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Notensystem Ein für Tango Argentino - Lix

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19 Form F 67-82 neu 16.06.2004 20:58 Uhr Seite 2<br />

fest als Noten. Trotzdem, oder vielleicht<br />

gerade deswegen, ist die Arbeit mit dem<br />

<strong>Notensystem</strong> <strong>für</strong> Musiker, Dirigenten und<br />

Komponisten unverzichtbar. Die meisten<br />

Musiker üben mit Noten, und versuchen<br />

nicht etwa eine bestimmte Tonbandaufzeichnung<br />

‘nachzuspielen’. Die musikalische<br />

Interpretation von notierter Musik gibt dem<br />

Musiker einen kreativen Spielraum. Komponisten<br />

versuchen in der Regel auch nicht,<br />

eine konkrete Interpretation vorzugeben.<br />

Diese Gründe <strong>für</strong> ein <strong>Notensystem</strong> in der<br />

Musik lassen sich auch auf Tanz übertragen.<br />

Der Abstraktionsprozess von einer Tanzfigur<br />

zur Notation scheint sogar noch bedeutender<br />

zu sein: die bloße Anotation einer Figur ist eine<br />

aufwendige Tätigkeit, die oft zu einem tieferen<br />

Verständnis der Abläufe führt. Auch<br />

hier macht es Sinn, zwischen abstrakter Choreographie<br />

und konkreter Interpretation des<br />

Tänzers zu unterscheiden. Julia McGuinness-<br />

Scott schreibt hierzu in [7], Seite 102: „... the<br />

recording of a dancer’s interpretation of a<br />

role does not generally have a place in the<br />

choreographic score written for the preservation<br />

of a choreographic work. Just as a<br />

music score is written as the inspiration of<br />

the composer, allowing for interpretation, so<br />

is the choreographic score. The notator,<br />

working in the recording situation, is responsible<br />

for separating the choreographer’s<br />

intent from the dancer’s interpretation.’’<br />

Wozu ein <strong>Notensystem</strong> <strong>für</strong> <strong>Tango</strong>?<br />

Bei Tänzen ohne feste Choreographie, in denen<br />

ein Partner frei improvisiert und der andere<br />

Partner folgt, wie etwa im <strong>Tango</strong> und<br />

Salsa, kann ein <strong>Notensystem</strong> dem Führenden<br />

helfen, die Vielfalt an gelernten Figuren zu<br />

strukturieren, und neue Figuren schneller<br />

und einfacher zu behalten. Es kann Anregungen<br />

<strong>für</strong> neuartige Kombinationen kleinerer<br />

Elemente des Tanzes geben, und den gedanklichen<br />

Austausch zwischen Tänzern<br />

durch eine gemeinsame Sprache erleichtern.<br />

Die Logik des Führens und Folgens birgt eine<br />

ganz eigene Komplexität, und wurde in Benesh<br />

Movement Notation und Labanotation<br />

bisher noch nicht behandelt. Die Beschäftigung<br />

mit <strong>Notensystem</strong>en erfordert, sich damit<br />

auseinanderzusetzen, was Führung genau<br />

bedeutet. <strong>Ein</strong> <strong>Notensystem</strong> kann dabei<br />

ein Hilfsmittel sein, um auch abstrakt zu verstehen,<br />

was man gewöhnlicherweise intuitiv<br />

beherrscht.<br />

Benesh Movement Notation<br />

Bevor ich auf die besonderen Anforderungen<br />

an ein Notationssystem <strong>für</strong> <strong>Tango</strong> eingehe,<br />

möchte ich das am systematischsten entwickelte<br />

universelle Notationssystem <strong>für</strong><br />

menschliche Bewegung erwähnen. Die<br />

72 Especial<br />

Benesh Movement Notation (BMN) wurde<br />

Ende der vierziger Jahre von Joan und Rudolf<br />

Benesh entwickelt, und 1955 veröffentlicht.<br />

Es wurde bald vom Royal Ballet und zahlreichen<br />

anderen führenden Tanzschulen<br />

übernommen. Es gibt ein Benesh Institute,<br />

das die Weiterentwicklung der Notation<br />

koordiniert.<br />

Abbildung 1:<br />

Benesh Movement Notation <strong>für</strong> eine häufige Sequenz<br />

in der Choreographie von „Fünf <strong>Tango</strong>s“ - sie steht <strong>für</strong><br />

einen Schritt nach vorne.<br />

Das Sprachdesign der BMN basiert auf zwei<br />

Grundprinzipien [1] . Das erste besagt, daß die<br />

Bewegungsnotation visuell sein muß. Da Bewegung<br />

mit dem Auge wahrgenommen<br />

wird, soll die Notation auf der logischen<br />

Struktur visueller Wahrnehmung aufbauen.<br />

Das zweite Prinzip geht noch einen Schritt<br />

weiter, und besagt, daß die Notation die Perspektive<br />

eines Betrachters einnehmen soll,<br />

der dreidimensionale Bewegungsabläufe auf<br />

zwei Dimensionen projiziert wahrnimmt.<br />

Mit den Symbolen der Sprache wird dann die<br />

Projektion menschlicher Körper auf die<br />

‘Bildfläche’ des Betrachters beschrieben.<br />

Um diese Prinzipien umzusetzen, verwendet<br />

BMN fünf fortlaufende Linien, wie auch das<br />

<strong>Notensystem</strong> der Musik. Symbole auf der ersten<br />

Linie stehen <strong>für</strong> Informationen die den<br />

Fuß betreffen, und die weiteren Linien werden<br />

entsprechend <strong>für</strong> Knie, Hüfte, Schultern<br />

und Kopf verwendet. Illustration 1 zeigt die<br />

Notation eines einzelnen bestimmten Schrittes<br />

im <strong>Ein</strong>akter „Fünf <strong>Tango</strong>s“ des Choreographs<br />

