Mein/4 Stadtmagazin Berlin 3/2021
Mein/4 Stadtmagazin Berlin, Ausgabe Dezember 2020
Mein/4 Stadtmagazin Berlin, Ausgabe Dezember 2020
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FRANZISKA GIFFEY: BERLIN IST AN DER REIHE
MAX STROHE: HELDEN IN DER KÜCHE
SCHULE: DER WERT DER BILDUNG
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Editorial
Liebe Leserinnen, lieber Leser,
noch immer leben wir in außergewöhnlichen Zeiten. Ein sonderbarer Start
ins Jahr 2021 liegt hinter uns – ein ziemlich stiller Jahreswechsel ohne große
Feiern und ausgestorbene Innenstädte mit geschlossenen Läden zum Jahresauftakt.
Seit zwölf Monaten beherrscht die Pandemie unser aller Leben. Der Wunsch
nach einer Rückkehr zur Normalität ist immens, die Sehnsucht nach Freunden,
Begegnungen und Gesellschaft kennt keine Grenzen. Bei alledem erkennen
wir aber in unseren unzähligen Gesprächen nicht nur Traurigkeit,
Zukunftssorgen und Verzweiflung, sondern auch ganz viel Kreativität, Engagement
und Vertrauen.
Gerade die Kulturbranche trifft die Pandemie schwer. Wenn es wieder losgeht,
braucht sie euch! Wir haben diese Ausgabe als Wendemagazin gestaltet:
Einmal umgedreht bekommt ihr auf rund 40 Seiten persönliche Einblicke
in das aktuelle Leben Berliner Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturschaffender,
ihr erlebt ihre Sorgen und ihre Zuversicht.
Was erwartet euch im Hauptmagazin? Mit Sandra Maischberger sprachen
wir über Verantwortung im Journalismus (S. 4). Bundesfamilienministerin
Franziska Giffey sieht jetzt die Zeit für Berlin gekommen (S. 20). Wie
die Krise manchen zur Hochform verhilft, zeigen wir euch anhand von
Max Strohe. Der Sternekoch hat gemeinsam mit Ilona Scholl die Initiative
Kochen für Helden ins Leben gerufen (S. 38). Dass Berlin sehr wohl dazu in
der Lage ist Großprojekte zu stemmen, haben wir im ersten Impfzentrum
in der Arena Berlin persönlich erlebt, und uns schlug eine riesige Welle von
Menschlichkeit entgegen (S. 42).
Viel Freude beim Lesen und bleibt gesund!
Beate und Markus Beeth
1
Im Gespräch mit Moderatorin Sandra Maischberger Seite 4
Impfzentrum Arena Seite 42
Im Gespräch mit Familienministerin
Kolumnen Seiten 12 / 36 / 29 / 45
Inhalt
Verantwortung im Journalismus …
Im Gespräch mit Sandra Maischberger 4
Neues vom Lebensmittelmarkt!
Eine Kolumne von Chin Meyer 12
Der HunniClub Seite 34
Kultur im Kiez entdecken
Heute: Das Hansaviertel 14
Kulturtipps
vom Kulturfritzen 17
Berlin zwischen zwei Buchdeckeln 18
„Jetzt ist die Zeit für Berlin“
Im Gespräch mit Franziska Giffey 20
Nachhaltiger Modestandort für Berlin
Rona Tietje und Stephan von Dassel 26
Werbung für rosa Pullover
Eine Kolumne von Wladimir Kaminer 29
„Kurz und knapp“
Ein Interview mit Andreas Lehmann 30
Der HunniClub 34
Franziska Giffey Seite 20
Bärbels ungebetener Ratschlag
Eine Kolumne von Bärbel Stolz 36
Helden in der Küche
Zu Besuch beim Sternekoch
Max Strohe vom Tulus Lotrek 38
Impfzentrum Arena Berlin 42
Die gesungene Kurzkolumne
Eine Kolumne von Ilja Richter 45
Was ist Deutschland im 21. Jahrhundert
die Bildung wert? 46
Dies & Das 48
Der Köche Gold zum Silberkurs
Küchenanekdoten 51
Kinderseiten 52
Buchtipps 54
Max Strohe Seite 38
Leserbriefe 55
Kultur/4 58
Verantwortung
im Journalismus und
soziales Engagement
Im Gespräch mit Moderatorin
Sandra Maischberger
Im Gespräch mit Sandra Maischberger
Wenn sie öffentlich auftritt, zählt ihre eigene Meinung nicht. Ihre Aufgabe ist es, verschiedene Sichtweisen
zu einem Thema aufzuzeigen. Sie ist nicht nur das Talkshow-Gesicht im deutschen Fernsehen,
sondern sie steht auch hinter dem Verein Vincentino e. V., der möglichst allen Kindern Zugang zu Kunst
und Kultur ermöglichen möchte: Wir sprachen mit Moderatorin und Journalistin Sandra Maischberger
über die veränderte Dialogfähigkeit unserer Gesellschaft, über das Miteinander und den Anspruch
von professionellem Journalismus. In unserem Gespräch zählt ihre Meinung sehr wohl.
Mein/4: Wir sind über das MACHmit! Museum
auf Sie aufmerksam geworden. Als wir über
die Verlosung des Bären schrieben, zeigte uns
Frau Rinklebe voller Stolz Ihr Foto, mit grauem
T-Shirt und Maske.
Maischberger: Das ist ein außergewöhnlicher Ort. So
etwas habe ich nirgendwo auf der Welt bisher gesehen.
Als mein Sohn jünger war, bin ich mehrmals hierher gekrochen,
um ihn aus dem großen Labyrinth wieder rauszuholen.
Unsere Freunde sind überall verstreut. Und
wenn sie mit ihren Kindern zu Besuch nach Berlin kamen,
sind wir immer in das MACHmit! Museum gegangen.
Mein/4: Sie engagieren sich viel ehrenamtlich.
Maischberger: Als ich Mutter wurde, habe ich die vielen
Engagements, die ich vorher hatte und die mich immer
irgendwo herumgeführt haben, weggelassen und mich
auf die Stadt konzentriert, in der ich lebe. Damit ich das,
was ich tun kann, dort mache, wo ich bin und nicht reisen
muss. Als Mutter eines Kindes hatte ich keine Lust
mehr dazu. Es macht Sinn, was wir hier tun, und es erinnert
mich an meine eigene Kindheit. Ich hatte einfach
Riesenglück: Ich hatte eine tolle Schule und Eltern, die
Musik und Theater unterstützt haben. Das hat mir viel
gegeben. Und dann dachte ich, das müsste eigentlich
jedes Kind kriegen können.
Mein/4: Der Impuls für die Vereinsgründung von
Vincentino e. V. kam von Ihnen?
Maischberger: Ein ehrenamtliches Radioprojekt führte
mich an eine Grundschule in einem sogenannten
Berliner Problemviertel. Die Kinder haben mich interviewt.
In der Klasse waren 26 Kinder aus 24 Nationen.
Ich war so beeindruckt von diesen Kindern und vom
Lehrer. So etwas kannte ich aus Bayern, wo ich aufgewachsen
bin, oder aus Hamburg, wo ich dann gelebt
habe, nicht. Jedenfalls nicht aus den Vierteln, in denen
ich mich bewegt habe. Ich dachte mir: „Das ist irre, wie
die das hinkriegen!“ Der Mann hatte eine natürliche
Autorität, und die Kinder waren fantastisch. Mit der
Frau, die dieses Projekt damals betreut hat, haben wir
dann den Verein gestartet. Wir fanden, dass man genau
diese Fähigkeiten bei den Kindern unterstützen muss
und natürlich auch die Lehrer, die das Ganze umsetzen.
Das war der Beginn vor etwa 15 Jahren. Der Verein ist
nur wenig älter als mein Sohn.
Mein/4: Woran fehlt es dem Verein? Was
brauchen Sie?
Maischberger: Spendengelder [lacht]. Wir haben uns
zum Ziel gesetzt, Kinder mit Kulturprojekten zu stärken
und damit am Ende auch die Klassengemeinschaft zu
fördern. Und um den Lehrern zu zeigen, was ihre Kinder
können. Das führt dazu, dass die Kinder nicht nur
in diesen Projekten aufgehen, sondern vielleicht auch
im Schulischen besser und erfolgreicher werden. Das
funktioniert richtig gut. Wir arbeiten inzwischen regelmäßig
pro Jahr mit etwa 600 Kindern an fünf bis sechs
Schulen innerhalb der Unterrichtszeit. Wir sind in den
Unterricht gegangen, weil freiwillige Nachmittagsangebote
nur die Kinder erreichen, die sowieso schon aktiv
sind. Und wir wollen alle Kinder erreichen. Das ist aber
meist nicht förderungsfähig, deshalb sind wir auf Spenden
angewiesen und darauf, dass Menschen an das glauben,
woran wir glauben. Dass die Beschäftigung mit Künsten,
mit Kultur, aber auch mit Medien – das ist eines unserer
großen Standbeine – die Kinder befähigt, sie aufweckt
Info
Sandra Maischberger (*1966 in München) ist
eine deutsche Journalistin, Fernsehmoderatorin,
Produzentin und Autorin. Derzeit
moderiert sie die Talkshows
maischberger. die woche im Ersten.
Sie ist auch als Autorin erfolgreich.
Im Oktober 2004 veröffentlichte
sie ein Nachschlagewerk für Kinder
mit dem Titel Die musst du kennen –
Menschen machen Geschichte.
Im Jahr 2008 gründete die
Journalistin Sandra Maischberger
mit Mitstreiter*innen
den Verein Vincentino.
Seitdem initiiert der Verein kulturelle Bildungsprojekte
an Berliner Schulen. Vincentino geht es dabei
um die Chancengleichheit der Kinder, um das Miteinander
in unserer Stadt.
www.vincentino.org
mein/4
5
Im Gespräch mit Sandra Maischberger
und in ihren Talenten stärkt, sodass sie Lust haben auf
Leben, Lust auf Schule, Lust auf Erfolg und Lust haben
einfach zu sein. Es geht um Talent, um Selbstbewusstsein,
um Teamfähigkeit. Wir wollen auch den Lehrern zeigen,
dass jedes einzelne Kind in ihrer Klasse, auch wenn es
vielleicht gerade nicht so auffällt, etwas kann.
Ich habe gestern mit Cem Özdemir ein Interview gemacht,
und er erzählte von seiner Schulzeit. Er sagte: „Wir
waren immer die Kinder in der letzten Reihe.“ Sprich er,
Cem, der „Türkenjunge“, und José, der „Portugiesenjunge“,
waren die einzigen beiden Ausländerkinder in der Klasse.
Und er sagte: „Kein Lehrer hat mir etwas zugetraut.“ Er
ist nachher Erzieher geworden, weil es einen gab, der gesagt
hat: „Dieses Kind kann was.“ Und als Erzieher ist
er genau mit dem Gedanken dorthin gegangen: „Jedes
Kind kann das.“ Ich bin der festen Überzeugung, dass
das stimmt. Wir können es uns überhaupt nicht leisten,
als Gesellschaft auch nur ein Kind zurückzulassen, auch
nur ein Kind ohne Schulabschluss zu lassen. Mein Sohn
wächst in dieser Stadt auf. Er wird Teil dieser Stadt sein
und sich diese Stadt mit allen anderen Kindern teilen.
Das sind alle seine Stadtgenossen und -genossinnen. Wir
sind alle eine Gemeinschaft, und wir müssen aufeinander
achtgeben, finde ich.
Mein/4: An der Schule meiner Kinder haben
wir gerade ein Trommelprojekt laufen. Das
Gemeinschaftsgefühl ist toll. Ich habe gerade
ein Video vom Musiklehrer bekommen: 70 Leute
mit afrikanischen Trommeln. Ich bin begeistert
davon, wie verbindend das ist.
Wir können es uns überhaupt nicht
leisten, als Gesellschaft auch nur ein
Kind zurückzulassen.
Maischberger: Bei uns heißen diese Musikkurse „Kids &
Drums“. Das ist genau das Prinzip. Als wir in den Jahren
2016 und 2017 die vielen Willkommensklassen hatten, war
das das Mittel der Wahl. Da waren so viele Kinder, die
sich gar nicht verbal verständigen konnten, weder mit den
Lehrern noch untereinander. Bei diesen Musikgruppen,
die ja sehr niedrigschwellig anfangen, kann jeder sofort
mitmachen. Du brauchst überhaupt keine Vorbildung.
Die sind zusammengewachsen. Wir konnten uns gar nicht
retten vor Anfragen, dieses Programm auch an anderen
Schulen anzubieten. Das ist bis heute so. Wir haben tolle
Musiker und könnten doppelt so viele Klassen bespielen
– aber wir müssen das natürlich finanzieren. Berlin hat
inzwischen eine sehr lebendige Unternehmerkultur. Wir
haben vor allem Kinder an sogenannten Brennpunktschulen
im Auge, wo der Anteil an Schülerinnen und Schülern,
die die Schule ohne Abschluss verlassen, am höchsten
ist. Genau da setzen wir an und hoffen, dass wir dazu
beitragen können, dass da auch richtig guter Nachwuchs
für den Arbeitsmarkt rauskommt. Ich glaube, dass alle,
die hier ein Business aufziehen, ob Handwerk, Dienstleistung,
Gastronomie oder Hotellerie, Auszubildende
brauchen. Deswegen habe ich immer gehofft, dass wir
bei den Unternehmern vielleicht welche finden, die uns
dauerhaft unterstützen.
Mein/4: Aber wenn es jemand mit Ihren
Kontakten nicht schafft …?
Maischberger: Ich habe einen Hauptberuf, ob Sie es
glauben oder nicht [lacht]. Wir machen eine bundesweite
Sendung – so viele Gäste aus der Berliner Unternehmerschaft
haben wir gar nicht. Aber Dirk Rossmann z. B.,
der bei uns in der Sendung war, gehört zu unseren Großspendern.
Auch der Hotelmanager Zeèv Rosenberg hat
für uns eine großartige Charity-Aktion aufgezogen. Es
gibt Einzelne, die mitmachen, aber es könnten sehr
viel mehr sein. Unsere Programmleiterin, Ulla Giesler,
kümmert sich neben dem Fundraising ja um die zentrale
Arbeit mit den Schulen und unseren Projektleitern – deshalb
ist uns jede Hilfe willkommen. Ich moderiere auch
Firmenveranstaltungen für die Vereinskasse. Wenn sie mir
eine ordentliche Spende geben, mache ich alles [lacht].
Mein/4: Sie sind das Gesicht der Talkshows
im deutschen Fernsehen, zusammen mit Ihren
beiden Kolleginnen. Wie produzieren Sie
eine ausgewogene Sendung, in der Sie eigene
Vorbehalte und Meinungen außen vor lassen?
Maischberger: Die Frage hat sich mir nie so gestellt, weil
ich genau weiß: Wenn ich in so eine Sendung gehe, bin
ich allen gegenüber erst einmal aufgeschlossen. Das ist
ein professionelles Prinzip. Ich rege mich z. B. nie auf in
meinen Sendungen. Wenn ich mich privat mit Freunden
politisch streite, dann rege ich mich auf. Meine Aufgabe
als Talkmasterin ist es zu zeigen, dass es mehr als eine
Sichtweise gibt. Selbst wenn die anderen Sichtweisen mir
nicht gefallen, muss ich das akzeptieren. Auch bei der
6 mein/4
Im Gespräch mit Sandra Maischberger
MATRATZEN | BETTEN | BETTSYSTEME
SEIT ÜBER 100 JAHREN QUALITÄT AUS SCHWABEN
krudesten Ansicht – das ist vielleicht eine Berufskrankheit
– frage ich mich: Ist da vielleicht ein Funken Wahrheit
dran? Dass man die Chemie zwischen Menschen
nicht immer ausschalten kann, ist klar. Natürlich gibt
es Politiker, mit denen ich sehr viel besser auskomme
als mit anderen. Übrigens sind meine besten Interviews
meistens nicht mit denen, die ich persönlich sympathisch
finde. Weil ich dann denke, da musst du besonders scharf
rangehen. Deshalb werden Sie merken: Wenn ich scharf
bin, dann ist es wahrscheinlich jemand, auf dessen Linie
ich sein könnte. Ich versuche, mich einfach zurückzunehmen.
Hundertprozentig gelingt das natürlich nie.
Wenn schon Homeoffice,
dann so!
Mein/4: Social Media spielt heutzutage eine
riesige Rolle. Man kann sich da weniger wehren.
Und dann gibt es diese immer gleiche Kritik.
Herr Lauterbach zum Beispiel …
Maischberger: … Lauterbach ist im Moment gerade
echt eine Ausnahme, weil es keinen gibt, der sowohl
Politiker ist als auch Epidemiologe. Er ist das Gesicht der
Corona-Debatte, ob er das will oder nicht. Von der fachlichen
Seite her ist er keiner, der Unsinn erzählt. Wenn
er sich durch die Studien wühlt, dann hat das, was er
sagt, Hand und Fuß. Im Moment ist er vielleicht gerade
übervertreten, das stimmt. Das wird nach Corona aber
wieder anders. Wir haben unser Konzept in der Sendung
geändert, sodass wir nicht eine Runde zum Thema mit
fünf Gästen machen, sondern mehrere Themen in unterschiedlicher
Form bereden können. Wir haben als ein
festes Element drei Kommentatoren. Bei diesen dreien
geht es wirklich darum zu zeigen, wie man eine Sache
von unterschiedlichen Seiten sehen kann. Dann haben
wir einzelne Gäste und im Moment natürlich sehr viel
Corona – das ist so, aber wir können auch mal andere
Aspekte nehmen und andere Gäste einladen. Das war
im letzten Jahr in der Tat ein bisschen schwierig. Aber
das wird wiederkommen. Und wir achten darauf, dass
wir nicht überall dieselben Gesichter einladen.
Mein/4: Wie hat sich Journalismus verändert?
Maischberger: Der hat sich komplett verändert. Meine
erste Talksendung, also Gesprächssendung – damals
nannten sie es Diskussionssendung – hatte ich in Bayern.
Das war eine Jugendsendung, die hieß „Live aus
dem Schlachthof“. Günther Jauch hat dort z. B. auch
moderiert, und damals war es so, dass über ganz wenig
wirklich öffentlich gestritten wurde. Wir haben z. B.
jahrelang darum gekämpft, eine Sendung über Homosexualität
zu machen. Das müssen Sie sich vorstellen,
in den 80er Jahren in Bayern hieß es immer: „Könnt
ihr machen, aber da muss jemand von der Kirche dabei
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7
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Im Gespräch mit Sandra Maischberger
sein.“ So waren die Anfänge. Damals sind wir, wenn Sie
so wollen, in die Tabuzonen gegangen.
Heute herrscht eher das Gefühl vor, dass jedes Tabu einmal
gebrochen wurde und jeder mit jedem in Social Media
redet. Natürlich hat sich der ganze Diskurs komplett
verändert, diese Offenheit, auch mit Andersdenkenden
umzugehen. Unsere Sendung hat damals die Wiking-Jugend
eingeladen, also eine rechtsextreme Jugendgruppe,
um zu erfahren, wie die eigentlich ticken. Wir haben
uns damals offen mit denen auseinandergesetzt. Das ist
heute schwieriger geworden, weil die einzelnen Strömungen
in der Gesellschaft in einer viel größeren Spannung
miteinander leben. Es gibt eine viel größere Angst vor
dem anderen. Der andere ist nicht einfach ein Gegner,
sondern gleich ein Feind. Das ist schwierig für unseren
Diskurs. Dass ich jetzt einzelne Gespräche führe oder
höchstens mal zwei Personen zusammen einlade, ist eine
Folge daraus. Wir hatten das Gefühl, dass man sich so
wieder besser konzentrieren kann, eine Seite zeigt und
die mit kritischen Fragen konfrontiert. Bei der nächsten
Sendung kann man dann wieder die andere Seite einladen.
So lässt sich dieser manchmal sehr hasserfüllte
Dialog entzerren.
Mein/4: Können Sie den Vorwurf „Systemmedien“
nachvollziehen?
Maischberger: Nein, das ärgert mich wirklich. Was
Systemmedien sind, kann man in Ländern wie Ungarn
oder Russland sehen, wo vieles, was oppositionelle Medien
sind, ausgeschaltet wurde. Ich verstehe natürlich,
dass es Fragen gibt. Bei den Flüchtlingen an den Bahnhöfen
waren, glaube ich, ganz viele begeistert von dieser
Willkommenskultur. Dass wir Deutschen mal ein ganz
anderes Gesicht zeigen. Da haben wir uns vermutlich
auch in den Medien alle zu sehr darüber gefreut, dass
wir anders wahrgenommen werden und waren anfangs
zu unkritisch. Aber selbst da war es ja nicht so, dass wir
irgendeine Regierungslinie vertreten hätten. Dieser absurde
Vorwurf kam ja manchmal: „Ihr kriegt doch eure
Befehle direkt aus dem Kanzleramt.“ Uns wurde schlicht
abgesprochen, eine eigene Haltung zu haben. Das ist
natürlich Unsinn. Wir haben dann übrigens sehr schnell
angefangen, sehr kritisch zu werden.
Mein/4: Haben Sie das Gefühl, dass die
Kommunikation der Politik sich stark geändert
hat? Inzwischen habe ich den Eindruck, dass
sich ein großer Spalt durch die Stadt Berlin,
durch Deutschland zieht.
Maischberger: Ich glaube, dass es auch früher Feindschaften
gab. Es gab immer schon bei der SAT1-Polit-
Wer nicht dialogfähig ist
und keinen Austausch
will, den wird man da
nicht bekehren können.
Talkshow Talk im Turm, die ich Anfang der 90er moderiert
habe, die, die nach der Sendung noch geblieben sind, um
ein Glas Wein am Kamin miteinander zu trinken, nachdem
sie vorher heftig gestritten haben. Es gab aber auch
damals schon die, die gegangen sind, weil sie gesagt haben:
„Deine Haltung passt mir nicht.“ Es hat sich insofern
geändert, dass gerade Social Media mit dem Zwang, sich
stärker und lauter zu positionieren, einen Dialog schwerer
macht. Aber ich erlebe trotzdem, dass man im Großen
und Ganzen schon noch miteinander spricht. Aber es gibt
immer ein paar, die da grundsätzlich nicht mitmachen.
Wer nicht dialogfähig ist und keinen Austausch will, den
wird man da nicht bekehren können.
Mein/4: Wie stehen Sie zur Sprachkultur gerade
in den sozialen Medien?
Maischberger: Das ist deshalb problematisch, weil der
auffällt, der laut ist, der extreme Positionen hat oder der
sich sehr privat gibt. Die gemäßigte Temperatur fällt nicht
so auf. Also führen die sozialen Medien natürlich dazu,
dass man ein bisschen überspannt. Dann dreht sich das
in einer Spirale hoch, und der Nächste muss noch mal
einen draufsetzen. Auf der anderen Seite funktioniert
die Kommunikation untereinander, das ist das Positive.
Wie hätten wir es denn früher geschafft, uns in Gruppen
überhaupt zu finden und auszutauschen? Ich finde, da
gibt es auch sehr gute Entwicklungen.
Mein/4: Heute kann jeder seine Meinung
kundtun und findet im besten Fall über seinen
YouTube-Kanal eine große Anhängerschaft. Wie
kann sich der seriöse Journalismus behaupten?
8 mein/4
Im Gespräch mit Sandra Maischberger
MATRATZEN | BETTEN | BETTSYSTEME
SEIT ÜBER 100 JAHREN QUALITÄT AUS SCHWABEN
Die (R)Evolution des
Boxspring-Bettes
Maischberger: Ich glaube, dass Journalismus noch nie
so gefordert war wie heute. Ich bin ausgebildete Journalistin.
Was lernt man als Journalist? Es wäre ganz gut,
wenn man die Wahrheit sagt. Es wäre ganz gut, wenn
man das, was man sagt, überprüft hat. Es wäre ganz gut,
wenn diese Überprüfung nicht nur eine Quelle hatte,
sondern möglicherweise zwei oder drei Quellen. Sonst
ist das keine Tatsache. Es wäre ganz gut, wenn man
Meinung von Nachricht unterscheidet. Es wäre ganz
gut, wenn man nicht nur eine Seite, sondern auch eine
andere zu Wort kommen lässt. Diese Dinge habe ich
als Journalistin gelernt. Das sind natürlich lauter Dinge,
die im Netz nicht automatisch funktionieren, weil eine
digitale Plattform nicht die Verantwortung für die Inhalte
trägt, wie eine Zeitung das tut. In der Zeitung haben
Sie einen Verantwortlichen im Sinne des Presserechts.
Das heißt, Sie können jemanden haftbar machen dafür,
dass da eine Lüge drinsteht. Im Netz kann jeder alles
sagen und YouTube, Twitter, Facebook sind alles keine
Publikationen, wie wir sie kannten. Das heißt, es gibt
keine Kontrolle, im Guten wie im Schlechten. Es gibt
auch tolle Bewegungen, die im Netz entstanden sind.
Aber Donald Trump ist das beste Lehrbeispiel dafür,
dass jemand, wenn er nur einfach bekannt genug ist
und eine Machtposition hat, alles erzählen kann, ohne
dass jemand dazu schreibt: „Achtung, falsch!“ Das ist
etwas, was jetzt passieren muss: Wir müssen die Anbieter
im Netz, die Absender, daran erinnern, dass sie eine
Verantwortung dafür haben, was auf ihren Plattformen
passiert. Und dem zumindest eine Art von Reality Check
unterziehen. Man kann es nicht, finde ich, so laufen lassen,
weil dann genau das passiert, was wir in Amerika
gesehen haben. Die Männer, die das Kapitol gestürmt
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mein/4 9
roewa.berlin
Im Gespräch mit Sandra Maischberger
Ich glaube, erst wenn wir uns quasi
von der Schockstarre erholt haben,
in die wir uns alle begeben mussten,
werden wir begreifen, was mit uns
passiert ist.
haben, haben wirklich geglaubt, dass sie im Recht sind
und dass da ein riesen Wahlbetrug passiert ist. Und sie
sind auch nicht mehr davon abzubringen. Twitter hat viel
zu lange den Tiger geritten, und ganz am Schluss haben
sie dann den Account gesperrt. Was ist das für eine Haltung?
Erst alles durchlassen und am Ende zensieren sie
komplett. Das ist nicht verantwortlich. Ich glaube, da
müssen wir wirklich drüber reden.
Mein/4: Die Trump-Zeit ist ja hoffentlich erst
mal vorbei. Sehen Sie diese Gefahr auch auf
Deutschland umgemünzt?
Maischberger: Permanent, ja. Der Ministerpräsident
von Sachsen wollte neulich Schnee schippen vor seiner
Haustür und war mit 30 Querdenkern konfrontiert. Und
es entspinnt sich ein Dialog, in dem er sagt: „Aber die
Menschen sterben auf den Stationen.“ Dann schreit einer:
„Es ist hier im Land noch nie jemand an Corona gestorben.“
Ist doch schwierig, oder? Ich glaube, wir haben
gerade die Marke von 50.000 Toten in Deutschland an
oder mit Corona überschritten. Man kann die absolute
Zahl vielleicht in Zweifel ziehen. Vielleicht sind es nicht
50.000, sondern 53.000, vielleicht sind es 47.000 – aber
es sind einfach eine große Menge Leute, die gestorben
sind. Es gibt Familien, die jemanden verloren haben. Und
dann zu sagen: „Es ist noch niemand in diesem Land gestorben.“
Was machen wir damit? Das ist so ein Ausmaß
an Willen, einfach an Lügen zu glauben, ohne dass man
sich die Mühe macht zu überprüfen, ob das stimmen
kann. Das erschreckt mich manchmal wirklich.
Ich hinterfrage alles, was ich lese. Auch wenn es von den
seriösen Medien kommt. Wo sind die Quellen? Wer sagt
das? Ich wünschte mir, es würde sich durchsetzen, dass
jeder hinterfragen würde. Und nicht nur: „Der hat das
geteilt und meint, das sei richtig.“ Das ist keine Quelle.
Mein/4: Bei unserer Medienvielfalt heute hätte
ich es nicht für möglich gehalten, dass es noch
mal so ein Aufbrechen in unserer Gesellschaft
geben würde. Was ist mit uns passiert?
Maischberger: Diese Gesellschaft ist unter Druck geraten,
glaube ich. Das hat etwas mit der Globalisierung
zu tun. Das hat etwas mit der Digitalisierung zu tun. Es
strömen so viele Dinge auf uns ein, und wir erkennen,
dass wir die wenigsten davon wirklich selber ändern oder
beeinflussen können. Das setzt die Menschen unter einen
immensen Druck. Und unter immensem Druck macht
man natürlich auch alle möglichen Dinge und glaubt vielleicht
auch Sachen, die einfach bei näherer Betrachtung
Humbug sind. Ich glaube, dass die AfD oder Trump nur
Symptome für etwas sind, was passiert. Und ich glaube,
wenn wir nicht ernst nehmen was passiert, dann können
wir noch so viel lästern über den Trumpismus. Wir werden
ihn nicht bekämpfen können.
Mein/4: Was ist die Lösung? Wie kann dieses
Volk wieder zusammenwachsen?
Maischberger: Ich bin ja jemand, der Fragen stellt. Ich
frage Menschen, weil ich selber natürlich auf solche Fragen,
die Sie gerade gestellt haben, keine Antwort habe.
Ich suche fragend nach Antworten. Neulich hatte ich
Gesine Schwan bei mir in der Sendung. Sie hat ein
Buch geschrieben: „Politik trotz Globalisierung“. Und
sie schreibt den Satz: „Politik hat einen schlechten Ruf.“
Ich habe sie auch gefragt: „Was ist die Lösung? Wie kriegst
du die Leute?“ Sie sagt: „Man muss sozusagen im Kleinen,
im Regionalen, im Lokalen die Menschen wieder dazu
kriegen, dass sie sich selber engagieren, dass sie selber
auch ihre Geschicke in die Hand nehmen.“ Denn da sind
die Dinge, die man ändern kann. Ich bin ein großer Fan
von Bürgermeistern deutschlandweit, weil die in der Globalisierung
noch die Möglichkeit haben, Dinge vor Ort
zu verändern. Das haben die rechten Gruppen sehr gut
begriffen, dass sie in der Fläche wirken müssen: Vereine
gründen, Nachbarschaftshilfe. Lauter Dinge, die wirklich
an der Basis wirken. Das ist der einzige Schlüssel, da
wieder hinzugehen.
Mein/4: Was ist mit all den kleinen Ortschaften
am Rande, wo politisch die Farbe Blau
dominiert?
Maischberger: Ich hätte gerne in diesen Ortschaften
eine ordentliche Verbindung mit einer Bahn oder einem
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Im Gespräch mit Sandra Maischberger
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ordentlich funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr.
Bildungs- und Freizeitangebote, Infrastruktur.
Das sind alles Dinge, die wir häufig vernachlässigt haben.
Natürlich gerade im Osten in der Zeit nach dem
Mauerfall. Aber auch der Westen kennt die Probleme
des Strukturwandels. Unsere Industrie verändert sich
gerade radikal – damit darf man die Menschen nicht
allein lassen.
Die Adresse
für Ihr neues Wohlfühlbett
Mein/4: Finanziell gesehen würden die meisten
sagen: „Es geht mir wesentlich besser als früher.“
Maischberger: Es kommt auf den Vergleich an. Mein
Mann kommt aus Tschechien. Lothar de Maizière hat
gesagt, dass die Tschechen nach 1989 zufriedener waren,
weil sie sich immer mit dem restlichen Osten verglichen.
Die Ostdeutschen hätten sich dagegen immer mit Westdeutschland
verglichen. Die Unzufriedenheit kommt also
auch aus dem Vergleich. Im Vergleich zu vielen Ländern
in Afrika geht es uns relativ gut, wenn man so will. Aber
natürlich gibt es einfach viel zu viele Millionen Menschen
in Deutschland, denen es objektiv nicht gut geht.
Das aber nicht nur entlang der Ost-West-Linie, sondern
eher bei Allleinerziehenden und schlecht Ausgebildeten.
Das spielt eine große Rolle bei dem, was man verdient.
Mein/4: Gestern saß ich mit Franziska Giffey
zusammen und dann sagte sie: „Wer teilt,
gewinnt.“ Haben wir das nicht begriffen?
Maischberger: Wenn ich an meinen Steuersatz denke,
dann sehe ich schon, dass ich teile [lacht]. Darüber
hinaus gebe ich einen Teil dessen, was ich verdiene, ab.
An jene, die nicht die Chance haben so gut zu verdienen,
wie ich es zufälligerweise und glücklicherweise tue.
Übrigens macht das auch großen Spaß, wenn man das
einmal begriffen hat. Natürlich teilen wir schon alle, und
Deutschland ist ein Land mit Ehrenämtern und großem
sozialen Engagement. Ganz viele Menschen teilen wahnsinnig
viel. Gerade in Corona habe ich gesehen, wie viel
Unterstützung im eigenen Sprengel da ist. Das hat doch
wieder gezeigt: Wir können das.
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Mein/4: Ist Corona ein Brennglas für die
Gesellschaft?
Maischberger: Eins von vielen. Im Moment schon. Ich
glaube, erst wenn wir uns quasi von der Schockstarre
erholt haben, in die wir uns alle begeben mussten, werden
wir begreifen, was mit uns passiert ist. Und dann
schauen wir, was daraus wird.
Frau Maischberger, vielen Dank für das Gespräch!
Ihr Weg zu uns:
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mein/4 11
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© Fotos: Pavol Putnoki
Neues vom Lebensmittelmarkt!
Eine Kolumne von Chin Meyer
Dass das „Zigeunerschnitzel“ nicht mehr so heißen darf, ist mittlerweile auch dem WDR klar. Der
„Mohrenkopf“ hat schon länger ausgesorgt, genau wie sein süffisanter Diskriminierungsvetter, der
„Schaumkuss mit afro-amerikanischem Migrationshintergrund“.
Neu ist allerdings, dass auch Ritter Sport-
Schokolade nicht mehr „Schokolade“ heißen
darf – das hat aber ausnahmsweise nichts
mit Diskriminierung zu tun. Die neue Schokolade
„Cacao y Nada“ (Kakao und sonst
nichts) enthält nämlich keinen Zucker,
sondern nur natürlichen Saft aus der
Kakaofrucht. Sie ist also gesund – und
so etwas sieht das deutsche Lebensmittelrecht
nicht vor! Jedenfalls nicht für
Schokolade. Unklar ist, wie die Tafel
jetzt bezeichnet werden darf – „Marktgift“?
„Ruinöser Wettbewerbsverzerrer“?
Oder „Süßigkeit ohne Vergiftungshintergrund“?
Leider legt das deutsche Lebensmittelrecht
nicht die gleiche Sorgfalt an den
Tag, wenn es um Lebensmittel geht, die
Zucker enthalten, obwohl er da eigentlich
nichts verloren hat – die sogenannten
versteckten Zucker. Etwa in Instanttee
(20 Gramm Teepulver enthalten
Bätsch-nix-
Koka-Cola
18 Gramm Zucker) – sollte der nicht ehrlicherweise
„Instant-Zahn-Weh“ heißen?
Und was ist mit anderen Lebensmitteln?
Darf etwa alkoholfreies Bier weiterhin „Bier“
heißen? Oder nur noch „Gerstensaft ohne
Wumms“? Was ist mit Coca-Cola, die ja
bekanntlich und zum Leidwesen vieler
Werbeagenturen-Inhaber überhaupt kein
Kokain enthält? Muss die nicht eigentlich
„Bätsch-nix-Koka-Cola“ heißen?
Welche Auswirkungen hat das auf andere
Lebensbereiche? Darf eine gesunde Beziehung
ohne Zoff demnächst auch nicht
mehr „Ehe“ heißen – sondern „Scheidungsanwalts-Vernichtungsbombe“?
Wie sieht es in der Politik aus? Aus der
„Corona-Impfstrategie“ müsste korrekterweise
das Wort „Strategie“ entfernt werden
– sie hieße dann nur noch „Corona-
Impf-Pannen-Chaos“. Aber da ist das
deutsche Lebensmittelrecht auf einmal
nicht mehr zuständig.
12 mein/4
Chin Meyer: Neues vom Lebensmittelmarkt!
Bei Alkohol hingegen greift das Lebensmittelrecht,
aber anders als man vielleicht
denkt: Die Leber wächst zwar
mit ihren Aufgaben, wie es gern
heißt – aber damit ist vorerst Schluss.
Denn die Deutschen trinken coronabedingt
weniger Bier. Insgesamt
gab es im vergangenen Jahr einen
Rückgang von über fünf Prozent.
Oder in Zahlen ausgedrückt: gut
500 Millionen Liter Bier weniger als
2019. Oder in Leber gemessen: rund
1.500 Leberzirrhosen-Verluste. Viele
Trinker leiden mittlerweile unter
einer Schrumpfleber!
Diese Entwicklung ist brandgefährlich:
Karneval weg. Party
weg. Bier weg. Wenn jetzt auch
noch die Sexclips entfallen, versinkt
das Land in nationaler
Depression. Diese Entwicklung
gefährdet zusätzlich zum Bestand
der Brauereien auch den
der Deutschen: Wenn immer
mehr Frauen sich den Partner
nicht mehr schöntrinken können,
sinkt die Geburtenrate noch
stärker als normal!
