Kleines Kurzfilmtonkochbuch

4 GEDANKENSTIMMEN UND ERZÄHLER 5
4 Gedankenstimmen und Erzähler
Damit eine Stimme deutlich vor dem Bild steht (Overlay, ” Gedankenstimme“), nimmt man
sie mit einem Kondensator–Gradientenempfänger (Nahbesprechungseffekt!) so nah wie möglich
auf. Ggf. Schalter am Mikrofon in Position ” linear“, Popschutz–Schirm nicht vergessen, bei der
Aufnahme sorgfältig auf Popgeräusche checken. Das typische Mikrofon zur Sprachaufnahme im
Studio ist das Kondensator–Großmembranmikrofon (AKG C 414, Neumann TLM 103, Neumann
U 87). Ein gutes Kleinmembranmikrofon (Neumann KM 184) geht auch.
Gesprochen wird im Stehen, das Manuskript liegt auf einem Pult oder Notenständer. Das
Mikrofon wird so aufgebaut, dass es keine Reflexion von der Pultoberfläche bekommt (Gefahr
für ” phasigen“ Ton).
Normalerweise macht man das alles in der Postproduktion — wenn es aber schnell gehen
soll und die Sprecherin oder der Sprecher am Set ist, dann kann man das genau so gut beim
Dreh als Nur–Ton machen. Dazu baut man rechtzeitig abseits der Kamera mit einem der o.g.
Mikrofone einen Sprecherplatz mit Pult und Popschirm auf. Vorsicht: Wenn jemand im Dunkeln
über diesen Sprecherplatz fällt, wird es richtig teuer.
5 Atmos
Jeder Filmton basiert von der ersten bis zur letzten Minute auf Atmos (Ausnahme: Szenen mit
dominanter Musik). Die Atmo ist ein wesentliches Werkzeug zur akustischen Gestaltung einer
Szene; sie vermittelt Informationen über den Raum, die Umgebung und das soziale Umfeld.
Filmton ohne Atmo funktioniert nicht. Eine an das fertig geschnittene Bild angelegte Atmo verbindet
die Szene über die Schnitte und bettet den Zuschauer akustisch in das Geschehen ein —
ohne Atmo kann ein geschnittenes Bild ” auseinanderfallen“ und künstlich wirken (insbesondere
bei Studioaufnahmen). Auch eine ” stille“ Szene muss eine Atmo bekommen, die den Eindruck
von Stille akustisch vermittelt (Rauschen, evtl. leise Geräusche wie der übliche tropfende Wasserhahn).
Die ” echte“ Stille klingt u.U. wie ein technischer Fehler.
Atmos werden im Gegensatz zum monophonen Angelton meist mit zwei Mikrofonen auf dem
Stativ in Stereo aufgezeichnet — wenn man nicht gleich mit vier Mikrofonen vierkanalig für eine
Surroundmischung aufnimmt (IRT–Kreuz, Hamasaki–Square). Gut geeignet sind z.B. zwei
Druckempfänger (z.B. Neumann KM 183) auf einer großen Stereoschiene (35 cm). Nierenmikrofone
(KM 184) gehen auch, sind aber windempfindlicher (universell geeigneter Aufbau: ORTF,
d.h. Kapselabstand 17 cm, Winkel zwischen den Mikrofonen 110 ◦ ). Ein professioneller Ansatz ist
die MS–Aufzeichnung (Mitten–Seiten–Stereofonie), die man aber nur benutzen sollte, wenn man
das nötige theoretische Basiswissen über Stereotechnik hat. Bei jedem Atmo–Mikrofonaufbau
mit zwei oder mehr Kleinmikrofonen braucht man Schaumstoff–Windschutzbällchen.
Für schnelle Atmos kann man auch die Angel benutzen und die Atmo in Mono aufzeichnen.
In der Mischung kann man dann aus zwei Mono–Atmos (bzw. zwei verschiedenen Abschnitten
derselben Atmo) eine wirkungsvolle Stereo–Atmo erzeugen, indem die beiden Mono–Spuren
nach ganz links bzw. ganz rechts gelegt werden: Dieser Trick funktioniert z.B. sehr gut bei allen
indifferenten Atmos, bei Menschenmengen und Naturgeräuschen.
Braucht man die akustische Stimmung des Aufnahmeortes, dann nimmt man Atmos beim
Dreh auf. Ansonsten macht man unabhängig vom Dreh Atmo–Aufnahmen mit mobiler Technik,
und natürlich bedient man sich gern und viel in Archiven (kleiner Haken: Billige lizenzfreie CD–
Archive sind oft uninteressant oder unbrauchbar). Im HAW–Tonlabor ist ein kleines, aber gutes
(und lizenziertes) Archiv verfügbar. Profis legen sich private Archive mit selbst produzierten
Atmos und Toneffekten an. Eine gute Quelle für lizenzfreie Töne ist www.soundsnap.com, ein
Sounddesigner–Forum zum Austausch von Original–Atmos und Toneffekten.