Mein/4 Stadtmagazin Berlin 3/2021
Mein/4 Stadtmagazin Berlin, Ausgabe Dezember 2020
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TÄNZERIN – Laura La Risa
In unserem bewegenden Gespräch mit der
Solokünstlerin und freiberuflichen Tänzerin
Laura la Risa kommen wir nicht umhin festzustellen,
dass sich ihr Leben zweiteilt: in die
Zeit vor Corona und die Zeit seit Corona. Die
Tanzstudio-Inhaberin bereichert bereits seit
den 80er Jahren die Berliner Kulturszene.
Was dank Corona und dem Umgang mit der
Krise bleibt sind Schulden, Zukunftsängste
und Depressionen.
25 Jahre lang hat Laura la Risa beim Karneval
der Kulturen mitgewirkt. Sie war nicht
nur in der Jury, sondern hatte auch einen
Wagen. 2003 gründete sie La Vasca Flamenca
e. V., einen Verein zur Förderung der
Flamencokultur. Zwei Jahre später baute
sie an einem traditionsreichen Ort ihr Tanzstudio
aus, das auch eine Begegnungsstätte
und ein Platz zum Feiern wurde. „Als ich das
übernommen habe, war es einfach ein ausgebrannter,
leerer Raum mit Betonboden
und ohne Wände. Ich habe einen Kredit aufgenommen,
den ich Ende 2019 abbezahlt
habe“, erzählt sie uns.
Laura la Risa engagiert sich seit vielen Jahren
in der Inklusion. Unter anderem leitet sie
eine Gruppe von Menschen mit geistigen
und psychischen Behinderungen. Sie lernen
Flamenco und spielen mit Rhythmus: „Meine
Aufgabe war es, den Menschen den Spaß
an anderen Dingen zu vermitteln. Flamenco
ist Rhythmus, ist Gesang und alles Mögliche.
Du kannst über den Flamenco ganz viel erreichen,
auch bei dir selbst.“ Die umtriebige
Tanzlehrerin hat auch mit inhaftierten und
straffällig gewordenen Frauen gearbeitet.
Ein Flüchtlingsprojekt gehörte ebenso zu
ihrem Engagement für die Menschen.
Seit Corona das Leben bestimmt
Wo einst Hunderte Menschen tanzten, wo
es neben Flamenco auch Ballett, Salsa und
Hip-Hop gab, schwingt derzeit niemand
mehr das Tanzbein. Praktisch seit Mitte
März ist Laura la Risa mit ihrer Veranstaltungslocation
im Lockdown. „Zwischen den
Lockdowns durften nur vier Leute im Raum
sein. Meine Nachbarn achten sehr aufmerksam
darauf, ob hier Leute im Studio sind.
Sonst schicken sie mir das Ordnungsamt
vorbei.“ Alle Kooperationen wurden abgesagt
und liegen bis heute auf Eis. „Im Juni
habe ich noch einen Kurstermin veranstaltet,
mit all den Vorgaben. Von den 67 Leuten
kamen aber aus Angst nur sechs“, damit
reiht sich la Risa ein in die Schilderungen der
anderen Veranstalter, die über verhaltene
Besucherzahlen im Sommer berichten.
In der Tanzschule waren 13 Honorarkräfte
beschäftigt, keiner von ihnen hat mehr
einen Job. Ein großer Teil der Tanzschüler
hat mittlerweile gekündigt. Laura la Risa ist
traurig: „18 Jahre lang habe ich ohne Subventionen
daran gearbeitet, dass Menschen
mit geistigen Behinderungen zusammen mit
‚normalen‘ Menschen hier feiern und auftreten.
Diejenigen, die sich daran gestört haben,
habe ich nach Hause geschickt. Ich habe
diese Form der Inklusion knallhart durchgezogen,
und es hat geklappt.“
Das Überleben gleicht einem Kampf
Als Solokünstlerin musste Laura la Risa Arbeitslosengeld
II beantragen. Die Soforthilfe
des Landes hat sie noch bekommen, seit
Oktober hat sie kein Geld mehr erhalten.
Bislang blieben sowohl die Novemberhilfe
als auch die Überbrückungshilfe aus. „Ich
habe Angst“, gibt die Tänzerin zu, „ich habe
den ganzen Sommer über Marmelade ge-
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meinviertel – Kultur Spezial