Nun ist die Meldung „Die Deutschen
trinken zu wenig Bier“
schon ein wenig skurril. Könnte
man sich eine Schlagzeile
Deutsche trinken
Corona-bedingt
weniger Bier:
Minus 500
Millionen Liter
vorstellen: „Die Deutschen kiffen zu
wenig Marihuana!“? Oder: „Die Deutschen
nehmen zu wenig Crystal Meth –
tschechische Grenze kurz vor dem
Bankrott!“?
Die rückgängige Anzahl der Biertrinker
kann noch weitere dramatische
Auswirkungen haben: Die Deutschen
bleiben länger gesund, die Rentenzahlungen
erhöhen sich, der Staat geht
bankrott. Die Brauereien schlagen also
zu Recht Alarm. Jetzt hilft nur noch ein
Rettungsschirm: Freibier für alle! Das
käme in der Bevölkerung auch wesentlich
besser an als „Geld für Banken“
wie beim letzten Mal.
Andererseits könnte eine der Bierflaute
folgende Verknappung auch
positive Preisauswirkungen haben.
Seltener Whiskey zum Beispiel
gilt mittlerweile als heißer
Anlagetipp mit jährlichen Renditen
von 10 bis 20 Prozent.
Man muss sich allerdings davor
hüten, von der Investition
so betrunken zu werden, dass
man aus Versehen die Flasche
„Macallan 1926“ für „harte Zeiten“
trinkt – mit einem Marktwert
von 1,7 Millionen Euro …
Bier und Schokolade sind jetzt
also erste Pandemiepflicht! ■
Leben im Plus – Kabarett,
Geld und mehr
Gewohnt bissig-unterhaltsam und höchst
aktuell nimmt Chin Meyer, Deutschlands
bekanntester Finanzkabarettist, private
und politische Verheißungen und Glücksversprechen
ins Visier. Denn Chin Meyer
ist sicher: Wir wünschen uns alle eine ausgeprägte
Komfortzone und ein „Leben im Plus“.
Doch was passiert eigentlich, wenn wir dem Unerklärlichen wie
einem Hybrid aus Hippie und Kapitalist (Mark Zuckerberg) oder
aus Staatschef und Idiot (suchen Sie sich jemanden aus) oder gar
den Algorithmen die Macht über uns überlassen? In einem vehementen
Plädoyer für Pluralismus kämpft Chin Meyer scharfzüngig
und gut gelaunt für unsere Demokratie.
www.Leben-im-Plus.com
mein/4
13
Kultur im Kiez entdecken
Folge 10: Das Hansaviertel
Spricht man heutzutage vom Hansaviertel, ist zumeist das zur Interbau 1957 entstandene, südlich der
Stadtbahntrasse gelegene Stadtquartier gemeint. Nördlich der Gleise erstreckt sich der Ortsteil jedoch
noch bis zum Ufer der Spree und auch hier lohnt ein Spaziergang, bei dem man einen Eindruck von der
gutbürgerlichen Gegend vermittelt bekommt, die das Hansaviertel ursprünglich gewesen ist.
Text & Fotos: Marc Lippuner
Das alte Hansaviertel war eines jener innerstädtischen
Wohngebiete, die nach der Reichsgründung 1871 für
wohlsituierte Bevölkerungsgruppen entstand. Während
in den Arbeitervierteln, wie dem nördlich angrenzenden
Moabit, Mietskasernen mit bis zu sieben Hinterhöfen
aneinandergereiht wurden, legte die Berlin-Hamburger
Immobiliengesellschaft auf unbebauten Überschwemmungswiesen
nördlich des Großen Tiergartens und
südlich der Spree ab 1874 ein attraktives Wohngebiet
mit repräsentativen, zumeist zwei- oder dreistöckigen
Blockrandbauten an, die kleine Vorgärten und großzügige
Innenhöfe aufwiesen. Fünf Jahre später wurden
die ersten Straßen nach norddeutschen Städten oder
in Hamburg wirkenden Persönlichkeiten benannt: zu
Ehren der Gründergesellschaft, wegen der Nähe zum
Hamburger Bahnhof und in Erinnerung an Berlins Jahrhunderte
zurückliegende Hansetradition. Herzstück des
Bebauungsplans war der sternförmige Hansaplatz, der
dem neuen Bezirk seinen Namen gab, wenngleich im
Volksmund von Beginn an vom Hansaviertel die Rede
Konditorei Buchwald
Erhaltenes Wohnhaus
des alten Hansaviertels
Katholische Kirche St. Ansgar von Willy Kreuer
14 mein/4
Kultur im Kiez
Scheibenhochhaus von
Oscar Niemeyer
mein/4
war. Bereits während der Erschließung
wurde das Viadukt der Stadtbahn durch
das Wohngebiet gezogen, das dadurch
in zwei fast gleich große Hälften zerfiel,
jedoch durch zahlreiche Unterführungen
miteinander verbunden blieb. Zur
Jahrhundertwende hatte das Hansaviertel
knapp 18.000 Einwohner, hier
lebten überwiegend „anspruchsvolle
Leute“, neben Bankiers, Staatsbeamten
und Kaufleuten auch zahlreiche
Künstlerinnen und Künstler wie die
Schriftstellerinnen Alice Berend und
Else Lasker-Schüler, die Maler Lovis
Corinth und Walter Leistikow, der Bildhauer
Hugo Lederer, der Theatermacher
Max Reinhardt und der Kritiker Alfred
Kerr. Käthe Kollwitz hatte hier ihr Atelier,
Rosa Luxemburg nahm im Hansaviertel
für wenige Monate Quartier,
ebenso Wladimir Iljitsch Lenin.
Bemerkenswert war der Anteil der jüdischen
Bevölkerung. In den 1920er-
Jahren soll er mit acht Prozent doppelt
so hoch gewesen sein wie im Gesamtdurchschnitt
Berlins. Im Hansaviertel
entstanden neben einer evangelischen
und einer katholischen Kirche folgerichtig
auch zwei Synagogen. Diese wurden
in der Reichsprogromnacht am 9. November
1938 zerstört, mit der „Entjudung“
erlosch 1941 das jüdische Leben
hier vollständig. Heute erinnern knapp
150 Stolpersteine an die deportierten
und ermordeten Bewohnerinnen und Bewohner.
In der Nacht vom 22. auf den
23. November 1943 zerstörte die alliierte
Luftwache einen Großteil des Hansaviertels,
nur 70 der 343 Wohnbauten überstanden
den Krieg, die meisten davon
schwer beschädigt. Im nördlichen Teil des
Hansaviertels lässt sich heute noch das
Mondäne des einstigen Viertels erahnen,
zum Beispiel, wenn man am Holsteiner
Ufer entlang flaniert und die schmuckvoll
gestalteten Fassaden betrachtet. An
der Ecke zur Bartningallee findet man
in einem der wiedererrichteten Gebäude
die – nach eigenen Angaben – älteste
Konditorei Berlins, die in fünfter Generation
betrieben wird. 1852 hatte Gustav
Buchwald, der 1883 offiziell zum königlich-preußischen
Hoflieferanten ernannt
wurde, in Cottbus die nach ihm
benannte Baumkuchenfabrikation mit
Konditorei und Café eröffnet, sein Sohn
erwarb das Haus mit Spreeblick um die
Jahrhundertwende.
Während man nördlich der S-Bahn-Viadukte
also noch ein wenig dem kaiserlichen
Hansaviertel nachspüren kann, ist
dies im südlichen Teil unmöglich, lediglich
zwei Wohnhäuser sind in unmittelbarer
Nähe des S-Bahnhofs Tiergarten
erhalten. Das Hansaviertel galt in der
Nachkriegszeit als größtes innerstädtisches
Trümmergebiet. Als der Bezirk
Tiergarten 1951 mit Baumaßnahmen beginnen
wollte, verhängte der Senat einen
Baustopp, um Westberlin mit einer
großen deutschen Bauausstellung ins
Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit
zu rücken. Das Bauprojekt sollte
einen ideologischen Gegenentwurf zum
„falschen Prunk der Stalinallee“ darstellen,
deren repräsentative, an sowjetischer
Monumentalarchitektur orientierte
Bauten zu dieser Zeit in Ostberlin als
ästhetische und politische Versinnbildlichung
der Leistungsfähigkeit des sozialistischen
Systems entstanden.
1955 wurde nach langwierigen Verhandlungen
ein luftiger Bebauungsplan als
„klares Bekenntnis zur westlichen Welt“
verabschiedet. Die Interbau, die Internationale
Bauaustellung 1957, bildete den
organisatorischen Rahmen des Großbauprojekts,
das jeweils sechs Punkt- und
15
Eternithaus von
Paul Baumgarten
Scheibenhochhaus von
Egon Eiermann (links)
und Punkthochhaus von
Broek & Bakema
Skulptur ohne Titel
von Hans Uhlmann
Kultur im Kiez
Bärenskulptur von Günter Anlauf
an der Moabiter Brücke
Mosaik von Rainer Hachfeld an
der Fassade des GRIPS-Theaters
Akademie der Künste von
Werner Düttmann, im
Hintergrund Punkthochhaus
von Hans Schwippert
Scheibenhochhäuser, neun viergeschossige
Wohnzeilen und zahlreichen Einfamilienhäuser
vorsah. Zudem wurden
zahlreiche Funktionsbauten errichtet,
darunter eine Grundschule, eine Bibliothek,
eine Ladenzeile und ein Kino, die
letzten drei direkt verbunden mit dem
neuen U-Bahnhof Hansaplatz, der im
Rahmen der Interbau bereits besichtigt
werden konnte. An den ursprünglichen
Standorten der Kirchen schufen Willy
Kreuer und Ludwig Lemmer neue
christliche Gotteshäuser, eine Synagoge
entstand hingegen nicht, zu klein
war die jüdische Gemeinde in Berlin
zehn Jahre nach dem Ende des Holocaust.
Architekten aus aller Welt zeichneten
für einzelne Bauten des südlichen
Hansaviertels verantwortlich: Neben
deutschen Baumeistern wie Egon Eiermann,
Paul Baumgarten, Hans Schwippert
oder Max Taut sind der Brasilianer
Oscar Niemeyer, der Finne Alvar Aalto
oder der Italiener Luciano Baldessari
vertreten. Auch der Bauhaus-Gründer
Walter Gropius, seit 1944 US-amerikanischer
Staatsbürger, hinterließ hier
seine Spuren. Zwischen den Gebäuden
setzte eine Vielzahl prominenter nationaler
und internationaler Künstlerinnen
und Künstler abstrakte und figürliche
Akzente.
Kunst findet man auch im nördlichen
Gebiet des Hansaviertels. So sind an
den Pfeileraufbauten der Lessingbrücke
August Jäkels Nachbildungen von Bronzereliefs
des Bildhauers Otto Lessing zu
sehen, die Darstellungen von Schlussszenen
vier Lessingscher Dramen zeigen.
Die ursprünglichen Kunstwerke
wurde im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen,
ebenso die bronzenen Bären
auf der benachbarten Moabiter Brücke.
Diese ersetzen seit 1981 vier gusseiserne
Bären von Günter Anlauf. Des Weiteren
finden Depeche-Mode-Fans Joachim
Schmettaus Hand mit Uhr, die ihnen aus
dem Musikvideo zu Everything Counts
bekannt vorkommen dürfte, vor dem
Gymnasium in der Altonaer Straße.
Wer Kunst und Kultur lieber in Innenräumen
genießt, wird im denkmalgeschützten
südlichen Hansaviertel
fündig. Im Flachbau am nördlichen
Ausgang des U-Bahnhofes war von
1957 bis 1974 das Kino Bellevue beheimatet.
Seitdem hat hier das Kinder-
und Jugendtheater GRIPS,
dessen erfolgreiches Stück Linie 1
im April sein 35-jähriges Jubiläum feiert,
ein Zuhause gefunden. Der Bühnenbildner
Rainer Hachfeld gestaltete nach
dem Einzug des Theaters die südliche
Fassade mit einem Mosaik aus bemalten
Fliesen. Am anderen U-Bahn-Ausgang
steht die kürzlich sanierte Bibliothek
Werner Düttmanns. Der Architekt realisierte
auch, allerdings erst im Nachklapp
der Bauausstellung, die Akademie
der Künste am Hanseatenweg. Er selbst
bezeichnete den Baukomplex, der als
repräsentatives Beispiel für den Brutalismus
gilt, als „klare, unpathetische Kiste“.
Heute wird das Gebäude als Ausstellungs-
und Veranstaltungsort sowie zu
Verwaltungszwecken genutzt. Eine letzte
und unbedingte Kulturempfehlung ist
das Buchstabenmuseum, das seit 2016
im Stadtbahnbogen 424 residiert. Das
Museumsprojekt hat zum Ziel, interessante
typografische Leuchtreklamen,
die zunehmend aus dem öffentlichen
Raum verschwinden, zu sammeln und
zu bewahren.
■
Marc Lippuner
leitet seit 2017 die
WABE, ein Kulturzentrum
im Herzen
des Prenzlauer
Bergs. Nebenbei
frönt er mit den
von ihm gegründeten
„Kulturfritzen“,
einem kleinen Projektbüro für
kulturelle Angelegenheiten, seiner
Berlinliebe: So hat er eine monatliche
Radiosendung bei ALEX Berlin
und einen wöchentlichen Podcast.
Im Elsengold-Verlag erscheinen seit
2019 seine Wandkalender zur Berliner
Geschichte. Für unser Magazin unternimmt
er kulturelle Entdeckungsreisen
durch Berliner Kieze, empfiehlt
eine Handvoll Kulturevents, die man
in den kommenden Wochen auf keinen
Fall verpassen sollte, und stellt
aktuelle Berlin-Bücher vor.
16 mein/4
Kulturtipps
Viele Kulturinstitutionen und Kunstschaffende bieten in Zeiten, in denen Theater- und Ausstellungsbesuche
nicht möglich sind, digitale Alternativen für zu Hause. Drei stellen wir hier vor.
Fotografische Hommage an die letzten Holocaust-Überlebenden
Als Mädchen überstand Eleonora Nass, genannt Lonka,
fünf Konzentrationslager der Nazis. Ihre Tochter initiierte
2019 die Wanderausstellung Das Lonka-Projekt als
Hommage an die Lebenskraft aller Überlebenden der
Shoah. 300 Fotokünstlerinnen und -künstler aus rund 30
Ländern haben die letzten Zeitzeugen des Holocaust in
ihrem privaten Umfeld portraitiert – das Ergebnis ist eine
berührende, künstlerische Fotosammlung, die zugleich
eine pädagogische Mahnung gegen das Vergessen darstellt.
Bis 11. April hängt die Ausstellung im Willy-Brandt-
Haus, zeitgleich steht sie als aufwendige 3D-Animation
im Netz zur Verfügung. Der virtuelle Rundgang bietet
neben den Fotografien
auch ausführliche
Informationen
über die porträtierten
Frauen und Männer.
Ein eindrückliches
Vermächtnis in Bild
und Wort.
Shaul Paul Ladany © Tsafrir Abayiv
www.fkwbh.de/ausstellung/das-lonka-projekt
Geschichte des Ernst-Thälmann-Parks
Wohnhochhaus Typs WHH GT 84/85
© IRS Erkner
Vor 35 Jahren wurde der
Ernst-Thälmann-Park als
letztes großes Vorzeigeprojekt
des sozialistischen
Wohnungsbaus der DDR
eingeweiht. Dass das Gelände
der einstigen IV.
Städtischen Gasanstalt in
Prenzlauer Berg in ersten
Überlegungen gar kein Wohn-, sondern ein Vergnügungspark
mit Riesenrad und Spaßbad werden sollte, zeigt die
Ausstellung Der Ernst-Thälmann-Park. Komplexe Planungen
für ein Prestigeprojekt, die – hätte Corona es nicht verhindert
– im Foyer des Zeiss-Großplanetariums an der
Prenzlauer Allee zu sehen gewesen wäre. Das Leibniz-
Institut für Raumbezogene Sozialforschung, Initiator der
Ausstellung, hat die Inhalte nun kurzerhand ins Netz
gestellt, sodass die spannende Entwicklung des Wohn-
Park-Ensembles von der Stilllegung des Gaswerks über
Nachnutzungspläne, Entwürfe des Thälmann-Denkmals,
die Sprengung der Gasometer und den Wettbewerb zur
Gestaltung des Wohnungsbaus, bis hin zum Denkmalstreit
nach der Wende und dem Denkmalschutz des Areals
virtuell nachvollzogen werden kann.
www.thaelmann-park.berlin
Hörbücher von den Gehörgängstern
In der Corona-Krise hat eine kleine Gruppe von Schauspielerinnen
und Schauspielern, unter ihnen Dana Golombek,
Astrid Kohrs, Marion Kracht, Sascha Rotermund, Hans-
Jürgen Schatz und Jürgen von der Lippe, die gezwungenermaßen
arbeitsfreie Zeit genutzt und zusammen mit einer
Handvoll Tontechnikerinnen und -technikern einen Verlag
für Hörbuchproduktionen gegründet. Die Gehörgäng bietet
Klassiker, Krimis, Humorvolles und erotische Geschichten,
aber auch Hörspaß für Kinder. Darüber hinaus produziert
das Kollektiv drei Podcasts, die, ebenso wie die sich stetig
füllende Hörbuchbibliothek, auf der Website zu finden sind.
www.die-gehörgäng.de
© Astrid Kohrs
mein/4
17
Berlin zwischen zwei Buchdeckeln
Briefe aus dem kriegszerstörten Berlin
Der Wirtschaftsjurist Reinhart von Lucius erlebt die
letzten Kriegsjahre in Berlin, während seine schwangere
Frau Dagmar ihr erstes Kind auf dem Gut der Familie
in Hinterpommern zur Welt bringt. Kontakt halten
sie über Briefe, die nun von ihrem jüngsten Sohn Robert
herausgegeben worden sind. Private Dokumente
einer Zeit, über die in Geschichtsbüchern viel geschrieben
steht, wobei das alltägliche Leben und Überleben
jedoch nur unzureichend beleuchtet wird angesichts
der dichten Abfolge politischer Ereignisse im Zweiten
Weltkrieg und den Jahren danach. Umso wichtiger
sind Tagebuchaufzeichnungen und persönliche Briefe,
die helfen, den Alltag vergangener Zeiten greifbar zu
machen. Reinhart von Lucius beschreibt das Leben in
Berlin, in dem kein Tag ohne Fliegerangriffe vergeht,
er berichtet, wie er Scherben aus dem Bett sammelt,
weil die Druckwellen der Bomben die Fensterscheiben
gesprengt haben, dass Bekannte im Bombenhagel umgekommen
sind, dass fremde Menschen in der Wohnung
einquartiert werden sollen. Er schreibt von rationiertem
Essen und dankt für jedes noch so kleine Lebensmittelpaket,
das die Familie ihm zukommen lässt. Er geht
aber auch, so lange es möglich ist, ins Theater, das
ihm Weltflucht ist, wenngleich nahezu jede Vorstellung
durch Fliegeralarm unterbrochen wird. Konzerte und
Theateraufführungen besucht von Lucius auch direkt
nach Kriegsende wieder, während er zu Hause friert,
weil der Tiergarten bereits abgeholzt ist und Kohle in
den bitterkalten Wintern der Jahre 1946/47 fehlt. Das
Wunderbare an den Briefen ist, dass sie trotz der schweren
Zeiten einen feinen Humor und sanfte Ironie nicht
missen lassen, womit die Lektüre eindrücklich und
überraschend unterhaltsam zugleich ist.
Robert von Lucius (Hrsg.): „Keine Illusionen
irgendwelcher Art ...“ Briefe aus Berlin 1943 bis 1948.
Mitteldeutscher Verlag 2020, 154 Seiten, 14,– €
Zwei Frauen im Wirtschaftswunder-Berlin
Wer Familienromane liebt, sollte die Bücher von Katharina
Fuchs zur Hand nehmen. Nachdem sie in ihrem ersten
Roman die wahre Geschichte ihrer Großmütter nachzeichnet,
sind die Protagonistinnen des Nachfolgeromans,
der letztes Jahr erschien und nun als Taschenbuch vorliegt,
ihre Mutter Gisela und deren Schwägerin Therese: Zwei
Frauen, die im Wirtschaftswunder-Berlin der 1950er-Jahre
die ihnen zugedachte Rolle als Hausfrau verweigern,
um ihre Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Während
die Näherin Gisela als Modeschöpferin Fuß fassen will,
studiert Therese an der Freien Universität Jura, wo ihr
als einzige Frau im Studiengang von Kommilitonen und
Professoren Steine in den Weg gelegt werden, was sie
nur umso mehr anspornt, eines Tages als eine der ersten
Frauen Deutschlands ein Richteramt zu bekleiden. Die
parallel geschilderten Emanzipationsgeschichten werden
durch spannende Nebenhandlungen bereichert: staatliche
Enteignungen, Verfolgungen durch die Stasi, unerwartete
Kriegsrückkehrer, ein Suizid, eine durch den kalten Krieg
gespaltene Familie. Der Roman beginnt mit Stalins Tod
im März 1953, streift den Aufstand vom 17. Juni desselben
Jahres und endet mit der Radioübertragung des Wunders
von Bern im Sommer 1954. Er lebt von der historischen
Detailtreue und der großen Erzählfreude der Autorin, die
18 mein/4
das Westberlin jener Jahre so plastisch zu beschreiben
vermag, dass man es nicht nur sehen und hören kann,
sondern an vielen Stellen auch riechen und schmecken.
Katharina Fuchs: Neuleben. Droemer TB 2021,
496 Seiten, 10,99 €
Das Leben dazwischen
Es ist schwer vorstellbar, was Menschen durchmachen, die
sich entscheiden oder gezwungen werden, ihre Heimat
zu verlassen, weil Krieg ihr Haus zerstört und Verwandte
in den Tod gerissen hat, weil sie ihres Glaubens wegen in
Lebensgefahr sind, weil die Familie sich von ihnen lossagt
oder weil sie im Rahmen des Familiennachzugs ihr Heimatland
hinter sich lassen. Mit der Entscheidung zu gehen,
betreten diese Menschen Zwischenräume – geografische,
soziale, kulturelle und emotionale. Zwischenräume, die sie
auch nicht verlassen, wenn sie in dem Land „angekommen“
sind, das ihnen Zuflucht oder Asyl gewährt. Sprachliche
Hürden, emotionale Überforderung oder behördliche
Einschränkungen verhindern das Ankommen, überlassen
die Geflüchteten einem Leben im Dazwischen. In Sarah
Jurkiewicz‘ Interviewband erzählen neun Frauen von den
bedrückenden Anlässen, die sie zur Flucht bewegten, von
den abenteuerlichen und oftmals auch gefährlichen Reisen,
von der Aufnahme in Berliner Flüchtlingsunterkünften, in
denen einige von ihnen nach Jahren noch leben. Acht der
Frauen kommen aus Afghanistan, Kamerun, Syrien und
dem Irak. Die neunte wurde vor mehr als 70 Jahren mit
ihrer Familie aus Ostpreußen vertrieben. Ihre Geschichte,
platziert zwischen den anderen, macht deutlich, dass
Fluchten weder Zeit noch Raum, stets jedoch Ursachen
kennen, und zumeist mit dem Wunsch verbunden sind,
die ungewissen Zwischenräume zu verlassen: Um hier
endgültig anzukommen oder bald wieder nach Hause
zurückkehren zu dürfen. Die Gespräche sind sowohl in
der jeweiligen Muttersprache der Frauen als auch in deutscher
Übersetzung abgedruckt, womit das schön gestaltete
Buch selbst zum Zwischenraum wird.
Sarah Jurkiewicz (Hrsg.): Zwischenräume.
tobios publishing 2020, 222 Seiten, 8,– €
Sehnsucht nach dem Beat
Eine Handvoll junger Menschen streift wagemutig durch
das nächtliche Berlin. Ihr Ziel: Der Club, das bass-schwer
pulsierende Herz dieser Stadt. Sie tanzen, berauschen
sich an- und miteinander, verlieben sich. Gemeinsam
erleben sie eine schicksalhafte Nacht, in der Pakte geschlossen
und Herzen gebrochen werden und in der Geschlechtergrenzen
keine Rolle mehr spielen. Sie verlassen
den Club mit dem Ziel, neue Wege zu beschreiten und
streifen noch immer wagemutig durch das nun morgendliche
Berlin, das neben den Hauptfiguren Protagonist
dieses in Episoden gestalteten Textes ist. Jetzt, wo die
Clubs schon ein Jahr geschlossen sind, lässt sich Kevin
Junks Debütroman lesen als Dokument einer gerade
vergangenen Ära, von der niemand weiß, ob sie noch
einmal so wird aufleben können. Junk weckt die Sehnsucht
nach dem Beat. Zugleich formuliert er mit seinem
rhythmisierten und sprachlich überaus präzisen Text eine
Art Manifest für seine Generation.
Kevin Junk: Fromme Wölfe. Querverlag 2021,
290 Seiten, 18,– €
mein/4
19
Rubrik
Jetzt ist
die Zeit
für Berlin
Im Gespräch mit der Bundesfamilienministerin
und Vorsitzenden der SPD
Berlin Franziska Giffey
Die Corona-Krise erfordert Fokus und zügige
Entscheidungen in der Politik. Es ist eine Gratwanderung
zwischen dem Schutz
der Gesundheit und dem Allgemeinwohl
der Menschen. So
gilt es immer wieder in den
Blick zu nehmen, wie ältere,
alleinstehende Menschen
oder Familien in
Not unterstützt werden
können. Wir haben mit
einer Frau gesprochen,
die in diesen
Diskussionen, Gesetzesvorlagen
und
Marschrichtungen
mittendrin steckt
und die daran
glaubt, dass
Berlin nach der
Krise zu seiner
Kraft zurückkommen
kann:
die Bundesministerin
für
Familie, Senioren,
Frauen
und Jugend
und Vorsitzende
der SPD Berlin
Franziska Giffey.
20
mein/4
Im Gespräch mit Franziska Giffey
Mein/4: Sie arbeiten in einem sehr schönen
Ministerium, wo man viel bewegen kann.
Aber dann kommt Corona. Betroffen sind
viele Bevölkerungsgruppen, auch Familien
oder Senioren. Wie erleben Sie diese Zeit?
Giffey: Auch wir in der Politik befinden uns in einer
Ausnahmesituation. Da geht es uns nicht anders als
allen anderen. Natürlich verlief das letzte und verläuft
auch dieses Jahr ganz anders als geplant und anders, als
wir uns alle das gewünscht haben. Einerseits verzichten
wir auf Dinge, die wir gerne gemacht hätten, andererseits
besteht die dringende Notwendigkeit, permanent
auf eine Akutsituation zu reagieren. Es ist eine große
Herausforderung. Wir befinden uns in einem ständigen
Abwägungsprozess zwischen dem Gesundheitsschutz
auf der einen Seite und dem Wohl der Menschen auf
der anderen: Kinderschutz und Kindeswohl oder die
Fragen, was wir für ältere Menschen tun können, damit
sie nicht vereinsamen, und wie wir Familien unterstützen
können, die jetzt nur sehr geringe Einkommen
oder große Schwierigkeiten dabei haben, Homeoffice,
Homeschooling und Kinderbetreuung zu vereinbaren.
Deswegen war das ganze letzte Jahr geprägt von Akutund
Nothilfemaßnahmen. Wir haben den Kinderbonus
und den Notfall-Kinderzuschlag umgesetzt. Wir haben
die Regeln für das Elterngeld verändert, damit Eltern
keine Nachteile entstehen, wenn sie in Kurzarbeit sind.
Wir haben ein Sonderprogramm aufgelegt, um die
Jugendherbergen und den internationalen Jugendaustausch
zu retten. Wir haben versucht, etwas für die
Seele zu tun, indem wir denen, die jetzt alleine sind
und Hilfe brauchen, die Möglichkeit geben, dass sie
jemanden anrufen können. Dafür haben wir unsere
kompletten Hilfetelefone aufgestockt: die Nummer
gegen Kummer für Jugendliche, das Hilfetelefon
gegen Gewalt an Frauen, das Pflegetelefon, das
Elterntelefon. Es geht also um finanzielle Hilfe,
aber auch um Rat, Tat und Unterstützung. Die
neueste Maßnahme ist die Ausweitung der
Kinderkrankentage, damit Eltern eine Möglichkeit
haben, Kinderkrankentage auch für
gesunde Kinder zu nehmen und ihre Kinder
zu betreuen, solange der Lockdown noch andauert
– dies eben auch aus der Erkenntnis
vom letzten Jahr heraus, dass Homeschooling
und Homeoffice nicht zusammengehen.
Mein/4: Die Politik muss sich ja oft dem
Vorwurf stellen, sie reagiere zu langsam.
Im Umkehrschluss heißt es, es würden ganz
schnell Entscheidungen im Kabinett oder auf
Ministerpräsidentenebene getroffen und wir
werden gar nicht gefragt. Woran liegt das?
Giffey: Die normalen parlamentarischen Abläufe brauchen
ihre Zeit. Demokratie braucht Zeit. Wir haben im
letzten Jahr in rasender Geschwindigkeit umfangreiche
Gesetze wie das ganze Nothilfepaket oder das Konjunktur-
und Krisenbewältigungspaket verabschiedet.
Das sind Milliardenbeträge, die in kürzester Zeit gängig
gemacht wurden. Oder auch die Überbrückungshilfen
für Unternehmen, die Regelungen zur Kurzarbeit,
auch jetzt die Kinderkrankentage. Das hat von der
Beschlussfassung in der Ministerpräsidentenkonferenz
bis zum Bundesrat anderthalb Wochen gedauert. So
schnell haben wir noch nie ein Gesetz durchgebracht!
Wenn man eine breite Parlamentsbeteiligung
möchte, dann kostet die Zeit.
Und das ist nur dann zu machen, wenn alle Fristen
für Beteiligung verkürzt werden, wenn man Prozesse
aussetzt und beschleunigt. Am Tag, nachdem die Ministerpräsidentenkonferenz
den Beschluss gefasst hatte,
wurde schon gefragt: „Warum dauert das so lange?“
Aber es ist klar, dass von der Beschlussfassung bis zur
Umsetzung einfach Zeit benötigt wird.
Viele Menschen aus den Regierungsverwaltungen arbeiten
nahezu Tag und Nacht, um das hinzubekommen.
Gleiches gilt für die Gesundheitsämter und alle anderen
Bereiche. Ich wünsche mir manchmal, dass das
auch gesehen wird.
Wenn man auf der anderen Seite allerdings eine breite
Parlamentsbeteiligung möchte, dann kostet diese
Zeit. Das Schwierige ist, dabei den Mittelweg zu finden.
Nach einer Ministerpräsidentenkonferenz werden jetzt
immer alle Fraktionsvorsitzenden und die Ausschüsse
mein/4
21
Im Gespräch mit Franziska Giffey
informiert, es gibt Regierungserklärungen im Parlament,
wir diskutieren diese Maßnahmen. Trotzdem sind
das sehr kurze Zeiträume. Man kann nicht einerseits
erwarten, dass die Entscheidungen direkt umgesetzt
werden und andererseits sagen: „Wir brauchen einen
mehrmonatigen parlamentarischen Prozess.“ Das wird
nicht funktionieren. Für uns ist jetzt Priorität, dass die
Maßnahmen schnell greifen. Und dass wir schlicht und
einfach sowohl die sozialen Einrichtungen retten – von
der Jugendherberge über die Familienferienstätte bis zu
den Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen –
als auch, dass die Wirtschaft Hilfen bekommt, damit die
ich sagen: Für mich ist diese Regierungszeit absolut
zweigeteilt. Und natürlich sind die ersten beiden Jahre
die schöneren gewesen.
Mein/4: Sie wissen, was Sie verändern möchten.
Und dann kommt ein neuer Krisenmodus, der
wahrscheinlich noch mindestens ein halbes Jahr
dauert. Wie gehen Sie damit um?
Giffey: Ich bin ein grundoptimistischer Mensch. Die
Dinge sind, wie sie sind, und man muss das Beste daraus
machen. Es nützt ja nichts zu jammern. Die ganze
Situation macht einen fokussiert und rückt die Frage
ins Zentrum: Was können wir jetzt tun, damit es besser
wird? Niemand von uns kann das Virus überreden,
von einem Tag auf den anderen wegzugehen. Aber wir
können alles Mögliche tun, um die Lage in den Griff zu
bekommen. Und darum geht es jetzt. Ich habe 16 Jahre
Brennpunkterfahrung hier in Berlin hinter mir. Unsere
Devise war immer: mit den vorhandenen Ressourcen
flexibel umgehen und dann Hingehen, Zuhören, Anpacken.
Mit diesem Ansatz mache ich meine Arbeit. Und
das werde ich auch in Zukunft so halten.
Unternehmen nach der Krise noch da sind und Arbeitsplätze
nicht verloren gehen. Und natürlich bedeutet das,
Familien zu unterstützen, die in finanzielle Not geraten
sind. Das ist der Versuch, dass wir es alle gemeinsam
schaffen, durch diese schwere Zeit zu kommen.
Mein/4: Bald bricht Ihr viertes Jahr in der
Bundespolitik an. Wie hat sich die Politik in den
drei Jahren gewandelt?
Giffey: Ich kann diese Zeit einteilen. In den ersten beiden
Jahren haben wir schon große Teile des Koalitionsvertrages
umgesetzt. Zum Beispiel unsere beiden großen
Flaggschiffe, das Gute-KiTa-Gesetz und das Starke-Familien-Gesetz.
Das sind ganz konkrete Hilfen, von denen
die Berlinerinnen und Berliner wirklich profitieren. Die
Kinder- und Jugendhilferechtsreform, das Jugendschutzgesetz,
die Ganztagsbetreuung in der Grundschule – das
sind unsere großen Projekte, die noch in dieser Legislatur
abgeschlossen werden sollen. In der Anfangszeit
war ich auch extrem viel unterwegs im ganzen Bundesgebiet
– überall da, wo der Bund fördert und wo wir
Schwerpunkte setzen. Dann kam Corona und wir haben
natürlich alle Veranstaltungen, alle Vor-Ort-Besuche
komplett zurückgefahren. Wir sind umgeschwenkt auf
Telefonschalten, Videokonferenzen und Krisenstäbe.
Das geht jetzt seit fast einem Jahr so. Insofern würde
Mein/4: Warum haben Sie entschieden, wieder
nach Berlin zu gehen?
Giffey: Weil Berlin meine Stadt ist und ich etwas für
Berlin bewegen will. Ich will dafür arbeiten, dass die SPD
in Berlin wieder zu neuer Stärke kommt und dass wir
es schaffen, wieder führende Kraft in der Stadt zu werden,
weil ich davon überzeugt bin, dass eine soziale und
demokratische Politik gut für die Stadt ist. Ich glaube,
dass ich etwas tun kann, was Sinn macht und der Stadt
auch wirklich hilft. Und es geht darum, bei den Wählerinnen
und Wählern Vertrauen für die SPD zurückzugewinnen.
Da will ich nicht einfach zugucken, sondern
zu der Veränderung beitragen, dass die Menschen sagen:
„Die kriegen das hin, und das wird gut.“ Dass sie uns
vertrauen, dass sich Berlin unter der Führung der SPD
Ich will das hier machen, und ich
entscheide mich dafür, nach Berlin,
nach Hause zurückzukommen.
gut entwickelt. Dass wir uns darum kümmern, dass die
Stadt gut funktioniert und wir die Themen angehen, die
den Leuten unter den Nägeln brennen. Wir haben sie
die fünf B für Berlin genannt: Bauen, Bildung, Beste
Wirtschaft, Bürgernähe und Berlin in Sicherheit. Aus
zahlreichen Gesprächen mit Berlinerinnen und Berlinern
weiß ich, dass diese Themen viele Menschen bewegen.
22 mein/4
Im Gespräch mit Franziska Giffey
Für uns ist jetzt Priorität, dass die
Maßnahmen schnell greifen.
Ich bin Berlinerin mit Leib und Seele. Für
mich war klar: Ich will das hier machen,
und ich entscheide mich dafür, nach Berlin,
nach Hause zurückzukommen. Die
Bundesebene ist auch eine tolle Aufgabe.
Aber ich glaube, jetzt ist die Zeit für Berlin.
Ich mache das wirklich gerne.
Mein/4: Wenn es klappen sollte,
dass Sie im September Regierende
Bürgermeisterin von Berlin werden:
Was für eine Stadt erwarten
Sie dann vorzufinden? Was werden
die dringlichsten Themen sein?
Giffey: Wir werden noch eine schwierige
Zeit haben, bis der Lockdown aufgehoben
werden kann bzw. bis wir schrittweise
wieder öffnen. Aber wenn sich alle
an die Regeln halten, ist das ein Stück
weit absehbar. Dann wird es die Phase
der Impfungen geben. Wir könnten im
Sommer wirklich soweit sein, dass wir
einer breiten Bevölkerung ein Impfangebot
machen. Wir werden natürlich
dafür werben müssen, dass es auch alle
annehmen, sodass wir im Herbst auch
hier in Berlin einen guten Impfschutz
haben. Wir sind sehr gut aufgestellt, auch
im bundesweiten Vergleich. Die sechs
Impfzentren sind vorbereitet, fünf sind
am Start. Das ist nicht selbstverständlich.
Andere Bundesländer sind nicht so weit.