Hans van Manen.<br />

Notation von Führung im Paartanz<br />

Was genau meinen wir, wenn wir sagen, daß<br />

ein Tanzpartner eine Figur führt? Der Führende<br />

möchte eine gewisse Figur mit seinem<br />

Partner tanzen, obwohl der nicht weiß,<br />

welche Figur getanzt werden soll. Bei einem<br />

überschaubaren Repertoire an bekannten<br />

Figuren läßt sich dieses Problem noch<br />

durch bestimmte Absprachen zwischen den<br />

Partnern lösen. Im <strong>Tango</strong> <strong>Argentino</strong> und im<br />

Salsa dagegen ist es möglich, nahezu jede<br />

Choreographie zu führen, und das oft<br />

sogar, wenn der Folgende einzelne Figuren<br />

daraus noch nie zuvor getanzt hat. Der<br />

Schlüssel dazu sind ein paar wenige<br />

Prinzipien der Kommunikation zwischen<br />

Führendem und Folgendem, die sich in diesen<br />

Tänzen herausgebildet haben. Und so ist<br />

es möglich, daß zwei fremde Menschen<br />

schon von den ersten Schritten eines gemeinsamen<br />

Tanzes an harmonieren.<br />

f<br />

Abstraktion<br />

Die Details dieser nonverbalen Führung sind<br />

extrem schwierig zu annotieren. Manche Impulse,<br />

die eine Bewegung beim Partner auslösen<br />

sollen, kündigen sich oft über leichte Gegenbewegungen<br />

an. Die Reaktion des Folgenden<br />

zeigt dem Führenden an, ob die Information<br />

angekommen ist. Der Versuch, den gesamten<br />

möglichen Informationsaustausch erfolgreicher<br />

Führung in BMN festzuhalten,<br />

scheint daher nicht nur mühselig (siehe<br />

Abbildung 1), sondern aufgrund der interaktiven<br />

Elemente prinzipiell problematisch zu<br />

sein. Viele Faktoren hängen von der jeweiligen<br />

Situation und den Partnern ab. Wie Führung<br />

im Detail aussieht und ablaufen sollte,<br />

wird zudem selbst innerhalb der Tanzrichtungen<br />

kontrovers gesehen. Auf der anderen<br />

Seite sind die wichtigsten Prinzipien von<br />

Führung meist unverändert. Beispielsweise<br />

weiß der führende <strong>Tango</strong>tänzer, wie er dem<br />

Partner mitteilt, daß der sein Gewicht auf<br />

das andere Bein verlagert; ein Folgender<br />

im Salsa weiß, welche Signale eine Drehung<br />

auslösen sollen etc. Es wird also in einer<br />

praktikablen Notation unumgänglich sein,<br />

<strong>für</strong> Führungsimpulse gewisse Abstraktionen<br />

vorzunehmen.<br />

Anforderungen an ein <strong>Notensystem</strong><br />

In Abschnitt 2 wurden die zwei Grundanforderungen<br />

genannt, die Rudolf Benesh an das<br />

Design seiner Notation gestellt hat. Was sind<br />

die Grundanforderungen an ein <strong>Notensystem</strong><br />

<strong>für</strong> Tänze mit führendem und folgendem<br />

Partner? Die Notation sollte visuell sein - dieser<br />

ersten Anforderung der BMN schließe ich<br />

mich hier an. Allerdings scheint bereits die<br />

zweite Anforderung von Benesh einer praktikablen<br />

Notation <strong>für</strong> unsere Zwecke im Wege<br />

zu stehen: Sie besagte, daß bei der Beschreibung<br />

von Bewegung von einer Betrachterposition<br />

auszugehen ist. Das mag <strong>für</strong> klassischen<br />

Tanz Sinn machen. Im <strong>Tango</strong> <strong>Argentino</strong><br />

allerdings (wie auch im Salsa) ist der erste<br />

und wichtigste Bezugspunkt eines Tänzers<br />

der eigene Partner. Weiterer Bezugspunkt ist<br />

speziell im <strong>Tango</strong> die Tanzrichtung, während<br />

die absolute Richtung im Saal beziehungsweise<br />

die Ausrichtung auf eventuelle Zuschauer<br />

eine untergeordnete Rolle spielen.<br />

Ich möchte im folgenden zwei zusätzliche<br />

Anforderungen formulieren. Die erste: Bei<br />

einer geführten Figur sollten sich die<br />

entsprechenden Noten <strong>für</strong> den Folgenden<br />

aus den Noten <strong>für</strong> den Führenden und<br />

den letzten bisherigen Noten <strong>für</strong> den<br />

Folgenden erschließen. Das heißt, daß die<br />

Notation der Bewegungen beider Partner<br />

im Falle erfolgreicher Führung Redundanz<br />

enthält: Wenn eine Figur geführt wird,<br />

liefern die Noten <strong>für</strong> den Folgenden keine<br />

neue Information. Ich glaube, daß diese Form<br />

der Redundanz im <strong>Notensystem</strong> förderlich<br />

Nr. 3 · 2004|<strong>Tango</strong> danza

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