Mein/4 Stadtmagazin Berlin 3/2021
Mein/4 Stadtmagazin Berlin, Ausgabe Dezember 2020
Mein/4 Stadtmagazin Berlin, Ausgabe Dezember 2020
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Im Gespräch mit Sandra Maischberger
und in ihren Talenten stärkt, sodass sie Lust haben auf
Leben, Lust auf Schule, Lust auf Erfolg und Lust haben
einfach zu sein. Es geht um Talent, um Selbstbewusstsein,
um Teamfähigkeit. Wir wollen auch den Lehrern zeigen,
dass jedes einzelne Kind in ihrer Klasse, auch wenn es
vielleicht gerade nicht so auffällt, etwas kann.
Ich habe gestern mit Cem Özdemir ein Interview gemacht,
und er erzählte von seiner Schulzeit. Er sagte: „Wir
waren immer die Kinder in der letzten Reihe.“ Sprich er,
Cem, der „Türkenjunge“, und José, der „Portugiesenjunge“,
waren die einzigen beiden Ausländerkinder in der Klasse.
Und er sagte: „Kein Lehrer hat mir etwas zugetraut.“ Er
ist nachher Erzieher geworden, weil es einen gab, der gesagt
hat: „Dieses Kind kann was.“ Und als Erzieher ist
er genau mit dem Gedanken dorthin gegangen: „Jedes
Kind kann das.“ Ich bin der festen Überzeugung, dass
das stimmt. Wir können es uns überhaupt nicht leisten,
als Gesellschaft auch nur ein Kind zurückzulassen, auch
nur ein Kind ohne Schulabschluss zu lassen. Mein Sohn
wächst in dieser Stadt auf. Er wird Teil dieser Stadt sein
und sich diese Stadt mit allen anderen Kindern teilen.
Das sind alle seine Stadtgenossen und -genossinnen. Wir
sind alle eine Gemeinschaft, und wir müssen aufeinander
achtgeben, finde ich.
Mein/4: An der Schule meiner Kinder haben
wir gerade ein Trommelprojekt laufen. Das
Gemeinschaftsgefühl ist toll. Ich habe gerade
ein Video vom Musiklehrer bekommen: 70 Leute
mit afrikanischen Trommeln. Ich bin begeistert
davon, wie verbindend das ist.
Wir können es uns überhaupt nicht
leisten, als Gesellschaft auch nur ein
Kind zurückzulassen.
Maischberger: Bei uns heißen diese Musikkurse „Kids &
Drums“. Das ist genau das Prinzip. Als wir in den Jahren
2016 und 2017 die vielen Willkommensklassen hatten, war
das das Mittel der Wahl. Da waren so viele Kinder, die
sich gar nicht verbal verständigen konnten, weder mit den
Lehrern noch untereinander. Bei diesen Musikgruppen,
die ja sehr niedrigschwellig anfangen, kann jeder sofort
mitmachen. Du brauchst überhaupt keine Vorbildung.
Die sind zusammengewachsen. Wir konnten uns gar nicht
retten vor Anfragen, dieses Programm auch an anderen
Schulen anzubieten. Das ist bis heute so. Wir haben tolle
Musiker und könnten doppelt so viele Klassen bespielen
– aber wir müssen das natürlich finanzieren. Berlin hat
inzwischen eine sehr lebendige Unternehmerkultur. Wir
haben vor allem Kinder an sogenannten Brennpunktschulen
im Auge, wo der Anteil an Schülerinnen und Schülern,
die die Schule ohne Abschluss verlassen, am höchsten
ist. Genau da setzen wir an und hoffen, dass wir dazu
beitragen können, dass da auch richtig guter Nachwuchs
für den Arbeitsmarkt rauskommt. Ich glaube, dass alle,
die hier ein Business aufziehen, ob Handwerk, Dienstleistung,
Gastronomie oder Hotellerie, Auszubildende
brauchen. Deswegen habe ich immer gehofft, dass wir
bei den Unternehmern vielleicht welche finden, die uns
dauerhaft unterstützen.
Mein/4: Aber wenn es jemand mit Ihren
Kontakten nicht schafft …?
Maischberger: Ich habe einen Hauptberuf, ob Sie es
glauben oder nicht [lacht]. Wir machen eine bundesweite
Sendung – so viele Gäste aus der Berliner Unternehmerschaft
haben wir gar nicht. Aber Dirk Rossmann z. B.,
der bei uns in der Sendung war, gehört zu unseren Großspendern.
Auch der Hotelmanager Zeèv Rosenberg hat
für uns eine großartige Charity-Aktion aufgezogen. Es
gibt Einzelne, die mitmachen, aber es könnten sehr
viel mehr sein. Unsere Programmleiterin, Ulla Giesler,
kümmert sich neben dem Fundraising ja um die zentrale
Arbeit mit den Schulen und unseren Projektleitern – deshalb
ist uns jede Hilfe willkommen. Ich moderiere auch
Firmenveranstaltungen für die Vereinskasse. Wenn sie mir
eine ordentliche Spende geben, mache ich alles [lacht].
Mein/4: Sie sind das Gesicht der Talkshows
im deutschen Fernsehen, zusammen mit Ihren
beiden Kolleginnen. Wie produzieren Sie
eine ausgewogene Sendung, in der Sie eigene
Vorbehalte und Meinungen außen vor lassen?
Maischberger: Die Frage hat sich mir nie so gestellt, weil
ich genau weiß: Wenn ich in so eine Sendung gehe, bin
ich allen gegenüber erst einmal aufgeschlossen. Das ist
ein professionelles Prinzip. Ich rege mich z. B. nie auf in
meinen Sendungen. Wenn ich mich privat mit Freunden
politisch streite, dann rege ich mich auf. Meine Aufgabe
als Talkmasterin ist es zu zeigen, dass es mehr als eine
Sichtweise gibt. Selbst wenn die anderen Sichtweisen mir
nicht gefallen, muss ich das akzeptieren. Auch bei der
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