Deshalb haben wir auch im Vergleich ein
relativ hohes Level. Das reicht natürlich
noch nicht, es muss noch mehr werden.
Aber es ist davon auszugehen, dass wir
im Herbst einen guten Impfstatus in der
Bevölkerung haben, sodass wir wieder ein
relativ normales Leben führen können.
Natürlich werden wir dann die Folgen
der Krise sehen: In der Wirtschaft, bei
den Kindern, den Familien, in den sozialen
Einrichtungen, den Geschäften
– überall dort werden wir sie sehen, wo
Menschen jetzt ganz stark eingeschränkt
Prenzlauer Allee 224
10405 Berlin
Prenzlauer Berg
waren. Deswegen wird es auch darum
gehen, die Stadt nach der Krise wieder
zu stärken. Dabei ist für mich der Wirtschaftsstandort
Berlin ganz essenziell.
Er sorgt dafür, dass Wohlstand in der
Stadt erhalten bleibt und zukunftsweisende
Entwicklung erfolgen kann. Deshalb
müssen wir ihn stärken und als SPD
ganz klar sagen: „Gute Arbeit, gute Jobs,
starke Wirtschaft.“ Das muss die Priorität
sein, damit wir aus der Krise wieder
herauskommen.
Das andere sind die stadtentwicklungspolitischen
Themen. Wir sind eine wachsende
Stadt. Wir haben einen großen Bedarf
an Mobilitätsmöglichkeiten. Das heißt:
Wir brauchen eine gute Stadtentwicklung,
die Berlin auch in der Metropolregion
mit Brandenburg denkt und nicht
nur als Innenstadt sieht. Die Frage muss
lauten: Wie binden wir die Außenbezirke
besser an? Denn dort leben viel mehr
Menschen als in der City. Wir müssen
also darüber reden, wie wir deren gute
verkehrliche Anbindung erreichen können.
Dabei werden die Stichworte U-
Bahn-Ausbau und Straßenbahn-Ausbau
zentral sein. Das sind einige der unmittelbaren
Aufgaben, die dann anzugehen
sind, damit wir in diesen Punkten voran-
hortus-conclusus.berlin
hortus-c@gmx.de
Garten und Natur
berlin
Literatur,
Papeterie,
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Di – Fr
Sa
11 – 19 Uhr
10 – 18 Uhr
Wörther Str. 27
10405 Berlin
mein/4
23
Im Gespräch mit Franziska Giffey
kommen und dabei auch Mittel des Bundes gut nutzen –
sowohl für die Wirtschaftsförderung als auch für die
Infrastruktur.
Mein/4: Sie sprachen das Thema Sicherheit in
Berlin an. Was schwebt Ihnen da vor?
Giffey: Gerade in diesen Krisenzeiten wird deutlich,
wonach sich die Leute am meisten sehnen: nach Sicherheit
– nach sozialer Sicherheit, aber auch nach innerer
Sicherheit. Im Moment sehnen sie sich natürlich auch
nach Planungssicherheit, weil niemand so richtig eine
Perspektive hat. Das Thema Sicherheit ist also in dieser
Situation, in der wir gerade sind, von ganz immenser
Bedeutung. Sicherheit ist ein Grundbedürfnis, das Menschen
von Geburt an in sich tragen. Auf dieses Grundbedürfnis
muss die SPD eine Antwort haben. Das muss
eines unserer Schwerpunktthemen sein. Davon bin ich
zutiefst überzeugt.
Dabei geht es uns darum, dass wir einerseits denen, die
jeden Tag vor Ort auf der Straße für Sicherheit und Ordnung
sorgen – Polizei, Feuerwehr, Ordnungsämtern –
den Rücken stärken, dass wir andererseits aber auch
den starken zivilgesellschaftlichen Organisationen und
Menschen, die sich für die Demokratie einsetzen und
die teilweise bedroht und angegriffen sind, genauso zur
Seite stehen.
Mein/4: Sie sprachen von sozialer Sicherheit und
haben angekündigt, den Mietendeckel nicht zu
verlängern.
Giffey: Ich habe gesagt, dass es keinen Automatismus
für die Verlängerung gibt. Das ist keine politische Aussage,
sondern ein schlichter Fakt. Der Mietendeckel ist
mit einer begrenzenden Wirkung auf fünf Jahre eingeführt
worden.
Berlin ist ganz stark von Mieterinnen und Mietern geprägt,
weil wir einen hohen Anteil an Mietwohnungen
in der Stadt haben. Daher ist es wichtig, dass wir auf
die großen sozialen Fragen eine Antwort geben: Kann
ich mir meine Miete leisten? Ist meine Wohnung sicher?
In der Stadt gab es auf dem Wohnungsmarkt eine extreme
Entwicklung mit riesigen Mietsteigerungen. Das
konnte man nicht einfach dem freien Markt überlassen,
da braucht es Regularien. Der Mietendeckel ist eines
der Instrumente, um dieser rasanten Entwicklung einen
Riegel vorzuschieben und den Mieterinnen und Mietern
eine Atempause zu geben. Aber es ist klar, dass so ein
Eingriff nicht automatisch auf Dauer gestellt werden
kann, zumal ja auch noch ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht
anhängig ist. Das heißt aber wiederum
nicht, dass wir uns nicht auch über fünf Jahre hinaus
für die Interessen der Mieterinnen und Mieter stark
machen und uns für eine Wohnungspolitik einsetzen,
die exorbitante Mietsteigerungen verhindert. Wir müssen
uns nach den fünf Jahren die Rechtslage anschauen,
das Ganze evaluieren und überlegen, was gut geeignete
Instrumente sind, um hier in Berlin einen funktionierenden
Mietmarkt sicherzustellen und zielgerichtet jenen zu
helfen, die wirklich unter zu hohen Mieten leiden. Die
befristete Zeit muss aber auch für Neubauten und für
die Schaffung eines größeren Angebotes genutzt werden.
Mein/4: Große Konzerne sind in der Krise ja
eher flexibel, während Einzelunternehmer Wege
finden müssen, um Löcher zu stopfen. Berlin
hat für mich dank der unzähligen kleinen Läden
und gemütlichen Cafés sehr viel Charme. Wird
Berlin nach der Pandemie dadurch einen Vorteil
oder einen Nachteil haben?
Giffey: Wir haben in Berlin einen starken Dienstleistungs-
und Tourismussektor. Dazu kommen Gastronomie
und Hotellerie. Deshalb ist Berlin auch so stark
von den wirtschaftlichen Auswirkungen getroffen. Wir
haben aber auch eine beeindruckende Produktion,
Handwerk und Industrie in der Stadt, auf die wir zu
Recht stolz sein können. Berlin als Industriestandort
bietet eine riesengroße Chance. Denken Sie an die
Siemensstadt 2.0, an Adlershof – den Wissenschaftsund
Technologiestandort. Da werden Produkte hergestellt,
die in den Weltmarkt gehen. Oder denken Sie
an Biotronik, die Herzschrittmacher-Technologie. Allein
in Neukölln haben wir drei Kaffeeröster: Tchibo,
Jacobs und Dallmayr. Zusammengenommen ist das
der größte Kaffeerösterei- und Produktionsstandort
Europas. Und die Berliner Seilfabrik produziert für
die USA, für Kanada und die ganze Welt: Spielgeräte
made in Berlin. Die ersten Wirtschaftshilfen sind sehr
unbürokratisch gelaufen. In der Unternehmerschaft
der kleinen Läden ist das als große Hilfe angenommen
und wahrgenommen worden. Es ist wichtig, dass die
24 mein/4
Im Gespräch mit Franziska Giffey
Leute merken, dass sie unkompliziert Unterstützung in
der Not bekommen, damit sie eben noch da sind, wenn
die Krise vorbei ist. Das ist ganz entscheidend. Und
wenn ich noch einmal einen Schlenker zur Kulturwirtschaft
machen darf: Die Kulturwirtschaft leidet gerade
extrem unter dieser ganzen Situation. Die SPD will auch
die Kultur und den Kulturstandort Berlin in den Blick
nehmen, wenn es darum geht, wie wir die Stadt wieder
beleben und neu entwickeln wollen nach der Pandemie.
Es gibt leider schon jetzt einige Cafés und kleine Läden,
die sagen: „Wir schaffen das nicht mehr. Wir können
nicht wieder aufmachen.“ Da wird schon etwas verloren
gehen in der Stadt. Aber wir bemühen uns, dass wir so
viel wie möglich Unterstützung geben, damit auch die
Einzelunternehmerinnen und -unternehmer nach der
Krise weitermachen können.
Mein/4: Sie sind Mutter eines 11-jährigen
Kindes. Wie läuft’s mit Homeschooling?
Giffey: Es läuft deutlich besser als letztes Jahr. Ich sehe
eine Entwicklung. Mein Sohn hat eine regelmäßige Videokonferenz
mit seiner Klassenlehrerin. Es gibt einen
Lernraum, die Schüler können ihre Aufgaben verschicken
oder auch einmal etwas im Schulsekretariat vorbeibringen.
Sie stehen im Austausch und können die Lehrerinnen
und Lehrer anmailen. Und das ist eine ganz normale
öffentliche Schule.
Es gibt sicherlich Unterschiede von Schule zu Schule,
aber auch von Lehrer zu Lehrer. Je nachdem, ob eine
Affinität zum digitalen Lernen besteht oder nicht. In der
Zukunft muss darauf geachtet werden, dass wir flächendeckend
zu einem guten digitalen Lernangebot kommen.
Das geht mit technischer Ausstattung auf der einen Seite,
aber auch ganz klar mit zusätzlicher Kompetenz für die
Lehrerinnen und Lehrer. Wir erleben gerade einen Digitalisierungsschub,
den es ohne diese ganze Situation
nicht gegeben hätte. Auch wenn es noch nicht optimal
ist, eine positive Entwicklung ist aber auf jeden Fall erkennbar.
Inzwischen haben sich alle darauf eingerichtet: Die Kinder
arbeiten ihre Aufgaben ab, chatten mit ihren Freunden,
verabreden sich telefonisch, machen zusammen
Mathe am Telefon. Es funktioniert, und ja, es ist nicht
schön. Sie warten, dass sie wieder zur Schule gehen und
etwas unternehmen können. Aber stellen Sie sich einmal
vor, wir hätten diese ganzen digitalen Möglichkeiten jetzt
nicht. Dann wäre es noch viel schwerer.
Frau Giffey, vielen Dank für das Gespräch!
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11x
in Berlin
Ein nachhaltiger
Modestandort für Berlin
Nadia Holbe Stephan von Dassel Rona Tietje Nadine Thomas Beate Brüning Kilian Schache
Leiterin Büro
für Wirtschaftsförderung,
Pankow
Bezirksbürgermeister,
Mitte
Bezirksstadträtin,
Pankow
Büro für Wirtschaftsförderung,
Pankow
Leiterin Büro
für Wirtschaftsförderung,
Mitte
Büro für
Wirtschaftsförderung,
Mitte
Im Gegensatz zu Paris, Amsterdam oder New York gibt es in Berlin auch nach 13 Jahren Fashion Week
kein Modehaus, das junge Designerinnen und Designer sowie Modeschaffende in ihrer kreativen
Arbeit unterstützt. Doch das wird sich jetzt ändern.
Wir sprachen mit Stephan von Dassel, Bürgermeister des Bezirks Mitte, und Rona Tietje, Wirtschaftsstadträtin
von Pankow, über ihr Engagement für einen Modestandort in Berlin.
Mein/4: Warum engagieren Sie sich für ein
Modehaus?
Stephan von Dassel: Die Bezirke verzeichnen einen
Rückgang bzw. Stillstand bei den Ansiedlungen neuer
Modeunternehmen. Steigende Mieten, mangelnde Standort-Rahmenbedingungen
und fehlende Branchenvernetzung
führen dazu, dass Kreativpotenzial und handwerkliches
Know-how abwandern. Hinzu kommt: Mode
ist ein hartes Geschäft. Gerade Unternehmen, die verantwortungsbewusst
und ressourcenschonend arbeiten
möchten, erhalten kaum Unterstützung. Dem möchten
wir entgegenwirken.
Rona Tietje: Das Bezirksamt Pankow und das Bezirksamt
Mitte starteten in Kooperation mit dem Modenetzwerk
NEMONA im Juli 2019 das Projekt Bedarfsanalyse
der Modewirtschaft. Es dient der Entwicklung eines Modehauses
für Designerinnen und Designer, Modeproduzenten,
Lieferanten oder auch Salesagenturen und angrenzender
Gewerke. Das mittelfristige Ziel war von Anfang
an der Aufbau eines kooperativen Textilstandortes
26 mein/4
Nachhaltiger Modestandort Berlin
im Bezirk Mitte oder Pankow, der eine bezirksübergreifende
Anlaufstelle für Modeschaffende bildet und
nachhaltiges Design sowie faire Produktionsbedingungen
vorantreibt. Wir möchten einerseits junge Unternehmen
dabei unterstützen, ihre Marke und ihr Business nachhaltig
zu entwickeln, andererseits bestehenden Unternehmen,
die wachsen möchten, mit der Plattform zur
Seite stehen.
Stephan von Dassel: Die Modeindustrie gilt als
einer der größten Umweltverschmutzer. Neben der Ressourcenverschwendung
zählen die CO 2
-Emissionen zu
den größten Problemen der Fast Fashion. Hinzu kommen
Wasserverschmutzung durch Chemikalien, Pestizide
und Düngemittel oder die Belastung unserer Umwelt
durch Mikroplastik. Sehr wichtig ist uns daher, die Entwicklung
von Forschungsfragen rund um das Thema
Nachhaltigkeit und Zirkularität voranzutreiben und die
Entwicklung besonders innovativer Unternehmen zu
unterstützen. In der Berliner Modewirtschaft finden
sich bereits sehr gute konzeptionelle Ansätze, die weiter
ausgebaut werden sollten. Beispielweise bietet die
Mein/4: Wo steht das Modehaus?
Stephan von Dassel: In der Memhardtstraße am Alexanderplatz.
Dort sehen wir den Modestandort als Einfallstor
zum Scheunenviertel, wo sich eine bunte und
vielfältige Modelandschaft entwickelt hat. Wir beginnen
zunächst mit rund 600 m² und haben die Option, in gut
einem Jahr etwas mehr als 900 m² dazuzumieten.
Mein/4: Was für Angebote wird es in diesem
Haus geben?
Rona Tietje: Über die Bedarfsanalyse konnten wir sehr
genau herausfiltern, welche Angebote die Modeschaffenden
in Berlin benötigen, um ihr Unternehmen zu
festigen und sich weiterzuentwickeln. Der größte Bedarf
betrifft die Sichtbarkeit der jungen und unabhängigen
Designerinnen und Designer sowie den Verkauf. Daher
werden wir die Vernetzung weiter fortführen, und es
wird schon bald einen Showroom und Verkaufsaktivitäten
geben. Auch jungen Talenten von den Berliner
Hochschulen und den Modeschulen möchten wir eine
Plattform geben.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Bereich der Produktion.
Wir werden einen Makerspace mit den wichtigsten
professionellen Maschinen bereitstellen und ein Fotostudio
integrieren. Computerarbeitsplätze mit branchenspezifischer
Software werden folgen. Zusätzlich
werden Workshops zu nachhaltigen Themen und Kreislaufwirtschaft,
Digitalisierung der Branche, Marketing
und Betriebsführung angeboten. Ab 2022 gibt es dann
die Möglichkeit, Ateliers oder temporäre Arbeitsplätze
anzumieten.
Mein/4: Wie wichtig sind die Themen
Nachhaltigkeit und Digitalisierung?
Kunsthochschule Weißensee mit dem Textile Prototyping
Lab das erste offene Labor für High-Tech-Textilien in
Deutschland. Hier streben wir eine enge Zusammenarbeit
an. Zudem arbeiten viele der unabhängigen Designerinnen
und Designer bereits heute mit nachhaltigen
Standards oder möchten dies tun. Diese Bestrebungen
werden wir intensiv unterstützen.
Rona Tietje: Wir wollen Perspektiven schaffen und
durch moderne, digitale Produktionsweisen und neue
Geschäftsmodelle den Wandel beschleunigen. Dies muss
entlang des gesamten Wertschöpfungskreislaufs gedacht
werden. Allein durch die Optimierung des Designs mit
digitalen Hilfsmitteln können enorme Ressourcen eingespart
werden. Zusätzlich werden wir das Modehaus
auch als digitale Plattform anbieten und Raum für Austausch
und zur Vernetzung herstellen. Eine entschlossenere
Digitalisierung soll auch den Handel stabilisieren.
Das heißt, wir werden auch Onlineshopping über die
Webseite anbieten.
Info
Möchtet ihr informiert bleiben über die Entwicklung
des Modestandortes in der Memhardtstraße? Hier
erhaltet ihr alle Informationen:
www.pankow-wirtschaft.de/handlungsfelder/
kreativwirtschaft/
Wer mitwirken möchte, den Modestandort in
der Memhardtstraße zu verstetigen und Berlins
Bedeutung als Modehotspot zu stärken, schreibt
eine kurze E-Mail an:
nadine.thomas@ba-pankow.de
mein/4
27
Nachhaltiger Modestandort Berlin
Rona Tietje und Stephan von Dassel im neuen Modestandort am Alexanderplatz.
Mein/4: Was bedeutet ein Modehaus für die
Region? Wie kann sich solch ein Ort behaupten,
wenn doch die Innenstädte eher veröden?
Stephan von Dassel: Wir sehen eine große Chance für
mehr Regionalität, weil wir uns das Modehaus als kollaborativen
und offenen Ort vorstellen. Zum einen laden
wir die Modeschaffenden ein, an verschiedenen Projekten
zu arbeiten oder den Makerspace und das Fotostudio für
die Produktion zu nutzen. Zum anderen sollen auch die
Nachbarschaft, Service und Erlebnisse im Vordergrund
stehen. Wir zeigen Ausstellungen, Showrooms und lokale
Sortimente jenseits des Mainstreams und werden
auch Formate zum Mitmachen anbieten, wie z. B. zum
Thema Upcycling oder Reparaturen. In jedem Fall wird
das Modehaus Berlin pur sein – man kann eine gute Zeit
haben, arbeiten, shoppen, essen und Inspiration finden.
Stephan von Dassel: Man darf auch nicht vergessen,
dass die Mode ein kaum wahrgenommener Wirtschaftsfaktor
ist. Das Fashion Council Germany hat im Januar
eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass
Deutschland zweitgrößter Bekleidungsproduzent in der
EU ist und drittgrößter Textilexporteur weltweit. Die
Modebranche trug mit 27 Milliarden Euro in 2019 erheblich
zum BIP bei und hat einen großen Effekt auf
den Arbeitsmarkt.
Was es nun braucht, ist, den nachhaltigen Wandel in
der gesamten Branche zu beschleunigen. Die unabhängigen
Berliner Modelabels sind sehr kreativ und
arbeiten bereits vielfach nach nachhaltigen Prinzipien.
Wir sehen den Modestandort daher als Plattform für
die weitere Entwicklung der Modeschaffenden und als
Brücke zu einer sich neu ausrichtenden Modebranche
insgesamt.
Mein/4: Warum soll gerade die Modebranche
unterstützt werden?
Rona Tietje: Berliner Mode ist kreativ, individuell, exklusiv
und von hoher Qualität im Design. Diese Mode ist
ein Kulturgut. Im Gegensatz dazu ist herkömmliche Bekleidung
ein Gebrauchsgut, aber Mode ist Lifestyle, mit
dem wir unsere Lebenserfahrungen, unseren ästhetischen
Lebensstil und die eigene Identität ausdrücken können.
Leider sehen noch zu wenig Menschen in Deutschland,
dass auch in der Mode kultureller Wert Bestand hat und
bewahrt werden sollte. In Frankreich beispielweise werden
Labels, die nationales Handwerk besonders gut fortführen
und damit die Kultur des Landes prägen, mit dem Siegel
Entreprise du Patrimoine Vivant ausgezeichnet. Diese Erhaltung
der Exzellenz, des lebenden Kulturerbes, kennen
wir in Deutschland noch nicht. Auch das wollen wir mit
dem Modeort befördern.
Mein/4: Wie werden Sie das Modehaus
finanzieren?
Stephan von Dassel: Zunächst werden wir Mittel
nutzen, die den Bezirken zur Verfügung stehen. Wir
hoffen natürlich, dass sich auch der Senat oder private
Unternehmen an dem Projekt beteiligen. Wir werden
weitere Finanzierungsmöglichkeiten ausloten, damit
wir grundlegende Angebote möglichst kostengünstig
anbieten können. Wichtig ist uns aber jeweils, dass wir
unabhängig von wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen
die Idee eines kollaborativen Zusammenarbeitens,
das in die Zukunft wirkt, verwirklichen können. Wir
wollen mit dem Modehaus einen wichtigen Beitrag zur
Entwicklung der kreativen Identität in Berlin leisten.
Mein/4: Ich danke Ihnen für das Gespräch.
28 mein/4
Bill Gates schickt uns im Schlaf
Werbung für rosa Pullover
Eine Kolumne von Wladimir Kaminer
Inzwischen weiß jedes Kind: Unsere Telefone hören uns ab. Auch wenn
sie nicht benutzt werden, einfach so auf dem Küchentisch liegen, hören
sie genau zu, worüber ihre Besitzer sich unterhalten. Beweise dafür
muss man nicht lange suchen.
Wir schauten neulich einen alten Film, ich sagte laut über Angelina,
sie habe früher wie eine Barbiepuppe ® ausgesehen. Die
nächsten Tage bekam ich laufend auf meinem Smartphone Werbung
für Barbiepuppen ® angezeigt, so viele Puppen habe ich in
meinem ganzen Leben nicht gesehen. Meine Tochter hatte bereits
vor zwanzig Jahren ihrer letzten Barbie den Kopf abgedreht, nun
trafen wir uns wieder. Und ich muss sagen, die gibt es inzwischen
mit Pediküre-Set und Wellness-Sprudelbad, darüber wollte ich aber
gar nicht schreiben.
Je dichter der Wald, umso dicker die Partisanen. Mama erzählte,
ihr Laptop würde ihr seit einer Woche Werbung von den Dingen
schicken, die sie im Schlaf gesehen hat. Sie hatte einen völlig irren,
bunten Traum, als würde sie eine dreitägige Busfahrt von Berlin nach
London machen, so wie sie es früher gerne tat: Ein Tag London, zwei
Tage im Bus, sie saß am Fenster in einem rosa Pullover mit schwarzen
Blümchen drauf und glühte vor Freude.
Am nächsten Morgen hatte sie darüber gelacht. Die Grenze zu England
ist schon lange zu, es gibt überhaupt keine Busreisen mehr und sie würde
nie einen rosa Pullover tragen.
Beim Frühstück hatte Mama auf ihren Laptop geschaut, das Erste was
sie sah, war ein großer Werbebanner mit dem Pullover aus ihrem Traum:
schwarze Blumen auf rosa Hintergrund, für 49,90 Euro.
Sie hatte vor einer Woche ihre erste Impfung bekommen, auf dem Messegelände,
Halle 21, alles perfekt organisiert, Hin- und Rückfahrt, besser als
bei Holiday-Reisen, meinte sie.
Die Querdenker haben uns gewarnt, dieses ganze Corona und die eilige Impfstoffvergabe
würden von Bill Gates organisiert, damit er in flüssiger Form in
unsere Hirne eindringen, die Weltherrschaft übernehmen und uns im Schlaf
Werbung für rosa Pullover schicken kann. Nun ist es passiert, es führt kein
Weg zurück. Wir sind gespannt auf weitere Träume.
■
mein/4
Wladimir Kaminer
Privat ein Russe, beruflich
ein deutscher Schriftsteller,
ist er hoffentlich bald
wieder die meiste Zeit
unterwegs mit Lesungen
und Vorträgen.
www.wladimirkaminer.de
Er lebt seit 1990 in Prenzlauer Berg.
29
Fotos: Jens Wazel
„Kurz und knapp“ – Andreas Lehmann
„Kurz und knapp“ ist eine Interviewserie des Berliner Fotografen Jens Wazel
www.jenswazelphotography.com
Kurz und knapp … wer bist du?
Ich bin Chefredakteur der Zeitschrift DAS MAGAZIN
und einer der beiden Verleger des Kurznachzehn Verlages,
der DAS MAGAZIN herausgibt.
DAS MAGAZIN – das von früher?
Ja, das von früher. DAS MAGAZIN mit dem Klemke-
Kater und den Aktfotografien. Das in der DDR sogenannte
Bückware war, wo ein MAGAZIN-Abo in etwa
so begehrt war wie Badfliesen oder Westgeld. Wobei das
Heft noch länger existiert, seine Wurzeln hat es in den
wilden 20er Jahren: gegründet 1924 von Robert Siodmak,
dem Regisseur von „Menschen am Sonntag“, der später
nach Hollywood ging. Jedenfalls ist DAS MAGAZIN
wohl Deutschlands älteste Kulturzeitschrift. Tauchte
sogar kurz und passenderweise in einer Szene in Babylon
Berlin auf.
Worum geht es, was sind eure Themen?
Entscheidend ist, was unsere Autorinnen und Autoren
erleben, und zwar hautnah: Leute, die einer besonderen
Leidenschaft nachgehen: Beziehungen, Sex, Essen,
Landschaft, Bücher, Filme, Kunst, Musik. Unsere Autoren
fahren mit dem Fahrrad von Frankfurt nach Teheran,
leben eine Zeitlang als Einsiedler, sprechen mit
Pinguinforschern oder porträtieren einen alten Uhrmachermeister.
Wir sind leichtsinnig, heiter, verspielt. Wir
pflegen einen anderen Ton, sehr subjektiv, manchmal
komisch, keinen Wichtig-Popichtig-Journalismus.
In der DDR begann DAS MAGAZIN 1954 …
Genau. Damals wurde die sogenannte Politik des Neuen
Kurses ausgerufen, was unter anderem zur Folge
hatte, dass es fortan eine Zeitschrift jenseits der gängigen
Agitation und Propaganda geben sollte. Brecht
brachte den Titel DAS MAGAZIN ins Gespräch, den
man allseits noch aus der Vorkriegszeit kannte.
So kam es dann auch, und so begann eine einzigartige
Erfolgsgeschichte: Hilde Eisler als Chefredakteurin
prägte das Heft jahrzehntelang, der große Werner
Klemke zeichnete die MAGAZIN-Titel, und ja, es war
die erste Zeitschrift, die einen Akt veröffentlichte. Das
Heft war halbwegs weltgewandt und liberal wie kaum
was anderes in der DDR, die Auflage lag zeitweise bei
30 mein/4
„Kurz und knapp“
über 500.000 Exemplaren. Und wenn nicht diese DDRtypische
Papierknappheit bestanden hätte, wären es
wahrscheinlich noch viel mehr gewesen.
Fühlst du da manchmal Leistungsdruck?
Leistungsdruck würde ich das nicht nennen, ich habe
ja Spaß an dem, was ich tue. Aber als ich auf den Chefredakteursposten
rückte, habe ich mir schon Gedanken
darüber gemacht, dass ich nicht derjenige sein will, der
das Ding versemmelt. Ich mag natürlich lieber einen
gelungenen Beitrag zu dieser langen, schillernden Geschichte
leisten. Obwohl die Herausforderungen, vor
denen man mit einer eher unabhängigen Zeitschrift
steht, nun nicht gerade klein sind: Lesegewohnheiten
ändern sich, die digitale Medienwelt ist überbordend,
und wir stecken natürlich auch immer noch in der Ostfalle.
Ostfalle?
Wir werden unterschätzt, wir sind leider nicht präsent
genug im ganzen Land, im Westen kennt man DAS
MAGAZIN oft nicht. Weil man sich bis heute nicht
wirklich für das, was da 1990 hinzugekommen ist, interessiert.
Und natürlich sind wir – was die Leserschaft angeht –
im Osten verwurzelter. Aber was die Beteiligten an der
MAGAZIN-Produktion betrifft und damit die verhandelten
Themen – das ist bunt gemischt, unsere Autorinnen
oder Zeichnerinnen kommen aus Hamburg, Berlin,
Südtirol, Leipzig oder von sonst wo. Mitunter weiß ich
gar nicht, ob das dann ein Ossi oder ein Wessi ist.
Wie hoch ist die Auflage?
45.000, plus/minus. Der Vorzug dieses Heftes war ja
schon immer, dass es, sagen wir, intelligente Unterhaltung
produziert hat. Charmant im Ton, zuweilen ironisch
und selbstironisch, nicht mit diesem überheblichen
Besserwissergestus oder mit den üblichen ideologischen
Phrasen – heute heißt es „Framing“ – wie das anderswo
inzwischen Usus ist.
Es ging im MAGAZIN nie um Belehrung, es war nie
wirklich elitär. Heutzutage erleben wir ja ein beunruhigendes
Auseinanderdriften von Schichten, Milieus, Oben,
Unten, Stadt, Land; DAS MAGAZIN indes war immer
ein Heft, das verbindet, das zusammenbringt. Es soll
mein/4
31
„Kurz und knapp“
Spaß machen es zu lesen, Mann und Frau sollen angeregt
werden – und da gibt es nach wie vor viele Leserinnen und
Leser im Land, die das brauchen und goutieren. Wenn
wir nur ein bisschen präsenter wären, könnten wir wahrscheinlich
ein viel größeres Publikum erreichen.
Wir kamst du zum MAGAZIN?
Durch Zufall. Ich habe seinerzeit fürs Fernsehen gearbeitet,
war aber mit dem, was ich da tat, fertig. Genau zu dem
Zeitpunkt traf ich meine alte Kollegin Manuela Thieme
wieder, die gerade Chefredakteurin des MAGAZINs
geworden war und das Profil des Heftes schärfen und sich
stärker auf die Wurzeln besinnen wollte. Dafür suchte
sie neue Mitstreiter, sie fragte mich, ich hatte Bock. Ist
fast 20 Jahre her.
Wir haben uns auch vor gut 20 Jahren
kennengelernt, bei deiner Recherche zu deinem
Buch Go West. Ostdeutsche in Amerika.
Ich konnte gleich nach der Wende mit einem Stipendium
für längere Zeit in die USA und war tatsächlich überwältigt
und begeistert. Ich bin mit den Amis sehr gut
klargekommen, ich habe dort – jetzt wird es ein bisschen
kitschig – tatsächlich ein Gefühl von Freiheit erfahren.
Ich habe so viele Möglichkeiten gesehen, so viel Großzügigkeit,
Neugier und, sagen wir, Zugewandtheit erlebt,
dass ich mir schon vorstellen konnte da ganz hinzugehen.
Aber das hat sich nicht ergeben. Meine Sehnsucht habe
ich indes in dieses Buch gepackt. Da bin ich dann später
kreuz und quer durch die Staaten gereist und habe die
Ostdeutschen getroffen, die wirklich ausgewandert sind.
Hast du die Sehnsucht heute noch?
Immer mal wieder, ja. Daran ändert auch nichts, dass so
ein Typ wie Trump Präsident werden konnte. Oder dass
es mit der Krankenversicherung nach wie vor eine mittelschwere
Katastrophe bleibt oder in San Francisco – wo
ich Freunde habe – mit der Gentrifizierung noch mal eine
ganz andere Nummer ist als hier in Berlin.
Aber ich bin hier verwurzelt. Ich bin in der Sprache zu
Hause, habe einen tollen Job. Was soll ich in Amerika?
Wenn ich Fahrradmechaniker wäre oder Bierbrauer, dann
ja. So was werde ich im nächsten Leben, und dann mache
ich das.
Du bleibst also in Berlin?
Bestimmt. Ich wohne seit 35 Jahren in Prenzlauer Berg,
hier wollte ich damals hin, hier bin ich geblieben, auch
wenn das heute natürlich eine ganz andere Geschichte
Andreas Lehmann ist Chefredakteur
der Zeitschrift
DAS MAGAZIN und gelegentlicher
Buchautor, zuletzt
erschien von ihm:
Die neuen zehn Gebote.
Wie Erziehungsexperten, Gesundheitsfetischisten
und
militante Nichtraucher zu den
Priestern unserer Zeit wurden.
www.dasmagazin.de
32 mein/4
„Kurz und knapp“
ist. Leider blieb so gut wie nichts von all dem Unkonventionellen,
Unsortierten übrig. Es geht jetzt darum, dass
die Handwerker die 25.000-Euro-Küche auch ordentlich
in die großzügig geschnittene Eigentumswohnung einbauen
und die wunderbaren Kinder auf dem richtigen
Gymnasium landen.
Ich bin auch immer wieder irritiert, dass die Damen und
Herren vom Ordnungsamt inzwischen das Straßenbild
beherrschen. Ich habe – lange vor Corona – mal geschrieben,
dass es nur noch fehlt, dass sie kontrollieren, ob wir
auch ja ein sauberes Taschentuch dabei haben.
Alte Omis oder normale Arbeiter wohnen hier nicht mehr.
Das ist manchmal ganz schön eintönig und monokulturell.
Gott sei Dank habe ich meinen Fußballverein – die
Alten Herren der SG Rotation Prenzlauer Berg – da spielen
noch die, die früher hier in Prenzlauer Berg lebten:
Dachdecker, Elektriker, Hausmeister – sorry, heute sagt
man ja „Facility Manager“.
Wie geht’s dir in der Corona-Zeit?
Mit dem MAGAZIN ganz gut. Unsere Leser sind heilfroh,
dass es bei uns nicht auch noch um Infiziertenzahlen
und öde Berichte aus dem Homeoffice geht. Ansonsten
ist das natürlich alles unerquicklich. Ich bin nicht der Typ,
der zu Hause auf der Couch und vor der Glotze sitzt. Ich
kann nicht mal mehr Netflix. Ich brauche urbanes Leben,
warum sonst bin ich denn in Berlin. Ich will wieder auf
den Fußballplatz und anschließend mit den Jungs Bier
trinken. Ich will mein altes Leben zurück, aber wer will
das nicht.
Vielen Dank!
Jens Wazel Jens Wazel ist Fotograf und Filmemacher.
Im Osten aufgewachsen, wohnt er – nach 25 Jahren in
den USA – wieder in Berlin. Er ist seit 40 Jahren Leser
von DAS MAGAZIN.
www.jenswazelphotography.com
www.sichtwechsel-berlin.de
Prenzlauer Berg
Sredzkistr. 23
10435 Berlin
T 030.25 74 29 49
Frohnau
Zeltinger Platz 9
13465 Berlin
T 030.401 03 567
Rührteig, Ordnung und
Auto mit vier Rädern
Eigentlich hatte ich mir die Überschrift „Plan C“ ausgedacht, denn auch diese
Geschichte hat irgendwie was mit Corona zu tun, allerdings im Positiven. Die
Geschichte handelt von einem Geschäft, was durch den Lockdown von heute
auf morgen zusammenbrach und von mutigen Menschen, die sich aus der Not
heraus etwas einfallen ließen.
Ich fange mal vorne an:
Robert Schäfer ist ein Westberliner Gastro-Urviech.
Ich stellte ihn mal mit den Worten: „Robert ist gelernter
Oberkellner“ vor, woraufhin er sofort bemerkte: „Das
kann man nicht lernen, das wird man.“ Gelernt hat er
im Hotel Mondial am Ku‘Damm. Arbeiten, wo andere
Urlaub machen, war im Club Med ganz okay, im Gegensatz
zu Zermatt: „Da musste jedes Gericht am Tisch
vorgelegt werden, ich bin fast wahnsinnig geworden …“
Das Schloss Hubertushöhe in Storkow hat er mit eingerichtet
und einige weitere Gastronomen bei Planung
und Umsetzung ihrer Projekte beraten.
„Ich bin Kellner aus Leidenschaft“, sagt Robert über
sich und wer schon mal im HunniClub war, wird das
garantiert bestätigen. „Und wenn du mal Essen gehst,
wie sind deine Erfahrungen mit Service? Wenn du ein
Auto kaufst, das nur drei Räder hat, gibst du es zurück,
oder? Service ist heute leider oft so. Aber ich rege mich
nicht mehr auf, das lohnt nicht.“ Seit 18 Jahren betreibt
Robert die Firma Kellner & Co. Eine Personalagentur
für Servicekräfte – natürlich von Robert geschult.
Christine Schäfer hat eine Doppelfunktion. Sie ist
Roberts Partnerin und Chefin von Kellner & Co. „Als
wir damals den Betrieb gründeten, war Robert für ein
Projekt unterwegs und ich musste alles allein unterschreiben“.
Auf meine Frage, ob er denn schon mal
eine Gehaltserhöhung bekommen hat, schenkt sie
mir ein verschmitztes Lächeln: „Wir machen alles gemeinsam!“
Tine (wenn man Christine sagt, erschrickt sie) hat mal
Erzieherin gelernt. „So manches aus der Zeit kann ich
in diesem Job gut gebrauchen“, verrät sie mir und „ich
liebe Ordnung.“
Bei 93 Mitarbeitern, die Kellner & Co. Anfang 2020
unter Vertrag hatte, kann das sicher nicht schaden. Dann
kam Corona und von heute auf morgen brachen sämtliche
Aufträge weg.
