmarke „Farnkost“, unter deren

Namen Ricarda Farnbacher nachhaltig

produzierte Delikatessen mit Zutaten aus

der Region und ihrem Garten herstellt.

Mit ihren Produkten war sie in der Corona-Zeit

auch auf dem Kollwitzmarkt zu

finden, ihre Food- und Snackboxen im

Onlineshop stoßen auf rege Nachfrage.

Die einfache Kochbox findet vor allem

bei Leuten im Homeoffice Anklang. Zum

Sortiment gehören auch Trinkboxen. „Ein

richtiger Renner sind die Alkoholboxen,

wie die Gin-Cocktail-Boxen“, erklärt die

Frau hinter „Farnkost“. Die Sirups stellt ihr

Team selbst her, dazu gesellen sich ein

lokaler Spirituosenanbieter und als Filler

ein lokaler Softdrinkhersteller.

Den Frust überlässt sie dem

Steuerberater

Aktuell hat Ricarda Farnbacher fünf Mitarbeiter

(früher waren es zwölf), von

denen die vier Vollzeitkräfte in Kurzarbeit

sind. Dazu erhält sie die Betriebskostenzuschüsse

aus Landesmitteln. Anfangs

hat sie sich noch mit den verschiedenen

Mitteln aus Landes- oder Bundestöpfen

beschäftigt, inzwischen überlässt sie das

ihrem Steuerberater: „Ich habe gemerkt,

wie sehr mich das stresst, weil wahnsinnig

viel gestreut wird. Du darfst das haben, du

darfst das nicht haben. Und bis zum letzten

Moment dreht sich das.“

Stattdessen nehme sie nun dankend an,

was sie kriegen kann. Was sie an der ganzen

Sache sehr belastet: „Es wird nicht gesehen,

dass man sein eigenes Leben finanzieren

muss und auch noch sein Unternehmen.

Also hast du zwei Belastungen und eigentlich

kein Einkommen, außer dem Betriebskostenzuschuss.“

Für Ricarda Farnbacher

ist klar: „Wenn ich nichts bekommen würde,

würde einfach nichts mehr gehen. Dann

kann ich mir überlegen, ob ich meine gesamte

Rente ausgebe oder zumache.“

8

meinviertel – Kultur Spezial


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Kultur ist bunt – und damit das

so bleibt, möchten wir unseren

Teil zum Erhalt ihrer Vielfalt

beitragen und Kulturschaffende

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Infobox

Frannz Club

Ausschank, Club, Biergarten

Kulturbrauerei

Schönhauser Allee 36

10435 Berlin

www.frannz.eu

„Wir haben das gemacht, laufen jetzt aber

Gefahr, dass der Bund uns das Geld wieder

abkassiert“, befürchten die Betreiber

und erklären: „Wenn wir auf eine Hilfe vertrauen,

die im Nachhinein wieder einkassiert

wird, ist das natürlich wirtschaftlich

schwierig. Die Sorge ist schon da, dass wir

bei Rückzahlungsforderungen nach Ende

der Pandemie doch Insolvenz anmelden

müssten.“ Doch noch überwiegt das Vertrauen,

dass die Politiker ihre Versprechen

auch einlösen.

Unterstützung bei der Wiedereröffnung

Beim Kultusministerium können Kulturbetriebe

Anträge stellen, die auf Unterstützung

bei einer Wiedereröffnung ausgerichtet

sind, denn alle rechnen mit einer

Anlaufphase. Diese muss gestemmt werden,

weil die Umsätze erst einmal geringer

ausfallen werden. Sind in der Zeit große

Rückforderungen fällig, geht die Rechnung

nicht auf. „An der Stelle würde es uns das

Genick brechen“, so viel ist Witzmann

klar. Er macht aber in unserem Gespräch

deutlich: „Wir setzen auf Herrn Lederer

und Frau Grütters und hoffen, dass wir

da durchkommen und dass die dann ihre

Kämpfe mit Herrn Scholz oder mit Herrn

Altmaier durchgekämpft kriegen.“

Perspektiven für die Clubkultur

Uwe Lippold und Ingo Witzmann erwarten,

dass die Pandemie keinen nachhaltigen

Effekt auf die Ausgehkultur haben wird:

„Wir hoffen, dass das Bedürfnis auszugehen

nicht verschwindet. Onlineformate ersetzen

ja auch nicht das normale Veranstalten

und Beisammensein im realen Leben. Wie

lange die Angst in den Köpfen sein wird,

kann niemand sagen.“ Letztlich scheint die

Zuversicht die Oberhand zu haben, wenn

die beiden sagen: „Wir sind ja nicht allein.

Das hilft dabei, zuversichtlich zu bleiben.

Du weißt: Es wird Lösungen geben, weil

viele betroffen sind.“ ■

Eine Gesellschaft ohne Kultur


EVENTLOCATION – Frannz Club

Wo normalerweise gegessen und gefeiert

wird, bleibt es still und dunkel. Auf der

Website läuft ein Ticker: Seit 325 Tagen

gibt es keine Partys und Konzerte mehr.

Auch wenn sie nicht die Einzigen sind, die

vom Stillstand betroffen sind, machen sie

ihre eigenen Erfahrungen im Lockdown.

Wir unterhielten uns mit den beiden Geschäftsführern

des Frannz Clubs Uwe

Lippold und Ingo Witzmann.

Trotz des ersten Lockdowns kann der

Frannz Club auf einige Highlights im Sommer

2020 zurückblicken. Mit der Band

Knorkator fand das erste Konzert statt,

das gestreamt wurde; es hatte enorme

Zugriffszahlen. Es folgte eine Kooperation

mit radioeins, das über den Sommer

live aus dem Garten des Frannz Clubs in

der Kulturbrauerei sendete. Drei Monate

kulturelles Leben unter dem Berliner Himmel

– bis es zu kühl wurde und der nächste

Lockdown vor der Tür stand. Bei all diesen

Aktivitäten war die Maßgabe: „Wir wollen

das Loch nicht noch größer schaufeln,

als es schon ist. Es war von Anfang an

aussichtslos, tatsächlich die Kosten zu

bestreiten, die bei uns auflaufen“, erzählt

uns Uwe Lippold.

Die Hürden mit den Hilfen

Während in „Friedenszeiten“ die Personalkosten

zur entscheidenden Baustelle gehören,

sind es in Corona-Zeiten die Mieten.

Als sich die finanziellen Hilfen endlich ankündigten,

seufzten Uwe Lippold und Ingo

Witzmann auf, denn sie konnten dadurch

die Kündigung in letzter Minute abwenden;

der Vermieter forderte nämlich den Eingang

der Miete: „Wir haben es Gott sei Dank geschafft,

weil endlich das Überbrückungsgeld

I gekommen ist, also Gelder für die Fixkosten

aus Juni bis August 2020. Anfang

August hatten wir es beantragt, Anfang Dezember

kam das Geld“, so Ingo Witzmann.

„Bei Berlin oder dem Land sieht man immer

den guten Willen“, findet er, „sie brauchen

natürlich auch die Unterstützung vom Bund.

Und beim Bund sieht man vor allen Dingen,

dass es sehr lange dauert und immer wieder

Verfahrensänderungen gibt.“ Unsere Gesprächspartner

erzählen von einem irren

Aufwand, der betrieben werden müsse. Man

liest sich ein, beginnt das Ganze zu verstehen

– und fängt dann doch wieder von vorn

an: „Das Ganze hat die Tendenz, sich immer

weiter aufzudröseln und zu verkomplizieren.

