Zwischen Wahlkampf und Regierungsverantwortung - Centrum für ...
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III. Der Verhandlungsprozess als Scharnier zwischen<br />
<strong>Wahlkampf</strong> <strong>und</strong> Regierungsarbeit<br />
10<br />
1. Ziele: Interessen <strong>und</strong> Strategien<br />
In Koalitionsverhandlungen unternehmen die angehenden Regierungsparteien den<br />
Versuch, jeweils möglichst viele ihrer im <strong>Wahlkampf</strong> artikulierten Ziele in den<br />
Koalitionsvertrag einzubringen <strong>und</strong> gleichzeitig die strukturelle <strong>und</strong> personelle<br />
Zusammensetzung der Koalition zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Zwar werden<br />
entsprechende Vereinbarungen informell ausgehandelt <strong>und</strong> sind rechtlich nicht bindend<br />
(Weber 1967: 79 ff.). Trotzdem bestimmen sie den künftigen Kurs einer Regierung<br />
sowie die Handlungsspielräume der beteiligten Akteure maßgeblich, wodurch sie eine<br />
prägende Wirkung auf die Funktionsfähigkeit der neuen Koalition ausüben. Darüber<br />
hinaus schafft der da<strong>für</strong> notwendige Aushandlungsprozess Vertrauen <strong>und</strong><br />
Berechenbarkeit zwischen den neuen Partnern, während die schriftliche Fixierung von<br />
Personalentscheidungen, Sachpolitiken <strong>und</strong> Entscheidungsverfahren das<br />
Konfliktpotenzial innerhalb des neuen Bündnisses reduziert (Saalfeld 2007a: 191). Im<br />
Folgenden soll untersucht werden, von welchen vorrangigen Interessen die Akteure in<br />
dieser wegweisenden Phase des Koalitionsbildungsprozesses geleitet werden <strong>und</strong><br />
welche taktischen <strong>und</strong> strategischen Maßnahmen sie dabei zur Durchsetzung ihrer Ziele<br />
ergreifen.<br />
Bis zur Aufnahme der Verhandlungen obliegt es den Akteuren, vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />
der gegebenen Umstände <strong>und</strong> Sachzwänge (Wahlergebnis, Koalitionsoptionen,<br />
Divergenz der Wahlprogramme, personelle Ressourcen, institutionelle Gegebenheiten,<br />
innerparteiliche <strong>und</strong> öffentliche Erwartungen etc.) ihre jeweiligen<br />
Verhandlungsspielräume zu maximieren. So erklären sich etwa die überzogenen <strong>und</strong><br />
öffentlich proklamierten Forderungen von Strauß nach einem bereits an die Liberalen<br />
vergebenen Schlüsselressort im Jahr 1983, der vom Wähler schwach mandatierten<br />
Grünen nach einem vierten B<strong>und</strong>esministerium 1998 oder das Festhalten Schröders an<br />
der Kanzlerschaft trotz des schwächeren Abschneidens seiner Sozialdemokraten im<br />
Vergleich zur Union 2005. Insbesondere durch die Inszenierung potenzieller<br />
Konfliktszenarien erwirken also selbst unrealistische Postulate eine Verbesserung der<br />
Verhandlungsposition (Kropp 2001: 64). Trotz dieser teils harschen taktischen Vorstöße