34 mein/4
Der HunniClub
Hedwig Tietze war noch nicht geboren, als ihre Eltern
die DDR verließen. „Wenn schon weg, dann richtig weg“,
muss sich ihr Papa gedacht haben und zog mit seiner Frau
nach Brasilien. Nach dem Abitur an der Deutschen Schule
in São Paulo kam Hedi zurück, studierte Landschaftsarchitektur,
machte ihren Master zum Schwerpunkt Naturschutz
und fing bei Kellner & Co. an, schon vor zwölf
Jahren. „Hedi kannst du überall einsetzen“, O-Ton Chefin.
Hedi hat ein Geheimnis. Sie liebt es zu backen. „Ich habe
mich schon zweimal für eine Lehrstelle als Konditorin beworben,
aber mit abgeschlossenem Studium war ich den
Leuten wohl zu unheimlich.“ Schon als kleines Kind hat
sie Rezepte der Oma nachgebacken, am liebsten Torten.
Liebe Hedi: Lehre ist gut, Leidenschaft ist besser!
Gierkeplatz 11 ist die Adresse, die es sich zu notieren
lohnt. Noch wird hier gesägt, gemalert, verkabelt. In
Kürze aber wird an dieser Adresse ein Café an den Start
gehen. Das Büro von Tine ist schon fertig. „Ich schaue
direkt auf den Platz und auf unserer Seite ist den ganzen
Tag Sonne“, freut sie sich. Die Ordner stehen ordentlich
im Regal, Rechner und Telefon funktionieren, es kann
wieder losgehen.
Jeudibar, nennt Robert seine Erfindung, die er schon
in den alten Räumen etabliert hat. Die Bar wird einen
schöneren Rahmen bekommen und immer – und nur –
donnerstags geöffnet sein.
HunniClub ist eine Corona-Erfindung, die Tine und
Robert schon in den früheren Räumen – in Partnerschaft
mit mir (der Zierliche mit dem gestreiften Hemd) – mit
großem Erfolg begonnen haben. In loser Reihe gestalten
Berliner Köchinnen und Köche kulinarische Abende für
einen kleinen Kreis von Gästen – ein ganz besonderes
Erlebnis. Am Gierkeplatz bekommt der HunniClub nun
sein perfektes Zuhause mit offener Küche im Raum, langer
Tafel, liebevoll eingedeckt und natürlich mit Oberkellner
Robert. Einfach mal die Seite anschauen: www.hunni.club.
In den neuen Räumen stimmen die Bedingungen und
auch die Chemie.
Das Einzige, was jetzt noch fehlt, ist Leben in der Bude –
darauf freuen sich alle schon riesig! Die Eröffnung wird
irgendwann im April stattfinden.
Wer nun vor Neugierde schon platzt (das ist nur
zu verständlich), der melde sich einfach unter
hallo@hunni.club schon mal an.
■
NEU!
Die mein/4-App zum Downloaden.
Dein Kiez in
Deiner Hand!
Bärbels ungebetener Ratschlag
HELP! Strawberry fields forever
Love is all you need
The Beatles
Und das stimmt. Nicht nur, weil
die Beatles praktisch immer recht haben.
Beatles-Songs können dich prima durchs
Leben navigieren. Irgendwas passt immer. Und
wenn es dein Gegenüber befremdet, weil „I am
the walrus“ in jedem Zusammenhang keinen
Sinn zu machen scheint, kannst du immer noch
sphinxenhaft lächeln und sagen: „Die Beatles, ne!
Die wussten Bescheid.“
Hach ja. Schön wär das ja. Bescheid wissen. Sich sicher
sein. Stattdessen ist gerade alles so kompliziert. Oder?
Wenn man sich die Corona-Regel-Seiten der einzelnen
Bundesländer anschaut, drängt sich der Gedanke
auf. Andererseits ist es auch wieder simpel: AHA. Zu
Hause bleiben. Es sich nett machen. Nett. Tss. Nicht
mal „nett“ kannst du doch einfach so benutzen! Heißt
das jetzt „nett“ oder „kleine Schwester von Scheiße“?
Puh. Kompliziert.
„Liebe ist doch so einfach.“
Das sagt Arletty, die berühmte französische Schauspielerin
in dem Film „Die Kinder des Olymp“. (Könnt
ihr anschauen, ist ein schwarz-weißer Klassiker, endlich
die Klassiker gucken ist doch ein Projekt für einen
Lockdown.) „Ich liebe diesen Satz“, habe ich damals in
mein Tagebuch geschrieben – und gehofft, dass ich ihn
auch irgendwann verstehen würde.
Ungefähr zur gleichen Zeit habe ich aus dem Deutschunterricht
den Satz mitgenommen: „Den Liebenden
lieben die Götter mehr als den Geliebten.“ Woher genau
der stammt, weiß ich nicht mehr. Ich weiß aber noch,
dass dahinter in meinem Tagebuch stand: „Das kann ja
sein, aber ich finde, ich war jetzt lange genug der Liebende,
kann ich jetzt mal der Geliebte sein?“ Gegendert
habe ich damals nicht, obwohl ich bei freier Erörterung
gerne das Thema „Gleichberechtigung“ gewählt habe.
Ich liebe dich. Je t´aime. Ja ljublju tjebja. Ti amo. Wo
ai ni. S´ayapo. Jeg elsker dig. „Die Sprachen der Liebe“
hieß das kleine Büchlein, das ich hatte – und theoretisch
konnte ich „Ich liebe dich“ in mindestens fünf Sprachen.
Und dann hat es bis in meine Zwanziger hinein
gedauert, bis ich die drei magischen Worte
ausgesprochen habe. So romantisch war ich. Ich
dachte nämlich, wenn ich das jemals sage, dann muss
ich das genau wissen, dass es dann für immer und ewig
ist. Ah ja, dabei fällt mir ein Filmzitat ein, das mich
damals etwas verstört hat: „Ich schwöre, dass ich dich
liebe – für immer. Das sagt man einmal, aber hört es sein
Leben lang.“ Irgendein Film mit Romy Schneider und
womöglich Alain Delon, und er stirbt und sie muss dann
ganz schön lange von diesem Echo zehren … egal. Wenn
es jemand zu mir sagen wollte, habe ich auch panisch
abgeblockt, weil ich diese Verantwortung nicht tragen
wollte, diese Liebe von jemandem, den ich dann womöglich
aber nicht genauso zurücklieben kann. Kompliziert.
Schrecklich kompliziert, das mit der Liebe. Fand ich.
Aber ab dem Moment, wo ich es dann mal gesagt hatte
– zunächst mit dem schnellen Zusatz: „Das soll dich
jetzt aber nicht unter Druck setzen, das ist meine Sache,
mein Gefühl und das ist total okay und sehr schön so“
– habe ich großen Spaß daran entwickelt, es zu sagen.
Ich sage es immer noch gerne mehrmals täglich. Von
meinen Kindern höre ich dann oft: „Jaha, weiß ich“. Mit
meinen Kindern ist es super – Liebeswelle steigt in mir
hoch – platsch, schütte ich sie über ihnen aus. Einfach.
Aber wenn man Kinder bekommt, ist eine ganz andere
Art von Liebe im Vordergrund als diese komplizierte romantische.
Die kriegt man einfach so BÄM reingeknallt
Bärbel Stolz
ist Schauspielerin und Autorin. Mit
ihrer Figur die Prenzlschwäbin
hat sie schwäbische, deutsche und
großstädtische Eigenheiten aufs Korn
genommen und mit ihren YouTube-
Videos und Liveauftritten Menschen
im ganzen Land begeistert. Hoffentlich
bald ist sie mit ihrem neuen Programm
Toller Arsch wieder auf Tour.
www.prenzlschwaebin.de
36 mein/4
Bärbels ungebetener Ratschlag
und sie ist absolut und unendlich und bedingungslos. So
wie sie sein soll. Einfach ist das aber auch nicht, weil dein
Herz dann permanent außerhalb von dir unterwegs ist
und du immer Angst um diese Menschlein hast.
Botho Strauß hat mal ein Buch geschrieben: „Über Liebe“.
Und darin steht auch ein Satz, der es in mein Tagebuch
geschafft hat. Er schreibt, man müsse einander
Raum geben, immer wieder auch auf Abstand gehen
als Paar … sonst steht man eines Tages zu dicht voreinander,
als dass man sich überhaupt noch sehen könnte
und fragt sich: „Wen lieb ich mir da?“
Abstand ist ja gerade Thema. Zu viel und zu wenig. Und
genau das Maß an Abstand kann über die Liebe entscheiden.
Nicht nur bei Paaren. Auch bei Freunden.
Manchmal ist es ganz wichtig, Abstand zu
gewinnen, um sich wieder richtig lieb haben
zu können. Damit wieder Sehnsucht
wächst. Vor einem Jahr kam
der Lockdown vielen doch gar nicht
ungelegen. Vorsicht mit deinen Wünschen,
sie könnten in Erfüllung gehen!
Wer von euch hat sich eine Auszeit gewünscht?
Einfach mal Pause. Stillstand?
Ich. Bin ich jetzt Schuld? Sorry. Eine Pause. Tja.
Da isse. Das Universum ist halt kreativer und krasser
in der Umsetzung, als wir uns das wünschen könnten.
Und jetzt? All you need is love?
Beziehungsstatus: unkompliziert – frei nach Facebook.
Also, ich finde Arletty hat recht. Und die Götter auch.
Ich liebe gerne und fühle mich gut dabei. Und mehr Liebe
an sich täte der Welt schon gut. Vielleicht sollten wir
das alle üben. Wir müssen ja immer noch Abstand halten,
da müssen wir nicht mit Mitmenschen anfangen: Essen.
Wetter. Gerüche. Bücher. Und dann vielleicht Pflanzen,
Tiere … sich selber. Liebe ist gesund. Hass macht krank.
Eigentlich keine schwierige Entscheidung, wenn man vor
dieser Alternative steht, selbst der egoistischste Mensch,
der nur sich selbst liebt, müsste das verstehen.
Mit dem Liebenüben nimmt das Hassen vielleicht ab.
Das nervt mich nämlich. Selbst wenn ich mit Liebe begonnen
habe und zum Beispiel bei Facebook schreibe:
Ich liebe Sonnenschein! Dann kriege ich 17 Knuddler
und drei Daumen hoch – und 58 wütende Gesichter,
die mir sagen: „Aha, was ist mit Regen? Der ist total
wichtig für unsere Landwirtschaft – und unsere Wälder
sind auch ganz trocken. Echt scheiße von dir, hier den
Regen so zu dissen! Du blöde Kuh!“
Und darunter streiten sich dann 179 Menschen über die
Kommasetzung, den Regen an sich, das Hassenswerteste
aneinander und beschuldigen sich gegenseitig, den Klimawandel
zu leugnen oder zu befürworten. Sehr verwirrend.
Und nicht liebenswert. Trotz des Abstands scheint
Liebe gerade noch komplizierter. Weil jeder dünnhäutig
ist. Weil du nicht weißt, wie die persönliche Kurve bezüglich
Sorge oder Zuversicht des anderen gerade steht.
Da kannst du einen Witz am einen Tag belachen und
am nächsten darüber in Tränen ausbrechen. Wenn mir
einer sagt: „Ja, die Kinder müssen zusammen spielen,
das ist doch wichtig für ihre seelische Gesundheit. Und
die gehen ja auch weniger viral als Erwachsene – oder
wie nennt man das?“, nicke ich einmal nachsichtig und
ein andermal schlag ich fast zu. Jeder, der gerade in
einer anderen Stimmungslage ist, scheint dich persönlich
anzugreifen.
Uff. Lösungsvorschläge bitte! Freundliche, zugewandte,
konstruktive! Es ist halt leider nicht schwarz und weiß,
es gibt viele Nuancen, es gibt lauter persönliche Sichten
auf alles. Es ist nicht immer einfach, andere Ansichten
liebevoll zuzulassen.
Und Toleranz ist eben keine Einbahnstraße,
funktioniert nur in beide Richtungen. Meine
persönlichen Spleens und Vorlieben dürfen
halt keinen anderen schädigen oder übermäßig
stressen. Aber da geht es ja schon los.
Manchmal bin ich gestresst, weil der Mensch,
den ich eigentlich liebe, ATMET. Andere werden
aggressiv, weil sie NACHBARN haben
mitten in der Großstadt. Kompliziert.
Kategorischer Imperativ dann. Gut, Kant war auch ne
„cunt“, kann man natürlich sagen, wenn man seine Theorien
zu den „Rassen“ liest – aber er war halt auch ein Kind
bzw. ein alter weißer Mann seiner Zeit. Sein berühmter
Satz an sich stimmt ja. (Wisst ihr schon, oder? Handle so,
dass die Maxime deines Handelns … oder halt: Was du
nicht willst, dass man dir tut …) Aber das konsequent
zu Ende gedacht …? Puh. Das überfordert mich in ähnlicher
Weise, wie wenn ich versuche, mir das unendliche
Weltall beim Ausdehnen vorzustellen.
Wie sähe denn z. B. ein bequemes Leben OHNE AUS-
BEUTUNG ANDERER aus? Reicht da Liebe?
„Liebe – ist doch so einfach!“ Der Film, in dem dieser
Satz fällt, wurde mitten im Zweiten Weltkrieg gedreht,
möglichst lange und mit möglichst vielen Menschen, die
die Produzenten dadurch schützen wollten, dass sie bei
dem Werk gebraucht wurden. Das war nervenaufreibend.
Anstrengend. Viele hatten Angst. Und keiner wusste,
wann es endlich vorbei sein würde und das Leben endlich
wieder normal, schön und einfach.
Arletty, die große Diva, die keinen Nachnamen brauchte,
hatte währenddessen eine Liebesbeziehung mit einem
Deutschen und wurde nach der Filmpremiere als Kollaborateurin
verurteilt. Auch nicht unkompliziert. Und
doch sagt sie diesen Satz im Film mit einer Klarheit, dass
er sich in ein siebzehnjähriges Herz bohrt.
Also: Liebe. Darauf läuft es raus. Kompliziert oder nicht:
Liebt! Den Rest schaffen wir dann schon. ■
mein/4
37
Helden in der Küche
Sternekoch Max Strohe und seine
Partnerin Ilona Scholl laufen in
der Krise zur Hochform auf
Im Tulus Lotrek gibt es französische Küche,
modern interpretiert und inspiriert von dem,
was den Köchen selbst schmeckt. Ilona Scholl
und Max Strohe haben eine ursprüngliche Altbauwohnung
zu einem gemütlichen Ort gemacht,
an dem die Gäste gern genießen. Mit
Corona sprossen Kreativität und Flexibilität im
Team: Geboren war u. a. die wohltätige Initiative
Kochen für Helden. Max Strohe nahm uns
im Gespräch mit in die Zeit der Entstehung
des Restaurants und erzählte uns, wie sie die
Corona-Zeit erleben und nutzen.
38 mein/4
Max Strohe – Helden in der Küche
Der Erfolg kam Schlag auf Schlag und zeigt deutliche
Meilensteine: Im November 2015 eröffnete Max Strohe
gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Ilona Scholl das
Restaurant Tulus Lotrek, 2016 zeichneten ihn die Berliner
Meisterköche als „Aufsteiger des Jahres“ aus und
2017 kam der erste MICHELIN-Stern. Mehrmals trat
er bei der Kochshow Kitchen Impossible an und ging in
den Frühjahren 2019 und 2020 als Sieger hervor. Auch
bei Ready to beef! war er 2019 zusammen mit Tim Mälzer
am Start.
Auf der Suche nach der eigenen Stilistik
A la carte oder Bar Food am Tresen: Um die eigene
Stilistik zu finden, haben Ilona Scholl und Max Strohe
zu Anfang viel ausprobiert. Herausgekommen ist eine
modern interpretierte, französische Küche. „Das war zu
der Zeit, wo die ganzen regionalistischen Restaurants
aufgeploppt sind und ein bisschen mit der Kargheit der
Umgebung kokettiert haben“, schildert Max Strohe und
ergänzt: „Wir wollten einfach lecker kochen und zwar
das, was wir selber gerne essen würden oder was uns in
Berlin irgendwie gefehlt hat.“
Der Sternekoch vergleicht seine Kochweise mit den Filtern
bei Instagram: „Wir kochen so, als würden wir zum
Beispiel den Toulouse-Lautrec-Filter drauflegen. Damit
sind wir näher an der französischen Küche dran, als wir
das jemals vorhatten. Es geht gar nicht darum, etwas
zu entfremden oder zu verändern. Es entwickelt sich
einfach so.“ In dem Restaurantnamen Tulus Lotrek steckt
nämlich der französische Namenspatron „Henri de Toulouse-Lautrec“
drin – in Erinnerung an das französische
Restaurant, das vorher in den Räumlichkeiten war. Mit
der absichtlich falschen Schreibweise „wollten wir verhindern,
dass zukünftige Gäste uns auf die französische
Küche festnageln. Mittlerweile könnten wir eines der
beiden Worte im Namen des Restaurants tatsächlich
Französisch schreiben“, schmunzelt Max Strohe.
Kochen für Helden: Corona bringt das Team
um Scholl und Strohe ins Tun
Das Team von 10–12 Mitarbeitern konnten Ilona Scholl
und Max Strohe in der Corona-Krise weitgehend halten,
zwar in Kurzarbeit, aber voll aufgestockt. Im ersten
Lockdown entstand die Kochen für Helden-Aktion.
Nach dem Motto „Wir kochen Essen für die, die den
Laden in Zeiten der Krise zusammenhalten“ haben sich
auf Initiative von Ilona Scholl und Max Strohe Berliner
Gastronomen zusammengetan, um für die Heldinnen
mein/4
39
und Helden des Alltags zu kochen. Inzwischen gibt es
#kochenfürhelden in weiteren Städten. So bewundernswert
diese wohltätige Aktion ist, so sehr hat sie das
ganze Team vereinnahmt: „Wir hatten gar keine Zeit
drüber nachzudenken, was wir noch machen könnten,
um uns selbst über Wasser zu halten. Erst im Nachhinein
habe ich realisiert, dass das sehr cool, aber auch
sehr, sehr kräftezehrend war. Das ging sieben Tage die
Woche über acht Wochen.“
Kochen für Helden entsprang einem Impuls, wie uns Max
Strohe erzählt: „Ich bin eher ein intuitiver Mensch, auch
in der Küche, und höre auf mein Bauchgefühl. Mein Impuls
im ersten Lockdown war: ‚Okay, wir stecken alle in
irgendeiner wahnsinnigen, unvorhersehbaren Scheiße,
die noch nie jemand mitgemacht hat. Wir müssen jetzt
die Arschbacken zusammenkneifen und Vollgas geben,
damit uns das Ganze nicht erledigt. Da habe ich eher
ganzheitlich gedacht. Nicht an mich als Betrieb, sondern
irgendwie an die Menschheit, die Stadt, ans Zusammenleben,
die Gemeinschaft und Gesellschaft. Und dann
haben wir das einfach gemacht.“
Lockdown und das Glück in Boxen
Max Strohe empfindet den beschränkten räumlichen
Platz in der Küche als Glück, denn dadurch kann er
gar nicht so viele Leute einstellen. Die Urlaubspläne
für den Sommer wurden ad acta gelegt, um wieder
Geld reinzuholen. Als der zweite Lockdown kam, war
ihnen klar, dass aus einer Eröffnung im Dezember
nichts werden würde. Während sie sich im November
eine Auszeit gegönnt haben, ging es im Dezember
dann mit dem Weihnachtsmarkt an den ersten beiden
Adventssonntagen weiter. „Das hat so gut funktioniert.
Wir hatten eine überwältigende Resonanz. Wir haben
es genossen, mal wieder eine Bestätigung zu kriegen.
Als Gastronomen und als Mitarbeiter im Service leben
wir davon, Bestätigung zu bekommen, Menschen
glücklich zu machen und in glückliche Augen zu gucken.
Es war einfach toll“, schwärmt Max Strohe von
der Weihnachtsaktion. Allerdings sei ihnen nach dem
zweiten Wochenende klar geworden, dass das nichts
mehr mit Lockdown zu tun hat, wenn sich Menschentrauben
bilden und die Leute Alkohol trinken: „Es
wäre keine kluge Idee gewesen, das weiterzumachen.
Auch im Kontext von Kochen für Helden hätte das keinen
Sinn gemacht. In unserer Verantwortung unseren
Mitmenschen gegenüber können wir hier keine
Superspreader-Veranstaltungen machen.“ Stattdessen
kamen die Weihnachtsbox, die Hangover bag und die
Katertüte für den 1. Januar, die sehr gut angenommen
wurde. „Das hat Spaß gemacht“, nimmt uns Max Strohe
mit, „die Katertüte war irgendwie geil, weil man da
Sachen reinmacht, auf die man Bock hat, wenn man
einen Kater hat, eben Junkfood, Soulfood, Moodfood.
Das kochen wir ja normalerweise nicht.“
„Ich bin ein großer Trüffelfan“, berichtet Max Strohe weiter,
„es gibt ja Leute, die bevorzugen Kaviar. Ich finde
Trüffel geiler, auch weil es ihn nicht immer gibt. Mir ist
40 mein/4
Max Strohe – Helden in der Küche
klar geworden, dass wir am Ende dieses Lockdowns oder
dieser Pandemie eine komplette Trüffelsaison zugehabt
haben werden, und das geht gar nicht. Also machen wir
jetzt ein Trüffelmenü für zwei Leute.“ Das Menü ist am
Samstag und Sonntag in Berlin abholbar. Versendet wird
das Valentinstagmenü. „Da machen wir auch eine schöne
Box für Valentinstaghasser oder für Singles“, schildert Max
Strohe die Idee, und schließt: „Das wird ganz lustig. Und
dann schauen wir mal, wie es weitergeht.“
Neue Runde: Kochen für die Helden
der Impfzentren
Wir sind wieder bei Kochen für Helden, und der Kreis
der Fürsorge schließt sich. Im Weihnachtsmonat Dezember
hat das Team um Ilona Scholl und Max Strohe
die Obdachlosenhilfe, die Caritas, die Diakonie und die
Wärmestuben unterstützt, in dem es Essen zugesteuert
und ausgegeben hat. Nun, wo die Impfzentren an den
Start gegangen sind, öffnet sich wieder ein Kochen-für-
Helden-Slot: „Jetzt gehen wir in die Arena. Wir kochen
hier und geben dort aus. Klar, alles natürlich aufwendig
organisiert, damit sich keine Schlangen und Tröpfchen
bilden.“ Deshalb dauert die Ausgabe aus dem Food Truck
heraus auch eine Stunde länger. Danach macht die Crew
das Gleiche am Tegeler Flughafen, gefolgt vom Erika-
Heß-Eisstadion – damit die Helden des Alltags „eine
wärmende, geile, leckere, nachhaltige und mit Liebe zubereitete
Speise“ bekommen.
Zukunftsträume
Vielleicht, mit etwas Glück und Zuversicht, darf die Gastronomie
Richtung Mai wieder öffnen. „Wenn genug UV-
Strahlen da sind, die das Virus töten“, so Max Strohe.
Er träumt von einer riesigen Party, bei der alle zusammenkommen,
feiern und Spaß haben: „Ich stelle mir eine
niemals endende Küchenparty oder Gastrosause vor, so
ab Sommer, weil jeder wieder Bock auf soziale Kontakte
hat. Wir machen dann einfach sieben Tage die Woche auf,
mittags, abends und rund um die Uhr.“
Ein schöner Traum. Möge er wahr werden. ■
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mein/4 41
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Impfzentrum Arena Berlin –
wir trafen auf Menschlichkeit
Anfang Januar 2021 erreichte uns eine E-Mail des Deutschen Roten Kreuzes mit der Bitte, die Suche
nach Mitarbeitenden für die Impfzentren in Berlin medial zu unterstützen. Eine gute Sache, fanden
wir. Da die ersten Interviews für diese Ausgabe erst Mitte Februar geplant waren, trugen wir uns
selbst in die Liste der Helfenden ein, um zumindest den Start in der Arena Berlin ehrenamtlich zu
unterstützen.
Nun eilt Berlin nicht gerade der Ruf voraus,
Großprojekte reibungslos, zügig
und effektiv umsetzen zu können. Bei
den Impfzentren haben wir es überdies
mit einem Großprojekt zu tun, das mit
einer besonders betreuungsbedürftigen
Gruppe von Impflingen, der über
90-Jährigen, umgeht. Zudem müssen
400 Mitarbeitende gefunden werden,
die alle an einem Strang ziehen. Doch
wir werden eines Besseren belehrt:
Berlin kann auch anders! Von der ersten
Sekunde an sind wir beeindruckt
von der Organisation, vor allem aber
von den Menschen vor Ort. Schnell
wird klar: Hier arbeitet gefühlt die
Ruhe vor dem Sturm …
komplette Veranstaltungsbranche
Berlins. „Was machst du im normalen
Leben?“, dürfte die meistgestellte
Frage sein. Wir lernen den
Zauberkünstler kennen, der üblicherweise
mit seiner Show deutschlandweit
auf Tour ist. Da ist die
Managerin dreier Bands, die schon
seit zehn Monaten keine Auftritte
mehr vermitteln konnte. Oder der
DJ, der sonst in den Clubs dieser
Stadt auflegt. Und der Hüne von
Mann, im normalen Leben Türsteher,
kümmert sich jetzt liebevoll um
eine 90-jährige Dame. Wir gehen
sogar so weit zu behaupten, dass
42 mein/4
Impfzentrum Arena Berlin
ein Impfzentrum ohne die Veranstaltungsbranche
kaum machbar wäre. Denn die helfenden Menschen
vor Ort sind Stress gewohnt, laufen unter Druck zur
Höchstform auf und sind geübt im Umgang mit anderen
Menschen. Selten haben wir so einen Teamspirit
erlebt wie in diesen Tagen. Selten zeigte sich so viel
ehrliches Interesse aneinander und an den Menschen,
für die der Besuch des Impfzentrums meistens kein
einfacher war. Auf Seiten der Impfenden und Angehörigen
war so viel Dankbarkeit spürbar.
Angesichts dieser mitmenschlichen, außergewöhnlichen
Atmosphäre wussten wir bald, dass wir über
die Menschen vor Ort schreiben wollten, um ihre Geschichten
zu erzählen. Wie sah ihr Leben vor Corona
aus? Wofür schlägt ihr Herz? Was leisten sie gerade in
dieser Ausnahmesituation? Zwölf Kurzportraits sollten
es werden. Problemlos
fanden wir zwölf
Menschen, die sich
mit uns unterhalten
wollten – aber leider fanden wir
niemanden, der uns diese Gespräche erlaubt
hätte. Trotzdem möchten wir euch teilhaben
lassen an unserer Erfahrung und an der Menschlichkeit,
mit der die Helfenden das Impfzentrum zu einem
Ort des Miteinanders machen. Diese Menschen leisten
Großartiges, vor allem menschlich Großes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen vor Ort, wir sind sehr
dankbar für die Erfahrung, mit euch zusammengearbeitet
zu haben. Euretwegen haben wir etwas Positives zum
Thema Impfen zu erzählen. Es war uns eine Ehre. ■
Infobox:
Du willst mitarbeiten?
Bewerbungen und Infos:
www.wirhelfenberlin.de
mein/4
43
Kaminer &
Die Antikörpers
Über Badewannen, Tagebücher
und Social Distancing
Um das Foto zu verstehen, erzählen wir die Geschichte
mal von vorne. Yuriy Gurzhy ist Musiker und ein „alter“
Freund von Wladimir Kaminer. Jahrelang organisierten
sie gemeinsam die Russendisko im legendären Kaffee
Burger. Gemeinsam standen sie am Plattenteller und
tanzten durch die Nacht. Schon damals gab es immer
wieder Ideen für gemeinsame Musikprojekte. Die
Zeit fehlte. Dann im März 2020: der Lockdown. Aber
kreative Seelen lassen sich nicht einsperren. Die Idee,
das Erlebte in Form eines musikalischen Tagebuches
zu verarbeiten, war geboren. Auf der Tagesordnung
stand jede Woche ein neuer Titel. Schnell waren Katya
Tasheva und Anna Margolina als Sängerinnen für das
Projekt begeistert, und die Band war zu einem Quartett
angewachsen. Zu viert treffen? Unmöglich. Also
einigten sich die vier auf
folgenden Plan: Montags
werden die Ereignisse aus
der Presse der letzten Woche
zusammengetragen, dienstags schreibt Wladimir
die Texte, ab Mittwoch komponiert Yuriy die Musik.
Zum Wochenende schickt jeder von sich ein Video zum
Titel, und die Söhne von Wladimir und Yuriy schneiden
sie zu einem Musikvideo zusammen.
14 Titel sind auf diese Weise entstanden, und es dauerte
unglaubliche zehn Wochen, bis die Band sich das
erste Mal zu viert treffen konnte. Herausgekommen
ist das Album Bleib zu Hause, Mama, das im April im
Trikont Musikverlag erscheint. Doch was hat das alles
mit dem Foto zu tun? Für das CD-Booklet brauchte es
Fotos, Wladimir rief an und bat um Unterstützung bei
der Suche nach einer schönen, alten Badewanne, inklusive
Fotograf … Die Suche im
durchsanierten Berlin gestaltete
sich schwierig, aber letztlich erfolgreich.
Und so trafen sich die
vier, ausgestattet mit frischen,
negativen PCR-Testergebnissen,
und bei guter Durchlüftung in
einem kleinen Berliner Badezimmer.
■
© Pavol Putnoki
Info
Kaminer & Die
Antikörpers
YouTube
Kaminer & Die
Antikörpers
Ein ABO – zur
Unterstützung
Wir lieben diese Stadt – trotz ihrer Hektik
und obwohl vielleicht einiges schiefläuft.
Umso wichtiger ist es für uns, über Sachen
zu berichten, die gut laufen, und über Menschen,
die sich engagieren.
Dafür brauchen wir auch euch!
Unterstützt uns mit einem Abonnement!
Schon ab 24,90 € pro Jahr ist das möglich.
Wir danken euch im Voraus.
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fgl-werketage.de
© Foto: Pavol Putnoki
Solidarisch im stillen Gesang –
die gesungene Kurzkolumne
Ein Musikalischer Appell an das lesende Publikum von Ilja Richter
Solidarität kann man erhoffen, Musikalität aber nie erwarten. Zum Nachteil des Nervenkostüms manches
Chorleiters. Der Vorteil meiner gesungenen Kolumne besteht nun darin, mit einer bestimmten Melodie
im Kopf und dem synchron dazu gelesenen Text, ganz solistisch in aller Stille dabei niemanden zu stören.
IN 50 JAHREN IST ALLES VORBEI ...
… dachte ich, frei nach dem alten Otto Reutter-Couplet. Das war vor „25 Jahren Disco“ ein Irrtum – wurde anlässlich
des 40-jährigen Jubiläums meiner, als nun bereits mit dem Begriff „legendär“ eingestuften ZDF-Sendung,
von mir mit einer erfolgreichen Discotournee beantwortet, damit es nicht heißen sollte: Der steht ja gar nicht zu
seiner Vergangenheit! Und nun? Nach der Dauernudelei im ZDF mit unbezahlten Auftritten, denn alle – von Rod
Stewart über Marianne Rosenberg bis hin zu meiner Wenigkeit zum Nulltarif dort Auftretenden, weil es hierfür
keine Wiederholungshonorare vom Sender gibt – singe nun, bevor ich mich in zwei Jahren, so Gott will, durch
einen dann runden Geburtstag in meine ultimativen 70er begeben darf, Folgendes.
Bitte summen Sie einfach die Melodie von MY FAVORITE THINGS, dem von Julie Andrews in
dem Musical THE SOUND OF MUSIC gesungenen Evergreen, zu meinen nun folgenden Worten:
SORRY, ICH HEIß NUR BEDINGT MISTER DISCO.
UNBEDINGT LIEB ICH DEN DICHTER CHAMISSO,
DER EINST DAS MÄRCHEN VOM SCHLEMIHL ERFAND
UND SEINEN SCHATTEN VERKAUFTE, WORAUF DIESER VERSCHWAND.
ICH BEHALT MEINEN, WEIL ICH KEIN IDIOT BIN.
DOCH WAS MACHT MEIN SCHATTEN, WENN ICH MAL TOT BIN?
GEHT ER SPAZIERN OHNE MICH DURCH DIES LAND?
UND HÄLT MEIN SCHATTEN DEN LEBENDEN STAND?
NIMMS BUDDHISTISCH, OPTIMISTISCH
UND KRIEG KEINEN SCHRECK.
DAS HIER IST KEIN WERBEN DAFÜR, DASS WIR STERBEN
DOCH AUCH WENN WIR GEHN, KOMMT NICHTS WEG.
Info
Der Schauspieler und Autor
begann seine Bühnenlaufbahn
bereits mit neun Jahren
im Berliner Renaissance Theater. Einem
breiten Publikum wurde er in den 70er
Jahren vor allem durch die ZDF DISCO-
Shows und Wörthersee-Kinofilme bekannt.
Er ist zudem Autor und Chansonier.
BEVORSTEHENDE VERANSTALTUNGEN
entnehmen Sie bitte der Webseite:
- VERGESST WINNETOU
- MEINE LIEBLINGSLIEDER
(am Flügel: HARRY ERMER)
www.iljarichter.de/page/termine
mein/4
45
Rubrik
Was ist Deutschland im 21. Jahrhundert
die Bildung wert?
Die Corona-Krise wirkt sich wie ein Brennglas auf die schulische Bildung aus und zeigt überdeutlich
die Defizite. Trotz des Digitalisierungsschubes, den die Krise ausgelöst hat, scheint die Schullandschaft
in Deutschland in der Kreidezeit steckenzubleiben. Zukunftsvisionen? Fehlanzeige! Diese
Bildungskatastrophe hat viele Eltern – selbst zwischen Homeoffice und Homescooling balancierend –
auf die Barrikaden gehen lassen. Wir führten ein brandheißes Gespräch mit den Elternvertreterinnen
Kerstin Müller und Carola Ehrlich-Cypra.
Liebe Eltern, mischt euch ein!
Im Zuge der Pandemie wurden die Rufe der Elternschaft
lauter, wie uns Carola Ehrlich-Cypra schildert: „Sandra
Scheeres wollte die Schulen wieder öffnen, obwohl die
Bundeskanzlerin die Schließung verkündet hat. Da haben
innerhalb von 24 Stunden mehrere Zehntausend Eltern
und Lehrkräfte eine Petition unterzeichnet.“ Unabhängig
davon hätte es eigentlich längst ankommen müssen:
Eine Partizipation von Eltern sowie
Schülerinnen und Schülern
– im Sinne der Demokratieförderung
– ist enorm wichtig, um bildungspolitische
Veränderungen
einzuläuten und Bewegung in die
langsamen Mühlen der Schulpolitik zu bringen. Eltern
können ihren Beitrag dazu leisten, Beteiligungsverfahren
zu pushen und gesetzlich zu verankern. Im Chaos der
Milliardenschwere Hilfspakete
für die Wirtschaft und Scheuklappen
bei der Schulpolitik!
Corona-Krise haben sich verschiedene AGs und Taskforces
gegründet, die Themen bündeln und Forderungen
an die Landespolitik stellen.
Krise als Chance: (k)ein Fortschritt in der
Digitalisierung der Schulen?
„Milliarden werden für Wirtschaftshilfen ausgegeben.
Aber wo ist das Milliardenpaket für die Bildung?“, weist
Kerstin Müller auf das deutliche
Missverhältnis hin. Mit einem
Bruchteil dieser Summe ließen
sich alle Schulen mit digitalen
Geräten und Luftfiltern ausstatten.
Dem Wunsch nach Präsenzunterricht
stehe leider keine Strategie gegenüber, wie
Schüler- und Lehrerschaft geschützt werden können, so
Müller und Ehrlich-Cypra. „Mit drei bis vier Luftfiltern
46 mein/4
Was ist Deutschland im 21. Jahrhundert die Bildung wert?
pro Schule kommen wir bei 1.300 Schülerinnen und
Schülern nicht weit. Kaschiert wird das mit der hilflosen
Aussage: ‚Die Schulen sind kein Treiber der Pandemie.‘
Wo ist das Milliardenpaket
für die Bildung?
Da hat die Bildungsverwaltung in Berlin versagt“, stellt
Kerstin Müller fest. Harsche Kritik äußern die engagierten
Mütter an der Bildungssenatorin, die bis heute
keinen Schwerpunkt auf die Digitalisierung der Schulen
gelegt habe: „Erst nach neun Monaten Pandemie wurde
gerade mal ein Landesbeirat Digitalisierung einberufen.“
Bildung brauche ganz klar eine Lobby, sind Kerstin Müller
und Carola Ehrlich-Cypra überzeugt.
Zum Fortschritt des 21. Jahrhunderts gehören eigentlich
auch die nötigen Breitbandanschlüsse für alle Schulen.
„Aber keine Schule in Berlin ist bisher ans Breitband
angeschlossen! Selbst die Ausschreibung dafür ist immer
noch nicht veröffentlicht, obwohl die Koalition bis
Ende 2021 allen Schulen Breitband versprochen hatte“,
regt sich Kerstin Müller auf. Einfach so wäre das auch
nicht getan, denn „um überhaupt Breitband legen zu
können, braucht es erst einmal bauliche Maßnahmen“,
erklärt Carola Ehrlich-Cypra die Dimension des Ganzen.