Da kann man schon dran verzweifeln und

den Überblick verlieren“, gibt Uwe Lippold

zu und ergänzt: „Ohne einen guten Steuerberater

ist man ohnehin verloren.“

Was die beiden Geschäftsführer wirklich

stört, sind die fehlenden Bescheide. Die

Antragstellungen erfordern gefühlte 1.000

Häkchen und Unterschriften, um Subventionsbetrug

und Vortäuschung falscher

Tatsachen zu verhindern, doch dann … erst

mal nichts. Irgendwann fließt Geld aufs

Konto, aber niemand kennt den dazugehörigen

Bescheid. Ingo Witzmann findet

das frustrierend: „Irgendwie tappt man im

Dunkeln. Du weißt nur: Irgendwann wird alles

nochmal abgerechnet.“ Da macht sich

natürlich die Sorge breit, dass bei der Endabrechnung

plötzlich Rückforderungen

auftauchen könnten, zumal die Zuschnitte

der Programme von Bund und Land unterschiedlich

sind. Der Bund finanziert nur

Fixkosten und rechnet an, was vom Land

kommt. Beim Landesantrag können auch

Investitionskosten eingegeben werden:

6

meinviertel – Kultur Spezial


Infobox

Jazzclub A-Trane

www.a-trane.de

Atrin Madani

www.atrinmadani.com

und hofft, dass die Musiker geschlossen aus

dieser Krise herausgehen werden.

Im Dezember 2020 machte Atrin Madani

mit seiner Band draußen Musik für die

Nachbarn: „Wir hätten alle heulen können,

so schön war das. Und dann ist ein Hut

rumgegangen. Das eingesammelte Geld

entsprach der Gage, die wir zu normalen

Zeiten hier im A-Trane bekommen.“ Die

Erfahrung veranlasst den Jazzmusiker zu

diesem leidenschaftlichen Statement: „Die

Politik sagt, sie sieht uns. Aber die können

uns nicht verstehen, weil sie nicht wissen,

was es bedeutet selbstständig zu sein. Das

sind Abgeordnete, die haben feste Gehälter

und oft noch gut bezahlte Nebenbeschäftigungen.

Es steckt so viel Arbeit drin

in dem, was wir machen. Wir haben jahrelang

geübt, wir haben das studiert. Und ich

finde, es wird noch nicht mal angemessen

entschädigt. Im Vergleich zu einem Anwalt

oder Arzt haben wir genauso viel wissenschaftliche

Arbeit geleistet, nur in einem

Bereich, der dazu da ist, die Menschen

seelisch gesund zu machen, seelisch zu

beglücken.“

Jazzmusik im Livestream

Kürzlich ging das A-Trane eine Kooperation

mit der Zeitschrift Jazz thing ein:

Atrin wirkte mit seiner Band an einer

Livestream-Serie mit. Er beschreibt die

Aktion als schön, aber auch speziell: „Ich

bin dankbar, dass ich diese Möglichkeit

habe, denn es ist keine Selbstverständlichkeit.

Es ist ein Schritt in Richtung Digitalisierung.

Aber normalerweise spielen

wir einen Song, bekommen Applaus und

stellen uns währenddessen mental auf

den nächsten Song ein. Online fühlt sich

jede Sekunde komisch an. Es ist alles eine

Tortur. Viele Leute haben gesagt: ‚Vielen

Dank für das schöne Livekonzert.’ Ich

freue mich aber jetzt umso mehr, wieder

live dabei zu sein.“ ■


JAZZCLUB A-Trane UND JAZZSÄNGER Atrin Madani

Erster Adventssonntag 2020, Eiseskälte,

15 Uhr, einsetzende Dämmerung. Weihnachtsmusik

schallt durch die Straße. Auf

den Balkonen: strahlende Gesichter. So

hört sich eine berührende Weihnachtsgeschichte

in Corona-Zeiten an, als Jazz- und

Chansonsänger Atrin Madani im Freien

für die Nachbarschaft Musik macht. Seine

Medaille hat natürlich auch eine andere

Seite. Darüber sprachen wir mit ihm und

dem Betreiber des legendären Jazzclubs

A-Trane, Sedal Sardan.

