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STADTJournal Ausgabe März 2021

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STADTJournal Unsere Heimat

Ein lauter schöner Brauch

Dem „Ave Maria“ zum Tagesanfang folgt

am Mittag das „Zwölef Auere“; so wurde

„zwölf Uhr“ vor zwei oder drei Generationen

gesprochen. Das Mittags- oder

Zwölfuhrläuten wie auch der mittägliche

Ruf an Karfreitag und Karsamstag ist oder

war die Einladung, zum zweiten Mal den

„Engel des Herrn“ oder „Angelus“ zu beten,

eine meditative Betrachtung der Verkündigung

des Erzengels Gabriel an Maria, dass

sie einen Sohn gebären werde, und der

Menschwerdung Christi, wie sie der Evangelist

Johannes gleichnishaft beschreibt.

Vor 65 Jahren: Entlassjahrgang 1956

Manch einer mag es als unangenehmen

Lärm empfinden,

wenn er am frühen Karfreitagmorgen

von einem ungewöhnlichen

Rattern und mehr oder minder

lautem Rufen aus dem Schlaf gerissen wird.

Die meisten aber freuen sich wahrscheinlich

an dem alten Brauch mit dem wiederholten

„Ave Maria“ und bedauern es, wenn

sie nicht wach wurden, weil es für sie zu

leise war.

Dem vermeintlichen Lärm geht der Gottesdienst

am Gründonnerstagabend voraus,

den die Gemeinde zur Erinnerung an das

letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern

feiert. Nach dem festlichen „Gloria“, dem

Lobgesang der christlichen Liturgie, beginnt

die Stille der Karwoche und bis zur Osternacht

schweigen Orgel und Glocken. Als

Grund dafür heißt es im Volksmund und

auf Kärlicher Platt: „De Gloke fleéje no Rom

déke Mélech ääse“ oder auf Hochdeutsch

übersetzt: „Die Glocken fliegen nach Rom

Dickmilch essen.“ Deshalb kündeten einst

die Jungen des Schulentlassjahrgangs die

Tageszeiten und riefen zu den Gottesdiensten.

Inzwischen halten Messdienerinnen und

Messdiener die Tradition wach, gelegentlich

unterstützt von anderen Kindern.

Der Tag fing für die Jungen oft sehr früh

an, wenn sie sich an der Kirche oder am

„Troch“ trafen (Platz an der Ecke von

Schweizer- und Hauptstraße in Kärlich).

Aufgeteilt in kleine Gruppen

ging es von dort durch

die Straßen und zu den

Mühlen außerhalb

der Ortslage; mitunter

radelte einer

sogar bis zur

Waldmühle,

um auch dorthin

den Morgengruß

zu

bringen.

Ratsche oder

„Leier“ ohne

Resonanzkasten

Am Nachmittag oder Abend, bevor die

Karfreitags- oder Osternachtsliturgie

beginnt, sind die Aufforderungen „Et

üeschte Moo en de Kärech!“ und „Et letzte

Moo en de Kärech!“ zu hören, übersetzt:

„Das erste Mal in die Kirche“ und „Das

letzte Mal in die Kirche!“ Das wurde vielleicht

schon missverstanden, bedeutet aber

nicht, dass es der letzte Kirchgang sein soll.

Es ist vielmehr ungefähr eine halbe Stunde

vor Gottesdienstbeginn der erste Aufruf zu

kommen und eine Viertelstunde später der

zweite bzw. letzte.

Eingeleitet werden die Rufe mit einer Ratsche,

der „Leier“ (ei wie äi gesprochen),

einem Holzinstrument mit drei oder

mehr Hämmern, die von einer mit

Zapfen besetzten Walze angehoben

werden, um anschließend auf die

Bodenplatte zurückzuschnellen.

Diese Walze bewegen die Jungen

und Mädchen einige Mal mit halber

Kurbeldrehung im Marschrhythmus,

bevor ein schnelles, unüberhörbares

Rollen einsetzt.

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