Auch der Digitalpakt hilft da leider nicht weiter:
Info
Internetkarte der Berliner Schulen von Thomas
Tursics, Mitglied der AG Digitalisierung des LEA:
www.tursics.de/story/schule-breitband-2020
Kerstin Müller
Vorstand einer Gesamtelternvertretung
eines
Pankower Gymnasiums,
ehemalige MdB von
Bündnis 90/Die Grünen
Bezirkselternausschuss Pankow:
www.twitter.com/BEA_Pankow
bea-pankow@bea-pankow.de
Landeselternausschuss:
www.leaberlin.de
Carola Ehrlich-Cypra
Elternvertreterin einer
Pankower Gemeinschaftsschule,
Vorstand
Elternnetzwerk Berliner
Gemeinschaftsschulen
Im Gespräch mit den Elternvertreterinnen
Kerstin Müller (li.) und Carola Ehrlich-Cypra (re.)
Seit 2019 stehen zwar für die nächsten fünf Jahre 257
Millionen Euro Bundesmittel für Berlin zur Verfügung,
die auf die Bezirke verteilt werden sollen. „Die Gelder
werden aber zurzeit von vielen Bezirken noch gar nicht
Wir müssen die Krise als Chance
für den Digitalisierungschub an
den Schulen nutzen!
abgerufen, weil die Verfahren völlig bürokratisiert sind
und die Verwaltung mit der Vergabe überfordert ist“,
kritisiert Kerstin Müller.
„Man hätte diese Krise nutzen können, wenn man schon
überall Geld in die Hand nimmt und sich verschuldet,
um den notwendigen Digitalisierungsschritt endlich
auch bei den Schulen zu machen“, vertritt Kerstin
Müller ihren Standpunkt. In diesem Sinne ist die Krise
eine Chance, um einen digitalen Kulturwandel für
die Schule von morgen endlich auch in Deutschland
einzuleiten. „Doch was hier gemacht wird, sind Notoperationen
und Durchhalteparolen“, finden die beiden
Elternvertreterinnen.
Welche Kompetenzen braucht die Schule von
morgen?
Kinder müssen mit lösungsorientiertem Lebenswissen
ausgestattet werden. Vom sogenannten Bulimie-Lernen
hält Kerstin Müller gar nichts: „Reinfressen, Rauskotzen
und nichts bleibt hängen – das muss aufhören!“ In der
Schule von morgen müssen Kinder Fähigkeiten erlernen,
Zusammenhänge erkennen und Hintergründe bewerten.
Unsere Gesellschaft wird künftig Menschen brauchen,
die im Team arbeiten und Konflikte lösen können, die
kommunikationsfähig sind und sich als kreative Problemlöser
erweisen. „Letztlich geht es darum, Bildung neu
zu erfinden“, so Carola Ehrlich-Cypra.
■
mein/4
47
Dies & Das
Corona-Kilos sind am Purzeln – eure auch?
Versprochen ist versprochen: Ich stelle mich den „Corona-Kilos“ und halte euch im Magazin über den
Prozess auf dem Laufenden. Seit der letzten Ausgabe sind bei mir 10,4 Kilos gepurzelt. Nun geht unsere
„Anti-Corona-Kilos-Challenge“ in die nächste Runde! Daniel und Sebastian präsentieren uns drei weitere
Übungen, die sich ganz einfach zu Hause machen lassen, auch wenn sie ein bisschen Biss erfordern.
Die Übungen gibt’s übrigens auch als Video auf dem Instagram-Account der beiden Sportsfreunde.
Daniel und Sebastian sind Experten im Bereich Functional Training und Kampfsport. Sie bieten kein
0-8-15-Training, sondern dank ihrer über 20-jährigen Erfahrung individuell angepasste Programme
(Personal Training, Ernährungsberatung, Fitnesskurse und Firmenfitness). Durch regelmäßige Weiterbildungen
bleiben sie immer auf dem neuesten Stand. Sportsfreund, Belforter Str. 16, 10405 Berlin
www.sportsfreund-berlin.de • Facebook: SportsfreundPT • Instagram: sportsfreund_berlin
1. Ausfallschritt
Mit dieser Übung wird die gesamte
Beinmuskulatur gekräftigt und
gleichzeitig die Balance verbessert.
Aus dem parallelen Stand macht
man einen großen Schritt nach
hinten, bis das Knie den Boden
berührt, und drückt sich kraftvoll
wieder nach oben in die Ausgangsposition.
Dabei ist wichtig,
dass man den Oberkörper aufrecht
und das Knie des vorderen
Beines über dem Fuß hält. Zur
Stabilisation kann man sich an
einer Wand festhalten.
2. VWT-Übung
Diese Übung kräftigt die Muskeln im Rücken- und Nackenbereich. Dazu formt man hintereinander durch
Bewegung der Arme die Buchstaben V, W und T, in genau dieser Reihenfolge. Hierbei kommt es darauf
an, die Pobacken fest zusammenzukneifen und die Arme die ganze Zeit so weit wie möglich nach hinten
zu ziehen, sodass man die Anspannung im oberen Rücken spürt.
48 mein/4
Dies & Das
Das Ende von Eddy
oder
Wer hat meinen Vater umgebracht
Ein Theaterprojekt mit Jugendlichen
und Schauspielern
Premiere:
13. Mai 2021
WABE Berlin
Weitere Vorstellungen:
14.05. bis 17.05.
Tickets & aktuelle
Infos zum Programm:
www.wabe-berlin.de
3. Seitstütz
Mit dieser Übung stärken wir die Schultern sowie
die seitliche Bauch- und Pomuskulatur. Man
legt sich hierbei seitlich auf den Boden und
drückt sich dann nach oben, sodass nur noch
der Unterarm und die Füße den Körper stützen.
Ziel ist, dass sich der ganze Körper in einer gedachten
Linie befindet. Wenn das zu schwerfällt,
kann man den Unterarm auch etwas erhöht
platzieren, z. B. auf einem Stuhl oder Sofa.
Alexander Fehling
Ausfallschritt, VWT und Seitstütz bauen auf den
Übungen auf, die wir in der letzten Ausgabe gezeigt
haben, und sind schon etwas anspruchsvoller.
Anfangs kann man sie jeden zweiten Tag
durchführen, später auch jeden Tag.
Wir empfehlen 10 Wiederholungen bei der
VWT-Übung, 10 Wiederholungen pro Seite bei
den Ausfallschritten sowie 30 Sekunden Halten
des Seitstützes pro Seite.
Franz Hartwig
mein/4 auf Facebook
www.facebook.com/mein4tel
Michael Rotschopf
mein/4 auf Instagram
www.instagram.com/mein4tel
Online lesen?
www.meinviertel.berlin/
aktuelle-ausgabe
mein/4
49
gefördert
durch:
Jonathan Berlin
Schauspieler wie Alexander Fehling, Jonathan Berlin,
Franz Hartwig oder Michael Rotschopf kommen in
die WABE Berlin, um mit Jugendlichen aus dem Kiez
und anderen Schauspieler(inne)n aus Film, Fernsehen
und Theater die außergewöhnliche und spannende
Geschichte von Eddy zu erzählen - einem Jungen,
der nach seiner Freiheit sucht und sie schließlich findet.
EN FINIR AVEC EDDY BELLEGUEULE - Copyright © 2014, Édouard Louis - All rights reserved
QUI A TUÉ MON PÈRE - Copyright © 2018, Édouard Louis - All rights reserved First publishedby Editions de soleil in 2018
Dies & Das
Kolumnistentreffen
Schon mehrmals haben wir versucht, alle unsere Kolumnisten in der Redaktion zu einem gemeinsamen
Treffen zusammenzubringen. Gescheitert ist es immer an den übervollen Terminkalendern unserer vier
Kolumnisten. Der Lockdown macht es nun möglich: keine Lesungen, keine Bühnenauftritte, keine Buchpräsentationen,
keine musikalischen Darbietungen, keine Dreharbeiten. So kam es, wenn auch mit viel
Abstand, zu einem Treffen der Redaktion für ein kurzes Foto im Herzen von Berlin.
Vielen Dank an Bärbel Stolz, Chin Meyer, Wladimir Kaminer und Ilja Richter – es war schön euch zu sehen.
Corona-Toten
ein Gesicht geben
Die in den Nachrichten genannten Zahlen
der an oder mit Corona Verstorbenen
sind viel mehr als schlichte Zahlen. Darauf
möchte die Aktion Corona-Tote sichtbar
machen hinweisen und damit den verstorbenen
Menschen ein Gesicht geben.
Jeden Sonntag werden, wie zum Beispiel
hier am Arnswalder Platz, Kerzen angezündet
und den Toten gedacht. Die Initiative
startete in Berlin, inzwischen beteiligen
sich Menschen in mehr als 40 Städten
deutschlandweit daran.
Unter #coronatotesichtbarmachen verbreitet
sich die Aktion, die zu Empathie in
dieser Pandemie aufruft, in den sozialen
Netzwerken.
50 mein/4
Küchenanedokdoten Rubrik
Der Köche Gold zum Silberkurs
Eines sollte man nie tun, das weiß ich jetzt
auch: In einer Runde mit mehr als vier Teilnehmern
und einer Frauenquote von 66 Prozent
eine Farbkarte für englische Wandfarben
rumgehen zu lassen, mit dem Ziel, die
perfekte Hintergrundfarbe für Kupfertöpfe
festzulegen. Im Nu war die Karte voller
Kreuzchen und Kringel.
Glücklicherweise habe ich eine sehr nette
Nachbarin, die sich professionell mit Gestaltung
befasst.
Glücklicherweise hat sie sich angeboten, zu
den Gebr. Tonsor zu fahren und sich um die
Farbe zu kümmern.
Glücklicherweise hatte dort Fachberaterin
Maria Dienst, die sich als ausgebildete Porzellanmalerin
nun wirklich mit Farben auskennt.
So stehen unsere Kupfertöpfe nun vor
dem perfekten Grün (das übrigens nicht in
der Farbkarte zu finden ist).
Doch warum all die Aufregung?
Wir haben ein neues
Kupfersortiment!
Das hört sich zunächst nicht besonders
spektakulär an, ist es aber. Der Tipp kam
von einem meiner Lieferanten und ging in
etwa so: Es gibt im Elsass einen Hersteller,
den man nirgendwo findet. Das soll
man auch nicht, denn er produziert nur für
andere Marken und tritt selbst nicht in
Erscheinung.
Ich also nichts wie hin. Und siehe da, die
Produkte sind so gebaut, wie man es von
den Toplieferanten kennt: 2,5 mm Kupfer,
feuerverzinnt und mit dem klassischen
gegossenen Griff – perfekt. Als wir dann
über Preise sprachen, erhöhte sich meine
Herzfrequenz deutlich. Natürlich stieß
das Sortiment am Anfang auf Skepsis.
Kenner haben an Töpfen und Pfannen
gerochen, dagegen geklopft, reingebissen:
Das kann doch gar nicht sein, beim Preis
für die 14 cm Stielkasserolle (79 Euro)
fehlt doch wohl eine Zwei davor!
Nein, es ist kein Schreibfehler, und damit
rückt das perfekte Zitronenrisotto oder
die perfekte Sauce in bezahlbare Nähe.
Sollte jetzt jemand vermuten, wir wollen
dazu auch gleich noch ein paar Gläser
marokkanische Salzzitronen verkaufen –
weit gefehlt. Bei uns gibt es Sebastian
Radtkes Rezept für Salzzitronen dazu, die
sind viel besser und selbst ist der oder die
oder das …
Da weiß ich immer noch nicht, wie man
zeitgemäß formuliert. Entschuld_I*gung!
colecomp
Wörther Straße 39
Kollwitzplatz
mein/4
51
Spaß für Kids
25
6 3 8
3 7 8 9
2 8 6 9 5 4 7
2 3 1 4
5 9 6 1
8 5 2 9
1 3 4 2 7 9 8
5 8 9 1
9 5 2
26
27
8 6 7 1 4
4 6 7 3 5 8 2
2 1 4 7 3
2 6 4 9 5 2 3 6 1
3 1 6
3 8
6 4 3
2 9 1 7
7 5 3 2 4 6 8
1 6 2 8 3 4
3 7 5
1 3
2 5 1
4 5 9 2 7
1 2 7
7 1
9 4 1 8 3 2 6
28
29
3 2 5
2 9 1 4 8
3 6 4 5 8
9 7
5 9 7 8 2 3
3 7 5 4 8 9 2
3 1 9 6
9 2 7
7 9 5 8
8 1
5 8 7 1
1 5 3 7 8 4 1 2 9
7 8 4 3 5 2 3 6 1 5
1 2
1 3 5
6 4 9 8 1
Die Auflösung gibt es auf S. 56.
30
9 8
2 5 6 8 7 9
7 8 9 1 6
Die Abenteuer von Kucks und Miesepups
Öh! Hell! Der Miesepups ist ein moosbedecktes, sehr
schlecht gelauntes Waldwesen, das in einer unordentlichen
Höhle lebt. Er verlässt sein Zuhause nicht und mag
auch nix und niemanden. Eines Tages wagt er sich doch
mal kurz hinaus und schließt ganz aus Versehen eine echte
Freundschaft mit dem flauschigen, süßen und sehr lieben
Kucks. Obwohl die beiden so verschieden sind, mag das
Kucks den Miesepups sehr und weicht ihm nicht mehr von
der Seite. In mittlerweile drei Bilderbüchern erleben die
beiden fantastische Abenteuer, von denen das neueste sie
sogar bis auf den Mond verschlägt! Kirsten Fuchs‘ „Der
Miesepups“ ist ein herrlich sprachverspielter Vorlesespaß für alle ab vier Jahren und
die kuriosen Collagenbilder von Cindy Schmid machen große Lust, selbst kreativ
zu werden und moosblumige Figuren zu erschaffen. (Alex Bachler)
52 mein/4
26
8 6 7 1 4
2 1 4 7 3
4 9 5 2 3 6 1
3 8
2 9 1 7
1 6 2 8 3 4
1 3
4 5 9 2 7
7 1
28
Forscherregeln !
3 2 5
3 6 4 5 8
5 9 7 8 2 3
3 1 9 6
7 9 5 8
5 8 7 1
7 8 4 1 2 9
2 3 6 1 5
1 3 5
30
9 8
2 5 6 8 7 9
7 8 9 1 6
2 4 5 7 9
6 2 1 3
5 9 6 3 1
3 2 4 5 7
5 4 7 6 9 1
6 2
Ein Buchtipp von
der Buchhandlung
ocelot
Kirsten Fuchs und Cindy Schmid: Der Miesepups auf dem Mond. Voland & Quist 2020, 48 Seiten, 16,– €, ab 4 Jahren
• Beim Experimentieren nicht essen, nicht trinken und überhaupt
nichts in den Mund stecken!
• Forsche nur, wenn ein Erwachsener dabei ist.
• Feuer dürfen nur Erwachsene anzünden.
• Wasche dir nach dem Experimentieren gut die Hände.
Schwer oder leicht?
Ein Stein kann richtig schwer sein, ein Sandkorn ist ganz leicht. Was passiert
mit den beiden, wenn du sie ins Wasser wirfst?
Sand und Steine gehören zum Meer, kein
Problem also. Plastikmüll aber ist ein großes
Problem in unseren Ozeanen, zum Beispiel
weil Tiere ihn fressen und daran sterben können.
Auf der Meeresoberfläche, aber auch in
mehr als 8.000 Metern Tiefe haben Wissenschaftler
Reste von unseren Verpackungen
und anderem Plastik gefunden. Warum
schwimmen manche Stoffe und warum
sinken andere zum Meeresgrund?
© https://pixabay.com/de/photos/wasser-verschmutzt-kunststoff
Und wenn andere Flüssigkeiten ins Wasser
fließen? Öl aus kaputten Schiffen zum Beispiel.
Geht das unter? Oder bleibt es oben?
Oder mischt es sich mit dem Meerwasser?
© Clara Schaksmeier
Trotz schwieriger Zeiten atmet das MACHmit!
Museum weiter. Unsere kommende Ausstellung
Bücher sind Lebensmittel wächst und füllt
sich mit Leben. In der Galerie der Besten haben
schon einige Bücher ihren Platz gefunden und
stehen stolz im Regal. Aber da ist noch viel mehr
Platz. Deshalb brauchen wir deine Hilfe.
Schick uns den ersten Satz aus deinem
Lieblingsbuch und eine Zeichnung von
deiner Lieblingsheldin oder deinem
Lieblingshelden bis zum 30. April 2021 an:
Die Spurensuche nach den besten Büchern der Welt hat uns gezeigt, wie eine Detektivreise
à la Emil und die Detektive kribbelt. Mit Lupe und Notizblock in den Händen
sind wir losgezogen und haben erfahren, was mit den anderen Büchern passiert ist,
die Erich Kästner geschrieben hat. Davon werden wir in der neuen Ausstellung erzählen.
Welche Detektivgeschichten hast du geliebt und kannst du uns empfehlen?
Nach dem Motto »Wir bauen um – Was baut ihr?« warten Bastelsets vor unserer Tür
und MACHmit!-Werkstätten auf www.machmitmuseum.de auf dich. Komm vorbei,
Bauen tut gut und lässt die Zeit fliegen. Dann dauert es gar nicht mehr lange, bis wir
die Tür des Kindermuseums wieder aufschließen.
MACHmit! Museum für Kinder – Senefelderstraße 5, 10437 Berlin
030–74778 200 • info@machmitmuseum.de • www.machmitmuseum.de
Der Flüssigkeitenturm
Experiment für Kinder ab 5 Jahre
Das brauchst du:
• eine Flasche mit weitem Hals oder ein hohes, schmales Glas
(von passierten Tomaten oder Würstchen zum Beispiel) mit
Deckel
• roten Sirup oder flüssigen Honig, Speiseöl, Wasser
• Tinte oder blaue Lebensmittelfarbe
• viele unterschiedliche kleine Gegenstände (z. B. Büroklammer,
Holz- und Plastikperle, Weintraube, Nüsse, Glasmurmel,
Würfelzucker, Korken, Minitomate, Schraube, Eiswürfel ...)
Färbe das Wasser mit ein paar Tropfen Tinte oder Lebensmittelfarbe
hellblau.
Du hast nun drei Flüssigkeiten: Wasser, Öl und Sirup. Was ist
gleich? Was ist verschieden? Wie riechen sie? Wie fühlen sie sich
an? Schüttele mal vorsichtig die
verschlossenen Flaschen. Wie
bewegen sich die Flüssigkeiten?
Flaschenglas entlangläuft. Was
passiert? Und was wird wohl passieren,
wenn gleich das blaue Wasser
dazu kommt?
Gieße Wasser in die Flasche, bis sie
fast voll ist.
Nimm nun nacheinander deine
kleinen Gegenstände. Überlege,
bevor du sie in die Flasche fallen
lässt: Wie tief werden sie nach unten
sinken? Oder werden sie ganz
oben schwimmen? Und warum?
Fertig ist dein Flüssigkeitenturm!
Wenn dein Experiment ausreichend bewundert wurde, schütte
den Flascheninhalt bitte nicht in den Ausguss. Öl verschmutzt
das Abwasser und kann die Leitungen verkleben. Schraube deine
Flasche lieber fest zu und wirf sie in den Restmüll.
Text und Fotos: ScienceLab, Simone Lambert
Gieße soviel Sirup in deine
Glasflasche, dass sie knapp zu
einem Drittel gefüllt ist.
Als Zweites kommt das Öl,
etwa gleich viel. Gieße es ganz
vorsichtig auf den Sirup. Du
kannst die Flasche dazu schräg
halten, sodass das Öl innen am
Der ScienceLab e.V. ist eine unabhängige
und gemeinnützige
Bildungseinrichtung, die Kindern
die Grundlage für lebenslanges
und eigenständiges Lernen eröffnet. In unseren Forscherkursen,
Ferienprogrammen und bei Experimentiertagen
unterstützen wir Kinder auf ihrem Weg, Antworten auf ihre
Fragen aus Natur, Technik und Umwelt zu finden. Und bei
unseren Forschergeburtstagen sind Spannung und Spaß
garantiert!
www.science-lab.orgberlin@science-lab.org
mein/4
53
mein/4
Buchtipps
Diesmal aus der Buchhandlung ocelot
Die Unvorstellbarkeit kolonialistischer Gewalt
In einem abgeschiedenen Dorf im präkolonialen Kamerun
bricht eines Nachts ein verheerendes Feuer aus. Als sich
die in den Wald geflüchtete Dorfgemeinschaft
am nächsten Morgen
in der beinahe komplett zerstörten
Siedlung versammelt, muss sie bestürzt
feststellen, dass zwölf Männer
der Gemeinschaft, darunter deren
religiöser Führer, spurlos verschwunden
sind … Léonora Miano schildert
in ihrem mitreißenden Roman, wie
über eine Gesellschaft, die bisher in
glücklicher Isolation gelebt hat, von einem Tag auf den
anderen das absolut Unvorstellbare hereinbricht. Wenige
Romane haben für mich die grausamen Dimensionen kolonialistischer
Gewalt so unmittelbar erfahrbar gemacht
wie Zeit des Schattens. (Magda Birkmann)
Léonora Miano: Zeit des Schattens. Roman (aus dem
Französischen von Ina Pfitzner). w_orten & meer 2020,
256 Seiten, 14,– €
Deutschland ist nicht schwarz-weiß
Woher kommst du? Nein, ich meine: Woher kommst
du wirklich? Diese Frage kann als offenes Interesse an
der Herkunft einer anderen Person
gemeint sein. Und sie ist rassistisch.
Denn sie verweist darauf, dass Menschen
mit einer bestimmten äußerlichen
Erscheinung eben nicht wirklich
von hier kommen. Tun sie aber sehr
oft. Deutsche gibt es in allen Farben.
Diese im Grunde recht simple Logik
erklärt das Buch Dear Discrimination
des Netzkollektivs @wirmüsstenmalreden. Mit klaren
und einfachen Worten zeigt es verschiedene Formen von
Alltagsrassismus, erklärt Wörter wie „White Gaze“ oder
„Rosa Blase“ und wie wir diesem Blick und dieser Blase
entkommen können. Ein wichtiges Buch zur richtigen
Zeit. (Ludwig Lohmann)
Netzkollektiv @wirmüsstenmalreden: Dear Discrimination.
Ein Mitmachbuch zur antirassistischen Weiterbildung.
Mikrotext 2020, 190 Seiten, 14,99 €
Schauerliche Geschichten mit
feministischem Furor
Die Erzählungen der kanadischen Autorin wirken wundersam
rätselhaft und verführerisch doppelbödig. Und
sie werden von herrlich skurrilem Personal
bevölkert, das noch lange im
Gedächtnis bleibt. In Grudovas Geschichten
können Körperhüllen durch
Reißverschlüsse verlassen werden,
Meerjungfrauen leben unerkannt
unter den Menschen, Männer haben
zur Hälfte einen Spinnenleib und alleinerziehende
Mütter verwandeln
sich des Nachts in Wölfinnen. Was
erstmal märchenhaft viktorianisch
und grotesk wirkt, entblättert seine gesellschaftskritische
Aktualität erst allmählich. Wenn beim Lesen dann nach
und nach die feinen feministischen Bezüge in diesem
magischen Realismus bewusst werden, will man sofort
nochmal zurückblättern und mit großem Genuss von
vorn beginnen. (Maria-Christina Piwowarski)
Camilla Grudova: Das Alphabet der Puppen,
Erzählungen (aus dem Englischen von Zoë Beck),
CulturBooks 2020, 195 Seiten, 20,– €
Die großzügige Buchhandlung in Berlin-Mitte, direkt gegenüber dem Weinbergspark,
präsentiert eine wohl überlegte Auswahl an Büchern, die das Lesen schöner
machen. Ihr Anspruch ist es, immer das richtige Buch an den Menschen zu bringen,
mit einem Schwerpunkt auf guter Belletristik und besonderen Kinderbüchern. Ob
als gebundenes Buch oder auf dem E-Reader, das Team von ocelot versteht sich als
Literaturvermittler. Selbst das Genre wird nebensächlich, wenn der Text den Geist
befeuert oder besonders schön gestaltete Editionen den Händen schmeicheln. Die
Buchhandlung ocelot gestaltet ihr Sortiment mit viel Begeisterung und schätzt vor
allem die weniger bekannten Perlen, oft auch aus unabhängigen Verlagen.
Buchhandlung
ocelot
© Maria-Christina Piwowarski
54 mein/4
mein/4
Leserbriefe
Bitte sendet uns
eure Leserbriefe an:
leserbriefe@meinviertel.berlin
oder per Post:
Mein/4
Schönhauser Allee 52
10437 Berlin
Wir lieben den Dialog mit euch! Schreibt uns Leserbriefe,
wenn ihr etwas zu einer Ausgabe auf dem Herzen habt.
Mode Berlin „Die Große Freiheit“
Werte Redakteure des Stadtmagazins,
in Ihrem Artikel über Mode aus und in Berlin „Die große
Freiheit“ unternehmen Sie einen Kurzausflug in die Geschichte,
und da man selbst einen kurzen Ausflug genießen
möchte, lässt man ihn sich ungern verderben. Dieser
mentale Ausflug beginnt mit der Bewunderung von Herrmann
Gerson, „der zum Hofschneider vieler Adeliger in
ganz Europa wurde.“ Mit und nach ihm entwickelte sich
der „Berliner Chic“, der „im ersten Kaufhaus Berlins Konfektionsware
anbot“ usw.
Doch dann: „Der Zweite Weltkrieg zerstörte den Aufschwung
der deutschen Textilwirtschaft jäh, auch und
besonders […] weil die Hälfte aller Betriebe jüdisch war.
Durch diese Zäsur wurde die Berliner Mode international
bedeutungslos …“ Soweit Auszüge aus dem Artikel. Eine
Zäsur! Besonders weil ...?
Dass Herrmann Gerson Jude war. Egal. Dass die großen
Kaufhäuser jüdische Gründungen waren. Was tut’s zur Sache?
Und was ist in dieser Zeit sonst noch so Schreckliches
passiert? Außer dieser „Zäsur“? Wieder zu Hause feiert man
seine Stadt, „in der es eine große Freiheitstradition gibt und
in der die Vielfalt die Norm ist“. Darauf einen Dujardin!
Ein klein wenig Recherche, das Internet täte es womöglich
schon, oder gar die Lektüre des Buches „Modemetropole
Berlin“ von Uwe Westphal hätte in diesem Artikel womöglich
zur Berücksichtigung dessen geführt, was der Untertitel
dieses Werkes feststellt: „1936–1939 Entstehung und Zerstörung
der jüdischen Konfektionshäuser“. Wie ist es nur
möglich, dass hier und heute solch geschichtsvergessene
Aussagen veröffentlicht werden können? …
Sehr geehrter Herr R.,
H. R.
vielen Dank für Ihre ausführliche und konstruktive Kritik.
Unsere Sonderseiten zum Thema Mode beginnen mit
einem ausführlichen Artikel zur Geschichte der Berliner
Modebranche, geschrieben von Marc Lippuner, in der die
Rolle der jüdischen Unternehmer für die Konfektionsindustrie
sowie die Zerstörung des Industriezweigs durch
die Nationalsozialisten ausführlich beschrieben wird. Hier
gibt es auch einen Literaturhinweis zu dem von Ihnen empfohlenen
Westphal-Buch. Ausgehend von diesem Artikel
waren wir der Ansicht, dass die Historie in weiter hinten
➥
platzierten Beiträgen bewusst kurzgehalten werden sollte.
Wir sind davon ausgegangen, dass der geneigte Leser
dies erkennt und im Kontext sieht. Es lag nicht in unserer
Absicht und sicher auch nicht in der von Alex Bohn, der
Autorin von „Die große Freiheit“, die schrecklichen Ereignisse
ab 1933 zu bagatellisieren.
Wir leiten Ihre Kritik an Frau Bohn weiter und werden
den Onlineartikel mit ihr an den entsprechenden Stellen
kritisch überprüfen und an dieser Stelle in jedem Fall einen
Querverweis zu Marc Lippuners Auftaktbeitrag „Kurze
Geschichte der Berliner Modebranche“ verlinken.
Vielen Dank noch einmal für Ihre Mühe.
Wir wünschen Ihnen eine schöne Adventszeit.
Mit freundlichen Grüßen,
Sehr geehrter Herr Beeth,
Markus Beeth
ich gestehe, ich hatte zuerst nur in mein/4 herumgeblättert,
wie man es eben bei einem noch unbekannten Druckerzeugnis
tut und bin genau bei diesem Artikel und an
dieser Stelle hängen geblieben. Ein Querverweis an dieser
von mir als unausgegoren empfundenen Stelle wird wohl
nicht ausreichen, die Autorin sollte sie klarer formulieren,
Ungenauigkeiten führen notwendigerweise zu Missverständnissen.
Inzwischen habe ich mir die Zeit genommen, weiter in
mein/4 zu lesen und freue mich über diese neue Stimme
im unübersichtlichen Blätterwald. Die erste „Ehrenrettung“
war dann für mich (nicht alleine) das Gespräch mit Pierre
Sanoussi-Bliss. Wunderbar, wie dort ohne erhobenen Zeigefinger
und ohne zu moralisieren das Problem Rassismus
behandelt wird.
Zum Schluss möchte ich noch eine Anmerkung loswerden:
Die Gestaltung Ihres Magazins macht die Zeitung
an manchen Stellen etwas schwer lesbar, so auch die des
Artikels von Frau Bohn (was nicht ihr zuzurechnen ist). …
Ich bedanke mich für Ihre schnelle und freundliche Antwort
und hoffe, mein/4 wiederzufinden, ich weiß leider nicht
mehr, wo genau sie mir beim Einkauf ins Auge gefallen ist
und ich sie mitgenommen habe. Auf jeden Fall werde ich
sie mir online anschauen, obwohl sie mir gedruckt lieber ist.
Mit freundlichen Grüßen und bleiben Sie
und Ihre Redaktion gesund
➥
H. R.
mein/4
55
mein/4
Vorschau
IMPRESSUM
Chefredaktion Markus Beeth
Herausgeberin / Geschäftsführerin
Beate Beeth
mein/4 UG
Schönhauser Allee 52, 10437 Berlin
Matthias Matschke
Wir treffen den Schauspieler mit den 1.000 Gesichtern
in seinem Kiez in Berlin-Mitte. Über die Lust an Berlin,
schwarzen Humor und die Weigerung in eine Schublade
zu passen.
Foto: Alexander Hörbe
Redaktionelle Mitarbeit
Beate Beeth, Markus Beeth, Lutz Müller-Bohlen,
Franziska Hauser, Marc Lippuner, Andreas Langholz,
Wladimir Kaminer, Ilja Richter, Bärbel Stolz, Jens Wazel,
Chin Meyer, Hans-Jürgen Schatz, Silke Schuster
Verlag & Redaktion | mein/4
mein/4 UG
Schönhauser Allee 52, 10437 Berlin
redaktion@meinviertel.berlin
Tel.: 030 818 914 60
www.meinviertel.berlin
www.facebook.com/mein4tel
www.youtube.com/mein/4 TV
www.instagram.com/mein4tel
www.twitter.com/BerlinMein
Mediadaten
www.meinviertel.berlin/mediadaten
Ressort Kultur
Marc Lippuner | kultur@meinviertel.berlin
25
26
7 6 9 2 3 4 1 8 5 8 5 3 6 7 1 9 2 4
3 4 5 7 1 8 2 6 9 6 2 1 8 4 9 7 3 5
2 8 1 6 9 5 3 4 7 4 9 7 5 2 3 8 6 1
Kai 9 7Wegner, 2 3 8 1 CDU-Landesvorsitzender 4 5 6 5 3 4 9 1 7 Berlin 6 8 2
4 5 3 9 7 6 8 1 2 2 8 9 3 6 4 1 5 7
„Ich will Regierender Bürgermeister werden“ – Wir sprachen
6 1 8 5 4 2 9 7 3 7 1 6 2 5 8 3 4 9
1 3
über
6 4
Ziele
2 7
und
5 9
Versäumnisse
8 1 6
der
2 7
Vergangenheit.
8 5 4 9 3
5 2 4 8 6 9 7 3 1 3 4 5 1 9 6 2 7 8
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6 2 8 5 4 1 7 9 3
7 1 5 3 9 2 4 6 8
3 9 4 8 7 6 2 1 5
8 3 2 6 5 7 1 4 9
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9 4 7 1 8 3 5 2 6
Foto: CDU Bundestag
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1 8 7 6 3 9 2 5 4
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5 9 4 7 8 2 6 3 1
4 3 1 5 7 8 9 6 2
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8 4 2 3 9 6 1 7 5
9 1 3 2 5 7 4 8 6
Anzeigengestaltung
fgl-werketage
Rüdiger Serinek
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Tel: 030 437 358 72
6 9 3 1 7 4 5 8 2 6 2 7 1 5 3 8 4 9
anzeigengestaltung@meinviertel.berlin
1 5 8 3 6 2 4 7 9 4 8 3 2 9 7 6 1 5
Satz,
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Layout
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Design
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Rüdiger 9 6 5Serinek, 2 8 3fgl-werketage.de
7 1 4 7 6 8 3 2 5 4 9 1
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Lektorat 8 4 7 6 9 1 2 3 5 3 4 2 9 7 1 5 8 6
Silke 5 2Schuster, 9 8 3 wortschusterei.de
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7 3 1 4 2 6 9 5 8 2 9 6 4 1 8 3 5 7
Online 4 8 6 5 1 9 3 2 7 8 3 5 7 6 9 1 2 4
grafik@meinviertel.berlin
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© 4Titelfotos 5 8 9 und 3 7Kultur/4
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Pavol 6 9Putnoki, 7 4 2putnoki.photo
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1 2 3 5 8 6 9 4 7 2 8 6 3 5 4 1 7 9
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche
Genehmigung des Verlags vervielfältigt oder verbreitet werden.
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Unter
8 7dieses 5 1Verbot 6 3fällt 4insbesondere 2 9
die gewerbliche
1 7 9 4Vervielfälti-
gung 2 6per 1Kopie, 7 4die 9Aufnahme 5 3 8über elektronische 6 5 Datenträger 4 9 3 8und
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2 6 3 8 5
die 7 Vervielfältigung 4 6 2 1 5auf 8elektronischen 9 3 Datenträgern. 7 4 5 Für 1 unverlangt 6 3 2 9 8
eingeschickte
5 8 9 3
Manuskripte,
7 4 2 1Fotos 6
und Illustrationen
9 1 8übernehmen 7 4 2 5wir
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keine Gewähr.
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Bei Kunst & Kultur den
Durchblick behalten!
schauen
staunen
vorinformieren
Bötzowstraße 27
10407 Berlin-Prenzlauer Berg
www.augenoptik-in-berlin.de
Mo. bis Fr. 10–19 Uhr, Sa. 10–16 Uhr
Telefon: 030 49 78 03 21
Bei Kultur & Kunst den
Durchblick behalten!
schauen
staunen
vorinformieren
Bötzowstraße 27
10407 Berlin-Prenzlauer Berg
www.augenoptik-in-berlin.de
Mo. bis Fr. 10–19 Uhr, Sa. 10–16 Uhr
Telefon: 030 49 78 03 21
Kultur macht den Menschen
Eine neue Petition zum Schutz von Kunst, Künstlern und Kultur
„Mir fehlt die selbstverständliche Verankerung der Kultur in der
Mitte der Gesellschaft“, sagt Kathrin Schülein, Leiterin des Theater
Adlershof in Berlins größtem Bezirk Treptow-Köpenick. Sie ist
Teil eines ehrenamtlich agierenden Teams, das Mitte Dezember
die Petition Kultur ins Grundgesetz ins Leben gerufen hat.
Die Forderungen:
• Den Schutz von Kunst und Kultur als Grundrecht im Grundgesetz
zu verankern.
• Das Recht auf unbeschränkte Teilhabe aller Bürgerinnen
und Bürger am kulturellen Leben und an kultureller Bildung
als Grundrecht im Grundgesetz zu verbriefen.
• Langfristige, stabile Sicherungsinstrumente für Kunst- und
Kulturschaffende zu etablieren sowie ein auf sie zugeschnittenes
gesetzliches Regelwerk zu schaffen, das sie vor unverschuldeten
Verdienstausfällen schützt.
In der Vergangenheit gab es schon einige Bestrebungen mit ähnlichem
Ziel. Im Unterschied dazu strebt diese Petition jedoch an,
das Recht auf Kunst und Kultur nicht als sogenanntes Staatsziel
anzusiedeln, sondern juristisch als solideres „Grundrecht“. Im
Grundgesetz ist bislang die Freiheit der Kunst festgeschrieben
und Kulturförderung wird als freiwillige Aufgabe der Länder und
Kommunen betrachtet.
Es geht der Initiative aber nicht nur um den grundsätzlichen
Stellenwert von Kultur, sie vertritt auch die Auffassung,
dass Kulturgenuss unterschiedslos für jedefrau und jedermann
zugänglich sein muss und der Besuch einer Opernvorstellung
nie eine Frage des Portemonnaies sein dürfe.
Wim Wenders und viele andere namhafte Künstlerinnen und
Künstler wie Liedermacher Konstantin Wecker, Schriftstellerin
Marion Brasch, Sebastian Krumbiegel von den Prinzen, Jazztrompeter
und Fotograf Till Brönner, die Intendantin des Maxim
Gorki Theaters Shermin Langhoff, die Regisseure Pepe und Didi
Danquart, Ulrike Kriener alias Kommissarin Lucas gehören zu
den Unterzeichnern dieses Anliegens.