In der Öffnungsphase zwischen den beiden

Lockdowns hat Sedal Sardan versucht die

Abläufe so umzustrukturieren, dass der

Betrieb kostendeckend läuft, aber das

Feeling nicht verloren geht. Von eigentlich

100 Plätzen konnten nur 33 belegt werden.

„Wir haben eine hohe Nachfrage erwartet,

waren am Ende aber froh, überhaupt die

33 vollzukriegen. Sie Sorge vor einer Ansteckung

in geschlossenen Räumen war

zu groß“, schaut Atrin Madani zurück auf

den Sommer. Sedal Sardan hat alle Hilfsmittel

beantragt, die angeboten wurden.

Insgesamt schildert der Clubbetreiber eine

frustrierende Angelegenheit: „Sie benutzen

Titel wie Soforthilfe. Darunter verstehe ich

was anderes. Überbrückungshilfe müsste

eigentlich auch schnell kommen, weil

man damit ja etwas überbrücken soll. Es

gibt Versprechen, die nicht eingehalten

werden. Daraus entstehen Nervosität und

Misstrauen.“

Mangelnde Gerechtigkeit und Zeichen

von Menschlichkeit in der Krisenzeit

Für Atrin Madani fing 2020 mit seinem Debüt

im A-Trane nahezu perfekt an. Dann

kam ein radikaler Bruch. „Das Schlimmste

war für mich diese Perspektivlosigkeit. Nicht

zu wissen, wie es jetzt weitergeht.“ Auch

wenn der Musiker als Student durch das

Raster der Hilfsgelder fiel, rechnet er dem

Land Berlin die schnelle, unbürokratische

Hilfe hoch an. Doch wie viele Soloselbstständige

bringt er kein Verständnis für

die Betriebskostenklausel auf: „Was sind

denn bei uns Künstlern Betriebskosten?

Unser Proberaum ist nicht gleichzeitig unser

Wohnraum. Unsere Gitarrensaiten oder Mikrofone,

die Wartungen, das sind Betriebskosten,

die wir nicht zum Leben brauchen.“

Um nach dem ersten Lockdown wieder

öffnen zu können, haben viele Läden, ob

Restaurants oder Kulturstätten, renoviert

und in Lüftungsanlagen investiert. Trotzdem

war klar: Die Kulturstätten dürfen als

letztes wieder öffnen. „Finanziell ist das ein

Teufelskreis. Einerseits muss der Club bei

der reduzierten Gästezahl die Eintrittspreise

erhöhen, um die Künstler, die lange kein

Geld verdient haben, einigermaßen zu bezahlen.

Gleichzeitig haben viele Leute lange

Zeit selbst keine Einnahmen gehabt, weil sie

in Kurzarbeit waren.“ Atrin setzt nun große

Hoffnungen in Olaf Scholz, der weitere Hilfsfonds

für den Kulturbereich angekündigt

hat. „Denn warum sollen wir als Künstler

oder warum sollen die Betreiber die Kunst

subventionieren?“ Laut Atrin ist in Sachen

Gerechtigkeit vieles während der Krise

schiefgelaufen: „Wenn man sich anschaut

was für einen Steueranteil die Soloselbstständigen

oder die Kulturschaffenden im

Entertainmentbereich tragen, warum sind

wir nicht angesehener? Warum zählen wir

weniger als die Automobilindustrie? Wir

haben keine Lobby.“ Er bezeichnet das

als ein generelles Gesellschaftsproblem

4

meinviertel – Kultur Spezial


Infobox

Clubcommission

www.clubcommission.de

Podcast zu diesem Interview

www.kulturfritzen.podigee.

io/40-clubcommission

werden konnten, während die Bundesmittel

bis heute immer wieder Fragezeichen aufwerfen.

