EDUCATION 1.21

Politischer Kommentar | Regard politique
MITBESTIMMEN: DER WEG
ZUR GESELLSCHAFTLICHEN
PARTIZIPATION
Christine Häsler, Bildungs- und Kulturdirektorin
christine.haesler@be.ch
Mitbestimmung und Partizipation sind nicht einfache Themen in
dieser schwierigen Zeit. Täglich werden wir damit konfrontiert,
dass uns die Pandemie und die entsprechenden Massnahmen
und Einschränkungen dirigieren. Man fühlt sich immer wieder
ausgeliefert und von der Krise eingeengt. Das Gefühl, selbst
kaum etwas mitbestimmen oder beitragen zu können, ist gegenwärtig
stark. Das ist für Regierungsmitglieder nicht anders, auch
ich fühle mich oft machtlos und in manch schlaflosen Nächten
auch ratlos.
Die Krise hat viele drängende Fragen in unser Leben katapultiert:
Wie können wir der Pandemie am besten trotzen? Welchen
Weg müssen wir einschlagen, um den Bedürfnissen möglichst
vieler Menschen am besten gerecht zu werden und Ungleichheit
und Ungerechtigkeit nicht zusätzlich zu erhöhen? Wie schützen
wir die gefährdeten Menschen vor einer Ansteckung? Wie schützen
wir die Lehrpersonen oder die vulnerablen Angehörigen von
Kindern? Aber auch: Wie halten wir die Kultur am Leben, wenn
sie nicht stattfinden darf? Wie erreichen wir, dass alle Schülerinnen
und Schüler mithalten können, wenn wieder Fernunterricht
nötig wird? Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit alle,
die in den Schulen arbeiten, ihre Aufgabe noch mit Freude verrichten
und tragen können.
«Was kann ich als Einzelne und Einzelner schon verändern?» –
eine Frage, die man sich rasch stellt, wenn es um diese Pandemie,
aber auch um Themen wie die Klimakrise, Armut und Krieg geht.
Doch es ist wie beim Sprichwort: Viele kleine Menschen, die
an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht
der Welt verändern. Wir vergessen dies oft. Vor allem dann, wenn
wir allein sind. Aber in der Tat sind all die kleinen Dinge, die wir tun,
für das grosse Ganze unendlich wichtig. Dass wir auch in dieser
Krise die schwächeren Gesellschaftsmitglieder nicht vergessen,
dass wir anderen Menschen eine Hilfe sind und uns für jemanden
Zeit nehmen. Dass wir wieder Briefe schreiben oder jemanden
anrufen. Dass wir versuchen, das Gegenüber zu verstehen, Streit
zu schlichten und Lösungen zu finden. Dass wir verzeihen. All diese
vermeintlich kleinen Dinge haben eine grosse Wirkung.
Entsprechend ist auch politische Partizipation viel mehr, als
ein Amt in einer Exekutive oder Legislative innezuhaben. Auch wer
sich im Sozialen engagiert und Verantwortung übernimmt, macht
Politik. Wer die politische Berichterstattung mitverfolgt, mit anderen
darüber diskutiert, abstimmt und wählt und sich offen äussert,
nimmt am politischen Leben teil. Wer Vereine, Institutionen
oder Gremien führt oder mitunterstützt, bestimmt in der Gesellschaft
mit und prägt sie. Mitbestimmen ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen
Partizipation.
Foto: David Schweizer
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