Bis Ende Januar verzeichnete die Petition
rund 20.000 Unterschriften, mit einem Ziel
von 50.000 Unterschriften bis Juni 2021.
Fotos: Christian Schoppe / Roba Images, Valeska Holschen, sandraludewigofficial, RJ Muna, Ferdinando Godenzi, Yan Revazov, Privat
Infobox
Webseite: www.kulturinsgrundgesetz.de
Petition: www.openpetition.de/petition/online/kultur-ins-grundgesetz
Die Autorin Bettina Ullmann gehört zu den UnterstützerInnen der Petition.
Redaktion: Jens Wazel
PETITION – Kultur ins Grundgesetz
36
meinviertel – Kultur Spezial
der Tourismusverein Berlin-Pankow e. V.
auch in Eigenregie das Tourist Information
Center (TIC) Berlin Prenzlauer Berg
in der Kulturbrauerei – optimaler Ausgangspunkt
für ein individuelles Berlin-
Besuchsprogramm.
Die Verbindung zwischen Tourismus
und Kultur spiegelt sich in den Kooperationsprojekten
des Vereins wider. So
organisierte er den Tourismusstammtisch
Tourismus & Kultur – Kultur & Tourismus,
unterstützte das artspring Kunstfestival
sowie den Pankower Wirtschaftstag Pankow
macht Musik – Auch morgen noch?.
Politische Lobbyarbeit gehört genauso
zum Auftrag des Vereins wie Beratung
und Weiterbildungen. Ein monatlicher
Newsletter hält alle Bezirksbegeisterten
auf dem Laufenden.
Damit Visionen dieser Art mit Leben gefüllt
und am Leben erhalten werden können,
braucht es Engagement, Manpower,
Austausch und einen respektvollen
Umgang auf Augenhöhe. Deshalb ist der
Tourismusverein Berlin-Pankow e. V. auf
der Suche nach interessierten Partnern
und Mitgliedern aus Kunst und Kultur, aus
Einzelhandel und Gastronomie. Kulturschaffende
sowie selbstständige Unternehmerinnen
und Unternehmer aus allen
anderen Bezirken sind ebenso willkommen,
denn die Herausforderungen ähneln
sich, und von dem Erfahrungsaustausch
über die Bezirksgrenzen hinaus profitieren
alle Seiten. In der Corona-Krise verzichtet
der Verein auf Aufnahmegebühren
und bietet vergünstigte Beiträge an.
Interessiert? Dann schaut auf der Website
vorbei und nehmt Kontakt auf! ■
Infobox
Tourismusverein Berlin-Pankow e. V.
www.tourismuspankow.berlin
TIC Berlin Prenzlauer Berg
www.pankow-weissenseeprenzlauerberg.berlin/de
TOURISMUSVEREIN Berlin-Pankow e.V.
Der Bezirk Pankow im Berliner Nordosten
steht für gemütliche Kieze, lockt in
normalen Zeiten mit kleinen wie großen
Kulturevents und bietet grüne Zonen
genauso wie quirlige Straßenzüge. Hier
pulsierte vor Corona noch das Leben,
zurzeit findet hier auch vermehrt Ruhe,
wer eigentlich keine sucht.
Nach der auferlegten Atempause
durch die Pandemie wird der vielfältige
Bezirk wieder seine Lebendigkeit
entfalten.
Seit mehr als 25 Jahren schlägt der Tourismusverein
Berlin-Pankow e. V. eine
Brücke zwischen Tourismus, Kultur, Läden
und Gastronomie. Das eine hängt
vom anderen ab, sie alle bedingen einander:
Die Touristen beleben die Stadt
und genießen die einzigarten Kultur- und
Einzelhandelsangebote Pankows. Umgekehrt
leben die Kulturschaffenden sowie
die Einzelhändlerinnen und -händler des
Bezirks in hohem Maße von den Gästen,
die hoffentlich in absehbarer Zukunft
wieder die Kulturhauptstadt besuchen
können.
Um seinen Zielen die nötige Power zu verleihen,
ist der Verein in ein starkes Netzwerk
vor Ort eingebunden und pflegt enge
Kontakte in die Pankower Kultur- und
Tourismusbranche. Erst in dieser Verbundenheit
und zusammen mit den Berlinerinnen
und Berlinern erwachsen eine
Gemeinschaft und ein lebenswertes Miteinander.
Aus Liebe zum Bezirk, zur Kultur
und zu seinen Berlinbesuchern betreibt
34
meinviertel – Kultur Spezial
Fotos: © Jens Wazel
Infobox
#AlarmstufeRot
www.alarmstuferot.org
Bereich fallen nämlich nicht wenige durchs
Raster. Bei den Richtlinien wird mitunter
bestraft, wer sich in der Krise als kreativ
erweist. „Die Sachen sind teilweise nicht
aufeinander abgestimmt“, fasst Fery für uns
zusammen. Auch wenn er grundsätzlich ein
hohes Verständnis seitens der Politik wahrnimmt,
trifft es die Veranstaltungsbranche
hart: „Es ist teilweise wirklich schlimm. Hätten
#AlarmstufeRot und die Verbände nicht
so einen Druck gemacht was die ersten
Formulierungen der Novemberhilfe angeht,
hätten wir nicht einen Cent bekommen!“
Wird die Veranstaltungsbranche von
einer Pleitewelle überrollt?
In der Krise kursiert immer häufiger das
Wort „Pleitewelle“. Wie sind die Prognosen
für die am stärksten betroffene Branche,
die von so was wie Normalität meilenweit
entfernt ist? Marcel Fery ist deutlich: Er
rechnet mit einer Pleitewelle Ende dieses
Jahres, Anfang nächsten Jahres. Seine Einschätzung:
„Wir werden im Laufe dieses
Jahres für die Veranstaltungswirtschaft keine
Normalität bekommen. Auch im nächsten
Jahr nicht. Deswegen muss es meiner
Meinung nach für besonders betroffene
Unternehmen die Möglichkeit geben, noch
länger Kurzarbeit zu beantragen.“ Denn
sollte im Winter 2021/2022 eine weitere
Viruswelle anrollen und keine Kurzarbeit
möglich sein, wird sich diese Welle wie ein
Tsunami auswirken: Mitarbeitende könnten
entlassen werden und Firmen reihenweise
pleitegehen.
Was, wenn die Angst bleibt?
Der Glaube scheint weitverbreitet, dass wir
noch ein bisschen durchhalten und ordentlich
impfen müssen und dann der Virus verschwindet.
Doch was, wenn er bleibt? Oder
Escapemutationen auftauchen? Und damit
die Angst vor einer (erneuten) Infizierung?
Angst kann unser Leben retten, sie kann
aber auch übersteigerte Ausmaße annehmen.
Marcel Fery beobachtet besorgt die
Art, wie in der Corona-Krise Politik gemacht
werde, gesteuert nämlich durch Angst: „Es
ist zwar nachvollziehbar, aber ich glaube,
es wird enorm schwer, diese Angst wieder
aus den Köpfen herauszubekommen. Ich
würde auch nicht ausschließen, dass manche
Menschen aus Angst nie wieder auf ein
Konzert oder in einen Club gehen werden.“
Trotz dieser Sorgen überwiegt bei ihm die
Zuversicht – dass die Menschen darauf
brennen, wieder ins Theater gehen und
gemeinsam Konzerte erleben zu können.
■
Demonstration
zur Rettung der
Veranstaltungsbranche in
Berlin am 28.10.2020
BÜNDNIS – #AlarmstufeRot
Für die Veranstaltungswirtschaft steht
die Ampel längst auf Rot, der sechstgrößte
Wirtschaftszweig Deutschlands
ist am Verkümmern. Das Bündnis #AlarmstufeRot
setzt sich für das Überleben der
deutschen Veranstaltungswirtschaft ein.
Es entstand auf Initiative von Tom Koperek
und geht zurück auf die erste Protestaktion
Night of Lights 2020, bei der
mehr als 9.000 Bauwerke in rotes Licht
getaucht waren. Marcel Fery ist Managing
Director bei dem 1998 gegründeten
Full-Service-Eventdienstleister TSE und
Gründungsmitglied von #AlarmstufeRot.
Wir warfen einen Blick hinter die Kulissen
und sprachen mit Marcel Fery über seine
Hoffnungen und Sorgen.
So streng das Hygienekonzept bei der
ersten Demo war, so frustrierend gestaltete
sich die Suche nach prominenter
Unterstützung. Herbert Grönemeyer
allerdings hielt eine Rede, die unter die
Haut ging. „Die Zuschauer sind unser
Adrenalin, unser Lebenssinn, unsere Lebensversicherung,
und ich glaube, das
ist umgekehrt genauso. Dazu brauchen
wir, um wieder an- und aufzutreten, Abertausende
von helfenden Händen. Ohne
die Menschen, die Crews, die Armadas
von Technikern, Aufbauhelfern, Caterern,
Toningenieuren, Roadies, Truckern, Busfahrern,
Veranstaltern und Clubbesitzern
sind wir Künstler hilf- und glanzlos“, mit
diesen Worten sorgte der Musiker nicht
nur für Gänsehaut, sondern gab der Bewegung
auch einen ordentlichen Schub.
Beim zweiten Mal war die Riege an Prominenten
deutlich gewachsen.
Kann das Bündnis eine Großbranche
bewegen?
„Die Aktion hat sehr viel gebracht. Sie hat
zu einem gewissen Zusammenschluss in
der Branche geführt, die an sich sehr zersplittert
ist. Man hat sich kennengelernt,
man hat miteinander geredet und man
hat mehr Verständnis füreinander aufgebracht“,
erklärt Marcel Fery. Schließlich
habe die Branche selbst begriffen, wie
wichtig sie ist. Kaum einem sei das vorher
bewusst gewesen, auch der Politik nicht,
betont Fery: „Jede zweite Hotelübernachtung
in Berlin ist veranstaltungsbasiert, ob
es nun eine Messe ist, ein Theaterbesuch
oder ein Großevent. Die Veranstaltungsbranche
ist wirklich richtig relevant.“ Der
Bewegung #AlarmstufeRot ist es also gelungen,
auf sich aufmerksam zu machen
und die immense Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges
ins Bewusstsein der Politik
zu rücken.
Lässt sich die Branche finanziell
retten?
Die Hilfsmittel für die Branche sollen von
4 Mio. auf 12 Mio. hochgeschraubt werden.
„Damit rettet man auch die großen Firmen“,
so Fery, „das riesige Problem ist, dass alles,
was du bekommst, noch gar nicht da
ist. Überbrückungshilfe I haben jetzt viele
bekommen, Überbrückungshilfe II viele
noch nicht. Auch die November- und Dezemberhilfe
ist bislang kaum angekommen.
Überbrückungshilfe III soll eigentlich seit
November greifen. Dazu gibt‘s noch nicht
mal die FAQ und Regeln.“ Er bemängelt
außerdem, dass sich die Richtlinien oft
ändern: „Selbst wenn du es hast, weißt du
nicht, ob du es behalten darfst. Viele haben
Überbrückungshilfe II beantragt und
zwei Wochen vor Ende dieses Programms
haben sie die Vorschriften diesbezüglich
geändert: Nun brauchst du zwingend Verluste,
um überhaupt was zu bekommen.
Das stand nur vorher nirgendwo oder war
nicht deutlich zu erkennen.“ Da kann das
Problem gleich zur Katastrophe werden.
Denn wer Gelder beantragt, bekommen
und genutzt hat – sprich, ausgegeben hat –
muss diese im Zweifelsfall zurückzahlen,
obwohl er nichts mehr hat. Thema unseres
Gesprächs sind auch die Ungerechtigkeiten,
die Soloselbstständige betreffen. In diesem
32
meinviertel – Kultur Spezial
Das Universum hat immer
geöffnet. Wir bringen den
Kosmos regelmäßig in die
heimischen Wohnzimmer
– per Livestream aus dem
Planetariumssaal des Zeiss-
Großplanetariums.
#wirsindnichtallein
www.planetarium.berlin
www.youtube.com/stiftungplanetariumberlin
© SPB / Foto: N. Toczek
Infobox
Skip Pahler
Maler, Bildhauer, Grafiker
www.skip-pahler.de
Eymelt Sehmer und Ólafur Örn
Arnarson
Fotografie (u. a. mit alter, analoger
Fototechnik)
www.arnarson-sehmer.art
Begreifen drinstecken. Gerade bei skulpturaler
Kunst ist das Anfassbare ganz
wesentlich. Das ist Sinnlichkeit. Und das
geht letztlich nur in einer Ausstellung.“ Die
pure Sinnlichkeit des Kunsterlebens geht
in der Corona-Zeit völlig verloren. Auch
der Dialog zwischen Betrachtenden und
Kunstschaffenden fehlt. „Ich will von den
Besuchern wissen, was sie über ein Bild
denken. Sie sollen mir sagen, was sie empfinden.
Damit ich weiß, was ich da gemalt
habe. Ein solches Gespräch ist unendlich
wichtig. Das gehört einfach zu unserem
Beruf dazu. Ob daraus ein Verkauf entsteht,
das ist nicht unbedingt gesagt. Du
hast als Künstler ja nicht bloß die Aufgabe,
wie der Fleischer seine Wurst loszuwerden,
sondern du willst auch immer etwas
vermitteln“, betont Skip Pahler. Es braucht
Ausstellungen und Tage der offenen Tür,
denn einfach so betreten die wenigsten
Menschen ein Atelier: „Die meisten Menschen
kennen ein Atelier von innen überhaupt
nicht. Da sie es aber nicht kennen,
wissen sie gar nicht: Wie entsteht Kunst
überhaupt?“ Letztlich lebt die Kunst also
von der Atmosphäre einer Galerie. Hoffen
wir, dass auch in der Ateliergemeinschaft
möglichst bald wieder so etwas wie Normalität
einkehren kann. ■
STREAM ME UP,
SCOTTY!
ATELIERGEMEINSCHAFT – Skip Pahler
In der Ateliergemeinschaft im Steinmetzhof
geht es sinnlich zu, denn an diesem Ort
entstehen Kunstwerke. Greifbar wird Kunst
erst in Ausstellungen – doch die entfallen
in der Corona-Krise. Und damit geht etwas
ganz Essenzielles verloren: die Sinnlichkeit
der Kunst und der persönliche Dialog.
Wir unterhielten uns mit Skip Pahler und
seinen Künstlerkollegen Eymelt Sehmer
und Ólafur Örn Arnarson.
Die Phase zwischen den beiden Lockdowns
hat die Ateliergemeinschaft für Ausstellungen
genutzt. Aber mit den vielen Vorgaben
– Maske aufziehen, Abstand halten, Namen
aufschreiben – hat das Ganze einen komischen
Beigeschmack bekommen. Auch die
Besucherzahlen waren deutlich verhalten.
Künstlerinnen und Künstler wissen nie, ob
sie bei einer Ausstellung etwas verkaufen
oder nicht. Doch ohne Ausstellung besteht
gar nicht erst die Chance, etwas zu verkaufen.
Zurzeit ist es für die Künstlerinnen und
Künstler der Ateliergemeinschaft eine Frage
der Motivation: neue Bilder malen, Geld
ausgeben – aber nicht wissen, ob und wann
das je wieder reinkommt, das macht mürbe.
Außer der Soforthilfe haben sie keine
Gelder beantragt, weil sie alle auch noch
andere Jobs haben und Skip Pahler seine
Rente: „Die ist grandios. Sie steigt auch immer
mal um 20 Cent oder einen Euro“, sagt
er schmunzelnd.
Im Internet kann Kunst kein Gefühl
vermitteln
Fotografin Eymelt Sehmer ist wie ihre
Kollegen der Überzeugung: „Das Internet
ersetzt niemals dieses Erlebnis, durch eine
Ausstellung zu gehen, sich ein Bild real anzugucken,
die Textur zu erkennen. Auch
das persönliche Gespräch mit der Künstlerin
oder dem Künstler fällt weg.“ Im Internet
kann Kunst niemals das Gefühl vermitteln,
das sie in der Realität beim Betrachtenden
hervorruft. „Das Internet ist einfach totes
Material. Da kann ich das Ganze auch im
Fernsehen bringen, da kann man es noch
spannender machen. Du hast doch gar
kein Gefühl für ein Bild oder eine Skulptur.
Du kannst sie nicht berühren, du kannst
nicht mal mit dem Handrücken drübergehen
und die Oberfläche fühlen. Im Internet
siehst du nur die nackte Abbildung“, macht
Skip Pahler den Unterschied deutlich. Die
Internetseiten und die Social-Media-Profile
der Künstlergemeinschaft laden insofern
zwar zu einem Rundgang ein, können aber
trotzdem nichts weiter als ein Eindruck
sein.
Deshalb wird ein reiner Verkauf über das
Internet auch nicht erfolgversprechend
sein. Eymelt Sehmer fasst zusammen: „Die
Leute, die etwas von mir gekauft haben,
haben das in erster Linie gekauft, weil sie
den persönlichen Kontakt hatten und das
Bild in echt gesehen haben. Ich würde sagen,
dass der Onlineauftritt unterstützend
wirkt, aber ein reiner Verkauf ist über diesen
Kanal nicht möglich.“
Kunst bedeutet Sinnlichkeit
„Kunst ist sinnlich. Und sinnlich bedeutet
auch Anfassen, Berühren, Begreifen.
Mit allen Sinnen eben, die in dem Wort
30
meinviertel – Kultur Spezial
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Laura la Risa – Tänzerin, Choreografin, Pädagogin, Clownin
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KünsterHilfeJetzt!
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kocht, Masken genäht und Taschen hergestellt,
um sie gegen eine Spende abzugeben.“
Ihre Miete und ihren Lebensunterhalt hat
sie dadurch nicht bestreiten können. „Ich
habe Außenstände von über 5.000 Euro
im Monat“, gibt sie offen zu, „da kann man
sich ausrechnen, dass ich inzwischen hoch
verschuldet bin.“
Neben den großen finanziellen Sorgen sind
die psychischen Belastungen enorm. Die
sonst so fitte, rührige und stressresistente
57-Jährige hat wegen der Corona-Krise gesundheitliche
Probleme bekommen. „Was
soll ich tun?“, fragt sie sich. Die Dramatik
der Situation ist unverkennbar: „Ich habe
Kollegen, die sich umgebracht haben, die
sich wochenlang besaufen oder mit Depressionen
im Bett liegen.“ Wer ihr vorschlägt
doch einfach die Schule zu schließen, dem
schlägt Fassungslosigkeit entgegen: „Da
stecken 30 Jahre Arbeit drin! Ich bin ausgebildete
Tänzerin, Choreografin und Pädagogin.
Ich habe drei Berufe und das ist jetzt
alles bedeutungslos?“
Mit der KünstlerHilfeJetzt! gegen die
Not der Künstlerszene
Laura la Risa gehört zu den Gründern der
Initiative KünstlerHilfeJetzt!, die sich die
Rettung der freien Kulturszene auf die
Fahnen geschrieben haben. „Momentan
sind wir samstags unterwegs. Wir machen
lustige Auftritte im Freien“, für la Risa ist
das eine Win-win-Situation: „Die Leute
freuen sich so. Es wird gelacht, gestaunt
und gewunken. Und wir brauchen es aufzutreten.“
■
TÄNZERIN – Laura La Risa
In unserem bewegenden Gespräch mit der
Solokünstlerin und freiberuflichen Tänzerin
Laura la Risa kommen wir nicht umhin festzustellen,
dass sich ihr Leben zweiteilt: in die
Zeit vor Corona und die Zeit seit Corona. Die
Tanzstudio-Inhaberin bereichert bereits seit
den 80er Jahren die Berliner Kulturszene.
Was dank Corona und dem Umgang mit der
Krise bleibt sind Schulden, Zukunftsängste
und Depressionen.
25 Jahre lang hat Laura la Risa beim Karneval
der Kulturen mitgewirkt. Sie war nicht
nur in der Jury, sondern hatte auch einen
Wagen. 2003 gründete sie La Vasca Flamenca
e. V., einen Verein zur Förderung der
Flamencokultur. Zwei Jahre später baute
sie an einem traditionsreichen Ort ihr Tanzstudio
aus, das auch eine Begegnungsstätte
und ein Platz zum Feiern wurde. „Als ich das
übernommen habe, war es einfach ein ausgebrannter,
leerer Raum mit Betonboden
und ohne Wände. Ich habe einen Kredit aufgenommen,
den ich Ende 2019 abbezahlt
habe“, erzählt sie uns.
Laura la Risa engagiert sich seit vielen Jahren
in der Inklusion. Unter anderem leitet sie
eine Gruppe von Menschen mit geistigen
und psychischen Behinderungen. Sie lernen
Flamenco und spielen mit Rhythmus: „Meine
Aufgabe war es, den Menschen den Spaß
an anderen Dingen zu vermitteln. Flamenco
ist Rhythmus, ist Gesang und alles Mögliche.
Du kannst über den Flamenco ganz viel erreichen,
auch bei dir selbst.“ Die umtriebige
Tanzlehrerin hat auch mit inhaftierten und
straffällig gewordenen Frauen gearbeitet.
Ein Flüchtlingsprojekt gehörte ebenso zu
ihrem Engagement für die Menschen.
Seit Corona das Leben bestimmt
Wo einst Hunderte Menschen tanzten, wo
es neben Flamenco auch Ballett, Salsa und
Hip-Hop gab, schwingt derzeit niemand
mehr das Tanzbein. Praktisch seit Mitte
März ist Laura la Risa mit ihrer Veranstaltungslocation
im Lockdown. „Zwischen den
Lockdowns durften nur vier Leute im Raum
sein. Meine Nachbarn achten sehr aufmerksam
darauf, ob hier Leute im Studio sind.
Sonst schicken sie mir das Ordnungsamt
vorbei.“ Alle Kooperationen wurden abgesagt
und liegen bis heute auf Eis. „Im Juni
habe ich noch einen Kurstermin veranstaltet,
mit all den Vorgaben. Von den 67 Leuten
kamen aber aus Angst nur sechs“, damit
reiht sich la Risa ein in die Schilderungen der
anderen Veranstalter, die über verhaltene
Besucherzahlen im Sommer berichten.
In der Tanzschule waren 13 Honorarkräfte
beschäftigt, keiner von ihnen hat mehr
einen Job. Ein großer Teil der Tanzschüler
hat mittlerweile gekündigt. Laura la Risa ist
traurig: „18 Jahre lang habe ich ohne Subventionen
daran gearbeitet, dass Menschen
mit geistigen Behinderungen zusammen mit
‚normalen‘ Menschen hier feiern und auftreten.
Diejenigen, die sich daran gestört haben,
habe ich nach Hause geschickt. Ich habe
diese Form der Inklusion knallhart durchgezogen,
und es hat geklappt.“
Das Überleben gleicht einem Kampf
Als Solokünstlerin musste Laura la Risa Arbeitslosengeld
II beantragen. Die Soforthilfe
des Landes hat sie noch bekommen, seit
Oktober hat sie kein Geld mehr erhalten.
Bislang blieben sowohl die Novemberhilfe
als auch die Überbrückungshilfe aus. „Ich
habe Angst“, gibt die Tänzerin zu, „ich habe
den ganzen Sommer über Marmelade ge-
28
meinviertel – Kultur Spezial
Infobox
Ruperts Kitchen Orchestra
www.rupertskitchen.de
sind verängstigend für die Leute. Es ist ja
so: Wenn ich den Urwald abholze, mache
ich erwiesenermaßen das System kaputt.
Dann können sich Viren ungehindert ausbreiten
und auf Menschen überspringen.
Das wird den Leuten nicht kommuniziert.
Leider geht die Kommunikation dahin, dass
die Menschen immer mehr in Angst miteinander
sind und kein Verantwortungsgefühl
aufbauen können, um zu sagen: ‚Wie kann
das Urwaldroden aufhören?‘ Oder: ‚Wie
kriege ich es hin, dass meine Regierung
nicht schon wieder einen Fracking-Vertrag
unterschreibt?‘ Das Klimathema ist
gerade völlig vom Tisch.“ In dieser nötigen
Verlagerung der Zusammenhänge und Bedeutungen
sieht der Drummer eine große
Verantwortung bei den Medien, aber auch
bei ihnen als Künstler. Letztlich muss die
Menschheit besser begreifen (können):
Warum sind wir in so einer Situation? „Die
Angst vor den Ursachen könnte man gerne
mal schüren“, findet Andi. „Dann wäre aber
eine Gemeinschaft ohne Angst voreinander
besser. Nützlicher wäre dann eine Angst
vor dem, was im Namen des Geldes letzten
Endes im Großen passiert. Wir haben vor
der falschen Sache Angst“, ist er sich sicher.
Bei Leo überwiegt das Prinzip Hoffnung. Er
möchte daran glauben, dass der Mensch
seinen Reifeprozess noch vollenden wird
und lernfähig ist. Fasziniert erzählt er von
den Effekten des Lockdowns: aufgeklarte
Kanäle in Venedig und blauer Himmel
über China. „Ich finde, das sind ganz relevante,
gravierende Geschichten. Viele
haben gesehen, was in relativ kurzer Zeit zu
machen ist.“ In diesem Sinne ist der Leadsänger
und Gitarrist davon überzeugt, dass
die Pandemie einen Beitrag dazu leisten
kann, das Bewusstsein der Menschen in
eine wichtige Richtung zu lenken.
Derweil ist Ruperts Kitchen am Köcheln:
„Wir haben ganz viele neue, geile Stücke
auf der Pfanne, die wir gerade zubereiten“,
schwärmt Andi. Die Band ist voller Vorfreude:
„Sobald wir können, werden wir überall
spielen, wo wir nur können.“ ■
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STRASSENMUSIKER – Ruperts Kitchen Orchestra
Ruperts Kitchen Orchestra wurde sozusagen
als Straßenband in Berlin geboren.
Die drei Musiker Cornelia Rösler (Conny),
Leandro Florentino (Leo) und Andreas Raab
(Andi) sind auf den Straßen unserer Welt
unterwegs, um die Menschen in ihren Bann
zu ziehen. Doch gerade sind Auftritte selbst
unter freiem Himmel nicht möglich. Wir
sprachen mit den dreien über die Pandemie,
deren mögliche Ursachen und die Hoffnung
auf die Lernfähigkeit des Menschen.
Aus dem im April geplanten Albumrelease
wurde gezwungenermaßen ein Onlinerelease.
Der „energetische Vibe“ kann online
aber niemals der gleiche sein wie live,
wenn der ganze Raum durch die Musik in
Schwingung gerät. Im Spätsommer gab
sich die Band noch einmal der Straßenmusik
hin. Doch die Leute huschten eher
verängstigt weiter. „Im August waren wir
noch auf dem Ferrara Buskers Festival in
Italien, dem größten Straßenmusik-Festival
der Welt“, erzählt Bassistin Conny. „Das
hat unter strengen Auflagen stattgefunden.
Die eingeladenen Musiker haben sich
auf vier Bühnen, die in der Stadt verteilt
waren, abgewechselt.“ Wo normalerweise
etwa 80.000 Menschen zum Lauschen,
Singen und Feiern zusammenkommen, waren
2020 nur Einheimische vertreten. Von
regelmäßigen Auftritten ist auch Ruperts
Kitchen Orchestra, die regulär im Freien
auftreten, in der Corona-Krise weit entfernt.
Vom Überleben echter Künstler
Die große Ungewissheit und die fehlenden
Perspektiven haben mittlerweile etwa ein
Drittel der Künstlerinnen und Künstler dazu
bewogen, ihren Beruf aufzugeben. Keine
Option für Ruperts Kitchen Orchestra: „Wir
haben uns ausgesucht, das zu sein, was wir
sind. ‚Ich werde ein anderer‘, das ist für uns
gerade nicht angesagt. Aber das Ganze
hängt natürlich wie ein Damoklesschwert
über einem.“ Dass keiner von ihnen Soforthilfe
beantragt hat, liegt nicht nur daran,
dass sie von den Möglichkeiten kaum etwas
mitbekommen haben, sondern dass
sie sich während der Pandemie mit anderen
Berufen über Wasser halten können.
Einzig die GEMA-Soforthilfe haben sie in
Anspruch genommen. Das, was gern als
„echtes Künstlerleben“ bezeichnet wird,
ernährt einen Menschen nicht. Die Frage
ist dann: Wie weit geht es jetzt mit meiner
Kunst? „Im Moment hat es den Anschein,
als würden alle Künstler schreien, sie könnten
keine Künstler mehr sein, weil sie kein
Geld mehr haben“, so Leo. „Das spricht für
mich gegen die Kunst. Wenn jemand ein
wirklicher Künstler ist, wird er nicht aufhören,
Kunst zu machen.“
Gegen die Angst und für das
Bewusstsein
Die Bandmitglieder gehen davon aus, dass
bei den Menschen auch nach der Pandemie
noch eine Weile die Angst mitschwirren
wird. Leo würde sich wünschen, dass
die Menschen diese Situation nutzen, um
innezuhalten und sich zu überlegen, was
sie generell besser machen könnten. Andi
sorgt sich vielmehr um die mediale Vereinfachung
der Situation. „Die Maßnahmen
26
meinviertel – Kultur Spezial
Infobox
Franziska Hauser
Bücher:
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Wie wir leben wollen
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Sieben Jahre Luxus
(Kehrer Verlag)
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weile wieder in der KSK. Ob das ohne den
öffentlichen Druck auch so schnell gegangen
wäre? Daran hat sie leise Zweifel. Sie hat
zugesagt, nicht mehr als 450 Euro zu den
aktuell 800 Euro künstlerischem Verdienst
hinzuzuverdienen, doch mit Kind in Berlin
reicht das natürlich nicht.
Arbeitslosengeld II für Künstler in
dieser Situation ist verachtenswert
Wer einst von seiner Kunst leben konnte
und jetzt dazu veranlasst wird, Arbeitslosengeld
II in Anspruch zu nehmen, welche
Spuren hinterlässt das? „Man fühlt sich
degradiert und verachtet von der Politik“,
beschreibt Franziska Hauser das Gefühl
aus Künstlersicht und ergänzt als Bild: „Es
ist so, als ob man alle Künstler in eine Abstellkammer
auf Eis legt. Wenn der Spuk
vorbei ist und man wieder in die Oper gehen
möchte, dann sollen die plötzlich alle wieder
da sein und werden aufgetaut.“ Dabei fehlt
ihr die Einsicht, dass hier gerade ganze Existenzen
zerstört werden. „Es sind ja nicht nur
Künstler, alle Soloselbstständigen werden
ziemlich schlecht behandelt. Sie werden
so behandelt, als würden sie dem Staat
auf der Tasche liegen. Was ja, wenn man
sich das mal genauer anguckt, überhaupt
nicht stimmt. Die zahlen wahnsinnig viele
Steuern und haben davon gar nichts“, so
Franziska Hauser.
Auch sie glaubt, dass es nach der Pandemie
nur langsam so etwas wie Normalität im Kulturbetrieb
geben wird: „Und ich befürchte,
dass danach ein Ellenbogenkampf einsetzt,
weil jeder seinen Platz zurückerobern will.“
Aber dass die Angst vor Nähe bleiben könnte,
diese Bedenken teilt sie nicht. ■
AUTORIN – Franziska Hauser
Dem Buchhandel geht es in der Corona-
Krise gut, was nicht automatisch auch auf
die Autorinnen und Autoren zutrifft. In der
Regel bekommen sie einen Vorschuss für
ihr Buch und leben ansonsten von Lesungen.
In der Pandemie ist das Leben also
auch für die schreibende Zunft eine Herausforderung.
Autorin Franziska Hauser
nahm uns ein Stück mit in ihr Leben während
der Pandemie.
Franziska Hauser ist als Künstlerin und
Deutschlehrerin selbstständig. Es ist
nicht so, dass sie keinen Job mehr hätte,
aber „es ist alles weniger geworden“. Aktuell
unterrichtet sie vor allem Menschen
online, die für deutsche Firmen arbeiten,
aber in Indien oder Ägypten leben. So gut
das bei einem Sprachkurs möglich ist, so
schlecht funktioniert das mit Onlinelesungen:
„Es hat erstens niemand Zeit für Onlinelesungen.
Und es macht auch einfach
niemandem Spaß. Es entsteht kein Bezug
zum Publikum. Da kann man sich noch so
viel Mühe geben. Dieses Medium hat sich
erschöpft.“
Die Krux mit der Künstlersozialkasse
Mit ihrer Autorentätigkeit ist Franziska
Hauser bei der Künstlersozialkasse (KSK)
versichert. Als Deutschlehrerin verdient
sie bei der Sprachschule monatlich 450
Euro. Mehr erlaubt die KSK nicht als Zubrot
aus nichtkünstlerischer Arbeit. „Ich müsste
deutlich mehr bei der Sprachschule verdienen,
um mir eine Versicherung leisten zu
können, die nicht von der KSK bezuschusst
ist. Aber das geht nicht, weil die Sprachschule
auch totale Einbußen hat“, erklärt
uns Franziska Hauser. Dabei ist sie bei weitem
nicht die Einzige, die diesen Spagat
betrifft – aber praktisch die Einzige, die
dazu öffentlich Position bezieht. „Mit der
künstlerischen Arbeit kann ich momentan
nicht genug verdienen und mit der nichtkünstlerischen
darf ich nicht“, bringt es die
Autorin auf den Punkt.
Im März 2020 hat Franziska Hauser die
5.000 Euro Soforthilfe der Stadt Berlin bekommen.
„Das hat bis September gereicht“,
sagt sie, „um auszugleichen, was gefehlt hat.
Im September habe ich langsam Panik gekriegt.“
Im November wollte sie Novemberhilfe
beantragen. Und da fing der Ärger mit
der KSK richtig an. Ihre Anwältin empfahl
ihr, erst einmal die Beitragshöhe anzupassen.
„Das habe ich gemacht und angegeben,
dass ich 600 Euro aus nichtkünstlerischer
Arbeit verdiene, weil die mir aus künstlerischer
Arbeit fehlen. Ich habe das für logisch
gehalten, weil man ja von irgendwas leben
muss. Dann haben die mir kurz vor Weihnachten
zum 1. Januar gekündigt. Das fand
ich krass! Weil ich zu viel verdient habe aus
nichtkünstlerischer Arbeit. Ich hätte es einfach
nur verschweigen müssen, wie alle anderen
auch.“ Dieses Erlebnis hat die Autorin
in einen Facebook-Post verpackt, der hohe
Wellen schlug. Doch öffentlich solidarisieren
möchte sich kaum jemand. Zu groß ist laut
Franziska Hauser die Angst aufzufliegen.
Dabei weiß sie, dass es vielen ähnlich geht
wie ihr. „Die Leute wollen lieber nicht auffallen.
Sie würden sich in eine existenzielle
Notlage bringen, wenn sie jetzt von der KSK
überprüft werden und rausfliegen. Natürlich
will das keiner“, und so sieht es aus, als wäre
die Autorin ein Einzelfall. In der Konsequenz
hat sie sich untergeordnet und ist mittler-
24
meinviertel – Kultur Spezial
Infobox
Heike Feist
www.heikefeist.de
Andreas Nickl
www.ankebalzer.de/
andreas-nickl
schaftlich ist, wenn nur 20 Prozent der Plätze
verkauft werden dürfen.“ Dafür zeigten Andreas
und Heike ihren Ringelnatz-Abend
einmal vor der Kamera. Als Amuse-Gueule
eines Online-Firmenevents. „Das war ein
enormer technischer Aufwand für uns, aber
jetzt können wir auch das“, grinst Andreas.
„Das hat echt Spaß gemacht und kam auch
gut an“, ergänzt Heike. „Aber man merkt
eben auch: Live ist live und nicht ersetzbar.“
Doch mit Auftritten kann sie erst einmal
nicht rechnen, im November schlossen die
Theater erneut auf unbestimmte Zeit. „Bis
Ostern ist wieder alles gecancelt, ich kriege
inzwischen Absagen bis Juni rein“, erzählt
Heike. „Keine Ahnung, wann ich überhaupt
wieder auf die Bühne darf.“ Im Dezember
bekamen die beiden jeweils ein Stipendium
über das #TakeCare-Programm des Fonds
Darstellende Künste, das ihnen ermöglicht,
gemeinsam für ein weiteres biografisches
Bühnenprojekt zu recherchieren – Anecken
mit Heine soll es heißen.
Undurchsichtige Finanzhilfen
Von der Novemberhilfe des Bundes, die
Heike beantragt hat, wurde bislang nur ein
Abschlag ausgezahlt, niemand weiß, wann
und ob die restliche Summe überhaupt
überwiesen wird. „Diese ganzen Anträge
sind extrem undurchsichtig und schwierig
zu verstehen – selbst für Steuerberater“,
meint Heike. „Oft fallen Soloselbstständige
durchs Raster, z. B. bei den Überbrückungshilfen,
da wir keine Betriebskosten haben,
aber nur diese angerechnet werden dürfen.“
Davon unterkriegen lassen sich Andreas
und Heike nicht, sondern investieren die
unfreiwillig freie Zeit in die Zukunft. Zur Zeit
proben sie das Valentin-Karlstadt-Stück,
das eigentlich kompakt im August und
September erarbeitet werden sollte. So
entzerren sie die Probenzeit, damit sie den
Sommer auch dafür haben, um ihre anderen
Stücke wieder „hochzuholen“ oder um zu
drehen. Denn beide haben ab Herbst die
Kalender wieder voll mit Terminen. Landauf,
landab. ■
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SCHAUSPIELER – Heike Feist UND Andreas Nickl
Seit einem Jahr sind die Theater geschlossen,
die zehn Wochen der Öffnungsmöglichkeiten
im Herbst waren geprägt durch
strengste Hygienekonzepte, ausgedünnte
Sitzreihen und ein zögerliches Publikum.