Da kennen sich selbst die Steuerberater

nicht aus und raten einem, das Geld

lieber auf dem Konto zu halten. Und gleichzeitig

muss man mehrere Tausend Euro

Miete zahlen und Mitarbeiter entlohnen.

Also, das ist sehr schwierig.“ Und doch hat

die Clubcommission bisher alle Mitglieder

durch die Krise bringen können.

Draußen tanzen

Zahlreiche Clubs entwickelten im letzten

Jahr digitale künstlerische Formate, andere

wurden zur Galerie, zur Teststation, zum

Drehort oder Sitzungssaal. In den warmen

Monaten fanden auch etliche Veranstaltungen

statt: Konzerte, DJ-Sets, kleine Festivals

für bis zu 1.000 Personen, darunter

der vom Senat finanzierte Tag der Clubkultur

am 3. Oktober – alles unter freiem

Himmel und unter kontrollierter Einhaltung

strengster Hygienekonzepte. Argwohn und

Kritik von Seiten der Behörden und Medien

blieb trotzdem nicht aus: „Obwohl die

Ausbrüche anderswo stattfanden, schien

es einfacher zu sagen, das Partyvolk sei

schuld an steigenden Infektionszahlen,

was nachweislich für die Außenbereiche

nicht zutrifft“, sagt Lutz.

Perspektiven

Neben Masken und Abstand gibt es nun

auch einen Impfstoff und finanzierbare

Schnelltests, die im kommenden Sommer

Entspannung für die Veranstaltungsbranche

bringen könnten.

Geduld ist in jedem Fall vonnöten: „Es

wird eine Weile dauern, bis wir von Null

auf Hundert zurückkommen, zu den Variablen

gehört ja nicht nur das Berliner

Publikum, das sich sicher fühlen muss.

Hinzu kommt die Frage, wann wieder

Gäste in die Stadt kommen. Und auch

Künstlerinnen und Künstler müssen wieder

reisen können.“ ■

Gemeinsam

für Berlin

... kulturbegeistert.

Deshalb fördern wir Projekte aus Kunst

und Kultur und tragen so dazu bei,

dass Talente eine Bühne bekommen.

berliner-sparkasse.de/engagement


CLUBSZENE – Die Clubcommission

Innerhalb der schwer gebeutelten Veranstaltungsbranche

hat es die Clubszene

vermutlich am härtesten getroffen. Während

Museen und Galerien recht schnell,

Theater und Konzerthäuser im Spätsommer

und Frühherbst immerhin für einige

Wochen öffnen konnten (wenn auch mit

großen Einschränkungen), so war für die

Clubs und Partylocations auch zwischen

den Lockdowns Lockdown, denn die

Durchführung sogenannter Tanzlustbarkeiten

ist seit Freitag, dem 13. März 2020, in

Innenräumen ausnahmslos verboten. Wie

es den Clubs nach einem Jahr Schließzeit

geht und mit welchen Konzepten sie durch

die Krise kommen, darüber haben wir mit

Lutz Leichsenring gesprochen, der Pressesprecher

und Teil des geschäftsführenden

Vorstands der Clubcommission ist, die vor

20 Jahren als Netzwerk für die Berliner

Clubszene gegründet wurde.

Mit 300 Mitgliedern ist die Clubcommission

heute die weltweit größte regionale

Vereinigung von Clubbetreiberinnen und

-betreibern sowie Organisierenden von

Musikevents. Sie agiert als Vermittlerin

zwischen der Club- und Partyszene und

der Politik, den Behörden, der Wirtschaft

und der Bevölkerung. So bemüht sie sich

um eine endgültige Anerkennung der

Clubs als Kulturstätten, hat mit dem Senat

einen Schallschutzfonds aufgesetzt,

kämpft für den Erhalt von Freiräumen in

der Stadt, kümmert sich um Nachhaltigkeit

bei der Ausrichtung von Festivals

und um andere Awarenessthemen wie

eine faire Türpolitik oder Geschlechtergerechtigkeit

im Veranstaltungsbusiness.

9.000 Menschen verdienen ihr Geld in der

Berliner Club- und Partyszene, 180 Mio.

Euro Umsatz werden hier im Jahr gemacht,

insgesamt spült die Clubkultur jährlich 1,5

Mrd. Euro in die Stadt. Geld, das nun fehlt.

Menschen auf engstem Raum

zusammenbringen

Bereits bevor der erste Corona-Fall in

Berlin auftrat, hielt die Clubcommission

regelmäßige Krisensitzungen ab. „Es gab

zwei Aspekte, die die Katastrophe für

uns schon früh absehbar machten“, erzählt

Lutz. „Zum einen, weil wir unser Geld

damit verdienen, dass wir Menschen auf

engstem Raum zusammenbringen, und

das ist das Gegenteil von dem, was man

in einer Pandemie machen sollte. Und uns

war klar, dass das zu einer Stigmatisierung

führen könnte. Was ja auch eingetroffen

ist.“ Einige Clubs hatten schon Anfang

März Veranstaltungen abgesagt, um ihre

Mitarbeitenden und Gäste zu schützen.

Geplante Sensibilisierungsmaßnahmen

schob der Lockdown beiseite.

#UnitedWeStream

Bereits am ersten Tag der Schließung

beschloss die Clubcommission, mit

#UnitedWeStream eine Streamingplattform

und eine Spendenkampagne zu

starten, die fünf Tage später online gingen.

„Daran sieht man die Kraft eines

Netzwerks: dass wir den Launch in kürzester

Zeit geschafft haben. Mit Partnern

wie ARTE concert, FluxFM oder dem rbb.

Unser Ansatz war, zu zeigen, was wir unter

Clubkultur verstehen, und deshalb war klar:

Wir streamen nicht aus Wohnzimmern, sondern

aus leeren Clubs, vor leeren Bühnen

und leeren Tanzflächen. Um die Dimension

zu zeigen: dass Künstlerinnen und Künstler

Teil unseres Programms sind und dass

die jetzt auch kein Publikum haben. Und

wir wollten hohe Qualität bieten, Fernsehqualität.