Auch Dreharbeiten finden kaum statt.
Bei den staatlichen Hilfspaketen fallen
Theater- und Filmschaffende, die zumeist
soloselbstständig sind oder nur projektbezogen
angestellt werden, vielfach durchs
Raster, weil sie unregelmäßig verdienen,
weil sie keine Betriebskosten abrechnen
können oder weil sie keinen Steuerberater
haben. Kurzarbeitergeld kommt für sie
nicht infrage, stattdessen wird ihnen nahegelegt,
Hartz IV zu beantragen und über
einen Berufswechsel nachzudenken. Für
die wenigsten ist das eine Option.
Normalerweise ist Heike Feist das ganze
Jahr unterwegs. Landauf, landab. Entweder
als Solodarstellerin mit den Stücken
Cavewoman und Alle Kassen, auch privat
oder mit Kollegen, um ihre selbstproduzierten,
für zwei Personen konzipierten
Biografien für die Bühne zu zeigen, Abende
über Tucholsky, Ringelnatz oder Hildegard
von Bingen. Einer ihrer Partner ist
Andreas Nickl. Dieser spielt nicht ganz
so viel Theater, steht dafür aber oft vor
der Kamera, dreht unter anderem für die
Rosenheim-Cops, Charité oder Morden
im Norden.
Seit einem Jahr ist alles anders
„Corona tauchte bei mir beim Drehen auf“,
erzählt Andreas. „Also nicht direkt. Eher als
nicht ernst genommene Verrücktheit, uhh,
plötzlich will einem keiner mehr die Hand
geben ... Das war Ende Februar.“ Am letzten
Tag vor dem Lockdown hatte er noch
in München Theater gespielt, da kam aber
nur noch die Hälfte der Leute, weil die Verunsicherung
schon sehr groß war. Eine sehr
spezielle Vorstellung sei das gewesen: „Die
Zuschauer durften nicht mehr eng beisammen
sitzen, aber wir sangen und spielten Saxophon
nur einen Meter von ihnen entfernt.“
Dann ging alles sehr schnell: Alle weiteren
Vorstellungen fielen aus. Auch für Heike.
23 Veranstaltungen wurden ihr im ersten
Lockdown, der sich für die Bühnen bis in
den Sommer zog, abgesagt. Die beiden beantragten
5.000 Euro Soforthilfe vom Land
Berlin und bekamen sie auch.
Zeit für neue Projekte
Nach einer kurzen Zeit der Schockstarre
stürzten sie sich in neue Projekte. Heike
schrieb eine weitere Biografie für die Bühne,
diesmal über Karl Valentin und Liesl
Karlstadt, zugleich machte sie ihre anderen
Zweipersonenstücke coronatauglich,
inszenierte sie auf gebotene Distanz um
und strich Requisitenübergaben, um mit der
Wiedereröffnung der Theater sofort spielbereit
zu sein. Andreas absolvierte derweil
erstmals eine Castinglesung via Zoom: „Die
Beteiligten waren von Schweden bis Wien
verteilt, das war aufregend und lustig und
hat gut funktioniert.“ Ende April traf er sich
mit einer ARTE-Redakteurin, um über einen
Dokumentarfilm in Israel zu sprechen. Das
Projekt wurde immer wieder verschoben, im
Moment hofft Andreas auf den Sommer:
„Aber wenn wir Pech haben, will ARTE das
Projekt nicht mehr.“
Spielen unter Corona-Bedingungen
Im Juli drehten sowohl Heike als auch Andreas
erstmals unter Corona-Bedingungen.
Mit Abstand, regelmäßigen Corona-Tests
und Hygienebeauftragten am Set. Im Herbst,
nachdem die Theater wieder öffnen durften,
spielten sie zusammen zwei corona-kompatible
Vorstellungen vor coronakompatibel
gesetztem Publikum. Heike stand noch
sieben weitere Abende im September und
Oktober auf der Bühne. „Mehr als 20 wären
geplant gewesen“, erzählt sie, „wurden jedoch
schon im Sommer abgesagt. Wegen
fehlender Planbarkeit und weil es für ein
nicht subventioniertes Theater nicht wirt-
22
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fristen geändert. Es war ein ganz großes anzuschieben, aber davon habe ich gelebt.
Wenn mir dann irgendwann hinterher
Problem, dass es immer hieß: nur für Betriebsmittel.
Aber wenn du ein Artist bist gesagt wird: ‚Zahlen Sie mal die Hilfen
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oder ein Zauberer, dann hast du oft keine zurück, Sie haben ja theoretischen Gewinn
gemacht’, weiß ich gar nicht, wovon
Betriebsmittel. Es kann dir trotzdem keiner
sagen, wovon du deine Miete bezahlen ich investieren soll, um das nächste Ding
sollst.“ Das Einmaleins der Förderung ist wieder zu starten. Solange sozusagen Gewinn
machen in diesen Zeiten ein No-Go
gerade aus Produktionssicht nicht nachvollziehbar:
„Das Prinzip ist: Verlust plus ist, wird es perspektivisch schwer.“ Maik
Förderung gleich plus/minus null. Aber M. Paulsen befürchtet: „Manche Sachen
wenn ich eine Produktion plane, dann plane
ich die so, dass die Leute irgendwie Aber man weiß nicht, wer wie viel wieder
gingen schnell und waren unkompliziert.
davon leben können. Ich brauche eine zurückzahlen muss. Ich glaube, der große
fünfstellige Summe, um die modulare nächste Tour Knall + funktionale kommt da noch.“ Das möbelsysteme
Zukunftssze-
Theater.“ ■
mehrfach preisgekrönt
nario hört sich durchaus düster an: Es
wird spätestens dann eng, wenn Corona
offiziell vorbei ist, keine Hilfsgelder mehr
fließen, es noch keine großen Events gibt
und nur wenige Leute ins Theater gehen.
Schon jetzt gehen reihenweise Agenturen
und Veranstalter pleite. Die Sorge:
„Wenn für die normale Wirtschaft, also
außerhalb der Kultur- und Kreativbranche,
Corona vorbei ist, es keine Hilfen mehr
gibt und die Leute hochverschuldet sind.
Wenn keine neuen Jobs kommen, weil
alle noch vorsichtig sind – dann fallen die
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VARIETÉ – Maik M. Paulsen UND Axel Hecklau
Maik M. Paulsen ist als Falschspieler bekannt.
Mit seiner Kunst ist er auf Businessevents
zu Hause. Als Produzent von
Varietéshows tourt er durch Theater in
ganz Deutschland. Axel Hecklau ist Zauberer
aus Leidenschaft und steckt unter
anderem hinter dem Salon der Wunder.
Über Solokünstler in der Corona-Krise,
neue Formate und Zukunftsprognosen.
Interaktives Zaubern im Onlineformat
Zusammen haben die beiden Solokünstler
eine Onlineshow entwickelt, die auf große
Begeisterung stößt. Maik M. Paulsen konnte
sich zu Beginn nicht vorstellen, dass das
funktionieren würde: „Ich glaube, wir sind
eine der wenigen Onlineshows, die Tickets
zu einem halbwegs normalen Preis verkaufen.“
Inhaltlich haben die beiden Künstler
einen Vorteil gegenüber anderen künstlerischen
Richtungen, wo Shows einfach nur
abgefilmt werden (können). Die Zauberei
ermöglicht es ihnen, auch im Videoformat
mit den Zuschauenden zu interagieren.
„Wir picken auch mal einzelne Leute raus,
deren Gedanken wir dann lesen oder die
Entscheidungen treffen. Die Kommunikation
auf diese Weise ist nagelneu. Die Leute
können sich das erst nicht vorstellen und
sind nachher völlig geflashed“, berichtet
Axel Hecklau von den Onlineshows. Die
Zuschauer haben ihr Mikrofon aus, Reaktionen
nehmen die Künstler nur über
die Kamera wahr. „Das ist ein total befremdliches
Gefühl“, gibt Maik M. Paulsen
zu. Eine Alternative zum Theater sei das
nicht: „Ich betrachte es als neue Location.
Es ist eine Ergänzung zu etwas, das vorher
nicht existierte.“ Was hier konzeptionell
super funktioniert, wäre live allerdings gar
nicht abbildbar.
Kunst nach der Krise
Die Sorge, dass bei den Menschen die
Angst bleibt, teilen Maik M. Paulsen und
Axel Hecklau mit vielen anderen Künstlern.
„Ich glaube, dass die Zuschauerzahlen nur
langsam steigen werden“, ist sich Maik M.
Paulsen sicher. Axel Hecklau sieht das
ganz ähnlich: „Hier geht’s um die Angst.
Unsere Erfahrung nach dem ersten Lockdown
zeigt, wie zurückhaltend die Leute
waren. Die meisten hatten ihre Eintrittskarten
in Gutscheine umwandeln lassen.
Der erwartete Ansturm nach der Wiederöffnung
blieb aus. Die Leute hatten einfach
Angst und sind nicht gekommen. Nicht mal
die Hälfte.“ Neben der Angst sieht Axel Hecklau
auch die Gefahr, dass sich die Menschen
irgendwie an die Situation gewöhnt
haben könnten und nicht gleich euphorisch
in die Theater stürmen.
Wie die Künstler finanziell durch die
Krise kommen
Axel Hecklau hat erst spät Hilfen beantragt,
vorher lebte er von seinen Rücklagen.
„Aber wir haben 80 Prozent Einbußen
gehabt. Zusammen mit meinem
Kollegen aus dem Salon der Wunder
habe ich erst vor Kurzem die Novemberhilfe
beantragt“, erzählt er. Bei Maik
M. Paulsen stellt sich die Situation etwas
komplizierter dar, weil er einerseits die
Produktion hat, andererseits als Künstler
arbeitet: „Ich glaube, es gab bei den
Künstlern ganz viel Verwirrung und Frust.
In einem Bundesland konntest du das
Geld für deine Privatausgaben benutzen,
im anderen nicht. Teilweise wurden die
Sachen dann noch während der Vergabe-
20
meinviertel – Kultur Spezial
Infobox
RambaZamba Theater
Schönhauser Allee 36–39, 10435 Berlin
www.rambazamba-theater.de
Superforecast:
www.rambazamba-theater.de/inszenierungen/
superforecast-eine-dada-webserie/
Theaters hat sich dafür dem Autor Konrad
Bayer und dem Künstler Martin Kippenberger
gewidmet. „Für uns war das ein
großer Energiegewinn, weil das Haus wieder
richtig funktioniert hat, weil wir eine
sinngebende Tätigkeit hatten. Auch das
Publikum hat das Angebot gut angenommen.“
Höhne beschreibt diese Aktion als
„Kampf gegen die Unsichtbarkeit“: „Es betrifft
alle Künstlerinnen und Künstler, aber
jene mit Behinderung noch dreimal mehr,
weil sie aus allen Diskursen verschwunden
sind. Sie wurden nicht besprochen, sie waren
einfach nicht mehr vorhanden.“
Kürzlich hat das RambaZamba damit begonnen,
einen Spielfilm zu drehen, eine
Adaption des eingebildeten Kranken. „Für
wenig Geld durften wir zwei Wochen lang
das Ballsaal-Studio im Wedding nutzen“,
Höhne ist dankbar für diese Unterstützung
und ergänzt: „Das war ein großer Energieschub
ins Haus hinein!“ Dieses Projekt
habe deutlich die Zuversicht gesteigert.
Kulturpolitik und Zukunftsprognosen
Höhne ist einer der Vielen, die dem Kultursenator
großen Respekt zollen: „Man
schaut ja sehr kritisch auf die Politik. Und
ich finde auch, dass sich die Politiker in
letzter Zeit nicht mit Ruhm bekleckern.
Aber wir haben eine besondere Unterstützung
der Kulturpolitik in dieser Pandemie
erfahren. Was Klaus Lederer da leistet, verdient
größten Respekt. Er hat uns stark
unterstützt und durch die Pandemie gebracht.
Ich finde, das muss man an so einer
Stelle auch mal formulieren.“
Der Tag wird kommen, an dem die Theater
ihre Türen wieder öffnen dürfen. Werden
die Menschen in die Theater strömen? „Ich
glaube, das ist ein Gewöhnungsprozess.
Abstand halten, keine Berührungen, das
hat man ja verinnerlicht. Aber der Hunger
nach Berührung und Begegnung ist ganz
groß“, ist sich Höhne sicher. Hinzu kommt
die Tatsache, dass Berlin ein Kulturraum
ist. In Berlin ist zu Hause, wer Kultur liebt
und lebt. ■
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THEATER – Ensemble RambaZamba
Das Ensemble des „Miniatur-Stadttheaters“
RambaZamba bilden 35 Menschen mit Behinderung,
die gemeinsam mit Schauspielerinnen
und Schauspielern von außen das
Publikum verzaubern. Mit Geschäftsführer
und Intendant Jacob Höhne sprachen wir
über die menschlichen Sorgen während der
Pandemie, aber auch über Energie, Optimismus
und Dankbarkeit.
Seit 2017 ist Jacob Höhne Leiter des vor
über 30 Jahren gegründeten Ramba-
Zamba Theaters. Heute ist das staatlich
geförderte Haus eine feste Institution der
Berliner Theaterszene. „Der Kern von
RambaZamba war und ist das Ensemble,
in dem Künstlerinnen und Künstler mit
den unterschiedlichsten Behinderungen
zusammenarbeiten. Ihre Besonderheit ist
nicht ihre Behinderung, sondern ihr besonderer
künstlerischer Ausdruck und ihr
hohes Maß an Professionalität“, schildert
Höhne das Alleinstellungsmerkmal des
Theaters. In regulären Zeiten bringt das
Ensemble bis zu 110 Vorstellungen und
acht Premieren pro Spielzeit auf die Bühne.
Lockdown Nr. 1: katastrophal für
die als Risikogruppe geltenden
Schauspieler
Mehr noch als an anderen Kulturorten war
der erste Lockdown für die Schauspielerinnen
und Schauspieler des RambaZamba
eine persönlich-menschliche Katastrophe.
„Es war ein politisches, ein gesellschaftliches
Problem“, so Höhne, „dass Menschen mit
Behinderungen pauschal als Risikogruppe
kategorisiert und dementsprechend sofort
weggeschlossen wurden.“
Zu Beginn der Pandemie hat sich die
Schließung für die RambaZamba-Crew
ein bisschen wie Hitzefrei angefühlt. „Wir
sind aus einem sehr hohen Aktivitätsniveau
sozusagen ins Nichts gestürzt. Erst
mal war die Reaktion: ‚Cool, wir haben
jetzt frei.‘ Doch diese Freude war nur von
kurzer Dauer“, erzählt Höhne. Es begann
das, was er die „pandemische Extrabelastung“
nennt, und was sich im zweiten
Lockdown noch deutlicher zeigt: „Diese
Belastung, die du als Künstler tragen
musst, wenn du plötzlich als nicht systemrelevant
bezeichnet wirst, deines Ortes
und deines sozialen Umfeldes beraubt
wirst und nicht mehr arbeiten kannst.“
Diese Situation greife das Selbstverständnis
der Kulturschaffenden stark an,
so seine Erfahrung.
Neue digitale Formate sollen
Unsichtbarkeit bekämpfen und
Energie bringen
Höhnes Aufgabenbereich hat sich mit der
Pandemie verlagert: „Ich bin praktisch nur
noch damit beschäftigt, positive Energie
in dieses Haus hineinzutragen und alle zu
motivieren. Die Familien sind überfordert,
und gerade die Singles verenden sozusagen
seelisch in der Einsamkeit.“ Als klar
war, dass die Situation länger andauern
würde, hat das RambaZamba ein neues
digitales Format entwickelt: „Ein Theaterstück
einfach zu streamen, entspricht
uns nicht. RambaZamba ist dieses Unmittelbare,
ist sozusagen die Berührung.
Aus meiner Sicht eignet sich dafür die
filmische Auseinandersetzung.“ Superforecast
ist eine fünfteilige Dada-Webserie,
das Ensemble des RambaZamba
18
meinviertel – Kultur Spezial
Foto: Etienne Girardet, www.pacificografik.de
Infobox
Berliner Kriminal Theater
Palisadenstraße 48
10243 Berlin
www.kriminaltheater.de
Conventstraße 1 – 3 | 22089 Hamburg | Germany
und halten die Stange. An der Zuversicht,
die Schauspieler zur Wiedereröffnung zusammenzukriegen,
scheitere es jedenfalls
nicht: „Die Abwanderung durch einen
Wechsel des Engagements ist momentan
nicht das Problem. Niemand engagiert
ja gerade. Es spielt nicht eine Bühne in
Deutschland.“ Und Theater im Onlineformat
sei kein Thema (mehr): „Das hat sich
im Schauspiel schnell wieder erledigt. Es
ist nicht nur teuer, es ersetzt einfach nicht
den Theaterbesuch. Wir haben uns bewusst
dagegen entschieden, weil es das
Theater entzaubert“, machen Rumpf und
Seppelt deutlich. Der Intendant spricht
von einem abrufbaren Repertoire von
15–16 Stücken. Das Ensemble steht also
bereit.
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Publikation/Art mein/4 Stadtmagazin Profil: LWC_improved ABC-Geprüft
Spannungsgeladene Vorfreude auf
die Wiedereröffnung
Das Kriminal Theater gibt neben den
Vorstellungen in Berlin etwa 70–75
Gastspiele im Jahr. Da aber alle Termine
verschieben, ist davon auszugehen,
dass auch mehr oder weniger alle Veranstaltungen
parallel wieder an den Start
gehen. „Und wenn die Zuschauer dann
alle kommen und wir diese Stückzahl
erreichen, sind wir auch wirtschaftlich
wieder auf der sicheren Seite“, verdeutlicht
Wolfgang Seppelt die Kalkulation
und ergänzt: „Meine große Hoffnung für
die nächste Wiedereröffnung ist, dass
das Publikum da sein wird. Die Leute
wollen wieder ins Theater gehen.“
Eine Eröffnung im Sommer würde allerdings
ungünstig liegen. Die letzte Öffnung
fiel auf den September. Und September,
Oktober sind bekanntlich gute
Theatermonate. In diesem Jahr werden
zwar voraussichtlich viele Menschen in
Berlin bleiben, doch die deutschsprachigen
Touristen fallen weg. Sie waren
der Grund, warum das Kriminal Theater
immer den Sommer durchgespielt hat.
Zur Wiedereröffnung im Sommer sagen
Rumpf und Seppelt: „Mal schauen, wie
wir das abfangen können. Allerdings hat
der Senator schon angekündigt, dass
es auch weiterhin Hilfe geben wird.
Die wissen genau: Wenn wir in so einer
schlechten Kartenverkaufszeit anfangen,
saisonal bedingt, dann haben wir
ein Problem.“ ■
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THEATER – Berliner Kriminal Theater
Das Berliner Kriminal Theater wurde im
Jahr 2000 gegründet. Seither herrscht im
Gebäude in der Palisadenstraße 48 Hochspannung.
Mit dem coronabedingten Lockdown
hat sich die Spannung gewandelt, sie
hat etwas Abwartendes und gleichzeitig
Vorfreudiges an sich. In unserem Gespräch
mit dem Intendanten Wolfgang Rumpf und
dem Geschäftsführer Wolfgang Seppelt
schwappte uns aber eine zuversichtliche
Grundhaltung entgegen.
Im März Komplettschließung, dazwischen
kurze Zeit Spielbetrieb mit Hygienekonzept
und unter Schirmen, seit Oktober erneute
Komplettschließung – diese Szenarien
kennt nicht nur das Berliner Kriminal Theater.
Während der Nachmittagsvorstellung
am 13. März 2020 gab es erste Gerüchte zu
einer angeordneten Schließung der Spielstätten,
die noch am selben Tag während
der Abendveranstaltung zu einer Verordnung
wurden.
Finanzierung in Zeiten von Corona
Das Kriminal Theater mit seinen insgesamt
70 Mitarbeitenden finanziert sich komplett
privat. Das klappt bereits seit mehr als 20
Jahren. Der vorübergehende Spielbetrieb
unter Auflagen im Sommer hat nur wenig
finanzielle Entlastung gebracht. Zu der Zeit
flossen jedoch die ersten Zuwendungen.
Am meisten habe der Senat den privaten
Theatern mit Soforthilfen unter die Arme
gegriffen, verraten uns unsere Gesprächspartner.
Dazu kommen das Überbrückungsgeld
und das Hilfspaket „Neustart Kultur“
vom Bund. Im aktuellen Doppelhaushalt
2020/2021 erhält das Berliner Kriminal
Theater einen Mietzuschuss von 20.000
Euro vom Kultursenat – damit teilt sich das
Theater die Gesamtsumme von 100.000
Euro mit den anderen Privattheatern Tipi
am Kanzleramt, Bar jeder Vernunft, Wintergarten
Varieté und Chamäleon. Während
die Soforthilfe tatsächlich sofort kam,
floss das restliche Geld eher schleppend.
„Beim Bund dauert das viel länger. Die Novemberhilfe
kam jetzt erst. Ohne die Zuwendungen
hätten wir es nicht geschafft.
Unsere Rücklagen waren aufgebraucht. Sie
haben ausgereicht, um zwei Monate lang die
Miete zahlen zu können“, erklärt Wolfgang
Seppelt. Hocherfreut berichten uns Rumpf
und Seppelt auch von den vielen Gästen,
die weder einen Gutschein noch das Geld
für ihr Ticket zurückhaben wollten. Diese
kleinen Spenden beeindrucken.
Schauspieler bleiben bei der Stange
Die Schauspieler haben die Soforthilfen
für Soloselbstständige beantragt und
konnten sich damit über Wasser halten.
Denn ohne Vorstellung gibt es natürlich
auch kein Honorar. Die Stimmung unter
den Kollegen sei positiv, offenbaren uns
Rumpf und Seppelt: „Alle rechnen schwer
damit, dass es irgendwann wieder losgeht.
Aus dem Beschluss des Kultursenators
geht hervor, dass auf den staatlichen und
privaten Bühnen vor Ostern gar nichts
passiert. Wir rechnen damit, dass es
sich noch weiter nach hinten verschieben
wird.“ Trotz dieser misslichen Lage
seien die Schauspieler durchaus motiviert
Termine des
Open-Air-Kriminal-Sommers:
28. + 29.05.2021:
Der Name der Rose
(Kloster Chorin)
04.07.–29.08.2021:
Kriminal-Open-Air-Festspiele
(The Lakeside Burghotel zu
Strausberg)
16
meinviertel – Kultur Spezial
17.3.2021–7.2.2022
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Seeing
Abstraction
Works from the
Deutsche Bank Collection
Unter den Linden 5, 10117 Berlin
db-palaispopulaire.de
Rana Begum, WP 412 (Detail) © Begum Studio, Courtesy of Jhaveri Contemporary
Infobox
GRIPS
Altonaer Straße 22
10557 Berlin
www.grips-theater.de
GRIPS-Blog mit Onlinebühne
www.grips.online
Onlineformat entwickelt, das Kindern digital
einen Vorgeschmack auf das Theatererlebnis
bietet. Unter dem Motto „Wir sind
zu. Aber wir sind da.“ gibt es auf der GRIPS-
Onlinebühne Theaterstücke zum Streamen,
Podcasts zum Hören, Interviews zum Lesen
und Lieder zum Mitsingen. Darüber hinaus
können sich Grundschullehrkräfte mit dem
#GRIPSTheaterPowerPaket, bestehend
aus einer 46-seitigen Broschüre, Ideen
für theaterpraktische Übungen holen. Der
Kontakt zu den Schulen liegt dem GRIPS
am Herzen. Über den E-Mail-Verteiler des
Senats wurden die Schulen informiert, dass
es das Stück „Ab heute heißt du Sara“ zum
Streamen gibt. Philipp Harpain ist stolz: „35
Schulklassen haben das gesehen. Wir versuchen
wirklich, eine Hilfestellung in dieser
Zeit zu geben.“
Weiterleben und Kontaktpflege in
der Krise
Im GRIPS arbeiten etwa 70 Festangestellte
und 80 Freie. Die Autorinnen und
Autoren erhalten für jedes nicht gespielte
Stück eine Ausgleichszahlung. Diese
wertschätzende Art des Umgangs mit
den eigenen Künstlern hat dem Haus
sogar den „Sonderpreis der Deutschen
Theaterverlage“ als coronafreundlichstes
Haus für Autoren eingebracht. Als Privattheater
ist das GRIPS institutionell gefördert
und wird von der Stadt bezuschusst.
„Wir sind sehr froh, dass der Berliner Senat
uns soweit finanziert, dass wir eine Grundversorgung
haben. Das zweite Standbein
ist gerade die Kurzarbeit. Außerdem
haben wir Sponsoren“, mit diesen drei
Standbeinen kann sich das Kindertheater
in der Krise über Wasser halten. Der
Vorlauf, um wieder auf der Bühne stehen
zu können, ist beim GRIPS erstaunlich
kurz: „Innerhalb von drei Wochen sind wir
spielklar“, sagt Philipp Harpain, „das weiß
der Senat auch.“ ■
THEATER – GRIPS-Kindertheater
Das GRIPS bringt Theaterstücke für Kinder
(Jugendliche und Erwachsene) auf die
Bühne, richtet gemeinsam mit der GASAG
AG den Berliner Kindertheaterpreis aus und
engagiert sich in der kulturellen Bildung an
Schulen. In unserem Gespräch mit Theaterleiter
Philipp Harpain und der Sponsoring-
Referentin Birgit Jammes der GASAG AG
kam der Wert dieser Arbeit deutlich zum
Ausdruck. Umso erfreulicher war für uns
zu hören, dass das Kindertheater einigermaßen
durch die Corona-Krise zu kommen
scheint und in kurzer Zeit wieder startklar
sein könnte.
Berliner Kindertheaterpreis
Seit 2005 richtet GRIPS alle zwei Jahre den
Berliner Kindertheaterpreis aus. Der Wettbewerb
spürt junge Autorinnen und Autoren
auf, die für das Kindertheater schreiben.
„Sie reichen Exposés und Skripte ein,
aus denen eine Jury bis zu fünf Autoren
auswählt“, beschreibt Birgit Jammers das
Prozedere. Das GRIPS unterstützt die Autorinnen
und Autoren mit seinem Knowhow
und vermittelt in Workshops die Skills, um
für ein Kindertheater schreiben zu können.
Was braucht es dafür? „Wir haben bei den
Workshops einen Kinderpsychologen dabei,
der die Entwicklungsstufen der Kinder beschreibt.
Wann verstehen Kinder was? Erwachsene
mögen ja gern Ironie, bestimmte
Altersgruppen bei Kindern verstehen Ironie
aber noch gar nicht.“ Auch Dramaturgie
und Schauspieler werden zur Verfügung
gestellt. Darüber hinaus entwickeln sich die
Schreibenden durch den regen Austausch
und Support untereinander.
Am schwierigsten sei es, für die Fünf- bis
Sechsjährigen zu schreiben, so der Theaterleiter:
„Man darf noch nicht zu komplex
sein in der Geschichte. Aber man braucht
natürlich etwas, woran sie beteiligt sind.
In dieser Altersgruppe sind die Kinder oft
zum ersten Mal in so einem großen Theater.
Wenn sie sich dann langweilen, fangen sie
entweder sofort an zu plappern oder versuchen,
irgendwas auf der Bühne zu ändern.
Für uns heißt das, dass wir diese Beteiligung,
diese Empathie bei den Kindern von
vornherein mitdenken müssen. Ansonsten
hätten wir gelangweilte Kinder, und das ist
natürlich nicht unsere Intention.“ Deshalb
versucht das GRIPS mit seinen Autorinnen
und Autoren etwas auf die Beine zu stellen,
was auf der Bühne spannend wirkt. Dazu
braucht es die passenden Themen – das
kann Mobbing sein, das heute viel früher
beginnt, oder Themen aus dem kindlichen
Umfeld, der Elternwelt oder Umweltgeschichten.
Die diesjährige Gala des Berliner Kindertheaterpreises,
die am 20. April 2021 stattfindet,
wird in einem Livestream unter professionellen
Bedingungen produziert. „Wir
haben uns für dieses Format entschieden
und hoffen, dass wir eine Veranstaltung hinkriegen,
die niemand wegschaltet“, erklärt
Birgit Jammers.
Die GRIPS-Onlinebühne unterhält
Kinder, Eltern und Lehrkräfte in der
Corona-Zeit
In der Krise wachsen die Kinder im Grunde
ohne Theater auf. „Wir wollen trotzdem ein
Erlebnis schaffen, sodass Kinder für sie
gemachte Stücke auch erleben können“,
sagt Philipp Harpain. So hat das GRIPS ein
14
meinviertel – Kultur Spezial
Infobox
Staatsoper Unter den Linden
Unter den Linden 7, 10117 Berlin
www.staatsoper-berlin.de
Kinderopernhaus Berlin
Das Kinderopernhaus Berlin wird gefördert vom Berliner Projektfonds Kulturelle
Bildung, den Kooperationspartnern in den Bezirken und von der Hilti Foundation.
www.staatsoper-berlin.de/de/junge-staatsoper/kinderopernhaus/
„das ist immerhin besser als nichts.“ Doch
was wegfällt ist enorm: „Am Ende entsteht
Musik nun mal im Raum. Und es braucht
auch dieses Gemeinschaftsgefühl. Irgendwie
muss eine Produktion auch zusammenwachsen.“
Das ist der Moment, in dem
die Kinder einen wirklichen Mehrwert erleben
und sich persönlich entwickeln.
Politik und die Zukunft der Oper
„Es ist wichtig, sich immer wieder daran
zu erinnern, dass der Gegner ein Virus ist,
für den kein Verantwortungsträger etwas
kann“, bricht Matthias Schulz eine Lanze
für die Politik. Und er ist sich sicher: „In der
Bundespolitik und hier im Kultursenat tut
man alles dafür, dass wir genauso kräftig
aus der Krise herauskommen können, wie
wir reingegangen sind. Im Moment habe
ich große Hoffnung, dass uns das gelingt.“
Allerdings dürfe niemand vergessen, was
wir auch drohen zu verlieren.
Regina Lux-Hahn weiß: „Viele Menschen
brennen darauf, wiederkommen zu können.
Sie wollen das Liveerlebnis.“ Insofern
ist die Sehnsucht nach dem, was kulturell
gerade fehlt, greifbar. Optimistisch ist die
Leiterin des Kinderopernhauses vor allem
hinsichtlich der Kinder. „Ich sehe, wie sehr
die Kinder die Oper vermissen, diesen
Ausgleich zur Schule und diese Ansprache.
Weil sie das freiwillig machen, haben
sie eine hohe Motivation“, so Regina Lux-
Hahn. „Der Mensch ist ein soziales Wesen.
Die Spannung des gemeinsamen Erlebens,
die in so einem Raum entsteht, kann ein
Bildschirm niemals ersetzen. Je länger diese
Phase andauert, desto größer wird die
Sehnsucht“, ist sich Matthias Schulz sicher.
„An diese Kraft glaube ich ganz stark. Das
wird vielleicht ein bisschen brauchen, aber
es muss und wird zurückkommen.“ ■
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OPER – Staatsoper Unter den Linden
Um Kinder an die Oper heranzuführen,
hat die Staatsoper Unter den Linden mit
650 Mitarbeitenden inzwischen vier Kinderopernhäuser
aufgebaut. Mit Eifer und
Engagement setzt sich die Leiterin des Kinderopernhauses,
Regina Lux-Hahn, für die
Vision des Hauses ein. Wir sprachen mit
ihr und mit dem Intendanten der Staatsoper,
Matthias Schulz, über die Kraft der
Oper und wie sich diese Kultursparte in
der Pandemie behauptet.
Um eine Oper aufzuführen, braucht es
unglaublich viele Menschen – Orchester
und Chor, Bühnentechnik und Kostümmitarbeitende,
internationale Künstlerinnen
und Künstler und Gäste, um nur einige zu
nennen. Insofern ist der Opernbereich in
besonderem Ausmaß von der Pandemie
betroffen. „Wir sind froh, dass wir in Berlin
sehr schnell in Zusammenarbeit mit dem
Kultursenat eine Ausfallhonorarregelung
getroffen haben“, erzählt uns Matthias
Schulz. Auch wenn das die Probleme nicht
löst, bringt es eine kleine Entlastung. „Hinzu
kommt, dass so eine Spitzeninstitution
viele, ich sage mal, Rennpferde hat, die
endlich laufen wollen, aber quasi im Stall
stehen müssen.“ Damit schildert Matthias
Schulz das Elend aller Künstlerinnen und
Künstler, die auf den Bühnen zu Hause sind
und denen das Auftreten praktisch in den
Genen liegt.
Das Kinderopernhaus begeistert die
Jüngsten für die Oper
Das Kinderopernhaus möchte gemeinsam
mit Musikschulen, Grundschulen und Ausbildungsinstitutionen
Schülerinnen und
Schülern niedrigschwellig an die Oper
heranführen. „Diese Arbeit ist so wichtig:
ergänzend zu den Schulen etwas Einmaliges
anzubieten. Das passiert sowohl beim
Kinderopernhaus als auch beim Opernkinderorchester,
wo die Kinder im Opernhaus
auftreten können und vielleicht mit Künstlern
zusammenkommen, die sie sonst nie
erleben würden. Wir sprechen mit diesem
Angebot auch Kinder aus schwierigeren
Regionen Berlins an“, erklärt der Intendant
des Opernhauses.
Mehr als 200 Kinder sind aktuell an elf
Grundschulen in AGs und arbeiten in normalen
Zeiten aktiv jede Woche an den vier
großen Kinderopernhäusern in Marzahn,
Lichtenberg, Reinickendorf und in Mitte.
„Das letzte Jahr war schlimm“, berichtet
Regina Lux-Hahn, „weil wir zehnjähriges
Jubiläum haben. Wir hatten eine Jubiläumspremiere
mit einem aufwendigen Mozart-Stück
geplant. Das musste zweimal
abgesagt werden.“ Wo sich Kinder jede
Woche auf einen solch großen Auftritt
in Camps und zusätzlichen Workshops
vorbereiten, um die sehr hohe Qualität zu
sichern, hinterlässt die Corona-Krise große
Enttäuschung. Glücklicherweise konnte
das Kinderopernhaus einen Sponsor finden,
der die Szenen professionell gefilmt
hat: „So können wir etwas von dem Ganzen
bewahren. Denn das ist ja wie Eis, das
schmilzt, und dann ist es weg und nicht
mehr zu gebrauchen.“
Eigentlich ist momentan eine Lohengrin-
Produktion im Haus geplant. Seit Januar
finden alle Proben der Kinderopernhäuser
per Zoom statt. Regina Lux-Hahn nennt die
Lösung eine „mentale Brücke“, die hilft, am
Projekt dranzubleiben. „In gewisser Weise
sind die Kinder ja an Unterricht in dieser
Form gewöhnt“, ergänzt Matthias Schulz“,
12
meinviertel – Kultur Spezial
Mehr Infos unter:
edeka.de/wwf
Infobox
Yorck Kinogruppe
„Im richtigen Kino bist du nie im
falschen Film“
www.yorck.de
wechselseitig abhängig und vielfältig ist.
Und dass es genau diese Vielfalt braucht,
betrachtet man die unterschiedlichen
Interessen und Vorlieben der Menschen.
Das Streamen zu Hause ersetzt nicht die
Begegnung vor Ort, ist Bräuer überzeugt:
„Diese analogen Räume sind Teil einer zukünftigen
Stadt. Städte müssen grüner
werden. Wir brauchen faire, gute Jobs. Wir
brauchen bezahlbaren Wohnraum. Und wir
brauchen diese kollektiven Räume.“ Die
Kinos der Yorck Kinogruppe sind stark in
ihren Kiezen eingebunden. Arthouse liegt
bundesweit bei etwa 15 Prozent, in Berlin
bei über 30 Prozent. Diese Zahl spiegelt
das vielfältige Interesse in der Stadt wider.
Mittlerweile kommen nahezu 800 Filme
pro Jahr auf den Markt: „Da wird diese kuratorische
Leistung viel wichtiger. Da muss
ein Kino auf seinen Kiez, auf seine Nachbarschaft
rekurrieren. Ich glaube tatsächlich,
das ist unser Plus. Wir kennen wirklich
das Publikum. Der Algorithmus kennt es
fast. Das ist natürlich gut. Datenmanagement
ist wichtig. Auch im Kino wird das
wichtiger. Jedes Kino braucht eine Digitalstrategie.
Aber letztlich ist es die menschliche
Interaktion, diese Authentizität, die es
am Schluss immer noch ausmacht.“ Bräuer
rechnet damit, dass es eine Weile dauern
wird, bis die Menschen wieder Vertrauen
fassen: „Ich schätze, da liegt ein schwerer
Übergang vor uns. Auf der anderen Seite
waren wir so lange zu Hause. Die Leute
wollen und müssen raus. Das wird dann
auch an Filmen hängen. Diese Sehnsucht
nach Gemeinschaftserlebnis, das ist das
Plus“. Dazu kommt das Herzstück jedes
Filmemachens und Filmeschauens: „Die
Menschen waren immer fasziniert vom Geschichtenerzählen.