Jeden Abend streamten wir aus

einem anderen Club. Live. Und das hat

eingeschlagen, sodass wir in den letzten

Monaten über 600.000 Euro eingesammelt

haben für Berlin.“ Ein Betrag, der bei

Weitem nicht ausreicht, die Clubszene

zu retten, aber ein Einstieg ist, um mit der

Politik zu verhandeln. Die Spenden waren

jedoch in den ersten Wochen ein wichtiger

Puffer. Die Clubcommission nahm direkt

Verhandlungen auf, um finanzielle Unterstützung

zu bekommen, nichtsdestotrotz

dauerte es zum Teil Monate, bis zugesagte

Soforthilfen ankamen. „Landesmittel waren

passgenauer“, erläutert Lutz, „weil sie

sehr stark auf die privaten Kulturbetriebe

ausgerichtet waren, sodass hohe Mieten

und andere laufende Kosten damit gedeckt

2

meinviertel – Kultur Spezial


INHALT

2 CLUBSZENE – Die Clubcommission

4 JAZZCLUB A-Trane UND JAZZSÄNGER Atrin Madani

6 EVENTLOCATION – Frannz Club

8 EVENTMANAGERIN – Ricarda Farnbacher

10 KINO – Dr. Christian Bräuer (Yorck Kinogruppe)

12 OPER – Staatsoper Unter den Linden

14 THEATER – GRIPS-Kindertheater

16 THEATER – Berliner Kriminal Theater

18 THEATER – Ensemble RambaZamba

20 VARIETÉ – Maik M. Paulsen UND Axel Hecklau

22 SCHAUSPIELER – Heike Feist UND Andreas Nickl

24 AUTORIN – Franziska Hauser

26 STRASSENMUSIKER – Ruperts Kitchen Orchestra

28 TÄNZERIN – Laura La Risa

30 ATELIERGEMEINSCHAFT – Skip Pahler

32 BÜNDNIS – #AlarmstufeRot

34 TOURISMUSVEREIN Berlin-Pankow e.V.

36 PETITION – Kultur ins Grundgesetz

Mit freundlicher Unterstützung der

Senatsverwaltung für Kultur und Europa


Fotos: © Jens Wazel

Am 28.10.2020 organisierte die Gruppe ALARMSTUFE ROT, ein Bündnis der einflussreichsten Initiativen und Verbände

der deutschen Veranstaltungswirtschaft, die zweite Großdemo zur Rettung der Veranstaltungsbranche in Berlin.


Lieber Berlinerinnen, liebe Berliner,

Kultur ist nicht alles in Berlin, aber ohne Kultur wäre Berlin nichts (Besonderes).

Von der weltberühmten Clubkultur bis zu den exzellenten Opern und Orchestern,

von den zahllosen Galerien und Museen bis zum Varieté: Kunst und Kultur prägen

das Lebensgefühl unserer Stadt, ihren Rhythmus, ihre Entwicklung. Künstlerinnen

und Künstler sowie Kreative haben einen enormen Anteil an der Attraktivität

Berlins. Unsere Stadt hat ihren Kulturschaffenden und Kulturbetrieben viel zu

verdanken. Daraus erwächst eine Verantwortung, die der Senat mit Ausbruch

der Pandemie angenommen hat: Berlin hat seine Kunst- und Kulturlandschaft

nicht alleingelassen.

Mit einem Bündel Hilfsprogrammen hat Berlin reagiert, um Künstlerinnen

und Künstler, Kulturschaffende und Kulturinstitutionen vor existenziellen

Notlagen zu bewahren. Die geförderten Institutionen wurden weiterfinanziert,

Zuwendungen für modifizierte Projekte ausgereicht und insbesondere auch

private Kulturangebote mit den Soforthilfeprogrammen unterstützt. Gereicht

hat es wahrscheinlich nicht immer, denn reicher ist Berlin nicht geworden,

und die Bundesprogramme sind ein Kapitel für sich. Heute weiß ich natürlich

auch, was vor einem Jahr alles nicht geklappt hat. Künstlerische Existenzen

sind extrem gefährdet, und ich ahne, dass wir auch manches verloren haben.

Mutig sind wir im März 2020 mit „Kultur trotz(t) Corona“ in die Krise gestartet,

haben über den Sommer einiges möglich gemacht, waren digital weltweit

unterwegs, mit Maske und Abstand in Kino, Theater und Konzert, zum Rave

auf der Industriebrache, haben Festivals und Ausstellungen im Lifestream

eröffnet – und dabei manchmal mehr gesehen als sonst vor Ort. Aber nichts

ersetzt das Liveerlebnis.

Fragen bleiben: Kann Kultur auch unter den Umständen eines besonderen

Gesundheitsschutzes angeboten werden? Können wir künftig die existenzbedrohende

Situation überwinden, ohne dass es zu einem Kahlschlag kommt?

Die Situation war und ist für uns alle neu – oft haben wir in den vergangenen

Monaten gesagt: „Wir fahren auf Sicht.“ Ja, wir fahren … wenn auch umsichtig,

vorsichtig und angemessen. Es darf am Ende nicht heißen, wir haben zwar

den Virus besiegt – dieser aber vorher unsere bunte und vielfältige Kulturlandschaft.

Davon habe ich mich leiten lassen bei dem, was wir bisher getan

haben, und so werde ich es auch künftig halten.