Das kann das Theater
sein, das machen Bücher, und das Medium
Film hat durch seine technischen Möglichkeiten
wahnsinnige Mittel“, ist sich Bräuer
sicher. Es wird auch immer Menschen
geben, die gern Geschichten erfinden
und erzählen. Dafür braucht es die Kinobetreiber.
„Ich glaube, dass wir bleiben. Die
Digitalisierung schwemmt diesen Zweig
nicht weg. Es gibt jetzt eben andere Möglichkeiten.“
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mit WWF für nachhaltiges Handeln ein.
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von EDEKA deutlich zu reduzieren.
• Über 400 nachhaltigere EDEKA-Produkte
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WWF-Panda auf ihrer Verpackung.
Herausgeber: EDEKA-Markt Minden-Hannover GmbH, Wittelsbacherallee 61, 32427 Minden
Ein Stück Berlin
KINO – Dr. Christian Bräuer (Yorck Kinogruppe)
Auch in der Yorck Kinogruppe mit 14 Kinos
plus Freilichtkino herrscht Kurzarbeit. Doch
in unserem Gespräch ging es um so viel
mehr als um das pure Überleben in der Corona-Krise:
Wie sah Kino vor der Pandemie
aus? Wie sind die Zukunftsprognosen für
die Kinobranche? Kaum jemand steckt so
tief in diesem Metier wie Dr. Christian Bräuer.
Die kurze Öffnungsphase zwischen den
Lockdowns hat der Kinogruppe, die für
Arthouse steht, Verluste gebracht. Aber
klar sei gewesen: „Wir müssen da sein und
Flagge zeigen. Abgesehen davon wäre uns
die Decke auf den Kopf gefallen“. In diesem
Sinne sind die Förderprogramme des Senats
auch hier extrem wichtig, um die Zeit
des Lockdowns zu überstehen.
Kino im Wandel der Zeit
Kino, Fernsehen, Videokassette, Digitalisierung
– um ein paar Meilensteine der
Filmkunst zu nennen. „Natürlich hatten
wir Herausforderungen, aber die letzten
Jahre seit der Digitalisierung waren für uns
gute Jahre“, erzählt Bräuer. „Es besteht
ein Interesse an Kultur. Die Faszination der
großen Leinwand wirkt. Aber der Markt
ist im Umbruch, so wie die Gesellschaft
generell. Alles wird immer schneller.“
Das globale Wachstum hat auch vor der
Kinobranche nicht haltgemacht. Die großen
Multiplexketten blieben nicht national,
sondern wurden europäisch: „Wir haben
eine kulturelle Vielfalt, eine sprachliche
Vielfalt, eine Ländervielfalt. Das alles erschwert
es uns.“ Im Studiowesen zeigt
sich eine Marktmacht-Monopolisierung.
Außerdem: „Viele Leute kommen über
Google ins Kino. Es gibt große Spieler, die
mit ihren Algorithmen entscheiden.“ Mit der
Pandemie hat das nichts zu tun, doch sie
beschleunigt diese Tendenzen. „Es gibt ein
paar Sondereffekte, die werden aber nicht
bleiben. Nie haben die Studios mehr Geld
mit dem Kino verdient als 2019. Die Yorck
Kinogruppe hatte fast 1,5 Mio. Besucher“,
zeigt ein Blick in die nicht weit entfernte
Vergangenheit, die aus heutiger Sicht jedoch
anmutet wie die Steinzeit.
Visionen für die Kinozukunft trotz
Pandemie
„Wir sind Kultur, wir sind ein Teil der Nachbarschaft
und Teil der Vielfalt. Viele
Arthouse-Filme hätten ohne die Kinos
überhaupt keine Chance zum Publikum
vorzudringen. So ist das Kino heute immer
noch die Herzkammer für Filme, zumindest
für Filme jenseits des großen,
globalen Mainstreams. Und ich glaube,
das geht nicht verloren, dieser Wert wird
eher gewinnen, auch durch die Pandemie“,
so Bräuers Standpunkt. Erkennt er
irgendetwas Positives an der Pandemie?
„Sie schafft gerade viel Solidarität in der
Kinobranche und in der gesamten Kultur.
Wir sind auf einmal in Kontakt mit Theaterbühnen“,
zeigt sich der Geschäftsführer der
Yorck Kinogruppe angetan. „Ohne die Krise
hätte es das so nicht gegeben.“ Letztlich
demonstriert diese Solidarität, dass Kultur
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Ein Blick in die Zukunft
Die passionierte Eventmanagerin geht
davon aus, dass in näherer Zukunft die
Geschäfte weitgehend online ablaufen.
„Wenn man sich ein bisschen besser damit
auskennt und es gut macht, kann man sich
darauf mehr verlassen als auf Events live
mit Corona“, begründet sie ihren Standpunkt.
Langfristig allerdings geht Ricarda
Farnbacher davon aus, dass Events
zurückkommen und die Leute auch Lust
darauf haben. Auf Seiten der Eventbranche
setzt das Flexibilität und auch Spontaneität
voraus. „Ich denke aber, es wird
sehr viel länger brauchen, als wir denken“,
mutmaßt sie.
Planen ohne Plan: aus wirtschaftlicher
Sicht ein unmögliches
Unterfangen
Die Kurzfristigkeit von Beschlüssen zählt zu
Farnbachers größten Kritikpunkten an der
Politik: „Es kann einfach nicht sein, dass wir
erst eine Woche vorher erfahren, was passieren
darf und was nicht. Wir sind schon arg
flexibel, aber innerhalb von sieben Tagen
läuft natürlich gar nichts. Da frage ich mich
schon, wie man eine Wirtschaft überhaupt
planen will. Wenn ein Krisenstab der Regierung
nicht weiß, wie es in den nächsten
zwei Wochen wirtschaftlich für eine ganze
Branche aussieht, kriege sogar ich Angst,
wie das weitergehen soll.“ Ihre Kritik betrifft
auch die Fahrt auf längere Sicht: „Wenn wir
nicht wissen, wie wir planen sollen, wie sollen
wir da planen? Manche würden dann
vielleicht ihre Geschäfte zumachen oder
auf ein anderes Pferd setzen und ihr Geld
für etwas anderes ausgeben.“ ■
EVENTMANAGERIN – Ricarda Farnbacher
Vom Politikstudium zur eigenen Event- und
Cateringfirma: Ricarda Farnbacher hat in
ihrem Leben viel gekellnert, hatte beruflich
aber erst einmal anderes im Blick. Doch:
„In Berlin bin ich relativ schnell von der Kellnerin
zur Eventmanagerin geadelt worden.
Dazu haben auch viele Zufälle im Privaten
beigetragen“, schildert sie ihren Einstieg
in die Branche. Ihren schlecht bezahlten
Job als Reporterin hing sie irgendwann an
den Nagel und gründete 2015 ihr eigenes
Label „Ricarda Farnbacher – Event Catering
Location“. Ihrem Verständnis von
Qualität entsprechend stellte sie recht flott
auf Nachhaltig und Regional um. Seit Mitte
2016 hat die Powerfrau ihre eigene Küche
und rockte in der Peakphase mit ihrem
Team 250 Veranstaltungen im Jahr.
Mit nachhaltiger „Farnkost“ trotzt sie
dem Lockdown
Bis zum Lockdown 2020 hat Ricarda
Farnbacher durchgearbeitet. Der Sommer
war schon voll gebucht, ebenso belegt
waren die besten Weihnachtsdaten.
„Ich habe gedacht, ich kriege ein Herzinfarkt“,
schaut sie zurück auf den krassen
Bruch. Die Intention nachhaltiger zu werden,
hatte sie ohnehin. „Mich hat das persönlich
total gestört, wie mit Essen umgegangen
wird und dass es immer viel sein
muss.“ Ihre Kunden habe sie schon immer
darauf trainiert, lieber fünf gute Speisen
zu nehmen. Das ist nicht nur nachhaltiger
und kann die Qualität der Speisen sichern,
es ist auch logistisch besser zu stemmen.
Mit Corona entstand die nachhaltige
Feinkostmarke „Farnkost“, unter deren
Namen Ricarda Farnbacher nachhaltig
produzierte Delikatessen mit Zutaten aus
der Region und ihrem Garten herstellt.
Mit ihren Produkten war sie in der Corona-Zeit
auch auf dem Kollwitzmarkt zu
finden, ihre Food- und Snackboxen im
Onlineshop stoßen auf rege Nachfrage.
Die einfache Kochbox findet vor allem
bei Leuten im Homeoffice Anklang. Zum
Sortiment gehören auch Trinkboxen. „Ein
richtiger Renner sind die Alkoholboxen,
wie die Gin-Cocktail-Boxen“, erklärt die
Frau hinter „Farnkost“. Die Sirups stellt ihr
Team selbst her, dazu gesellen sich ein
lokaler Spirituosenanbieter und als Filler
ein lokaler Softdrinkhersteller.
Den Frust überlässt sie dem
Steuerberater
Aktuell hat Ricarda Farnbacher fünf Mitarbeiter
(früher waren es zwölf), von
denen die vier Vollzeitkräfte in Kurzarbeit
sind. Dazu erhält sie die Betriebskostenzuschüsse
aus Landesmitteln. Anfangs
hat sie sich noch mit den verschiedenen
Mitteln aus Landes- oder Bundestöpfen
beschäftigt, inzwischen überlässt sie das
ihrem Steuerberater: „Ich habe gemerkt,
wie sehr mich das stresst, weil wahnsinnig
viel gestreut wird. Du darfst das haben, du
darfst das nicht haben. Und bis zum letzten
Moment dreht sich das.“
Stattdessen nehme sie nun dankend an,
was sie kriegen kann. Was sie an der ganzen
Sache sehr belastet: „Es wird nicht gesehen,
dass man sein eigenes Leben finanzieren
muss und auch noch sein Unternehmen.
Also hast du zwei Belastungen und eigentlich
kein Einkommen, außer dem Betriebskostenzuschuss.“
Für Ricarda Farnbacher
ist klar: „Wenn ich nichts bekommen würde,
würde einfach nichts mehr gehen. Dann
kann ich mir überlegen, ob ich meine gesamte
Rente ausgebe oder zumache.“
8
meinviertel – Kultur Spezial
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Infobox
Frannz Club
Ausschank, Club, Biergarten
Kulturbrauerei
Schönhauser Allee 36
10435 Berlin
www.frannz.eu
„Wir haben das gemacht, laufen jetzt aber
Gefahr, dass der Bund uns das Geld wieder
abkassiert“, befürchten die Betreiber
und erklären: „Wenn wir auf eine Hilfe vertrauen,
die im Nachhinein wieder einkassiert
wird, ist das natürlich wirtschaftlich
schwierig. Die Sorge ist schon da, dass wir
bei Rückzahlungsforderungen nach Ende
der Pandemie doch Insolvenz anmelden
müssten.“ Doch noch überwiegt das Vertrauen,
dass die Politiker ihre Versprechen
auch einlösen.
Unterstützung bei der Wiedereröffnung
Beim Kultusministerium können Kulturbetriebe
Anträge stellen, die auf Unterstützung
bei einer Wiedereröffnung ausgerichtet
sind, denn alle rechnen mit einer
Anlaufphase. Diese muss gestemmt werden,
weil die Umsätze erst einmal geringer
ausfallen werden. Sind in der Zeit große
Rückforderungen fällig, geht die Rechnung
nicht auf. „An der Stelle würde es uns das
Genick brechen“, so viel ist Witzmann
klar. Er macht aber in unserem Gespräch
deutlich: „Wir setzen auf Herrn Lederer
und Frau Grütters und hoffen, dass wir
da durchkommen und dass die dann ihre
Kämpfe mit Herrn Scholz oder mit Herrn
Altmaier durchgekämpft kriegen.“
Perspektiven für die Clubkultur
Uwe Lippold und Ingo Witzmann erwarten,
dass die Pandemie keinen nachhaltigen
Effekt auf die Ausgehkultur haben wird:
„Wir hoffen, dass das Bedürfnis auszugehen
nicht verschwindet. Onlineformate ersetzen
ja auch nicht das normale Veranstalten
und Beisammensein im realen Leben. Wie
lange die Angst in den Köpfen sein wird,
kann niemand sagen.“ Letztlich scheint die
Zuversicht die Oberhand zu haben, wenn
die beiden sagen: „Wir sind ja nicht allein.
Das hilft dabei, zuversichtlich zu bleiben.
Du weißt: Es wird Lösungen geben, weil
viele betroffen sind.“ ■
Eine Gesellschaft ohne Kultur
EVENTLOCATION – Frannz Club
Wo normalerweise gegessen und gefeiert
wird, bleibt es still und dunkel. Auf der
Website läuft ein Ticker: Seit 325 Tagen
gibt es keine Partys und Konzerte mehr.
Auch wenn sie nicht die Einzigen sind, die
vom Stillstand betroffen sind, machen sie
ihre eigenen Erfahrungen im Lockdown.
Wir unterhielten uns mit den beiden Geschäftsführern
des Frannz Clubs Uwe
Lippold und Ingo Witzmann.
Trotz des ersten Lockdowns kann der
Frannz Club auf einige Highlights im Sommer
2020 zurückblicken. Mit der Band
Knorkator fand das erste Konzert statt,
das gestreamt wurde; es hatte enorme
Zugriffszahlen. Es folgte eine Kooperation
mit radioeins, das über den Sommer
live aus dem Garten des Frannz Clubs in
der Kulturbrauerei sendete. Drei Monate
kulturelles Leben unter dem Berliner Himmel
– bis es zu kühl wurde und der nächste
Lockdown vor der Tür stand. Bei all diesen
Aktivitäten war die Maßgabe: „Wir wollen
das Loch nicht noch größer schaufeln,
als es schon ist. Es war von Anfang an
aussichtslos, tatsächlich die Kosten zu
bestreiten, die bei uns auflaufen“, erzählt
uns Uwe Lippold.
Die Hürden mit den Hilfen
Während in „Friedenszeiten“ die Personalkosten
zur entscheidenden Baustelle gehören,
sind es in Corona-Zeiten die Mieten.
Als sich die finanziellen Hilfen endlich ankündigten,
seufzten Uwe Lippold und Ingo
Witzmann auf, denn sie konnten dadurch
die Kündigung in letzter Minute abwenden;
der Vermieter forderte nämlich den Eingang
der Miete: „Wir haben es Gott sei Dank geschafft,
weil endlich das Überbrückungsgeld
I gekommen ist, also Gelder für die Fixkosten
aus Juni bis August 2020. Anfang
August hatten wir es beantragt, Anfang Dezember
kam das Geld“, so Ingo Witzmann.
„Bei Berlin oder dem Land sieht man immer
den guten Willen“, findet er, „sie brauchen
natürlich auch die Unterstützung vom Bund.
Und beim Bund sieht man vor allen Dingen,
dass es sehr lange dauert und immer wieder
Verfahrensänderungen gibt.“ Unsere Gesprächspartner
erzählen von einem irren
Aufwand, der betrieben werden müsse. Man
liest sich ein, beginnt das Ganze zu verstehen
– und fängt dann doch wieder von vorn
an: „Das Ganze hat die Tendenz, sich immer
weiter aufzudröseln und zu verkomplizieren.
Da kann man schon dran verzweifeln und
den Überblick verlieren“, gibt Uwe Lippold
zu und ergänzt: „Ohne einen guten Steuerberater
ist man ohnehin verloren.“
Was die beiden Geschäftsführer wirklich
stört, sind die fehlenden Bescheide. Die
Antragstellungen erfordern gefühlte 1.000
Häkchen und Unterschriften, um Subventionsbetrug
und Vortäuschung falscher
Tatsachen zu verhindern, doch dann … erst
mal nichts. Irgendwann fließt Geld aufs
Konto, aber niemand kennt den dazugehörigen
Bescheid. Ingo Witzmann findet
das frustrierend: „Irgendwie tappt man im
Dunkeln. Du weißt nur: Irgendwann wird alles
nochmal abgerechnet.“ Da macht sich
natürlich die Sorge breit, dass bei der Endabrechnung
plötzlich Rückforderungen
auftauchen könnten, zumal die Zuschnitte
der Programme von Bund und Land unterschiedlich
sind. Der Bund finanziert nur
Fixkosten und rechnet an, was vom Land
kommt. Beim Landesantrag können auch
Investitionskosten eingegeben werden:
6
meinviertel – Kultur Spezial
Infobox
Jazzclub A-Trane
www.a-trane.de
Atrin Madani
www.atrinmadani.com
und hofft, dass die Musiker geschlossen aus
dieser Krise herausgehen werden.
Im Dezember 2020 machte Atrin Madani
mit seiner Band draußen Musik für die
Nachbarn: „Wir hätten alle heulen können,
so schön war das. Und dann ist ein Hut
rumgegangen. Das eingesammelte Geld
entsprach der Gage, die wir zu normalen
Zeiten hier im A-Trane bekommen.“ Die
Erfahrung veranlasst den Jazzmusiker zu
diesem leidenschaftlichen Statement: „Die
Politik sagt, sie sieht uns. Aber die können
uns nicht verstehen, weil sie nicht wissen,
was es bedeutet selbstständig zu sein. Das
sind Abgeordnete, die haben feste Gehälter
und oft noch gut bezahlte Nebenbeschäftigungen.
Es steckt so viel Arbeit drin
in dem, was wir machen. Wir haben jahrelang
geübt, wir haben das studiert. Und ich
finde, es wird noch nicht mal angemessen
entschädigt. Im Vergleich zu einem Anwalt
oder Arzt haben wir genauso viel wissenschaftliche
Arbeit geleistet, nur in einem
Bereich, der dazu da ist, die Menschen
seelisch gesund zu machen, seelisch zu
beglücken.“
Jazzmusik im Livestream
Kürzlich ging das A-Trane eine Kooperation
mit der Zeitschrift Jazz thing ein:
Atrin wirkte mit seiner Band an einer
Livestream-Serie mit. Er beschreibt die
Aktion als schön, aber auch speziell: „Ich
bin dankbar, dass ich diese Möglichkeit
habe, denn es ist keine Selbstverständlichkeit.
Es ist ein Schritt in Richtung Digitalisierung.
Aber normalerweise spielen
wir einen Song, bekommen Applaus und
stellen uns währenddessen mental auf
den nächsten Song ein. Online fühlt sich
jede Sekunde komisch an. Es ist alles eine
Tortur. Viele Leute haben gesagt: ‚Vielen
Dank für das schöne Livekonzert.’ Ich
freue mich aber jetzt umso mehr, wieder
live dabei zu sein.“ ■
JAZZCLUB A-Trane UND JAZZSÄNGER Atrin Madani
Erster Adventssonntag 2020, Eiseskälte,
15 Uhr, einsetzende Dämmerung. Weihnachtsmusik
schallt durch die Straße. Auf
den Balkonen: strahlende Gesichter. So
hört sich eine berührende Weihnachtsgeschichte
in Corona-Zeiten an, als Jazz- und
Chansonsänger Atrin Madani im Freien
für die Nachbarschaft Musik macht. Seine
Medaille hat natürlich auch eine andere
Seite. Darüber sprachen wir mit ihm und
dem Betreiber des legendären Jazzclubs
A-Trane, Sedal Sardan.
In der Öffnungsphase zwischen den beiden
Lockdowns hat Sedal Sardan versucht die
Abläufe so umzustrukturieren, dass der
Betrieb kostendeckend läuft, aber das
Feeling nicht verloren geht. Von eigentlich
100 Plätzen konnten nur 33 belegt werden.
„Wir haben eine hohe Nachfrage erwartet,
waren am Ende aber froh, überhaupt die
33 vollzukriegen. Sie Sorge vor einer Ansteckung
in geschlossenen Räumen war
zu groß“, schaut Atrin Madani zurück auf
den Sommer. Sedal Sardan hat alle Hilfsmittel
beantragt, die angeboten wurden.
Insgesamt schildert der Clubbetreiber eine
frustrierende Angelegenheit: „Sie benutzen
Titel wie Soforthilfe. Darunter verstehe ich
was anderes. Überbrückungshilfe müsste
eigentlich auch schnell kommen, weil
man damit ja etwas überbrücken soll. Es
gibt Versprechen, die nicht eingehalten
werden. Daraus entstehen Nervosität und
Misstrauen.“
Mangelnde Gerechtigkeit und Zeichen
von Menschlichkeit in der Krisenzeit
Für Atrin Madani fing 2020 mit seinem Debüt
im A-Trane nahezu perfekt an. Dann
kam ein radikaler Bruch. „Das Schlimmste
war für mich diese Perspektivlosigkeit. Nicht
zu wissen, wie es jetzt weitergeht.“ Auch
wenn der Musiker als Student durch das
Raster der Hilfsgelder fiel, rechnet er dem
Land Berlin die schnelle, unbürokratische
Hilfe hoch an. Doch wie viele Soloselbstständige
bringt er kein Verständnis für
die Betriebskostenklausel auf: „Was sind
denn bei uns Künstlern Betriebskosten?
Unser Proberaum ist nicht gleichzeitig unser
Wohnraum. Unsere Gitarrensaiten oder Mikrofone,
die Wartungen, das sind Betriebskosten,
die wir nicht zum Leben brauchen.“
Um nach dem ersten Lockdown wieder
öffnen zu können, haben viele Läden, ob
Restaurants oder Kulturstätten, renoviert
und in Lüftungsanlagen investiert. Trotzdem
war klar: Die Kulturstätten dürfen als
letztes wieder öffnen. „Finanziell ist das ein
Teufelskreis. Einerseits muss der Club bei
der reduzierten Gästezahl die Eintrittspreise
erhöhen, um die Künstler, die lange kein
Geld verdient haben, einigermaßen zu bezahlen.
Gleichzeitig haben viele Leute lange
Zeit selbst keine Einnahmen gehabt, weil sie
in Kurzarbeit waren.“ Atrin setzt nun große
Hoffnungen in Olaf Scholz, der weitere Hilfsfonds
für den Kulturbereich angekündigt
hat. „Denn warum sollen wir als Künstler
oder warum sollen die Betreiber die Kunst
subventionieren?“ Laut Atrin ist in Sachen
Gerechtigkeit vieles während der Krise
schiefgelaufen: „Wenn man sich anschaut
was für einen Steueranteil die Soloselbstständigen
oder die Kulturschaffenden im
Entertainmentbereich tragen, warum sind
wir nicht angesehener? Warum zählen wir
weniger als die Automobilindustrie? Wir
haben keine Lobby.“ Er bezeichnet das
als ein generelles Gesellschaftsproblem
4
meinviertel – Kultur Spezial
Infobox
Clubcommission
www.clubcommission.de
Podcast zu diesem Interview
www.kulturfritzen.podigee.
io/40-clubcommission
werden konnten, während die Bundesmittel
bis heute immer wieder Fragezeichen aufwerfen.
Da kennen sich selbst die Steuerberater
nicht aus und raten einem, das Geld
lieber auf dem Konto zu halten. Und gleichzeitig
muss man mehrere Tausend Euro
Miete zahlen und Mitarbeiter entlohnen.
Also, das ist sehr schwierig.“ Und doch hat
die Clubcommission bisher alle Mitglieder
durch die Krise bringen können.
Draußen tanzen
Zahlreiche Clubs entwickelten im letzten
Jahr digitale künstlerische Formate, andere
wurden zur Galerie, zur Teststation, zum
Drehort oder Sitzungssaal. In den warmen
Monaten fanden auch etliche Veranstaltungen
statt: Konzerte, DJ-Sets, kleine Festivals
für bis zu 1.000 Personen, darunter
der vom Senat finanzierte Tag der Clubkultur
am 3. Oktober – alles unter freiem
Himmel und unter kontrollierter Einhaltung
strengster Hygienekonzepte. Argwohn und
Kritik von Seiten der Behörden und Medien
blieb trotzdem nicht aus: „Obwohl die
Ausbrüche anderswo stattfanden, schien
es einfacher zu sagen, das Partyvolk sei
schuld an steigenden Infektionszahlen,
was nachweislich für die Außenbereiche
nicht zutrifft“, sagt Lutz.
Perspektiven
Neben Masken und Abstand gibt es nun
auch einen Impfstoff und finanzierbare
Schnelltests, die im kommenden Sommer
Entspannung für die Veranstaltungsbranche
bringen könnten.
Geduld ist in jedem Fall vonnöten: „Es
wird eine Weile dauern, bis wir von Null
auf Hundert zurückkommen, zu den Variablen
gehört ja nicht nur das Berliner
Publikum, das sich sicher fühlen muss.
Hinzu kommt die Frage, wann wieder
Gäste in die Stadt kommen. Und auch
Künstlerinnen und Künstler müssen wieder
reisen können.“ ■
Gemeinsam
für Berlin
... kulturbegeistert.
Deshalb fördern wir Projekte aus Kunst
und Kultur und tragen so dazu bei,
dass Talente eine Bühne bekommen.
berliner-sparkasse.de/engagement
CLUBSZENE – Die Clubcommission
Innerhalb der schwer gebeutelten Veranstaltungsbranche
hat es die Clubszene
vermutlich am härtesten getroffen. Während
Museen und Galerien recht schnell,
Theater und Konzerthäuser im Spätsommer
und Frühherbst immerhin für einige
Wochen öffnen konnten (wenn auch mit
großen Einschränkungen), so war für die
Clubs und Partylocations auch zwischen
den Lockdowns Lockdown, denn die
Durchführung sogenannter Tanzlustbarkeiten
ist seit Freitag, dem 13. März 2020, in
Innenräumen ausnahmslos verboten. Wie
es den Clubs nach einem Jahr Schließzeit
geht und mit welchen Konzepten sie durch
die Krise kommen, darüber haben wir mit
Lutz Leichsenring gesprochen, der Pressesprecher
und Teil des geschäftsführenden
Vorstands der Clubcommission ist, die vor
20 Jahren als Netzwerk für die Berliner
Clubszene gegründet wurde.
Mit 300 Mitgliedern ist die Clubcommission
heute die weltweit größte regionale
Vereinigung von Clubbetreiberinnen und
-betreibern sowie Organisierenden von
Musikevents. Sie agiert als Vermittlerin
zwischen der Club- und Partyszene und
der Politik, den Behörden, der Wirtschaft
und der Bevölkerung. So bemüht sie sich
um eine endgültige Anerkennung der
Clubs als Kulturstätten, hat mit dem Senat
einen Schallschutzfonds aufgesetzt,
kämpft für den Erhalt von Freiräumen in
der Stadt, kümmert sich um Nachhaltigkeit
bei der Ausrichtung von Festivals
und um andere Awarenessthemen wie
eine faire Türpolitik oder Geschlechtergerechtigkeit
im Veranstaltungsbusiness.
9.000 Menschen verdienen ihr Geld in der
Berliner Club- und Partyszene, 180 Mio.
Euro Umsatz werden hier im Jahr gemacht,
insgesamt spült die Clubkultur jährlich 1,5
Mrd. Euro in die Stadt. Geld, das nun fehlt.
Menschen auf engstem Raum
zusammenbringen
Bereits bevor der erste Corona-Fall in
Berlin auftrat, hielt die Clubcommission
regelmäßige Krisensitzungen ab. „Es gab
zwei Aspekte, die die Katastrophe für
uns schon früh absehbar machten“, erzählt
Lutz. „Zum einen, weil wir unser Geld
damit verdienen, dass wir Menschen auf
engstem Raum zusammenbringen, und
das ist das Gegenteil von dem, was man
in einer Pandemie machen sollte. Und uns
war klar, dass das zu einer Stigmatisierung
führen könnte. Was ja auch eingetroffen
ist.“ Einige Clubs hatten schon Anfang
März Veranstaltungen abgesagt, um ihre
Mitarbeitenden und Gäste zu schützen.
Geplante Sensibilisierungsmaßnahmen
schob der Lockdown beiseite.
#UnitedWeStream
Bereits am ersten Tag der Schließung
beschloss die Clubcommission, mit
#UnitedWeStream eine Streamingplattform
und eine Spendenkampagne zu
starten, die fünf Tage später online gingen.
„Daran sieht man die Kraft eines
Netzwerks: dass wir den Launch in kürzester
Zeit geschafft haben. Mit Partnern
wie ARTE concert, FluxFM oder dem rbb.
Unser Ansatz war, zu zeigen, was wir unter
Clubkultur verstehen, und deshalb war klar:
Wir streamen nicht aus Wohnzimmern, sondern
aus leeren Clubs, vor leeren Bühnen
und leeren Tanzflächen. Um die Dimension
zu zeigen: dass Künstlerinnen und Künstler
Teil unseres Programms sind und dass
die jetzt auch kein Publikum haben. Und
wir wollten hohe Qualität bieten, Fernsehqualität.
Jeden Abend streamten wir aus
einem anderen Club. Live. Und das hat
eingeschlagen, sodass wir in den letzten
Monaten über 600.000 Euro eingesammelt
haben für Berlin.“ Ein Betrag, der bei
Weitem nicht ausreicht, die Clubszene
zu retten, aber ein Einstieg ist, um mit der
Politik zu verhandeln. Die Spenden waren
jedoch in den ersten Wochen ein wichtiger
Puffer. Die Clubcommission nahm direkt
Verhandlungen auf, um finanzielle Unterstützung
zu bekommen, nichtsdestotrotz
dauerte es zum Teil Monate, bis zugesagte
Soforthilfen ankamen. „Landesmittel waren
passgenauer“, erläutert Lutz, „weil sie
sehr stark auf die privaten Kulturbetriebe
ausgerichtet waren, sodass hohe Mieten
und andere laufende Kosten damit gedeckt
2
meinviertel – Kultur Spezial
INHALT
2 CLUBSZENE – Die Clubcommission
4 JAZZCLUB A-Trane UND JAZZSÄNGER Atrin Madani
6 EVENTLOCATION – Frannz Club
8 EVENTMANAGERIN – Ricarda Farnbacher
10 KINO – Dr. Christian Bräuer (Yorck Kinogruppe)
12 OPER – Staatsoper Unter den Linden
14 THEATER – GRIPS-Kindertheater
16 THEATER – Berliner Kriminal Theater
18 THEATER – Ensemble RambaZamba
20 VARIETÉ – Maik M. Paulsen UND Axel Hecklau
22 SCHAUSPIELER – Heike Feist UND Andreas Nickl
24 AUTORIN – Franziska Hauser
26 STRASSENMUSIKER – Ruperts Kitchen Orchestra
28 TÄNZERIN – Laura La Risa
30 ATELIERGEMEINSCHAFT – Skip Pahler
32 BÜNDNIS – #AlarmstufeRot
34 TOURISMUSVEREIN Berlin-Pankow e.V.
36 PETITION – Kultur ins Grundgesetz
Mit freundlicher Unterstützung der
Senatsverwaltung für Kultur und Europa
Fotos: © Jens Wazel
Am 28.10.2020 organisierte die Gruppe ALARMSTUFE ROT, ein Bündnis der einflussreichsten Initiativen und Verbände
der deutschen Veranstaltungswirtschaft, die zweite Großdemo zur Rettung der Veranstaltungsbranche in Berlin.
Lieber Berlinerinnen, liebe Berliner,
Kultur ist nicht alles in Berlin, aber ohne Kultur wäre Berlin nichts (Besonderes).
Von der weltberühmten Clubkultur bis zu den exzellenten Opern und Orchestern,
von den zahllosen Galerien und Museen bis zum Varieté: Kunst und Kultur prägen
das Lebensgefühl unserer Stadt, ihren Rhythmus, ihre Entwicklung. Künstlerinnen
und Künstler sowie Kreative haben einen enormen Anteil an der Attraktivität
Berlins. Unsere Stadt hat ihren Kulturschaffenden und Kulturbetrieben viel zu
verdanken. Daraus erwächst eine Verantwortung, die der Senat mit Ausbruch
der Pandemie angenommen hat: Berlin hat seine Kunst- und Kulturlandschaft
nicht alleingelassen.
Mit einem Bündel Hilfsprogrammen hat Berlin reagiert, um Künstlerinnen
und Künstler, Kulturschaffende und Kulturinstitutionen vor existenziellen
Notlagen zu bewahren. Die geförderten Institutionen wurden weiterfinanziert,
Zuwendungen für modifizierte Projekte ausgereicht und insbesondere auch
private Kulturangebote mit den Soforthilfeprogrammen unterstützt. Gereicht
hat es wahrscheinlich nicht immer, denn reicher ist Berlin nicht geworden,
und die Bundesprogramme sind ein Kapitel für sich. Heute weiß ich natürlich
auch, was vor einem Jahr alles nicht geklappt hat. Künstlerische Existenzen
sind extrem gefährdet, und ich ahne, dass wir auch manches verloren haben.
Mutig sind wir im März 2020 mit „Kultur trotz(t) Corona“ in die Krise gestartet,
haben über den Sommer einiges möglich gemacht, waren digital weltweit
unterwegs, mit Maske und Abstand in Kino, Theater und Konzert, zum Rave
auf der Industriebrache, haben Festivals und Ausstellungen im Lifestream
eröffnet – und dabei manchmal mehr gesehen als sonst vor Ort. Aber nichts
ersetzt das Liveerlebnis.
Fragen bleiben: Kann Kultur auch unter den Umständen eines besonderen
Gesundheitsschutzes angeboten werden? Können wir künftig die existenzbedrohende
Situation überwinden, ohne dass es zu einem Kahlschlag kommt?
Die Situation war und ist für uns alle neu – oft haben wir in den vergangenen
Monaten gesagt: „Wir fahren auf Sicht.“ Ja, wir fahren … wenn auch umsichtig,
vorsichtig und angemessen. Es darf am Ende nicht heißen, wir haben zwar
den Virus besiegt – dieser aber vorher unsere bunte und vielfältige Kulturlandschaft.
Davon habe ich mich leiten lassen bei dem, was wir bisher getan
haben, und so werde ich es auch künftig halten.
Der Senatsverwaltung für Kultur und Europa haben die Situationsanalysen,
Hinweise und Vorschläge der Verbände, Initiativen und Künstlerinnen
und Künstlern geholfen, sich ein konkretes Bild der Lage zu machen. Allen,
die hierzu beigetragen haben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt! Es ist bestärkend
zu sehen, wie solidarisch sich Verbände, Kultureinrichtungen und
Kulturschaffende in dieser Krise gemeinsam um das Wohl unserer Stadt und
ihrer Kunstszene bemühen. Diese Sonderveröffentlichung in Mein/4 gehört
unbedingt dazu. Wir brauchen weiter viele Impulse und Ideen, um das Berliner
Kulturangebot in und vor allem nach der Pandemie im Bewusstsein zu halten.
Der Neustart muss und wird gelingen. Berlin bleibt Kulturhauptstadt. Sie lesen
in diesem Heft über die Mühen der letzten Monate, über Kampf, Traurigkeit
und Zuversicht. Sie erfahren, wie schwer die Pandemie die Kunst getroffen
hat und wie mutig Künstlerinnen und Künstler um ihre Sache kämpfen.
Ich bin sicher: Wir sehen uns wieder
– im Theater, im Kino, im Club, auf
großen und kleinen Bühnen, mit Weltstars
und bei Kinder- und Jugendkulturprojekten,
in der großen Oper und
auf den Plätzen unserer Stadt.
Herzlich
Dr. Klaus Lederer
Bürgermeister von Berlin und
Senator für Kultur und Europa
VORWORT
Helfen Sie uns, anderen zu helfen: Kultur-Charity für Berlin.
Klassikkonzerte und Clubnächte, Opernhäuser und alternative Musikszene, Theater aller Art und Künstler*innen aus der
ganzen Welt: Berlin steht wie kaum eine andere Metropole für eine lebendige und breit gefächerte Kulturszene.
Die Covid-19-Pandemie trifft viele Kulturschaffende hart, Existenzen sind massiv bedroht. Nachwuchskünstler sind besonders
von fehlenden Auftritts- und Einnahmemöglichkeiten, Kinder von fehlenden Bildungschancen betroffen. Für die deutsche
Hauptstadt kann dies bedeuten, viele kulturelle Ausdrucksformen und Nachwuchstalente unwiederbringlich zu verlieren.
Die Mercedes-Benz Niederlassung Berlin engagiert sich seit vielen Jahren für die Kultur und für die Nachwuchsförderung
benachteiligter Kinder. Doch diese Phase verlangt ganz besondere Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, insbesondere
jungen Talenten und Jugendlichen eine Perspektive für danach aufzuzeigen.
Die Charity-Spendenaktion #MercedesForCulture unterstützt deshalb drei Projekte, mit denen Nachwuchskünstler*innen
und bedürftige Kinder gezielt gefördert werden – gerade um die Pandemie-Zeit auch finanziell zu bewältigen.
„Klassik meets Jazz“
Gibt Nachwuchsmusikern eine Chance.
„Vorlesen hilft bedürftigen Kindern“
Librileo fördert Bildungschancen.
„Kultur für bedürftige Kinder“
Kinderoper der Komischen Oper Berlin.
Machen auch Sie, macht auch ihr mit und spendet für diese Projekte – jeder Betrag ist willkommen. Die Spendenmöglichkeiten
werden bei den einzelnen Projektvorstellungen unter www.benz.me/charity-aktion separat angegeben.
Mehr Informationen zu unserer aktuellen
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