Der Senatsverwaltung für Kultur und Europa haben die Situationsanalysen,

Hinweise und Vorschläge der Verbände, Initiativen und Künstlerinnen

und Künstlern geholfen, sich ein konkretes Bild der Lage zu machen. Allen,

die hierzu beigetragen haben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt! Es ist bestärkend

zu sehen, wie solidarisch sich Verbände, Kultureinrichtungen und

Kulturschaffende in dieser Krise gemeinsam um das Wohl unserer Stadt und

ihrer Kunstszene bemühen. Diese Sonderveröffentlichung in Mein/4 gehört

unbedingt dazu. Wir brauchen weiter viele Impulse und Ideen, um das Berliner

Kulturangebot in und vor allem nach der Pandemie im Bewusstsein zu halten.

Der Neustart muss und wird gelingen. Berlin bleibt Kulturhauptstadt. Sie lesen

in diesem Heft über die Mühen der letzten Monate, über Kampf, Traurigkeit

und Zuversicht. Sie erfahren, wie schwer die Pandemie die Kunst getroffen

hat und wie mutig Künstlerinnen und Künstler um ihre Sache kämpfen.

Ich bin sicher: Wir sehen uns wieder

– im Theater, im Kino, im Club, auf

großen und kleinen Bühnen, mit Weltstars

und bei Kinder- und Jugendkulturprojekten,

in der großen Oper und

auf den Plätzen unserer Stadt.

Herzlich

Dr. Klaus Lederer

Bürgermeister von Berlin und

Senator für Kultur und Europa

VORWORT


Helfen Sie uns, anderen zu helfen: Kultur-Charity für Berlin.

Klassikkonzerte und Clubnächte, Opernhäuser und alternative Musikszene, Theater aller Art und Künstler*innen aus der

ganzen Welt: Berlin steht wie kaum eine andere Metropole für eine lebendige und breit gefächerte Kulturszene.

Die Covid-19-Pandemie trifft viele Kulturschaffende hart, Existenzen sind massiv bedroht. Nachwuchskünstler sind besonders

von fehlenden Auftritts- und Einnahmemöglichkeiten, Kinder von fehlenden Bildungschancen betroffen. Für die deutsche

Hauptstadt kann dies bedeuten, viele kulturelle Ausdrucksformen und Nachwuchstalente unwiederbringlich zu verlieren.

Die Mercedes-Benz Niederlassung Berlin engagiert sich seit vielen Jahren für die Kultur und für die Nachwuchsförderung

benachteiligter Kinder. Doch diese Phase verlangt ganz besondere Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, insbesondere

jungen Talenten und Jugendlichen eine Perspektive für danach aufzuzeigen.

Die Charity-Spendenaktion #MercedesForCulture unterstützt deshalb drei Projekte, mit denen Nachwuchskünstler*innen

und bedürftige Kinder gezielt gefördert werden – gerade um die Pandemie-Zeit auch finanziell zu bewältigen.

„Klassik meets Jazz“

Gibt Nachwuchsmusikern eine Chance.

„Vorlesen hilft bedürftigen Kindern“

Librileo fördert Bildungschancen.

„Kultur für bedürftige Kinder“

Kinderoper der Komischen Oper Berlin.

Machen auch Sie, macht auch ihr mit und spendet für diese Projekte – jeder Betrag ist willkommen. Die Spendenmöglichkeiten

werden bei den einzelnen Projektvorstellungen unter www.benz.me/charity-aktion separat angegeben.

Mehr Informationen zu unserer aktuellen

Charity-Aktion #MercedesForCulture und

zu den einzelnen Spendenmöglichkeiten

finden Sie unter www.benz.me/charity-aktion

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Salzufer 1, 10587 Berlin, Telefon +49 30 3901 2000, www.mercedes-benz-berlin.de

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MÄRZ – MAI 2021

kultur

DAS BERLINER STADTMAGAZIN

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KULTUR UND VERANSTALTUNGEN SIND DER MOTOR UNSERER STADT. SIE BRINGEN FARBE INS LEBEN.

EINE BESTANDSAUFNAHME NACH ZWÖLF MONATEN PANDEMIE IN BERLIN.

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